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Veröffentlicht am 01.05.2020

Von Freundschaft, Liebe und dem Loslassen

Blackbird
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Vor Kurzem haben sie noch zusammen Fußball gespielt, jetzt liegt Bogi im Krankenhaus und ist sterbenskrank. Wie kann das sein? Wie kann sich ein junges Leben innerhalb kürzester Zeit so verändern? Das ...

Vor Kurzem haben sie noch zusammen Fußball gespielt, jetzt liegt Bogi im Krankenhaus und ist sterbenskrank. Wie kann das sein? Wie kann sich ein junges Leben innerhalb kürzester Zeit so verändern? Das fragt sich auch Bogis bester Freund Motte, der von nun an auf sich allein gestellt ist. Zwar hat er noch seine anderen Freunde Walki und Jan, doch das ist einfach nicht das Gleiche. Noch dazu hat es ihm Jacqueline wirklich angetan und Motte bringt den Mut auf, sie um ein Date zu bitten. Die Liebe kommt und geht, Motte lernt neue Leute kennen, denkt an alte Zeiten zurück und weiß nicht, wie er damit umgehen soll, dass sein Leben weitergeht, während das seines besten Freundes ein Ende nimmt.

In Blackbird wird Motte vor die bisher größte Herausforderung gestellt: sich alleine durchschlagen. Nicht nur die plötzliche Krankheit Bogis stellt für ihn eine Veränderung dar, auch das erste Verliebtsein, der erste Joint, das erste Mal richtig betrunken sein, sind wichtige Einschnitte in Mottes Leben. Doch womit er gar nicht zurecht kommt ist, dass er all diese Erfahrungen ohne seinen besten Freund machen muss. Wie geht man als Teenager mit dem Tod um? Noch dazu, wenn man ihn direkt vor der Nase hat? Motte und Bogi scheinen sich in dieser Zeit von einander zu entfernen, es gibt immer weniger, das sie miteinander teilen können – schließlich findet Bogis Leben jetzt im Krankenhaus statt. Schafft es Motte, der Wahrheit ins Auge zu sehen oder wird ihn seine Ignoranz daran hindern, sein eigenes Leben zu genießen?

Von Blackbird hatte ich mir sehr viel erhofft, doch leider konnte es mich nicht zu hundert Prozent fesseln. Geschrieben aus Mottes Sicht, hat der Autor versucht, die Gedanken eines Teenagers wiederzugeben, doch mich konnte das leider nicht überzeugen. Immer wieder gibt es Gedankensprünge, die von der eigentlichen Handlung abschweifen und den Leser teilweise unnötig verwirren. Obwohl der Jugendroman sofort in die lebensverändernde Nachricht von Bogis Krankheit einsteigt und damit eine gewisse Spannung erzeugt, fällt diese in den nächsten Kapiteln wieder ab. Motte versucht, sich alleine durchs Leben zu schlagen, doch seine Gleichgültigkeit überträgt sich dabei auch etwas auf den Leser. Das Ende von Blackbird hat mir wiederum sehr gut gefallen. Das eigentliche Thema des Buches wird hier noch einmal gezielt aufgegriffen und auch Mottes Gedanken wirken sortiert und erwachsener. Mir hat die Message „Wie gehe ich damit um, dass mein eigenes Leben weitergeht, während das meines Freundes ein Ende nimmt“ gefallen, zwar geht sie in der Mitte von Blackbird etwas verloren, doch zum Ende hin wird sie erneut thematisiert und in den Mittelpunkt gestellt.

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Veröffentlicht am 16.04.2020

Erschreckend realitätsnah, fesselnd und ermutigend

Drei Leben lang
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Drei Leben lang von Felicitas Korn ist erschreckend realitätsnah, fesselnd, ermutigend und doch auch ziemlich ernüchternd. Der Roman handelt von drei Kerlen, von drei verschiedenen Leben und doch teilen ...

Drei Leben lang von Felicitas Korn ist erschreckend realitätsnah, fesselnd, ermutigend und doch auch ziemlich ernüchternd. Der Roman handelt von drei Kerlen, von drei verschiedenen Leben und doch teilen sie alle ein Schicksal: Sie müssen ums Überleben kämpfen und Felicitas Korn zeigt, dass es vor allem unsere Entscheidungen sind, die unser Leben für immer verändern und beeinflussen können.

