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Veröffentlicht am 26.03.2025

Enttäuschte Träume

Dream Count
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So wie die Protagonistinnen in Chimamanda Ngozi Adichies neuem Roman „Dream Count“ alle mit enttäuschten Träumen zu tun haben, so hat mich dieses lang erwartete Buch leider auch enttäuscht. Die Bestsellerautorin ...

So wie die Protagonistinnen in Chimamanda Ngozi Adichies neuem Roman „Dream Count“ alle mit enttäuschten Träumen zu tun haben, so hat mich dieses lang erwartete Buch leider auch enttäuscht. Die Bestsellerautorin verliert sich überraschend einförmig in schon oft gehörten sozialkritischen und feministischen Themen, sodass der Roman für mich wenig Schlagkraft und Einzigartigkeit hatte. Allerdings soll das nicht heißen, dass „Dream Count“ schlecht geschrieben ist – der Erzählstil ist flüssig und unterhaltsam – aber inhaltlich hätte der Roman auch ein Erstlingswerk sein können, da meiner Meinung nach wenig neuartige, originelle Gedanken zu den Themen Feminismus, soziale Dominanz und Unterdrückung gebracht werden.
In „Dream Count“ treffen die Leser auf die vier Frauen Chiamaka, Zikora, Omelogor und Kadiatou, die alle auf die ein oder andere Art Träume für ihr Leben haben, die jedoch nicht vollständig erfüllt werden. Die Vier sind Nigerianerinnen und verwandtschaftlich oder freundschaftlich miteinander verbunden, kommen jedoch aus unterschiedlichen sozialen Ebenen. Interessant ist dies, weil in jedem der vier Romanabschnitte aus der Sicht einer anderen Frau erzählt wird, sodass man die übrigen drei aus der Perspektive der Erzählerin noch einmal in einem neuen Licht sieht und die Charaktere und deren Beziehungsgeflecht so runder und differenzierter wird. Dabei erkennt man, dass alle vier die bestimmenden Themen Feminismus, Selbstverwirklichung, Mutterschaft, Stellung von Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft und die damit verbundenen Dominanz- und Unterdrückungsmechanismen anderes wahrnehmen.
Jedoch ist auch gerade die Konzentration auf diese vorherrschenden Themen ein Grund, warum mich „Dream Count“ am Ende enttäuscht hat, da sich Adichie immer wieder um dieselben Thesen dreht und dabei keine überraschenden Wendungen oder innovative erzählerische Ideen einbringt. Alles wirkt sehr beliebig, eintönig und unaufgeregt und ich hatte das Gefühl, so etwas schon mal gelesen zu haben. Der Erzählstil ist zwar gut und flüssig lesbar, aber ebenso einförmig wie die Handlung. Adichie spickt ihre Erzählung mit feministischen Aphorismen und Lebensweisheiten, die aber auch keine bahnbrechenden neuen Gedanken in den Diskurs bringen.
Wer sich sehr für die in „Dream Count“ behandelten Themen interessiert und von feministischen Romanen nicht genug bekommen kann, dürfte sich mit Adichies neuem Werk gut unterhalten fühlen. Aber für mich ist das Buch literarisch und inhaltlich ein enttäuschter Traum von einem schlagkräftigen Roman geblieben. „Dream Count“ wird nicht lange bei mir nachhallen und ist im Großen und Ganzen ein eher blasses Buch.

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Veröffentlicht am 04.02.2025

Klapper klappt!

Klapper
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Für mich klappt dieses Buch und klappert nicht - im Sinne davon, dass es stilistisch oder inhaltlich irgendwie holpert und mich nicht mit "Klapper" hätte anfreunden können. Ganz im Gegenteil: ...

