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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.10.2019

Spezieller Genremix, berührend, widersprüchliche Hauptfigur

Washington Black
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Cover, Klappentext, positive Kritiken und Prämierungen veranlassten mich dazu, das Buch lesen zu wollen.
Der Beginn gerät packend. Die beschriebenen Auswirkungen der brutalen Sklaverei (auch z. B. zu Schwangerschaften ...

Cover, Klappentext, positive Kritiken und Prämierungen veranlassten mich dazu, das Buch lesen zu wollen.
Der Beginn gerät packend. Die beschriebenen Auswirkungen der brutalen Sklaverei (auch z. B. zu Schwangerschaften und Neugeborenen) erschüttern, lösen Mitgefühl aus, schaffen Assoziationen zu Meisterwerken wie Onkel Toms Hütte, Fackeln im Sturm, Ten Years a Slave.
Nebenfiguren wie z. B. Kit weckten bei mir großes Interesse.

Die Handlung beginnt in einem engen Mikrokosmos. Dann begleitet man Hauptfigur Wash beim Erforschen neuartiger Tätigkeiten, Menschen, Gegenden, von denen ihn manche faszinieren und manche abstoßen. Zunächst notgedrungen wird er Teil eines Abenteuers, schnuppert an der Freiheit.
Nach einem Genre befragt, müsste ich antworten: Irgendwie von vielem ein bisschen, nichts so richtig. Coming-of-Age, Selbstfindung, Entdeckungs-/Forschungs-/Abenteuerroman. Mal sanft, mal brutal. Ein Roman über ungewöhnliche Freundschaft. Der historische Anteil lässt sich nur näherungsweise bestimmen. Zu hart-realistisch, um als magisch-träumerisch durchzugehen.

Dem Grunde nach hat meine Leidenschaft für dieses Buch immer mehr abgenommen. Teils empfand ich Wissenslücken bei Zeitsprüngen, teils wurde mir zu detailverliebt und mit einigen merkwürdigen Bildnissen erzählt. Vor allem aber rechne ich dies dem zu, dass der namensgebende Hauptcharakter, aus dessen Sicht man die gesamte Geschichte begleitet, auf mich nicht stringent und glaubhaft wirkt.
Irritiert hat mich beispielsweise, wenn ein mit Schmerz und Entbehrung aufgewachsener Sklave merkwürdig riechendes Essen verschmäht oder eine Zufluchtsstätte verlassen möchte, weil ihn der Job des Schützers gruselt. Ich fragte mich zudem, wie er sich sein Wissen und Auftreten aneignete, wenn er doch keine Schulbildung oder Vorbilder hatte.
Solche Irritationen sorgten für emotionale Distanz beim Lesen. Dies geht zulasten von Thrill und Dramatik.
Das Ende wirkt dann auch sehr abrupt und lässt viel offen. Es bleibt die Frage im Raum: Was will mir die Autorin mit diesem Roman eigentlich sagen? Und wie viel Fiktion und wie viel Wahrheit steckt hinter den Schilderungen? Ein erklärendes Nachwort oder Ähnliches gibt es leider nicht.

Ich vergebe knappe vier Sterne. Das Werk hat mich streckenweise berührt und unter Unterhaltungsaspekten gut bei der Stange gehalten. Besonders die Nebenfiguren sind reizvoll. In Ansatz, Handlung und bildmalerischer Sprache ist es etwas Besonderes und weist literarischen Wert auf. Es vermittelte mir einige glaubwürdige Einblicke in die Lebenswirklichkeit der 1830er. Negativ fällt auf, dass mich die Hauptfigur nicht überzeugen konnte und Intention und Ausgang für mich zu viele Fragen offenlassen.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Reizvolle zeitgenössische Einblicke und charmant vorgetragene Enthüllungen

Lassen Sie mich mal machen
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Motivation: Titel, Cover und Kurzbeschreibung ließen mich zu einem Buch greifen, das nicht in mein Beuteschema passt. In den 90ern/00ern aufgewachsen, beschränken sich meine Vorkenntnisse zu beschriebenen ...

Motivation: Titel, Cover und Kurzbeschreibung ließen mich zu einem Buch greifen, das nicht in mein Beuteschema passt. In den 90ern/00ern aufgewachsen, beschränken sich meine Vorkenntnisse zu beschriebenen Dekaden ab den 1960ern auf kurze mündliche Erzählungen, Fernsehen und historische Romane (z. B. „Rheinblick“). Biografien berühmter Persönlichkeiten bergen die Gefahr, dass Selbstprofilierung eine große Rolle spielt. Hier ging bin ich mit der Hoffnung heran, zeitgenössische Eindrücke einer auf dem Boden gebliebenen Mitbürgerin und die Gesellschaft unauffällig mitgeprägten „Arbeitsbiene“ erhaschen zu können.