Michi und seine Schwester Xandra haben von einem Tag auf den nächsten ihre Eltern verloren und befinden sich nun im Heim. Michi will alles dafür tun, um zu verhindern, dass er und seine Schwester getrennt und in verschiedene Unterkünfte gebracht werden, doch sein guter Wille kommt bei allen umstehenden Personen leider nicht so an, wie er es sich erhoffte.
Unterdessen scheint der King das Leben zu führen, von dem er immer geträumt hat: großes Haus, viel Geld, jede Nacht eine andere Frau. Wie er sich das Geld jedoch verdient ist alles andere als ehrenhaft und über die Jahre hat er sich den falschen Mann zum Feind gemacht. Schon bald wird er seinem Spitznamen „der King“ nicht mehr gerecht und er sieht ein, dass es nicht mehr nur um Geld und Macht geht, sondern vor allem auch um sein Leben und seine Existenz.

Loosi kann davon ein Lied singen. Schon lange ist er dem Alkohol verfallen und das Glück gibt ihm nicht mehr viele Chancen, um den Kampf gegen die Droge zu gewinnen. Wieso sollte er auch, denkt er sich, denn es gibt schon lange nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Doch dann lernt er ein junges Mädchen in der Entzugsklinik kennen und verliebt sich Hals über Kopf. Schafft es die langersehnte Liebe, Loosi aus dem dunklen Loch zu ziehen, oder ist sie der letzte Tropfen Alkohol, den er nicht überleben wird?

Mit Michi, dem King und Loosi hat Felicitas Korn drei Charaktere geschaffen, die man zwar ab und zu auch in anderen Romanen findet, doch in Drei Leben lang wird nichts verschleiert. Die verschiedenen Geschichten zeigen, wie ein einziger Schicksalsschlag ausreicht, um das Leben und vor allem auch den Lebenswillen einer Person für immer zu verändern. Zwar werden in dem Roman drei unterschiedliche Perspektiven gezeigt, doch schon bald merkt man, dass Michi, der King und Loosi vor allem eins vermissen: Liebe. Liebe und die lebensrettende Magie, die sie mit sich bringen könnte.
Mir hat es gefallen, dass Felicitas Korn keine utopisch schöne Geschichte geschaffen hat. Viel zu oft liest man Bücher, in denen problematische Charaktere wie durch ein Wunder gerettet werden. Drei Leben lang ist anders. Der Roman zeigt auf direkte, schlagfertige und doch einfühlsame Weise, dass es nicht für jeden ein Happy End gibt und dass eine Geschichte genauso abrupt enden kann, wie sie begann.

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Veröffentlicht am 09.04.2020

Ehrlich, direkt und optimistisch

Quarterlife Crisis
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Quarterlife Crisis mag ich aus genau zwei Gründen: Die Gedicht- und Kurzgeschichtensammlung spricht zum einen Themen an, mit denen ich mich im Alltag immer wieder konfrontiert fühle, zum anderen sind sie ...

Quarterlife Crisis mag ich aus genau zwei Gründen: Die Gedicht- und Kurzgeschichtensammlung spricht zum einen Themen an, mit denen ich mich im Alltag immer wieder konfrontiert fühle, zum anderen sind sie so wunderbar ehrlich, direkt, optimistisch und zum Teil auch hoffnungslos romantisch, dass sie einem einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Max Osswald schreibt über Liebe – über die ganz große, ewige Liebe, über die vergangene Liebe und die, die nie hätte sein sollen – er schreibt von dem ewigen Streben nach Perfektion, dem wir alle mehr und mehr verfallen und wie sich keiner mit dem zufrieden geben kann, was er hat. Bei jedem Gedicht und jeder Geschichte fühlte ich mich persönlich angesprochen und habe hier und da Max‘ erhobenen Zeigefinger gespürt, mit dem er mir sagen wollte: „Gib nicht auf, das kannst du besser!“

