Nicht Fisch, nicht Fleisch
Die Doppelte FrauDie Coverrückseite verspricht einen Krimi Noir in der Atmosphäre des „Dritten Manns“, Ort des mysteriösen Geschehens ist Salzburg im Jahr 1946. So weit, so gut, dem kann ich beipflichten, beim Lesen hatte ...
Die Coverrückseite verspricht einen Krimi Noir in der Atmosphäre des „Dritten Manns“, Ort des mysteriösen Geschehens ist Salzburg im Jahr 1946. So weit, so gut, dem kann ich beipflichten, beim Lesen hatte ich tatsächlich das Gefühl, die Titelmelodie von Der dritte Mann spielt ab und an im Hintergrund. Die wahre Geschichte der Fotografin Betty Steinhart aber steht aus meiner Sicht zwar gedanklich im Mittelpunkt, aber man kommt ihr kaum näher, das erlaubt die Autorin dem Leser erst im Anhang. Da ist ein kurzer Lebenslauf beigefügt. Das Cover verführt übrigens direkt zum Zugreifen und Kaufen, passt gut zur Nachkriegszeit.
Die Protagonisten sind als geheimnisumwitterte Individuen angelegt, aber die abrupten Personenwechsel in der Ich-Form haben mich nicht gepackt. Wenn ich mehrmals ein neues Kapitel lese, und bin mir nicht im Klaren, wer da spricht und denkt, vergeht irgendwann mein Interesse, weil ich durch den Schreibstil abgelenkt werde. Ich habe dann auch mitten im Buch erst einmal den Anhang gelesen, um mir ein Bild zu machen, worum es gehen soll. Aber beim Weiterlesen stellte ich fest, dass auch das nicht hilfreich war.
Harry, der amerikanische Besatzungsoffizier, Max der undurchsichtige „Privatdetektiv“ (ich schreibe das in Anführungsstrichen, weil mir das sehr merkwürdig erschien in dieser Geschichte), Eva, die geheimnisvolle Frau, ob doppelt oder nicht, entscheidet am Ende wohl der Leser, zwischendurch ein paar andere Leute, alles diffus. Trotzdem konnte ich mir die Charaktere der drei „Hauptdarsteller“, um im Filmjargon zu bleiben, recht gut vorstellen.
Um das chaotische Geschehen zu untermalen, sind Graphic-Novel-Seiten eingefügt. Mit denen konnte ich persönlich nichts anfangen, aber ich bin auch kein Comic- oder Graphic-Novel-Fan, das ist also sehr subjektiv. Für mich kein Mehrwert. Da waren die Fotos aus dem Atelier Ellinger schon interessanter, wobei ich die Bilderklärungen gern auf der Seite der Bilder gesehen hätte und nicht im Anhang. Das ohnehin schon holprige Lesen wurde durch das Hin- und Herblättern immer wieder unterbrochen, auch wenn im Fließtext ja teilweise die Erklärungen zu finden waren.
Eine Vermengung von Fiktion und Realität gefällt mir eigentlich immer gut, aber wenn die Realität beschrieben wird, sollte die auch stichhaltig sein.
Biografische Romane, auch Kriminalromane, können die Leserschaft durch den historischen Hintergrund eigentlich fesseln, bei Die doppelte Frau ist das aus meiner Sicht nicht ganz gelungen. Das Rätsel Betty Steinhart wird auf sehr bruchstückhafte Weise dargestellt, für sie empfinde ich als Leser überhaupt nichts, obwohl sie die tragischste Figur ist. Schade.
Fazit: Nicht Fisch, nicht Fleisch – nicht richtig Krimi, nicht richtig Roman, nicht richtig Graphic Novel, nicht richtig Biografie – von allem etwas, aber nichts, was mich besonders bewegt hat.