Ein stilistisches Kunstwerk über Homosexualität
ZAMI. Eine neue Schreibweise meines Namens„Zami“ bezeichnet das Zusammenkommen von Frauen als Freunde und gleichzeitig Liebhaber. In ihren Memoiren erzählt Audre Lorde von ihrem Leben als Lesbe während der Fünfzigerjahre in New York. Da Homosexualität ...
„Zami“ bezeichnet das Zusammenkommen von Frauen als Freunde und gleichzeitig Liebhaber. In ihren Memoiren erzählt Audre Lorde von ihrem Leben als Lesbe während der Fünfzigerjahre in New York. Da Homosexualität zu dieser Zeit noch streng verpönt war und sie außerdem eine dunklere Hautfarbe hatte als die meisten Amerikaner, musste sich die Autorin mit vielen homophoben und rassistischen Bemerkungen auseinander setzen. Lorde bewies jedoch Charakterstärke und widersetzte sich den Beschuldigungen. In ihren späten Teenagerjahren und frühen Zwanzigern probierte sie sich aus, besuchte Lesben Bars und lebte zeitweilig in Mexiko.
Zu ihrer Mutter hatte die Autorin ein weniger gutes Verhältnis. Audre Lorde wurde mit harter Hand, die ihrer Mutter auch gern einmal ausrutschte, erzogen. Als jüngstes von drei Kindern warfen die Eltern vor allem auf sie ein wachsames Auge. Freundinnen durften Audre nicht besuchen, in der Schule sollte sie stets darauf achten, nicht aufzufallen, und niemals durfte sie sich ihren Eltern oder anderen Erwachsenen widersetzen. Die bereits erwähnte Charakterstärke zeigte sich bei der Autorin schon im Grundschulalter. Als sie gerade das Lesen und Schreiben lernte, entschied sie sich für eine neue Schreibweise ihres Namens: Aus Audrey wurde Audre, denn sie mochte es nicht, wie das „y“ den Schreibfluss unterbrach. Von diesem Moment an distanzierte sich die Schriftstellerin immer weiter von ihren Eltern und nahm ihr Leben selbst in die Hand – bis sie den Entschluss fasste, nach der High School auszuziehen.
Audre Lorde führte ein aufregendes Leben. Sie lernte die unterschiedlichsten Frauen kennen, führte die unterschiedlichsten Beziehungen und wohnte in den unterschiedlichsten Stadtteilen und Ländern. Während die Schriftstellerin ihre Erfahrungen teilt, lässt sie keine Details aus und bringt den Leser damit teilweise in Verlegenheit. Ihre Offenheit wirkt erfrischend, ihre Geschichten interessant, jedoch wird sich nicht jeder mit Audre Lorde anfreunden können.
Obwohl mir der Einstieg in Lordes Memoiren schwerfiel, war ich doch erstaunt, wie flüssig sich der Text im weiteren Verlauf lesen ließ. Die Autorin gewährt jedem, der ihr Buch in die Hand nimmt, einen direkten Einblick in ihre Gedanken und Gefühlswelt. Mir hat gefallen, wie offen sie über ihr Leben berichtet, jedoch ist mir aufgefallen, dass sie sich regelrecht in neue Beziehungen gestürzt hat – und das wiederum ging mir etwas gegen den Strich. Obwohl Audre Lorde eine sehr selbstbewusste und willensstarke Persönlichkeit war, schien es fast als fehlte es ihr an Zuneigung. Kommt das daher, weil sie nie genug Anerkennung von ihren Eltern bekam? Lief sie auch in ihren Zwanzigern immer noch der mütterlichen Liebe hinterher, die sie nie erfahren hatte? Es hatte mich teilweise wirklich genervt zu lesen, wie jede neue Bekanntschaft ein neues, einmaliges Feuerwerk in ihr auslöste. Audre Lorde wirkte auf mich so selbstsicher, dass sie es nicht nötig hatte, nach Akzeptanz zu suchen.
Insgesamt kann ich Zami aber an jeden weiterempfehlen. Vor allem der Schreibstil der Memoiren hat es mir angetan. Da Lorde hauptsächlich als Lyrikerin tätig war, wusste sie genau, wie sie Worte einsetzen musste, um bei anderen Menschen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ihre Sätze sind weise gewählt und jedes Kapitel ist ein kleines stilistisches Kunstwerk.