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Veröffentlicht am 12.08.2020

Ein Ausflug in die Vergangenheit

Liebe machen
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Schon das Cover strahlt gewisse Retro-Vibes aus und der Inhalt wird diesem auch definitiv gerecht. Liebe machen war für mich ein interessanter Ausflug in die Vergangenheit: Jimi Hendrix‘ letzter Auftritt, ...

Schon das Cover strahlt gewisse Retro-Vibes aus und der Inhalt wird diesem auch definitiv gerecht. Liebe machen war für mich ein interessanter Ausflug in die Vergangenheit: Jimi Hendrix‘ letzter Auftritt, das Leben in Kommunen, der erste Walkman, die Gründung von Ton Steine Scherben, Michael-Jackson-Skandale und die erste Love Parade – vor allem ich, ein Kind der 90er, habe mich sehr gern auf diese Zeitreise begeben und Events, die ich vorher nur von Geschichten meiner Eltern kannte, virtuell begleitet.
Auch die Geschichte zwischen Dagmar und Götz hat mir gefallen – das spontane, magische Aufeinandertreffen, die Sehnsucht und das Verlangen nach einem Wiedersehen. Doch zwischendurch blieb die Spannung für mich etwas zurück; der Nervenkitzel, wie knapp sie sich jedes Mal in ihren Leben verpassen, hat mich nicht ganz erreicht, aber vielleicht war das auch gar nicht die Absicht des Romans. Man begleitet die beiden Menschen auf ihrer Reise durch die Jahre, durchlebt mit ihnen große geschichtliche Wendepunkte und erinnert sich, genau wie Dagmar und Götz, gern an ihr ersten Treffen zurück. Ob sie allerdings wirklich füreinander bestimmt sind oder sich nie wieder sehen, war für mich nicht das Highlight des Buchs (obwohl dies der Klappentext ja vermuten lässt).

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Veröffentlicht am 06.08.2020

Eine Zukunft, die nicht so weit weg ist

New Earth Project
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Die stetig ansteigende Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung hat das Leben im Jahr 2125 komplett neu geordnet: Der Smog ist so dicht, dass man die Sonne nicht mehr erkennen kann, der ansteigende Wasserpegel ...

Die stetig ansteigende Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung hat das Leben im Jahr 2125 komplett neu geordnet: Der Smog ist so dicht, dass man die Sonne nicht mehr erkennen kann, der ansteigende Wasserpegel der Ozeane hat New York City komplett überflutet und im Winter wird es nie kälter als 25 Grad. Zu ihrem Schutz haben sich die Reichen eine Kuppel erbaut. Diese erstreckt sich über mehrere Kilometer und beherbergt eine künstliche Sonne, die für Wälder, grüne Wiesen und bepflanzbare Felder sorgt. Die Armen haben es allerdings nicht so gut. Sie müssen im überfluteten Teil von New York wohnen, der sogenannten Water-Zone. Hier stehen teilweise mehrere Stockwerke unter Wasser, Pflanzen haben keine Chance irgendwo zu wachsen und Hunger steht an der Tagesordnung. Die einzige Rettung für sie ist eine Reise nach New Earth, doch dafür braucht man wortwörtlich einen Sechser im Lotto.

Isis stammt aus dieser Water-Zone. Gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Zach kämpft sie sich von einem Tag zum nächsten. Doch Isis hat einen Vorteil: Sie wurde an der gemischten Schule aufgenommen – eine Gelegenheit, die nur einzelne Bewohner der Water-Zone bekommen – und hat somit die Chance auf ein gebildetes und besseres Leben in der Zukunft. Auf die gleiche Schule geht auch Orion, ein Unantastbarer aus der Kuppel und der Sohn von New Earth Project-Gründer Arthur C. Parker. Isis und Orion haben nie viel miteinander zutun gehabt, doch während eines gemeinsamen Schulprojekts kommen sich die beiden näher. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die aber schon bald wieder beendet werden soll, denn Isis‘ Familie hat ein begehrtes Ticket nach New Earth gewonnen und keiner ahnt, dass diese Reise ein ganz anderes Ende nehmen soll…

