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Veröffentlicht am 30.03.2017

Gefühlschaos und Abenteuer vor exotischer Kulisse

Das ferne Land
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Anders als die meisten übrigen Romane von Charlotte Thomas ist dieser hier nicht in Venedig angesiedelt, sondern entführt die Leser in weitaus exotischere Gefilde.
Ihren Ausgang nimmt die Handlung im ...

Anders als die meisten übrigen Romane von Charlotte Thomas ist dieser hier nicht in Venedig angesiedelt, sondern entführt die Leser in weitaus exotischere Gefilde.
Ihren Ausgang nimmt die Handlung im Candia (Kreta) des Jahres 1645, wo die aus Köln stammende Katharina sich über den Verbleib ihres Mannes Giacomo Gedanken macht. Dieser soll im arabischen Sanaa gestorben sein, könnte ihr dort aber ein riesiges Lager wertvollen Weihrauchs hinterlassen haben.
Sie ist fest entschlossen, selbst auf die Suche zu gehen und es findet sich auch jemand, der bereit ist, ihr dafür ausreichend Geld vorzuschießen. Doch dieser verlangt eine Gegenleistung: Katharina soll den Händler Massimo Bagliani als Führer engagieren und ihn bei dieser Gelegenheit ausspionieren.
Tatsächlich scheint Massimo einiges zu verbergen zu haben. Dennoch kann Katharina nicht verhindern, dass sie im Lauf ihrer turbulenten Reise immer stärkere Gefühle für ihn entwickelt, was nicht nur zu viel Auf und Ab ihrer Stimmungslage führt, sondern sie schließlich auch in Lebensgefahr bringt.

Diese Geschichte wird abwechselnd aus Katharinas und Massimos Perspektive erzählt, wobei Katharinas den größeren Teil ausmacht. Ich hatte dabei immer wieder den Eindruck, dass die beiden es einander und auch sich selbst unnötig schwer machen. Da sich viele Leute in Liebesdingen nicht unbedingt vernünftig verhalten, ist dies aber nicht unrealistisch. Ein bisschen nervt das ständige Hin und Her allerdings schon.
Der Erzählstil ist flott und es wird einige Spannung aufgebaut. Manches ist aber auch vorhersehbar und vor allem beim „Showdown“ am Ende ging mir vieles zu schnell, hier hätte ich mir etwas ausführlichere Erklärungen gewünscht.

Dafür besticht das Buch mit anschaulichen und farbenfrohen Schilderungen der diversen Länder, welche die Protagonisten besuchen. Dadurch wird der alte Orient zum Leben erweckt, man kann wunderbar in das Geschehen eintauchen, lernt interessante Charaktere kennen und kann zusammen mit ihnen Neues entdecken und Abenteuer erleben.

Veröffentlicht am 19.03.2017

Schleifenquantengravitation für Einsteiger

Die Wirklichkeit, die nicht so ist, ...
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Die Vereinigung von Quantenphysik und allgemeiner Relativitätstheorie ist seit Jahrzehnten ein großes Thema in der Physik sowie auch in der populärwissenschaftlichen Literatur.
Vor allem in letzterer ...

Die Vereinigung von Quantenphysik und allgemeiner Relativitätstheorie ist seit Jahrzehnten ein großes Thema in der Physik sowie auch in der populärwissenschaftlichen Literatur.
Vor allem in letzterer erhielt dabei lange Zeit die Stringtheorie die meiste Aufmerksamkeit. Da diese die in sie gesetzten Erwartungen bisher aber nicht wirklich erfüllen konnte, rücken nun andere Erklärungsansätze, insbesondere die Schleifenquantengravitation, verstärkt in den Fokus.

Carlo Rovelli, welcher selbst an der Entwicklung dieser Theorie beteiligt war, gibt hier spannende Einblicke in sein Forschungsgebiet.
Er startet seine Ausführungen mit einem Streifzug durch die Geschichte der Physik, beginnend im antiken Griechenland, wo erstmals die Idee aufgeworfen wird, dass die gesamte Materie sich aus Atomen zusammensetze, über Galilei, Newton und Einstein bis hin zum modernen Verständnis der Quantenmechanik.
Damit ist der Boden bereitet für den großen Auftritt der Loops, zu Deutsch Schleifen, geschlossenen Linien im Raum, welche das Gravitationsfeld charakterisieren sollen. Ein wesentlicher Inhalt der Loop-Theorie besteht somit in der Vorhersage, dass der Raum kein Kontinuum und damit auch nicht unendliche Male teilbar ist, sondern aus so etwas wie Raumatomen besteht.
Davon ausgehend gelangt sie zu einer Reihe interessanter Einsichten, beispielsweise einer Neudefinition des Konzepts der Zeit, einer Erklärung für die Funktionsweise von Schwarzen Löchern oder neuartigen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Information und Realität, sowie vielem mehr.
Der Autor verhehlt allerdings auch nicht, dass diese Theorie ebenfalls mit Unsicherheiten behaftet ist und ihre Bewährungsproben erst noch zu bestehen hat.

