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Veröffentlicht am 18.07.2018

Homogenozän

Kolumbus' Erbe
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Die Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika gilt zurecht als eines der bedeutendsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte.
Doch wie groß seine Auswirkungen tatsächlich waren, lässt sich in all seinem ...

Die Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika gilt zurecht als eines der bedeutendsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte.
Doch wie groß seine Auswirkungen tatsächlich waren, lässt sich in all seinem Umfang und seiner Komplexität nur schwer erfassen. Bereits ein Blick in einen durchschnittlichen Garten vermittelt aber zumindest eine Ahnung dessen, was als kolumbianischer Austausch bezeichnet werden kann – enthält er doch typischerweise eine Zusammenstellung von Pflanzen, deren ursprüngliche Verbreitungsgebiete weit voneinander entfernt lagen und sich über verschiedene Kontinente erstreckten.
So können die Entdeckungsfahrten der frühen Neuzeit als Beginn eines neuen biologischen Zeitalters aufgefasst werden, für welches der Begriff Homogenozän (abgeleitet von „homogenisieren“) vorgeschlagen wurde. Denn Orte, die einst ökologisch unterschiedlich waren, sind einander immer ähnlicher geworden, sodass die Welt zu einer Einheit wurde.

Charles C Mann betrachtet dieses Thema hier in vielen Facetten, stellt positive wie negative Entwicklungen dar und zeigt vor allem, welche tiefgreifenden und oftmals bis heute nachwirkenden Folgen scheinbar längst vergangene Ereignisse hatten.
Er unternimmt eine spannende Reise um die Welt (mit Ausnahme Australiens) und besucht eine Reihe an Orten und Personen, die Geschichte schrieben. So erzählt er von Silberminen im heutigen Bolivien und von der chinesischen Provinz, in welche ein großer Teil dieses Silbers gelangte, von Siedlungen, die von entlaufenen Sklaven gegründet wurden, von europäischen Bauern, die gegen Pflanzenschädlinge kämpften – und von vielem mehr.

Diese Ausführungen sind meist sehr lebendig gehalten, man hat das Gefühl, hautnah mitten im Geschehen zu sein. Bisweilen neigt der Autor zwar zu etwas zu ausschweifenden Schilderungen, vor allem im vorletzten Kapitel, alles in allem ist die Lektüre aber interessant und stellenweise richtiggehend fesselnd.
So bietet dieses Buch eine Reihe faszinierender und überraschender Erkenntnisse. Mir war beispielsweise nicht bekannt, welche Bedeutung das Malaria-Virus bzw dessen Überträger für den amerikanischen Bürgerkrieg oder die Geschichte Schottlands hatte. Besonders beeindruckt hat mich außerdem die Beschreibung riesiger, sich über ganze Landstriche Asiens erstreckender Plantagen von ursprünglich aus Südamerika stammenden Kautschukbäumen sowie die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von einem derart unscheinbaren Stoff wie Gummi.
Und dies alles sind natürlich nur einige Beispiele dessen, was hier auf 650 Seiten reinen Texts behandelt wird.

Weiters dürfte der Inhalt ausgesprochen gründlich recherchiert sein. Zahlreiche Fußnoten sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis runden das Werk ab und können als Ausgangspunkt für weitere Recherchen dienen.

Veröffentlicht am 06.03.2018

Interessante Geschichte mit außergewöhnlichem Hauptdarsteller

Tulpengold
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Nachdem Eva Völler bereits eine Reihe historischer Romane unter dem Pseudonym Charlotte Thomas veröffentlicht hat, erscheint dieser nun unter ihrem „richtigen“ Namen.
Die Geschichte führt ins Amsterdam ...

Nachdem Eva Völler bereits eine Reihe historischer Romane unter dem Pseudonym Charlotte Thomas veröffentlicht hat, erscheint dieser nun unter ihrem „richtigen“ Namen.
Die Geschichte führt ins Amsterdam des Jahres 1636: Der 17jährige Pieter ist ein außergewöhnlicher Charakter. Heute würde man bei ihm wohl das Asperger-Syndrom diagnostizieren, damals galt er einfach als schrullig. Auf Wunsch seines verstorbenen Vaters beginnt der talentierte Bursche eine Lehre bei dem berühmten Maler Rembrandt von Rijn. Sein Eintreffen in Amsterdam fällt in eine aufregende Zeit. Ganz Holland ist vom Tulpenfieber befallen, Tulpenzwiebeln können zu horrenden, immer weiter steigenden Preisen verkauft werden. Als einige mit dem Tulpenhandel befasste Männer innerhalb weniger Wochen ermordet werden, gerät ausgerechnet Rembrandt unter Verdacht. Doch Pieter ist fest entschlossen, den wahren Täter zu entlarven, wobei ihm seine besondere Begabung für Mathematik zugutekommt.