New Earth Project ist ein fesselnder dystopischer Roman, den ich nicht mehr zur Seite legen konnte. David Moitet entwickelt eine Welt, die zwar 100 Jahre in der Zukunft, aber doch nicht so entfernt von unserer Gegenwart liegt. Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, zunehmende Digitalisierung und die Arbeitsablösung von Menschen durch Roboter sind Themen, die auch wir nur zu gut kennen, aber noch nicht ernst genug nehmen. Zwar bemühen wir uns nachhaltiger zu leben, doch die Natur erholt sich leider nicht so schnell, wie wir es gern hätten. Wie wird unser Leben also in 100 Jahren aussehen? David Moitet hat die Antwort: eindeutige Klassentrennung, keine Bildung für die Armen, nicht genug Arbeitsplätze, viel zu wenig Nahrung und dafür viel mehr Krankheiten. New Earth Project spricht aktuelle Probleme direkt an und zeigt seinen Lesern, wie unser Handeln das Leben von zukünftigen Generationen beeinflussen kann.
Die Kuppel und die Water-Zone von New York im Jahr 2125 haben mich einerseits fasziniert, andererseits aber auch schockiert und das Leben von Isis und Orion hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Zwischendurch hatte ich das Gefühl, die Handlung geht zu schnell voran, ich hätte mir an einigen Stellen ein paar mehr Erklärungen und Ausführungen gewünscht und auch die wachsenden Gefühle zwischen Isis und Orion hätten meiner Meinung nach nicht sein müssen – die Handlung hätte auch wunderbar ohne Liebe funktioniert – doch eigentlich meckere ich gerade nur auf sehr hohem Niveau. New Earth Project ist ein wunderbarer Jugendroman, der unserer Generation ähnlicher ist als wir vielleicht denken.

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Ein Kampf um Gleichberechtigung, der nicht gewonnen werden kann

Das zweitbeste Leben
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Danas Familie ist gar nicht so anders als die ihrer Freunde: Ihre Eltern sind verheiratet, sie sieht ihren Vater James ein- bis zweimal die Woche und sie wird von beiden geliebt – doch Dana ist ein Geheimnis. ...

Danas Familie ist gar nicht so anders als die ihrer Freunde: Ihre Eltern sind verheiratet, sie sieht ihren Vater James ein- bis zweimal die Woche und sie wird von beiden geliebt – doch Dana ist ein Geheimnis. Offiziell ist James mit einer anderen Frau verheiratet und hat mit ihr ebenfalls eine Tochter, Chaurisse. Da Bigamie in den USA als Straftat gesehen wird, darf niemand von Dana und ihrer Mutter Gwendolyn wissen. Ihr ganzes Leben lang versucht Dana um die gleiche Anerkennung zu kämpfen, die ihre Halbschwester Chaurisse bekommt, aber dies ist ein Kampf, den sie anscheinend nicht gewinnen kann.

Als beide Mädchen etwa vierzehn Jahre alt sind, laufen sie sich zufällig über den Weg. Während Dana genau weiß, wen sie vor sich hat, ist Chaurisse völlig ahnungslos und freut sich über eine erste, wirkliche Freundschaft. Sie verbringen immer wieder Zeit miteinander, Dana besucht ihre Schwester zu Hause und bei ihrer Mutter im Frisörladen. Nach und nach lernt sie das zweite, offizielle Leben ihres Vaters kennen und versucht herauszufinden, warum er Dana und ihre Mutter nicht auf die gleiche Weise lieben kann. Danas Detektivarbeit zieht sich über mehrere Monate, bis das Unausweichliche passiert: Beide Familien stehen sich plötzlich gegenüber, doch nur eine kann gewinnen.