Für mich klappt dieses Buch und klappert nicht - im Sinne davon, dass es stilistisch oder inhaltlich irgendwie holpert und mich nicht mit "Klapper" hätte anfreunden können. Ganz im Gegenteil: Obwohl es erst Januar ist, wird "Klapper" sicher einer meiner Lieblingsromanfiguren in diesem Lesejahr werden. Kurt Pröbel schafft es, seinen Erzähler authentisch darzustellen, sodass man sich selbst dann sehr gut in den nerdigen Anti-Helden hineinversetzen kann, wenn man mit seiner leicht verschrobenen Welt ansonsten wenig anfangen kann. Sprachlich wird das klasse in einem jugendlichen, aber nicht anbiedernden Ton umgesetzt, der zu einem 16-jährigen passt und der zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken einlädt. Das klappt!
Klapper ist ein typischer Gamer, der die Sommerferien 2011 lieber sechs Wochen vor dem PC verbringt, um Counter Strike Maps zu basteln, als mit Gleichaltrigen etwas zu unternehmen. Deswegen hat er in der Schule auch den Außenseiterstatus, mit dem er sich aber ganz gut arrangiert hat. Seinen Spitznamen "Klapper" hat er wegen seiner knackenden Gelenke erhalten, doch auch im sozialen und familiären Bereich klappert und knarzt es bei dem Jungen. Er tut sich schwer, Freunde zu finden und die Beziehung zu seinen Eltern ist auch angespannt. Doch dann kommt nach den Sommerferien "Bär" in seine Klasse - ein riesengroßes, burschikoses Mädchen, das sich prompt neben Klapper setzt und ihn unter ihre Fittiche nimmt. Sie freunden sich nach und nach an, was sich in Klapper Fall natürlich etwas holprig und umständlich gestaltet, und Bär verteidigt ihn gegen die teilweise fiesen Mitschüler. Doch natürlich holpert es auch bei dieser Freundschaftsgeschichte und es geht nicht so gut aus für Klapper, wie es scheinen könnte. Dass er sein Leben weiter als einsamer Nerd verbringen wird, erfährt der Leser in einigen vorgreifenden Kapiteln, die 2025 spielen. Doch was genau geschehen ist, dass Klapper weiter in seiner Isolation geblieben ist und nicht von Bär "sozialisiert" werden konnte, wird erst gegen Ende aufgelöst.
Obwohl ich selbst wenig mit der Gaming-Welt und Typen wie Klapper zu tun habe, konnte ich mich sehr gut in den Jungen reinversetzen und fand seine Gedankenwelt authentisch und nahbar dargestellt. Um einige Gamer-Klischees kommt man als Autor bei der Beschreibung solch eines Charakters sicher nicht herum, aber dennoch wirkt Klapper nicht wie ein Stereotyp. Kurt Pröbel schafft etwas Verständnis für seinen Anti-Helden zu entwickeln, indem er zeigt, dass auch solche "Nerds" sehr vernünftige Jungs mit Gefühlen sein können und keineswegs immer die aggressiven, asozialen Amokläufer werden. Ich habe Klappers Spieleentwicklungstalent sogar bewundert und ihn als reifer und rationaler als seine 16-Jährigen Mitschüler empfunden. Das zeigt sich auch am Ende des Romans, wenn Klapper über sich hinauswächst und sich viel erwachsener zeigt als alle anderen. Auch wenn er körperlich leicht verkrüppelt sein mag, ist er das emotional sicher nicht, auch wenn es manchmal bei ihm holpert und klappert.
Auch die anderen Charaktere sind vom Autor gut entwickelt worden, sodass sie nicht wie austauschbare Randfiguren wirken. Keine Figur in dem ganzen Beziehungsgeflecht scheint überflüssig und alle sind individuell mit ihren Maken und Vorzügen skurril ausgearbeitet.
Ebenso gelungen ist für mich die Sprache. In kurzen klaren Sätzen oder auch mal nur Halbsätzen wird der Ton eines 16-Jährigen authentisch getroffen. Pröbel benutzt ab und zu ein jugendsprachliches Vokabular, setzt es aber immer treffend ein, sodass es nicht künstlich wirkt und man gar nicht merkt, dass ein über 30-jähriger Autor aus der Perspektive eines Teenagers schreibt. Wahrscheinlich hat Pröbel sich hier in seine eigene Jugendzeit im Jahr 2011 erinnert, denn es werden zahlreiche popkulturelle Anleihen gemacht, die mir besonders gut gefallen haben, weil ich zu der Zeit etwa im selben Alter wie die Protagonisten war und mich somit in meine Jugendzeit zurückversetzen konnte. Soweit ich es beurteilen kann, passen die Details alle diese Zeit und es tauchen keine Anachronismen auf.
Eine kleine Warnung aber noch zuletzt: Das größte Manko und ein wirklicher Fehler meiner Meinung nach ist der Klappentext! Wer wirklich vom Buch überrascht werden will, sollte diesen (vor allem das Zitat von Stuckrad-Barre...) nicht vorher lesen, denn dort wird leider ein entscheidender Twist verraten.
Alles im allem ist Klapper für mich also ein gelungener Start in dieses Lesejahr. Wer jungendlich-frische Literatur sucht, die einem zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken bringt, für den sollte "Klapper" klappen!