Sprach- und Erzählstil sind für mich gewöhnungsbedürftig. Bei diesem stark biografisch geprägten Buch gewinne ich das Gefühl, Sekretärin Heide Sommer sei oft noch eine zusätzliche Anekdote eingefallen, die es unterzubringen gilt. Hieraus ergeben sich zahlreiche verschachtelte Satzkonstruktionen. Das erfordert Konzentration beim Lesen. Angeführt werden Details, die der Autorin viel bedeuten mögen, weil sie z. B. Wegbegleiter würdigen. Und bezogen auf die eigenen Eltern fand ich das auch durchaus packend und erwähnenswert. Aber wenn z. B. auf Verwandte von Arbeitskollegen oder Chefs eingegangen wird, hat das für mich mangels Relevanz wenig Interesse entfacht und mein Erinnerungsvermögen überstrapaziert.
Die überwiegend chronologische Erzählweise ist für das Verständnis hilfreich. Nur selten wird etwas vorweggenommen (z. B. zu ihrem Liebesleben) und dann an anderer Stelle vertieft.

Die Autorin nimmt sich selbst zurück, stellt sich auch nicht als Übermenschen dar, begnügt sich mit biederen Beschreibungen zu ihrem eigenen Privatleben, soweit es Auswirkungen auf Werdegang und Geisteshaltung hat, widmet sich ansonsten vorrangig Ausführungen zu ihrem erfüllten Berufsleben, bei dem es unübersehbar „menschelte“. Auch wenn mir ihre persönliche Meinung zu einigen Vorgängen ein bisschen kurz kommt, finde ich es andererseits gut, dass der Fokus auf der professionellen Ebene gewahrt bleibt.

Die meisten hier angeführten Figuren der Zeitgeschichte kannte ich bisher nicht. Bestimmt ist es aufregender und spannender, wenn diese Persönlichkeiten aus der eigenen Medienlandschaft bereits ein Begriff sind. Dann weiß man es mehr zu schätzen, wenn „aus dem Nähkästchen geplaudert“ wird. Ich finde, es gelingt der Autorin gut, neue Erkenntnisse auf charmante (wertende, aber nicht verurteilende) Weise zu vermitteln. Auch wenn sie auffälliges Verhalten enttarnt, erfolgt dies wertschätzend, augenzwinkernd, ohne der Lächerlichkeit preiszugeben, und doch amüsant und kurzweilig.

Als besonders interessant empfinde ich Ausführungen zur organisatorischen, technischen und inhaltlichen Aufbereitung einer Zeitung, zum Wandel im menschlichen Umgang (Büroalltag, Beziehungen, Veranstaltungen, Geschlechterrollen) sowie weiteren Entwicklungen und Trends in Politik und Gesellschaft (Mode, Wohnen, Arbeitsmarkt, …). Dahingehend wurde meine Erwartungshaltung an den Roman erfüllt.
Ich spüre, dass Heide Sommer mit Überzeugung und Leidenschaft erfüllt ist, bei dem was sie tut. Politische Statements von ihr zur Lage der Nation stechen positiv hervor. Toll ist auch der Anhang mit Fotos.

Fazit: Einerseits nehme ich zusätzliches Wissen und Denkanstöße mit und wurde gut unterhalten. Andererseits bin ich auf Längen gestoßen. Streckenweise war für mich als vergleichsweise junge Leserin die Informationsdichte zu hoch. Aufgrund des anstrengenden Stils musste ich mich manchmal zum Weiterlesen überwinden. Insgesamt vergebe ich vier Sterne. Ich möchte es auf keinen Fall missen, mich dank Heide Sommer in diese hochinteressanten Zeiten hineingedacht und -gefühlt zu haben.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Spannender, realistischer und in Deutschland verorteter High-Tech-Thriller

Kontrolle
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Genre, Klappentext, die Verortung in Deutschland und die Leseprobe haben mich angesprochen.

Man wechselt zwischen drei Erzählperspektiven (Kai, Malu, Hans), die alle für Thrill sorgen und sich problemlos ...

Genre, Klappentext, die Verortung in Deutschland und die Leseprobe haben mich angesprochen.