Das zweitbeste Leben von Tayari Jones zeigt nicht nur eine Geschichte über Anerkennung, den Drang nach Liebe und den Kampf um Gleichberechtigung; der Roman verarbeitet außerdem das Thema Rassismus in den 1970er und 80er Jahren. Als bigamistische, afro-amerikanische Familie stellen die Witherspoons und Yarboros nicht nur eine außergewöhnliche Zusammenkunft dar, sie sorgen außerdem für Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, die es zu vermeiden gilt. Geschildert aus den jeweiligen Perspektiven der beiden Mädchen bekommt der Leser einen genauen Einblick in beide Waagschalen, die sich allerdings nie im Gleichgewicht befinden. Ein behütetes, liebevolles, unschuldiges Leben steht einem ständigen Konkurrenzkampf gegenüber und mit dem Zusammentreffen von Dana und Chaurisse zieht sich der Spannungsbogen bis zum Ende. Man kann sich sehr gut in beide Positionen hineinversetzen, empfindet und leidet mit beiden Parteien und fühlt sich zum Schluss fast so zerrissen wie James: Kann man es schaffen, beide Familien zu erhalten? Oder kann es in dem ständigen Kampf um Gerechtigkeit nur einen Gewinner geben?

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Veröffentlicht am 22.07.2020

Zwei Liebesgeschichten zum Preis von einer

Emmas Herz
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Jedes Mal, wenn ich ein Buch von Taylor Jenkins Reid in die Hand nehme, bin ich davon überzeugt, dass es das beste ist, das ich je gelesen habe. Zwei auf Umwegen und Das Glück und wir dazwischen fand ich ...

Jedes Mal, wenn ich ein Buch von Taylor Jenkins Reid in die Hand nehme, bin ich davon überzeugt, dass es das beste ist, das ich je gelesen habe. Zwei auf Umwegen und Das Glück und wir dazwischen fand ich so herzergreifend schön, dass ich mir sicher war: Das kann man nicht toppen. Doch dann habe ich Emmas Herz entdeckt und muss jetzt wieder sagen, vielleicht ist es noch besser!

Emma und Jesse. Jesse und Emma. So ist es eigentlich schon immer gewesen. Mit 14 sieht Emma den gut aussehenden, coolen, sportlichen Jesse zum ersten Mal in der Schwimmhalle und zwei Jahre später küsst er sie auf der Polizeiwache. Von dem Moment an waren sie eins. Sie zogen gemeinsam nach Los Angeles, bereisten die Welt, erkundeten andere Länder und begaben sich auf Abenteuer. Zehn Jahre lang haben sie ihre Liebesgeschichte in vollen Zügen genossen und die Hochzeit stellte nur ein weiteres Highlight in ihrem turbulenten Leben dar. Doch ausgerechnet an ihrem ersten Hochzeitstag nimmt Jesse ein Jobangebot an, das alles verändert. Er steigt in einen Hubschrauber und kommt nie mehr zurück. Aus „Jesse und Emma“ wird nur noch Emma. Von heute auf morgen ist sie allein und obwohl sie fast den Verstand verliert, schafft sie es, nach vorne zu blicken.

Nachdem Jesse für tot erklärt wurde, kehrt Emma in ihre Heimatstadt zurück und zieht wieder bei ihren Eltern ein. Monatelang scheint sie an ihrem Verlust zu zerbrechen, doch dann trifft sie plötzlich Sam – einen alten Freund aus der Schulzeit – wieder. Damals war er bis über beide Ohren in Emma verliebt, doch sie hatte nur Augen für Jesse. Jetzt, über 10 Jahre später, hat sich das Blatt jedoch gewendet und Emma verliebt sich in den vertrauten, liebevollen, ruhigen Sam. Die beiden bauen sich ein Leben auf, planen eine Hochzeit und Emma scheint endlich angekommen zu sein. Doch dann bekommt sie einen Anruf von Jesse…

Taylor Jenkins Reid schafft es immer wieder aufs Neue, mich mit einer Liebesgeschichte vollkommen umzuhauen. Mit Emmas Herz hat sie mir allerdings direkt zwei geschenkt: Emma & Jesse und Emma & Sam. Ähnlich wie bei Das Glück und wir dazwischen hat Emma zwei komplett unterschiedliche Leben, denn Jesse und Sam sind zwei ganz unterschiedliche Männer. Der eine aufbrausend, abenteuerlustig und cool, der andere etwas zurückhaltend, gemütlich und vertraut. Und obwohl die Geschichte von Emma und Jesse hollywoodreif ist, bin ich doch durch und durch #teamsam.