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Veröffentlicht am 22.10.2024

Es ist kompliziert...

Antichristie
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Dass alles kompliziert sein kann, macht "Anti-Christie" bewusst: Raum und Zeit, Idenitität, Geschichtsschreibung, Religion, Widerstand, freundschaftliche und familiäre Beziehung usw.: nichts ...

Dass alles kompliziert sein kann, macht "Anti-Christie" bewusst: Raum und Zeit, Idenitität, Geschichtsschreibung, Religion, Widerstand, freundschaftliche und familiäre Beziehung usw.: nichts ist eindeutig, alles weist verschiedene Facetten auf und muss aus unterschiedlichen Blickwinkeln hinterfragt werden. Aus diesem Grund war ich bei der Lektüre ziemlich gefordert, zumal vieles an geschichtlichen Fakten unbekannt war, eine Vielzahl von Protagonisten auftritt und der Roman zwischen verschiednen Zeitebenen hin und herspringt.
Hauptfigur ist "Anti-Christie" ist Durga, die als Tochter eines Inders und einer Deutschen im Deutschland aufgewachsen ist. Nun arbeitet sie in London an einer entkolonialisierten Neuverfilmung von Agatha Christie mit. Währenddessen fällt sie plötzlich aus der Zeit und findet sich im Jahr 1906 unter indischen Revoluzzionären wieder, welche zu dieser Zeit im India House in London lebten und den Widerstand gegen die britische Kolonialmacht vorbereiteten. Doch Durga ist nicht mehr Durga sondern Sanjeev, sodass sie Geschlecht, Alter und kulturellen Hintergrund komplett gewechselt hat. Ebenso wie der Leser weiß Sanjeev/Durga wenig über seine Geschichte und erfährt viel Neues über den Ablauf der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Dabei zeigt sich, dass die Geschichtsschreibung häufig subjektiv ist und sich die Vergangenheit aktiv gestalten oder verändern lässt, je nachdem wie man sie erzählt. Zugleich debattiert die Autorin, wie gewaltfrei ein Widerstand gegen das vorherrschende Regime sein kann oder darf, um zu Unabhängigkeit zu gelangen. Es zeigt sich also, dass "Anti-Christie" auf vielen Ebenen wichtige gesellschaftliche, politische und soziale Fragen aufwirft, was den Roman sehr komplex und kompliziert macht.
So manches Mal habe ich mit mir gehadert, ob ich weiterlesen will oder nicht, da aufgrund des verwirrenden Plots und der Fülle an Informationen und Personen das Buch eine wirkliche Herausforderung war. Ich hatte oft Schwierigkeiten, die verschiedenen Personen in India House auseinanderzuhalten und hatte oft das Gefühl, Szenen oder Anspielungen nicht zu verstehen, weil mir die historishen Hintergrundinformationen fehlen. Da die Autorin aber wirklich gut und unterhaltsam mit Wortwitz schreiben kann und der Roman selbst bei kontroversen Fragen z.B. zu Religion oder Identität nicht dogmatisch wirkt, bin ich dran geblieben und habe es als zusätzlichen Vorteil gesehen, dass ich so einiges über die Geschichte der kolonialen Verbindung zwischen England und Indien dazulernen konnte, was so nicht in den Geschichtsbüchern steht. Selbst die Autorin hat in einem Interview erzählt, dass sie viele Fakten bei der Recherche überrascht haben. Dadurch regt der Roman auf jeden Fall zum Nachdenken an und man hinterfragt sein westliches Geschichtsbild, das so viel anderes ausblendet.
Was mich jedoch gestört hat, ist, dass durch die Zeitreise von Sanjeev/Durga ein wenig der rote Faden verloren gegangen ist und Unplausibilitäten oft einfach durch den Umstand der Zeitreise erklärt worden sind. Wenn Sanjeev/Durga etwas nicht verstanden hat, sind ihm/ihr manchmal plötzlich Gedanken in den Kopf gekommen, die das Geschehen dann erklären konnten und Sanjeev/Durga wusste selbst nicht, woher dieses versteckte Wissen kam. In solchen Szenen hatte ich das Gefühl, die Autorin macht es sich etwas einfach, um möglichst viele Informationen und Handlungsstränge in den Roman einbringen zu können und ja kein Detail unerwähnt zu lassen.
Im Großen und Ganzen war die Lektüre kein absoluter Spaß, sondern eher eine komplizierte Angelegeheit. Da man aber viel dazulernt, kritisch reflektiert und die Autorin auch wirklich gut schreiben kann, sollte man sich trotz aller Widerstände an den Roman wagen und nicht total "anti" sein.

