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Veröffentlicht am 10.06.2020

Die Nachteile der Staatenbildung

Die Mühlen der Zivilisation
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Das jahrhundertealte Narrativ, wonach die Erfindung des Ackerbaus automatisch zu Sesshaftigkeit und diese wiederum zur Entstehung von Staaten geführt habe, was der Beginn eines wunderbaren Weges hin zu ...

Das jahrhundertealte Narrativ, wonach die Erfindung des Ackerbaus automatisch zu Sesshaftigkeit und diese wiederum zur Entstehung von Staaten geführt habe, was der Beginn eines wunderbaren Weges hin zu immer größerem Fortschritt gewesen sei, wird in den letzten Jahren zunehmend hinterfragt. Auch James Scott reiht sich hier in diese Liste ein.
Dabei zeigt sich insbesondere, wie vielfältig und überraschend facettenreich die Lebens- und Wirtschaftsweisen der Menschen in den letzten ca 14.000 Jahren waren. Es handelte sich bei den verschiedenen Formen des Lebensunterhalts in aller Regel nicht um ein „entweder – oder“, sondern dieselben Personen und Gruppen wechselten je nach Verfügbarkeit bzw Bequemlichkeit etwa zwischen Jagen, Sammeln, Sammeln vom Meeresfrüchten, Wanderfeldbau, Weidewirtschaft etc.
Das Aufkommen der ersten Staaten, welche zunächst nur einen winzigen Anteil der Weltbevölkerung umfassten, wird dann erwartungsgemäß nicht gerade als Erfolgsgeschichte geschildert. Das Leben dort sei sowohl anstrengender als auch unfreier gewesen – „Ohne Sklaverei kein Staat“ - , sodass es nicht verwundert, dass deren Bewohner immer wieder dazu neigten, einfach davonzulaufen – „Die Chinesische Mauer wurde ebenso sehr zu dem Zweck erbaut, chinesische Steuerzahler drinnen zu halten, wie dazu, Barbaren draußen zu halten“.

Der Großteil dieser Ausführungen ist heutzutage nicht wirklich neu.
Zwei faszinierende Punkte möchte ich aber doch noch hervorheben: Zum einen wird die Bedeutung des Getreides betont (im englischen Originaltitel „Against the Grain“ kommt dies noch besser zum Ausdruck als im deutschen), welches aus Sicht eines frühen Staates als Besteuerungsgrundlage bedeutende Vorteile gegenüber allen anderen Feldfrüchten hatte. Dies ist ein selten bedachter Aspekt.
Zum anderen gibt es erhellende Betrachtungen über das Verhältnis der Staaten zu den in ihrer Nachbarschaft lebenden „Barbaren“, deren Lebensweise ohne die Staaten oftmals gar nicht möglich gewesen wäre und die daher ihr „goldenes Zeitalter“ erlebten.

Der Inhalt dürfte sehr gut recherchiert sein, ist zweifellos interessant und regt immer wieder zum Nachdenken an. Der Text ist allerdings eher trocken und mit teilweise unnötigen Fremdwörtern gespickt.
Auch wird das Bestreben des Autors, so gar kein gutes Haar an der Idee der Staatlichkeit zu lassen, mit der Zeit doch eintönig und wirkt übertrieben.
Als (etwas einseitige) Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes aber nichtsdestotrotz lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 10.06.2020

Gelungener Auftakt mit einem interessanten Ermittler-Duo

Steirerblut
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Die Verfilmung dieses Krimis (als „Landkrimi“) hat mir richtig gut gefallen. Die Lektüre des Buches gestaltet sich zwar nicht ganz so unterhaltsam, da der Erzählstil etwas holprig ist, es ist aber nichtsdestotrotz ...