Wenn es um Gedichte geht, bin ich ziemlich wählerisch. Shakespeare konnte mich leider nie zu hundert Prozent überzeugen, weil ich seine Werke mindestens dreimal lesen musste, um zu verstehen, was er mir sagen möchte. Lyrik muss für mich einfach sein und alles auf den Punkt bringen. Ich brauche keine wunderbar verschnörkelten Sätze, die zwar schön klingen, ich aber nicht verstehe. Max hat es geschafft (mal mit wenigen Worten, mal mit mehreren Seiten), mich zum Nachdenken anzuregen. Ich konnte mich auf die Gedichte einlassen und musste nicht in der Mitte stoppen, um noch einmal von vorn anzufangen.
Außerdem mochte ich die Aktualität der Themen. Max spricht das Streben nach mehr, die großen Gefühle, die wir manchmal viel zu sehr erzwingen und die Wegwerfgesellschaft, in der wir leben, ganz direkt an. Bei Gedichten muss man natürlich immer zwischen Autor und lyrischem Ich unterscheiden und trotzdem hatte ich teilweise das Gefühl, in jedem Vers auch ein bisschen über Max Osswald selbst zu erfahren. In Quarterlife Crisis habe ich mich verstanden gefühlt, mich auf jeder Seite wieder erkannt und würde es jedem weiterempfehlen, der auf Liebe, Freundschaft und Kitsch steht, aber zwischendurch auch mal ein ernstes Wort gebrauchen kann.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

James Joyce aus der Sicht zwei seiner engsten Freunde

Unser Freund James Joyce
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James Joyce ist einer der bekanntesten irischen Schriftsteller und auch während meines Anglistikstudiums ist sein Name immer wieder aufgetaucht – gelesen habe ich von ihm bisher allerdings noch nichts. ...

James Joyce ist einer der bekanntesten irischen Schriftsteller und auch während meines Anglistikstudiums ist sein Name immer wieder aufgetaucht – gelesen habe ich von ihm bisher allerdings noch nichts. Als ich vom Verlag Freies Geistesleben dann auf diese Biografie, die zwei seiner Freunde verfasst haben, aufmerksam gemacht wurde, hat mich die Neugierde gepackt: Wer war dieser Autor, von dem ich schon so viel gehört hatte?

In Unser Freund James Joyce erzählen Padraic und Mary Colum von ihrem ersten Aufeinandertreffen mit dem stolzen, fast schon arroganten Joyce und wie sich daraus eine jahrelange Freundschaft entwickelte, die bis zu Joyces Tod im Jahre 1941 bestand. Schon als junger Student hatte sich James Joyce einen Namen in der Literaturszene Dublins gemacht: Er schrieb Gedichte, die er gern jedem rezitierte, und verdiente sich etwas Geld mit dem Verfassen von Rezensionen dazu. Obwohl er bekannt und von vielen seiner Kommilitonen bewundert wurde, hatte er finanziell große Probleme. Immer wieder war er in abgewetzter Kleidung zu sehen und musste sich von seinen Freunden Geld leihen – auch Mary und Padraic halfen ihm gelegentlich aus. Als dann auch noch sein Roman Dubliner von Verlegern abgelehnt wurde, konnte man zunehmend mentale Probleme bei Joyce erkennen: Verfolgungswahn, erhöhter Alkoholkonsum, Verbissenheit – noch dazu wurde sein Augenlicht immer schlechter.

Unser Freund James Joyce geht sowohl auf die Berühmtheit des Autors ein, die Colums erzählen aber auch offen von seiner Geldnot, seinem psychischen Zustand und der Sorge um seine Tochter Lucia. Die Biografie lässt nicht nur die freundschaftliche Liebe zwischen Mary, Padraic und James durchblitzen, sie zeigt James Joyce vor allem als Mensch und nicht nur als den großartigen Schriftsteller, den wir heute kennen. Immer wieder werden persönliche Ereignisse aus dem Leben des Autors mit Personen oder Handlungssträngen aus seinen Büchern und Gedichten verglichen. Man erfährt, wo Joyce seine Inspiration herbekam, wie er die Beziehung zu seinem Vater in Ulysses verarbeitete und wie er seinem Heimatort Dublin tatsächlich gegenüberstand. Obwohl er es keinesfalls leicht im Leben hatte, bewundere ich eine Eigenschaft besonders an James Joyce: seinen Stolz. Er wusste immer genau, was er konnte und ließ sich nie vom Ziel abbringen. Ich denke, das ist Mary und Padraic Colum am besten gelungen –Joyce wurde als echter Mensch mit Ecken und Kanten dargestellt, vor dem man trotzdem großen Respekt hat, auch wenn man ihn nur auf dem Papier kennenlernt. Bis heute kenne ich kein Werk von James Joyce, doch die Biografie hat mich dazu ermuntert, Dubliner und Ulysses in die Hand zu nehmen und die Personen und Orte, die in Unser Freund James Joyce beschrieben werden, wieder zu treffen.