Die Autorin hat mit Pieter einen großartigen Protagonisten geschaffen. Ich habe es sehr genossen, ihn bei seinen Erlebnissen zu begleiten und seine Gedankengänge mitzuverfolgen. Seine Handlungen wirken auf andere oftmals eigenartig, können von ihm aber immer streng logisch begründet werden. So entstehen viele amüsante Szenen.
Auch die übrigen Figuren sind lebendig gezeichnet, teils sympathisch, teils weniger sympathisch, aber immer nachvollziehbar und ohne Klischees.

Durch die Morde wird einige Spannung aufgebaut, vor allem gegen Ende wird es richtig dramatisch. Pieter verfolgt bei seinen Ermittlungen eine ungewöhnliche Vorgehensweise – er geht mit den Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung an den Fall heran und kann so im wahrsten Sinne des Wortes berechnen, wer hinter den Taten steckt. Gerade weil dies eine so beeindruckende Leistung ist, fand ich es allerdings etwas schade, dass das Buch keine konkreteren Beschreibungen seiner Überlegungen enthält.

Davon abgesehen ist dieser Roman aber mit reichlich interessanten Informationen gespickt – vor allem zum Thema Malerei sowie zur Tulpenmanie, die als erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte gilt. Diese werden geschickt in den Text eingewoben, sodass man hier etwas lernen kann ohne das Gefühl zu haben, belehrt zu werden.

Ich kann Tulpengold daher allen Fans historischer Romane, die einmal eine ungewöhnliche Perspektive einnehmen wollen, nur weiterempfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 01.03.2018

Philosophie für Einsteiger

Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?
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Richard David Precht gibt hier eine Einführung in die Philosophie, die sich vor allem an Neulinge richtet.
Dem Leser begegnen diverse große Philosophen, deren Leben und Werk quasi im Schnelldurchgang dargestellt ...

Richard David Precht gibt hier eine Einführung in die Philosophie, die sich vor allem an Neulinge richtet.
Dem Leser begegnen diverse große Philosophen, deren Leben und Werk quasi im Schnelldurchgang dargestellt und jeweils mit der Beantwortung einer bestimmten Frage verknüpft wird.

Das Themenspektrum ist dabei durchaus weit gefasst – von allgemeinen Überlegungen wie Was ist Wahrheit? oder Hat das Leben einen Sinn? über Fragen zu Gehirn und Bewusstsein wie Wer ist „ich“? oder Was ist Gedächtnis? und moralischen Problemen wie Warum soll ich gut sein? Soll man Sterbehilfe erlauben? Dürfen wir Tiere essen? bis zu den großen Themen der Menschheit wie Gibt es Gott? oder Was ist Liebe? – wird so ziemlich alles angesprochen, womit die Philosophie sich jemals befasst hat.

Die einzelnen Kapitel sind allerdings relativ kurz, stellen meist nur einige Schlagworte vor und auch wenn sich der Autor bemüht, die dargestellten Ansichten in einen größeren Kontext einzuordnen sowie Pro- und Contra-Argumente aufzuzeigen und auch Ergebnisse aus anderen Disziplinen, vor allem der Hirnforschung, einfließen lässt, bleibt es meist dennoch bei einer eher oberflächlichen Betrachtung.
So werden hier eine Reihe anregender Appetithäppchen präsentiert, die durchaus Lust auf mehr machen, wer sich für tiefergehende Auseinandersetzungen interessiert, ist allerdings mit anderen Werken besser bedient.

Veröffentlicht am 01.03.2018

Amüsanter Krimi mit Logikfehlern

Schampus, Küsschen, Räuberjagd
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In ihrem neusten Abenteuer hat Opernsängerin Pauline Miller diesmal ein Engagement in Bayreuth - als Isolde in Richard Wagners „Tristan und Isolde“. Doch anstatt sich auf die Proben konzentrieren zu können, ...