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Veröffentlicht am 09.10.2024

Leider enttäuschend

Lückenbüßer (Kluftinger-Krimis 13)
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Obwohl ich schon lange Fan der Kluftinger-Reihe bin und mich eigentlich auf jeden neuen Kriminalfall von ihm freue, war ich dieses Mal von "Lückenbüßer" sehr enttäuscht. Es scheint, als wenn ...

Obwohl ich schon lange Fan der Kluftinger-Reihe bin und mich eigentlich auf jeden neuen Kriminalfall von ihm freue, war ich dieses Mal von "Lückenbüßer" sehr enttäuscht. Es scheint, als wenn den Autoren so langsam die Ideen ausgehen und sie sich an ausgelutschten Themen abarbeiten ohne dabei neue, interessante Gedanken einzubringen. So wirkt der ganze Roman sehr flach und wie am Reißbrett runtergeschrieben.
Inhaltlich geht es um einen Mordfall, der während einer von Kluftinger geleiteten Terrorübung in den Bergen geschieht. Schnell stellt sich heraus, dass der getötete Polizeibeamte auch im rechten Milieu unterwegs war, sodass sich die Ermittlungen im Kreis von Querdenkern und politisch zwielichtigen Personen abspielen. Auch Kluftinger selbst wird politisch aktiv, da er für den Gemeinderat kandidiert und dabei natürlich auf Dr. Langhammer als seinen Konkurrenten trifft.
Das alles klang für mich recht vielversprechend und gerade die Szenen, die sich um Kluftingers Privatleben drehen, fand ich immer unterhaltsam. Doch leider wirken in diesem Buch die Gags eher an den Haaren herbeigezogen und etwas zu übertrieben, sodass ich oft das Gefühl hatte, die Autoren wollen auf Teufel komm raus lustig sein, obwohl ihnen wirklich witizige und originelle Ideen fehlen. Dasselbe gilt für die "ernstere" Seite des Romans, nämlich des Kriminalfalls. Scheinbar jedes aktuelle, politisch kontroverse Thema wird aufgegriffen und irgendwie in das Buch mit hineingedrückt, wobei man manchmal gar nicht den Bezug zur Handlung erkennt und es gar nicht nötig gewesen wäre, dieses Thema nun auch noch zu nennen (z.B. KI oder Veganismus). Sei es Querdenkertum, Corona, Impfskeptiker, Shitstorms in den sozialen Medien, Kritik an "denen da oben", etc. - alles muss von den Autoren erwähnt werden. Dabei bringen sie aber wie gesagt keinerlei originelle Ideen mit ein oder regen zum Nach- und Weiterdenken an. Es findet sich einfach viel Phrasendrescherei und viele schon tausendmal gehörte Allgemeinplätze und Platitüden, sodass "Lückenbüßer" absolut nichts Neues bietet und sehr ideenlos wirkt. Die Ermittlungen in dem Mordfall verlaufen nicht allzu spannend und sind sehr vorhersehbar. Am Ende dachte ich nur: "Wie? Das soll es jetzt gewesen sein?", weil es gar keine überraschende Wendung o. Ä. gab. Das hat mich sehr enttäuscht und ich bin von Kluftinger-Krimis eingentlich anderes gewohnt.
Außerdem hat mich sprachlich genervt, dass die Autoren merklich bemüht waren, eine interessante Wortwahl zu verwenden, was leider dann nach hinten los geht, wenn es zu angestrengt wirkt und sich die Wörter wiederholen. Das passiert vor allem im Zusammenhang mit Verben der wörtlichen Rede. Als ich zum x-ten Mal "konstatierte" gelesen habe, habe ich nur noch mit dem Augen rollen können....
Zwei Sterne gibt es lediglich, weil ich den Kommisar Kluftinger eigentlich liebe und einige Szenen in dem Buch von seinem urigen Charme profitieren und doch für den ein oder anderen Schmunzler gut sind. Den zweiten Stern gibt es für das Potenzial der Geschichte, denn die Story hätte aufgrund der Bezüge zu aktuellen politischen Themen durchaus spannend sein können. Leider wird das Potenzial aber nicht ausgenutzt und es endet alles in abgedroschene Phrasen und Oberflächlichkeit, schade! Hoffentlich war das nur ein "Lückenbüßer" bis zum nächsten, spannenderen und originelleren Fall aus dem Allgäu.

