Die Nachteile der Staatenbildung
Die Mühlen der ZivilisationDas jahrhundertealte Narrativ, wonach die Erfindung des Ackerbaus automatisch zu Sesshaftigkeit und diese wiederum zur Entstehung von Staaten geführt habe, was der Beginn eines wunderbaren Weges hin zu ...
Das jahrhundertealte Narrativ, wonach die Erfindung des Ackerbaus automatisch zu Sesshaftigkeit und diese wiederum zur Entstehung von Staaten geführt habe, was der Beginn eines wunderbaren Weges hin zu immer größerem Fortschritt gewesen sei, wird in den letzten Jahren zunehmend hinterfragt. Auch James Scott reiht sich hier in diese Liste ein.
Dabei zeigt sich insbesondere, wie vielfältig und überraschend facettenreich die Lebens- und Wirtschaftsweisen der Menschen in den letzten ca 14.000 Jahren waren. Es handelte sich bei den verschiedenen Formen des Lebensunterhalts in aller Regel nicht um ein „entweder – oder“, sondern dieselben Personen und Gruppen wechselten je nach Verfügbarkeit bzw Bequemlichkeit etwa zwischen Jagen, Sammeln, Sammeln vom Meeresfrüchten, Wanderfeldbau, Weidewirtschaft etc.
Das Aufkommen der ersten Staaten, welche zunächst nur einen winzigen Anteil der Weltbevölkerung umfassten, wird dann erwartungsgemäß nicht gerade als Erfolgsgeschichte geschildert. Das Leben dort sei sowohl anstrengender als auch unfreier gewesen – „Ohne Sklaverei kein Staat“ - , sodass es nicht verwundert, dass deren Bewohner immer wieder dazu neigten, einfach davonzulaufen – „Die Chinesische Mauer wurde ebenso sehr zu dem Zweck erbaut, chinesische Steuerzahler drinnen zu halten, wie dazu, Barbaren draußen zu halten“.
Der Großteil dieser Ausführungen ist heutzutage nicht wirklich neu.
Zwei faszinierende Punkte möchte ich aber doch noch hervorheben: Zum einen wird die Bedeutung des Getreides betont (im englischen Originaltitel „Against the Grain“ kommt dies noch besser zum Ausdruck als im deutschen), welches aus Sicht eines frühen Staates als Besteuerungsgrundlage bedeutende Vorteile gegenüber allen anderen Feldfrüchten hatte. Dies ist ein selten bedachter Aspekt.
Zum anderen gibt es erhellende Betrachtungen über das Verhältnis der Staaten zu den in ihrer Nachbarschaft lebenden „Barbaren“, deren Lebensweise ohne die Staaten oftmals gar nicht möglich gewesen wäre und die daher ihr „goldenes Zeitalter“ erlebten.
Der Inhalt dürfte sehr gut recherchiert sein, ist zweifellos interessant und regt immer wieder zum Nachdenken an. Der Text ist allerdings eher trocken und mit teilweise unnötigen Fremdwörtern gespickt.
Auch wird das Bestreben des Autors, so gar kein gutes Haar an der Idee der Staatlichkeit zu lassen, mit der Zeit doch eintönig und wirkt übertrieben.
Als (etwas einseitige) Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes aber nichtsdestotrotz lesenswert.