Es war unglaublich interessant zu lesen, wie sich Emma nach einem traumatischen Verlust wieder zurück ins Leben kämpft und wie heilend die Liebe dabei sein kann. Taylor Jenkins Reid zeigt, wie wandelbar und anpassungsfähig der Mensch ist, wie sich eine Weltenbummlerin aus L.A. plötzlich in ihrem kleinen Heimatstädtchen wieder pudelwohl fühlen kann. Noch dazu hat mich Sams Charakter unglaublich berührt. Es heißt, man trifft immer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen und in Emmas Herz trifft das hundertprozentig zu. Ich weiß nicht, wie Emmas Leben ohne Sam ausgesehen hätte, aber ich bin davon überzeugt, dass sie ohne ihn niemals ihre Trauer hätte bewältigen können. Manche Menschen sind einfach Balsam für die Seele – aber was ist, wenn man zwei davon hat? Einen in der Vergangenheit und einen in der Gegenwart? Und was ist, wenn diese zwei aufeinander treffen? Emma muss sich darüber klar werden, wer sie ist und auf ihrer Reise habe ich sie unglaublich gern begleitet.

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Veröffentlicht am 09.06.2020

Eine zweite Chance

Der Outlaw
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Der Gesetzlose wird überall gefürchtet. In den Städten schließen die Geschäfte früh, Kindern werden Gruselgeschichten von ihm erzählt und Reisende sind immer auf der Hut, eventuell ausgeraubt werden zu ...

Der Gesetzlose wird überall gefürchtet. In den Städten schließen die Geschäfte früh, Kindern werden Gruselgeschichten von ihm erzählt und Reisende sind immer auf der Hut, eventuell ausgeraubt werden zu können. Mehrere Jahre leben die Menschen in Angst, bis eines Tages ein Fremder in die Stadt geritten kommt und versucht, ihnen die frühere Lebensfreude zurückzugeben.

In wunderschönen Wasserfarben und mit der Technik des Zeitungsdrucks wird die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts wunderbar eingefangen und spiegeln die Stimmung der Geschichte wider. Obwohl der Fremde an einem heißen Tag in die Stadt einreitet, ist das Kinderbuch in kalten Farben gehalten: Weiß, grau und viele Blautöne werden verwendet, um auf der einen Seite die Kaltherzigkeit des Gesetzlosen zu repräsentieren und auf der anderen Seite die Freundlichkeit des Fremden zu zeigen. Die verwendete Schriftart ist ebenfalls besonders, da diese früher auf den sogenannten „Wanted“-Plakaten benutzt wurde und somit Vorsicht und Respekt bei den Lesern hervorruft.

Der Outlaw von Nancy Vo ist eine Geschichte über Fehlverhalten, Vergebung und zweite Chancen. Wegen der künstlerisch aufwendigen Bilder habe ich das Buch mehrmals gelesen – einmal nur für den Text und einmal für die Geschichte, die nicht mit Worten ausgedrückt wird. Die Autorin hat zwei Handlungsstränge clever miteinander verbunden: Es gibt den Fremden, der den Stadtbewohnern zeigt, dass jeder eine zweite Chance verdient hat und es gibt einen kleinen Jungen, der mit Hilfe einer neuen Freundschaft eines Besseren belehrt wird. Durch die Verwendung von verschiedenen Zeichen- und Druckstilen, sind die Bilder teilweise so aussagekräftig, dass Der Outlaw nur wenige Sätze beinhaltet und seine Motive für sich sprechen lässt. Nancy Vo hat ein Kinderbuch herausgebracht, das nicht nur die Kleinen beeindruckt sondern auch Erwachsene zum Nachdenken anregt. Ich blättere mich immer wieder gern durch die wenigen Seiten und habe jedes Mal das Gefühl, etwas Neues zu entdecken.

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