Man wechselt zwischen drei Erzählperspektiven (Kai, Malu, Hans), die alle für Thrill sorgen und sich problemlos identifizieren lassen. Die Leseabschnitte weisen eine angenehme Länge auf. Die Figuren haben nachvollziehbare Gedankengänge und agieren nicht dumm. Sie verfügen über eine Vergangenheit, welche ihre Gefühle und Verhaltensweisen prägt und eine gewisse Individualität verleiht. Toll finde ich den auflockernden Humor, z. B. durch Nebenfigur Sonja.

Autor Jens Bühler erzeugt ein hohes Erzähltempo. Ohne dass es langatmig wird, erhält man brauchbare Eindrücke zu Umgebung und Atmosphäre, sodass man sich hineindenken kann. Es treten viele Fragen auf, die zum Spekulieren einladen. Der Autor arbeitet bei der Polizei. Ich nehme an, dass dies bei der Beschreibung von Prozessabläufen in der Kriminalistik hilfreich war. Erklärungen zu Technik, Militär, Geheimdienst und Wissenschaft empfand ich als einleuchtend. Diese sind auch gut dosiert, sodass ich nicht überfordert war. Schade bloß, dass man als Laie die Grenze zur (Noch-)Fiktion nur erahnen kann.
Es entsteht der Eindruck, dass sich alles tatsächlich so abspielen könnte.

Showdown, Wow-Effekt und stimmige Antworten auf zahlreich aufgetretene Fragen sorgen für ein zufriedenstellendes Ende. Der Roman ist abgeschlossen mit Potenzial für eine Fortsetzung.

Viel Lob, doch mein Gefühl ergibt bloß eine Vier-Sterne-Bewertung. Mangels Korrektorat/Lektorat sind noch viele Fehler (z. B. falsche Wortendungen) enthalten. Dann noch subjektive Schwachstellen: Andere Romane, die ich mit fünf Sternen bewerte, finde ich noch kreativer/innovativer oder mit tollen Denkanstößen behaftet. Dass die Sprache prägnant und unverblümt gehalten ist und ein Identifizieren und Sympathisieren mit den männlichen Hauptcharaktere schwer fällt, geht zulasten der Gefühlsachterbahn. Nichtsdestotrotz: Ein gut durchdachter Plot mit gelungener Figurenzeichnung, über die gesamte Länge spannend, schwer aus der Hand zu legen. Ich kann mir vorstellen, ein zweites Werk von Jens Bühler zu lesen.

Veröffentlicht am 20.08.2019

Band 1 von 3 entfacht kaum Spannung und Gefühle, wenig informativ

Das Savoy - Aufbruch einer Familie
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Dies ist historische Belletristik (London 1932), Krimi sowie Familiengeschichte mit Identitätssuche und nüchternen Romanzen. Leicht zu lesen, mit wenigen Höhen und Tiefen. In einigen Sätzen und schönen ...

Dies ist historische Belletristik (London 1932), Krimi sowie Familiengeschichte mit Identitätssuche und nüchternen Romanzen. Leicht zu lesen, mit wenigen Höhen und Tiefen. In einigen Sätzen und schönen Zitaten blitzt Tiefgang hervor, aber über weite Strecken handelt es sich um sprachlich und inhaltlich seichte Literatur, die mich nicht dazu animieren konnte, Spannung zu empfinden, mitzufühlen, mitzuhoffen, mitzuleiden. Da man in schneller Abfolge in zahlreiche Innenleben schlüpft, sind die Verwicklungen für den findigen Leser früh absehbar.
Im Mittelpunkt steht die Identitätskrise von Violet. Möchte sie Künstlerin oder Leiterin eines erfolgreichen Hotelbetriebs werden? Wen erwählt sie zu ihrem Partner? Sie ist jung, schön, herzensgut, bescheiden, kultiviert, emanzipiert, vermögend, beliebt, eine Lichtgestalt. Naturgemäß ist es schwierig, sich mit einem auf hohem Niveau leidenden Charakter zu identifizieren und zu sympathisieren. Demgegenüber werden Antagonisten in ihren Motiven kaum gewürdigt. Zu viel Schwarz-Weiß-Zeichnung für meinen Geschmack.
Am besten haben mir die Nebenfiguren John und Otto sowie weitere Hotelangestellte gefallen.
Ich war mehrfach geneigt, das Buch abzubrechen. Eine gewisse Liebe zum Detail, zum Beispiel wenn auf das Schaffen in Kunst und Journalismus in den 1930ern eingegangen wird (z. B. Stolperheini), ließ mich dann aber doch ohne Reue das ganze Werk lesen.
Knappe drei Sterne für die Geschichte, dann noch eine Abwertung wegen des unbefriedigenden Anhangs. Es gibt weder Glossar noch Zeittafel oder Personenverzeichnis. Die kurze Nachbemerkung macht nur dahingehend schlauer, dass ich weiß, warum es irritierender- und unnötigerweise zwei Figuren mit dem Namen John gibt. Das ist nicht adressatengerecht. Gute historische Belletristik benötigt einen kurzen Abschnitt, in dem z. B. zwischen Fiktion und Realität differenziert wird. Der Erkenntniszuwachs von diesem Roman ist gering, etwas höher, wenn man sich die Mühe macht, selbst zu recherchieren.
Während Violets privates und berufliches Schicksal wohl erst in noch nicht veröffentlichten Folgebänden offenbart wird, werden Täter und Initiatoren der Intrige am Ende aufgedeckt, sodass sich die Trilogie abschließen lässt, ohne sich allzu sehr zu grämen.