Die Ausführungen sind dabei sehr anschaulich, ich konnte ihnen großteils leicht folgen.
Das Buch ist in einem flüssigen, angenehm zu lesenden Stil geschrieben, wodurch man auch gut die Zusammenhänge erkennen und den roten Faden im Blick behalten kann.

So liefert dieses Werk einen interessanten Überblick
zum Thema Schleifenquantengravitation und einen Eindruck davon, was sie alles zu leisten imstande sein könnte.
An manchen Stellen hätte der Inhalt etwas ausführlicher sein oder mehr in die Tiefe gehen können, insgesamt ist dies aber ein toller Einstieg in eine faszinierende Materie.

Veröffentlicht am 07.03.2017

Mitreißender Briefroman

Der grüne Palast
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Wien zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Der österreichische Kanzler Metternich ist bestrebt eine Allianz zu schmieden zwischen Österreich und Portugal, welches durch die Bodenschätze seiner brasilianischen ...

Wien zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Der österreichische Kanzler Metternich ist bestrebt eine Allianz zu schmieden zwischen Österreich und Portugal, welches durch die Bodenschätze seiner brasilianischen Kolonie bald zu einigem Reichtum kommen wird. Zu diesem Zweck soll Leopoldine, die Tochter von Kaiser Franz, mit dem portugiesischen Thronfolger Pedro verheiratet werden, der schon seit Jahren im brasilianischen Exil lebt.
Gemeinsam mit ihrer Erzieherin und Vertrauten Gräfin Lazansky tritt sie die lange Reise nach Rio de Janeiro an. Doch dort stellt sich nach und nach heraus, dass Metternich sowie der portugiesische Gesandte Marialva ihnen über die Lage in Brasilien und vor allem über Pedros Charakter nicht die ganze Wahrheit gesagt haben.

Von all dem erfahren die Leser durch eine Reihe von (insgesamt 185) Briefen, welche die beteiligten Personen verfassen und in welchen sie ihre Erfahrungen und Gedanken schildern.
Es ist dabei sehr schön zu beobachten, wie sich Inhalt und Tonfall je nach Adressat ändern und welch unterschiedliche Eindrücke verschiedene Protagonisten von derselben Situation haben.

Der Erzählstil ist anschaulich und lebendig, die Sprache passt gut zur damaligen Zeit und auch die Art der Briefwechsel wirkt überwiegend realistisch, vieles wird nicht direkt ausgesprochen, sondern kann nur zwischen den Zeilen herausgelesen werden. Es wäre mir allerdings leichter gefallen, den Überblick zu behalten, wenn zumindest manche Briefe mit einem Datum versehen wären.

Die Handlung orientiert sich (sehr!) lose an realen geschichtlichen Ereignissen, viele wesentlichen Elemente sind aber der Phantasie der Autorin entsprungen.
Ich hätte im Anhang gern etwas mehr über die historischen Hintergründe erfahren, da dieses Buch aber nicht als „Historischer Roman“ bezeichnet wird, ist das allerdings kein großer Kritikpunkt.

Alles in allem ist dies also ein fesselndes Lesevergnügen mit vielen interessanten Charakteren.

Veröffentlicht am 27.02.2017

Edison contra Westinghouse

Die letzten Tage der Nacht
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Dieser Roman ist von einer für den weiteren Verlauf der Geschichte der technischen Entwicklungen wegweisenden Auseinandersetzung zwischen Thomas Alva Edison und George Westinghouse inspiriert, die als ...

Dieser Roman ist von einer für den weiteren Verlauf der Geschichte der technischen Entwicklungen wegweisenden Auseinandersetzung zwischen Thomas Alva Edison und George Westinghouse inspiriert, die als „Stromkrieg“ bekannt wurde.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der junge Anwalt Paul Cravath, dessen erster eigener Fall sich als wahrhaft gigantisch herausstellt: Sein Klient ist der Erfinder und Industrielle George Westinghouse, der mit niemand geringerem als den berühmten, als Genie geltenden Thomas Edison in einen Patentrechtsstreit um die Erfindung der Glühbirne verwickelt ist. Paul wird schnell klar, dass nicht nur seine Karriere mit dem Ausgang dieses Verfahrens steht und fällt. Milliarden Dollar, die Existenz von Westinghouse Unternehmen und nicht zuletzt auch Menschenleben stehen auf dem Spiel.
Doch Paul ist fest entschlossen, gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner zu bestehen, muss dabei aber auch selbst moralisch fragwürdige Dinge tun.