Die Verfilmung dieses Krimis (als „Landkrimi“) hat mir richtig gut gefallen. Die Lektüre des Buches gestaltet sich zwar nicht ganz so unterhaltsam, da der Erzählstil etwas holprig ist, es ist aber nichtsdestotrotz lesenswert:
Abteilungsinspektorin Sandra Mohr vom LKA Steiermark hat mit einigen Problemen zu kämpfen – sowohl privat als auch beruflich. Ihr Kollege Chefinspektor Sascha Bergmann erweist sich als eine schwierige Persönlichkeit, die ihr einige Rätsel aufgibt. Und dann führt der Fall um eine ermordete Journalistin sie auch noch in ihren Herkunftsort, wo Konflikte mit ihrer Mutter und vor allem ihrem Halbbruder wieder akut werden und sie sich außerdem mit ihrem Jugendfreund auseinandersetzen muss.

Die Kulisse, vor der diese Geschehnisse angesiedelt ist, ist durchaus interessant. Typisches Lokalkolorit ist hier jedoch weniger vorhanden als bei den meisten anderen Regionalkrimis und wenn, dann wird das Dorfleben zu negativ dargestellt.
Dafür kann die Aufklärung des Verbrechens mit etwas Spannung aufwarten, die Ermittlungsarbeiten gehen in verschiedene Richtungen und es gibt überraschende Wendungen (auch für diejenigen, welche den Film schon kennen).
Die Protagonisten sind allerdings teilweise nicht ganz überzeugend bzw etwas widersprüchlich gezeichnet. Da es sich hier um den ersten Teil einer Reihe handelt, ist freilich anzunehmen, dass in den weiteren Teilen einiges klarer wird. Über manche Nebendarsteller hätte ich aber doch gern mehr erfahren.

Insgesamt hätte die Geschichte vielleicht ein paar zusätzliche Seiten benötigt, um sich richtig entfalten zu können. Nichtsdestotrotz ein gelungener Auftakt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.06.2020

Ein paar anregende Gedanken, großteils jedoch einseitig und wiederholend

Sprache und Sein
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Die Inhaltsangabe dieses Buches klingt vielversprechend und tatsächlich enthält es einige interessante Bemerkungen, beispielsweise dazu, wie die Sprache, die wir verwenden, uns beeinflusst, welche Auswirkungen ...

Die Inhaltsangabe dieses Buches klingt vielversprechend und tatsächlich enthält es einige interessante Bemerkungen, beispielsweise dazu, wie die Sprache, die wir verwenden, uns beeinflusst, welche Auswirkungen Mehrsprachigkeit hat oder wie Ausgrenzung auf verschiedenen Ebenen funktioniert.
Ein zu großer Teil besteht jedoch aus Gejammer darüber, wie schlecht gewisse Bevölkerungsgruppen doch behandelt würden, oder aus Selbstbeweihräucherungen der Autorin. Sie erweckt den Eindruck, als seien sie bzw die Leute, die ihre Ansichten teilen, als einzige zu konstruktiven Diskussionen bereit, während ihre „Gegner“ nur darauf aus sind, andere niederzumachen. Wirkliche Lösungen für die aufgezeigten Probleme hat sie allerdings selten anzubieten.
Generell ist die Darstellung sehr einseitig, abweichende Argumente werden kaum thematisiert. Dazu kommt noch, dass die im Grunde immer gleichen Aussagen ständig wiederholt werden, sodass weniger echter Inhalt vorhanden ist als es die 200 Seiten erwarten ließen.

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  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 06.04.2020

Banale Geschichte mitreißend erzählt

Jenseits des Nils
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Seinen Ausgang nimmt dieser Roman im idyllischen Surrey des Jahres 1881. Die Schwestern Grace und Ada und ihre Freundinnen verleben einen wunderbaren Sommer, in dem sich alles um große Gefühle und erste ...

Seinen Ausgang nimmt dieser Roman im idyllischen Surrey des Jahres 1881. Die Schwestern Grace und Ada und ihre Freundinnen verleben einen wunderbaren Sommer, in dem sich alles um große Gefühle und erste Liebesbeziehungen dreht. Objekte ihrer Begierden sind die jungen Kadetten der nahen Militärakademie.
Doch irgendwann ist Schluss mit lustig. Die Burschen müssen in den Krieg und für die Mädchen beginnt eine lange Zeit des Wartens, in der sie nur gelegentliche Briefe über das Schicksal ihrer Lieben auf dem Laufenden halten.