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Veröffentlicht am 01.04.2020

Spannend, emotional und unglaublich stark

Die Nachtigall
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Ganz offen gesagt bin ich kein Fan von historischen Romanen, die während der Zeit des zweiten Weltkriegs spielen. Ich finde das Thema sehr erschöpfend und habe das Gefühl, dass jeder zweite historische ...

Ganz offen gesagt bin ich kein Fan von historischen Romanen, die während der Zeit des zweiten Weltkriegs spielen. Ich finde das Thema sehr erschöpfend und habe das Gefühl, dass jeder zweite historische Roman zwischen 1939 und 1945 spielt. Als in meinem Buchclub dann Die Nachtigall von Kristin Hannah vorgeschlagen wurde, war ich die einzige, die dagegen stimmte. Ich wurde überboten und musste mich also auf das Buch einlassen und ich bin echt froh, dass ich es gewagt habe…

Die Nachtigall beginnt im Jahr 1939: Isabelle wurde (mal wieder) einer Schule verwiesen und kommt für einige Tage bei ihrem Vater in Paris unter. Vianne wohnt mit ihrem Mann Antoine und der gemeinsamen Tochter Sophie in Carriveau. Der zweite Weltkrieg hat bereits begonnen und nach einem Luftangriff auf Paris, wird Isabelle von ihrem Vater nach Carriveau geschickt. Dort soll sie bei ihrer Schwester wohnen und den Krieg so gut es geht überstehen. Doch Isabelle ist eine sture 18-Jährige, die es sich in den Kopf gesetzt hat, gegen die Deutschen zu rebellieren – nur widerwillig verlässt sie also Paris und macht sich auf den Weg zu Vianne.
Antoine wird unterdessen vom Militär einberufen und soll für Frankreich kämpfen. Vianne ist ab sofort mit ihrer Tochter allein, muss einen deutschen Offizier beherbergen und zusätzlich ihre kleine, aufmüpfige Schwester aufnehmen. Ganz anders als Isabelle, versucht sich Vianne den neuen Umständen zu fügen. Sie hört auf die Regeln der Deutschen und erregt so wenig Aufsehen wie möglich.

Es liegt also auf der Hand, dass die unterschiedlichen Schwestern immer wieder aneinander geraten: Isabelle will für Frankreich kämpfen, für Gerechtigkeit und den Sieg und kann ihre Abneigung gegenüber den Nazis nicht vor Hauptmann Beck, dem einquartierten Offizier, verbergen. So schnell wie die Schwestern zusammen gebracht wurden, trennen sich auch wieder ihre Wege. Isabelle schließt sich der Résistance an und Vianne gibt alles, um das Leben ihrer Tochter zu sichern. Fünf Jahre liegen vor den beiden Frauen, in denen sie sowohl körperlichen als auch seelischen Schmerz erleiden müssen, doch sie wachsen auch über sich hinaus und schaffen letztendlich das Unmögliche.

Ich habe lange überlegt, was mich an Die Nachtigall so gefesselt hat. War es der flüssige, lebendige Schreibstil, der mich sofort in die Geschichte gezogen hat? War es der Fokus auf mutigen und starken Frauenbildern, die die Handlung vorantreiben? Oder waren es die immer wieder auftretenden Gegensätze, die der Geschichte etwas Dynamisches verleihen? Letztendlich glaube ich, dass es eine Mischung aus allem war. In Die Nachtigall wird nichts harmonisiert. Kristin Hannah hat einen Roman geschaffen, der genauso frustrierend, ernüchternd, aber zwischendurch auch wieder hoffnungsvoll ist, wie ich mir die damalige Zeit vorstelle. Anders als bei einigen Weltkriegsromanen hatte ich bei Die Nachtigall nicht das Gefühl, dass alles unrealistisch fiktiv dargestellt ist, doch hier und da gab es ein paar unglückliche Szenen, die entweder nicht zur Charakterentwicklung der handelnden Person passten oder zu sehr an einen schnulzigen Liebesroman erinnerten. Das liegt allerdings daran, dass Kristin Hannah sich nicht auf das Kriegsgeschehen fokussiert, sondern auf die Personen – ihre Verbindungen zueinander, ihr Umgang mit der gegebenen Situation, ihre Gedanken und Gefühle. Die Nachtigall ist unfassbar emotional und beherbergt die verschiedensten Charaktere, die alle in die Geschichte passen wie die Faust aufs Auge. Danke an meinen Buchclub, ohne den ich dieses Buch wahrscheinlich nie in die Hand genommen hätte.

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