Schon auf den ersten Blick kann man erkennen, dass dieses Buch durchdacht gestaltet ist. Sämtliche Kapitel sind mit einem treffenden Titel versehen und werden vor allem von genau auf ihren Inhalt abgestimmten Zitaten eingeleitet. Letztere stammen von so klingenden Namen wie Bill Gates, Steve Jobs, Albert Einstein und einigen mehr und illustrieren sehr schön verschiedene Facetten des Themenkreises Erfindertum und Wissenschaft.

Obwohl der Erzählstil eher sachlich und nicht besonders gefühlsbetont ist, weshalb ich einige Zeit brauchte, um mit den Protagonisten richtig warm zu werden, konnte ich mich schließlich doch gut in Paul hineinversetzen und mit ihm mitfiebern.
Bei einem Großteil der hier auftretenden Figuren handelt es sich um echte historische Persönlichkeiten, neben Edison und Westinghouse tritt insbesondere auch Nikola Tesla auf, und sie alle sind nachvollziehbar gezeichnet, mit positiven wie negativen Eigenschaften, es wird wenig Schwarz-Weiß-Malerei betrieben.
Es ist spannend, zu beobachten, wie die diversen Rechtsstreitigkeiten und Intrigen sich entwickeln, und man kann erkennen, wie ähnlich sich die bedeutenden Erfinder ihrer Zeit waren, welche fundamentalen Unterschiede es aber auch zwischen ihnen gab.

Die meisten Handlungselemente orientieren sich an realen Ereignissen, der Autor hat sich dabei aber viel dichterische Freiheit genommen, die Geschehnisse beispielsweise in eine neue Reihenfolge gebracht und einiges dazuerfunden. Normalerweise bin ich ja eher skeptisch, wenn ein historischer Roman zu sehr von der Realität abweicht, hier finde ich das Zusammenspiel von Fakten und Fiktion aber alles in allem gut gelungen. Außerdem werden die wahren Zusammenhänge in einem ausführlichen Nachwort erläutert, das auch weitere Literaturhinweise enthält.
Weiters ist die Darstellung der wissenschaftlichen Grundlagen, die für die Handlung eine Rolle spielen, immer leicht verständlich und anschaulich, ich hätte mir diesbezüglich nur an manchen Stellen etwas genauere Informationen gewünscht.

Fazit: Ein absolut lesenswerter Roman, der ein interessantes Kapitel der Technikgeschichte ausleuchtet. Es sollte mehr Bücher dieser Art geben!

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Veröffentlicht am 05.02.2017

Moral bei Affen und Menschen

Der Mensch, der Bonobo und die Zehn Gebote
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Frans de Waal geht hier der Frage nach, wo die menschliche Moral ihren Ursprung hat. Weder die Erklärungen der Religionen, wonach alle moralischen Regeln von Gott stammen, noch die Vorgehensweise vieler ...

Frans de Waal geht hier der Frage nach, wo die menschliche Moral ihren Ursprung hat. Weder die Erklärungen der Religionen, wonach alle moralischen Regeln von Gott stammen, noch die Vorgehensweise vieler Atheisten, die ihr Verhalten alleine von vernünftigen Erwägungen leiten lassen wollen, können ihn dabei überzeugen.
Er führt vielmehr eine Reihe von Beispielen an, die belegen, dass auch anderen Tierarten, insbesondere unseren nächsten Verwandten, Werte wie Hilfsbereitschaft, Mitgefühl oder Gerechtigkeit wichtig sind. Vor allem Schimpansen und Bonobos werden hierfür herangezogen, und man kann spüren, dass der Autor eine besondere Sympathie für diese Geschöpfe hegt.

Das Buch ist in einem flüssigen, mitreißenden Stil geschrieben und es fließen immer wieder persönliche Erlebnisse in die Ausführungen ein.
Der Inhalt hat für meinen Geschmack allerdings oft zu wenig Tiefgang. Obwohl einige wissenschaftliche Studien beschrieben werden, haben viele Schilderungen eher anekdotenhaften Charakter und wenngleich ich überzeugt davon bin, dass de Waal mit seiner Einschätzung der Menschenaffen weitgehend richtig liegt, handelt es sich hierbei eben um keine echten Beweise.
Dafür ergeht sich der Autor in seitenlanger Kritik an den „neuen Atheisten“ oder Interpretationen der Werke von Hieronymus Bosch, was kaum etwas mit seinem eigentlichen Thema zu tun hat.

Von diesen Einschränkungen abgesehen kann ich das Buch aber trotzdem weiterempfehlen. Es bietet einige spannende und manchmal auch überraschende Einblicke und zeigt, wie viel wir über das wahre Wesen der Menschenaffen und anderer Tiere noch zu lernen haben.