Der Inhalt als solches ist eigentlich ziemlich banal. Über weite Strecken liest er sich wie ein typischer Liebesroman, bei dem hinsichtlich der Zusammenstellung der Paare auch keine Überraschungen zu erwarten sind. Die Handlung während des Krieges ist dann schon etwas dramatischer, richtig viel Spannung kommt jedoch nicht auf.
Außerdem nimmt die in der Inhaltsangabe angekündigte Reise von Grace in den Sudan nur wenig Raum ein. Was aber vielleicht ohnehin besser ist, wirkt ihr ganzer Ablauf doch sehr unrealistisch.

Dass ich dieses Buch dennoch positiv bewerte, liegt am Erzählstil. Es gelingt der Autorin, ihre etwas klischeehaften Protagonisten zum Leben zu erwecken und vor allem auch das Drumherum der Handlung farbenfroh und mitreißend zu schildern. Sogar Nebensächlichkeiten werden so interessant und es ist doch schön, in die Geschichte einzutauchen.

Fazit: Große Literatur oder eine besonders ausgefeilte Konstruktion der Handlung darf man hier nicht erwarten. Als unterhaltsame Lektüre für zwischendurch aber durchaus geeignet.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.04.2020

Neue Perspektive auf die Entstehung des Menschen

Wie wir Menschen wurden
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Jahrzehntelang schien die sogenannte „Out of Africa“-Theorie, wonach sich die wesentlichen Schritte hin zur Entstehung des modernen Menschen alle in Afrika zugetragen haben, die unumstrittene Lehrmeinung ...

Jahrzehntelang schien die sogenannte „Out of Africa“-Theorie, wonach sich die wesentlichen Schritte hin zur Entstehung des modernen Menschen alle in Afrika zugetragen haben, die unumstrittene Lehrmeinung der Paläoanthropologie zu sein.
In der letzten Zeit wird diese jedoch mehr und mehr in Frage gestellt – nicht zuletzt durch neue und wiederentdeckte Funde aus Europa und Asien.

Madelaine Böhme war an einigen dieser Entdeckungen selbst beteiligt. Sie schildert hier den aktuellen Forschungsstand und lässt auch persönliche Erlebnisse miteinfließen. So entsteht eine spannende Reise durch die letzten Jahrmillionen, wo eine verwirrende Vielfalt an Vor- und Frühmenschenarten mit sich ständig wandelnden Umweltbedingungen zurechtkommen musste. Dabei begegnen uns unter anderem Eiszeiten, Savannen in Deutschland und ein ausgetrocknetes Mittelmeer und es zeigt sich, wie stark der Zusammenhang und wechselseitige Austausch zwischen Afrika und Eurasien waren.
Einige Kapitel greifen jeweils ein spezielles Merkmal des Menschen heraus (zum Beispiel seine Eignung als Dauerläufer, die Zähmung des Feuers oder die Entstehung von Sprache und Schrift) und spüren dessen Herkunft nach. Auch hier warten einige überraschende Gedanken, etwa, dass nicht so sehr die höhere Eiweiß-, sondern eher die höhere Stärkezufuhr durch die Nahrung das Gehirnwachstum stimulierte.

Die Ausführungen sind allgemeinverständlich gehalten und in einem flotten Stil verfasst. Zahlreiche farbige Bilder und Grafiken veranschaulichen den Inhalt.
Positiv aufgefallen ist mir weiters, dass die „Ghostwriter“ hier ebenfalls am Cover aufscheinen.
Schade nur, dass es kein Stichwortverzeichnis gibt. Gerade bei einem Buch, das mit so vielen interessanten Fakten vollgestopft ist, wäre dies hilfreich.

Alles in allem ist dieses Werk auf jeden Fall empfehlenswert. Es hat natürlich nicht auf alle Fragen eine Antwort und einigen Aussagen würde von anderen Wissenschaftlern wohl widersprochen werden. Gerade das macht aber einen Teil seines Reizes aus. Man ist hier an der Front der aktuellen Forschung und ich bin gespannt, was die nächsten Jahre noch für Erkenntnisse bereithalten werden.