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Veröffentlicht am 07.08.2024

Politisch aktuell, aber wenig unterhaltsam

Juli, August, September
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Aufgrund des Klappentextes hatte ich mit "Juli, August, September" einen Roman erwartet, der zum einen aktuelle politische, kulturelle und soziale Probleme thematisiert, das aber zugleich in ...

Aufgrund des Klappentextes hatte ich mit "Juli, August, September" einen Roman erwartet, der zum einen aktuelle politische, kulturelle und soziale Probleme thematisiert, das aber zugleich in einer humorvollen, augenzwinkernden Weise tut. Da es unter anderem um jüdische Identität in Deutschland geht, habe ich Olga Grjasnowas Roman mit "Gewässer im Ziplock" verglichen, in dem eine jugendliche Erzählerin zwar ernste Fragen stellt, aber trotzdem nicht allzu melancholisch oder ernst wird.
"Juli, August, September" ist sicher hervorragend geschrieben und man sollte das Buch mehr als einmal lesen, um alle Anspielungen und Doppeldeutigekeiten der Autorin zu verstehen. Thematisch und literarisch ist diese Lektüre anspruchsvoll, dass die Erzählerin zynisch ist, passt meiner Meinung nach auch, doch ich würde den Roman nicht als unterhaltsam im Sinne von heiter bezeichnen. Unter Unterhaltungsliteratur verstehe ich etwas anderes und wenn ich Olga Grjasnowas Neuling mit "Gewässer im Ziplock" vergleiche, dann fand ich "Gewässer im Ziplock" weitaus unterhaltsamer zu lesen! Vor allem im zweiten Teil des Buches, in dem die Erzählerin verstärkt nach ihrer Identität sucht, die zwischen jüdisch, russisch und deutsch liegt, überwiegend ein melancholischer, ernster Ton, der mich eher deprimiert als unterhalten hat. Innerhalb der Familie der Erzählerin schwelen Unstimmigkeiten und Streitereien, deren Ursprung bis in die Zeit des Holocausts zurückreichen, und auch die Ehe der Erzählerin hängt am seidenen Faden. All diese Probleme machen den Roman zwar zu einem wichtigen und gehaltvollem Werk, aber dennoch konnte ich mich aufgrund der Stimmung der Erzählung nicht richtig für "Juli, August, September" erwärmen. Wer unterhaltsamer über die Identitätssuche deutscher Juden (oder jüdischer Deutsche?) lesen möchte, sollte meiner Meinung nach eher nach "Gewässer im Ziplock" greifen.

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