Veröffentlicht am 13.08.2019

Band 2: 1928/1929, problematische Fokussierung, unterhaltsam, mit Längen, wenig informativ

Als wir im Regen tanzten
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Ich habe zuvor „Was wir zu hoffen wagten“ und die Kurzgeschichte „In der Nacht weint meine Stadt“ begeistert gelesen. Auf diese Weise sind die Vorgeschichten (1912 bis 1918) zu im Mittelpunkt stehenden ...

Ich habe zuvor „Was wir zu hoffen wagten“ und die Kurzgeschichte „In der Nacht weint meine Stadt“ begeistert gelesen. Auf diese Weise sind die Vorgeschichten (1912 bis 1918) zu im Mittelpunkt stehenden Figuren und Orten bekannt und es lässt sich auf der eingegangenen emotionalen Bindung aufbauen. Dies empfehle ich, auch wenn Wesentlichstes eingestreut wird, um Quereinsteiger mitzunehmen.

Bekannte Schauplätze werden aufgegriffen: Berlin und die belgische Stadt Ypern, diesmal 1928 bis 1929.
Dieser Roman lässt mich zwiegespalten zurück. Er weist einerseits fantastische Szenen auf, allen voran der atmosphärische und emotionale Prolog. Anderseits kommt es vor, dass sich die Autorin (z. B. in ihrer Hingabe zu Ypern) verrennt, Gedanken- und Gefühlswelten sich im Kreis drehen und dadurch Längen auftreten. „Show, don’t tell“ möchte man ihr mit auf den Weg geben. Insbesondere wer die Vorgängergeschichten kennt, wird auf diverse Wiederholungen treffen. Einige Entwicklungen wirken erzwungen, z. B. beim Timing zusammenfallender Ereignisse. Auch wollen unvernünftige Handlungen der sonst rational agierenden Juristin Felice nicht ins von ihr erworbene Charakterbild passen. Zu nicht weiterverfolgten Hinweisen (z. B. Borderline-Syndrom) nehme ich eine Relevanz in Band 3 an.
Trotz aller Kritik unterhaltsam und spannend. Ich konnte mitfühlen, mich freuen, ärgern, hoffen, mitleiden. Super auch das Wiedersehen mit den Nebenfiguren Oma Hertha, Wolfgangs Mama, Quintus und Fietje.

Beworben wird der historische Belletristik-Roman mit „Der große Berlin-Roman zur Weimarer Republik.“ Diesem Anspruch wird die Handlung nur teilweise gerecht. Es geht hier um die Filmbranche, in der sich die verheirateten Hauptfiguren Recha und Willi bewegen, die politisch instrumentalisiert wird und sich im Umbruch vom Stummfilm zum Tonfilm befindet. Der erstarkende Antisemitismus wird anhand der Jüdin Recha erlebbar gemacht. Wandel in Rechtsprechung und Journalismus, zentrale Wechsel auf der politischen Bühne sowie Arbeiteraufstände im „roten Wedding“ werden erwähnt.
Den Mittelpunkt bilden aber familiäre Probleme der gehobenen Mittelschicht und Oberschicht. Ausführungen zum wirtschaftlichen Zeitgeschehen tendieren leider gen null. Der Erkenntniszuwachs ist gering.

Im Fazit bleibt der Eindruck, dass Michaela Saalfeld leidenschaftlich schreibt, sich diesmal aber sehr schwer tut mit der Fokussierung auf für die Leserschaft besonders interessante Handlungsfäden und Informationen. Dass ich die auftretenden Figuren zuvor beim Ringen um Liebe, Leben und Existenz begleitet habe, lässt mich knappe vier Sterne vergeben. Ich möchte gern mehr von Michaela Saalfeld kennenlernen.

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