In ihrem neusten Abenteuer hat Opernsängerin Pauline Miller diesmal ein Engagement in Bayreuth - als Isolde in Richard Wagners „Tristan und Isolde“. Doch anstatt sich auf die Proben konzentrieren zu können, muss sie eine Reihe von Dramen bewältigen. Schlimm genug, dass ihre Erzfeindin „Herrmännchen“ ebenfalls zum Ensemble gehört und ihr isländischer Freund Arnaldur sie mit einer unerfreulichen Neuigkeit überrascht. Es treibt auch noch ein gewalttätiger Juwelendieb sein Unwesen und Pauline sieht sich gezwungen, sich in seine „Geschäfte“ einzumischen, wodurch sie ihm gefährlich nahe kommt.

Wie bei den übrigen Bänden dieser Reihe steht auch hier der Humor im Vordergrund. Paulys Leben mit all seinen Turbulenzen wird sehr amüsant geschildert. Sämtliche Protagonisten sind interessant ge- bzw häufig auch überzeichnet, was zusammen mit so manchen absurd-komischen Situationen für großen Lesespaß sorgt.
Doch auch das kriminalistische Element kommt nicht ganz zu kurz. Es wird viel Spannung erzeugt und die Entlarvung des Täters geht mit einigen Überraschungen einher.

Die Geschichte enthält allerdings zahlreiche Ungereimtheiten und Logikfehler. Bis zu einem gewissen Grad muss man bei einem solchen Buch natürlich mit Derartigem rechnen. Angesichts eines besonders eklatanten Widerspruchs in der Handlung habe ich mich aber schon gefragt, warum da die Lektorin nicht eingegriffen hat.

Weil sich die Lektüre nichtsdestotrotz sehr unterhaltsam gestaltet hat, gebe ich dennoch vier Sterne.

Veröffentlicht am 01.03.2018

Ein Virus verbreitet Schrecken

Pandämonium - Die letzte Gefahr
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Alexander Odin entwirft hier das Szenario einer Welt, die vor dem Abgrund steht. Ein mysteriöses Virus verwandelt die Menschen in blutrünstige Zombies. Zunächst scheint nur ein Plattenbau in Berlin-Mitte ...

Alexander Odin entwirft hier das Szenario einer Welt, die vor dem Abgrund steht. Ein mysteriöses Virus verwandelt die Menschen in blutrünstige Zombies. Zunächst scheint nur ein Plattenbau in Berlin-Mitte betroffen zu sein. Dieser wird daraufhin abgeriegelt, doch das kann die Ausbreitung nicht stoppen.
Die Experten sind ratlos, woher das Virus kommt, doch eine Spur führt zu einem seltsamen Internet-Netzwerk.

Diese Erzählung ist stellenweise durchaus spannend und durch die relativ kurzen Kapitel und den häufigen Wechsel des Schauplatzes entsteht eine gewisse Dynamik.
Auch gibt es eine Vielzahl an Protagonisten, die der Autor alle mit einer eigenen Biographie und unterschiedlichen Charakterzügen ausgestattet hat. So entsteht beispielsweise eine Schicksalsgemeinschaft zwischen einem 16jährigen Mädchen, das den Tod ihres Vaters vor über einem Jahr noch immer nicht überwunden hat, einem alten Mann, der an einem Gehirntumor leidet, einem kleinkriminellen Drogendealer und einem arbeitslosen Alkoholiker. Allerdings hätte man aus derartigen interessanten Ansätzen mehr machen können. Den meisten Figuren gelingt es nicht, ihre Persönlichkeit richtig „auszuspielen“ und sie handeln großteils vorhersehbar.

Vor allem aber störte mich, dass sie Geschichte insgesamt nicht richtig durchdacht wirkt. Nicht nur, dass das Virus immer genau die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt befällt und sich in seinen Auswirkungen passend zum Handlungsverlauf ziemlich variabel zeigt (derartiges ist bei Werken dieses Genres ohnehin der Normalfall). Es gibt aber nicht einmal eine ansatzweise schlüssige Erklärung, woher es eigentlich kommt oder wie diese eigenartige Internetseite funktionieren soll.

So bleiben am Schluss viele Fragen offen, weshalb dieser Roman ein eher unbefriedigendes Gefühl hinterlässt.