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Veröffentlicht am 04.12.2016

Füllhorn spannender Überlegungen

Eine kurze Geschichte der Menschheit
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Yuval Noah Harari gibt hier einen breit angelegten Überblick über die Geschichte des Menschen – von unseren Anfängen als eine zunächst noch relativ unauffällige Affenart in der afrikanischen Savanne bis ...

Yuval Noah Harari gibt hier einen breit angelegten Überblick über die Geschichte des Menschen – von unseren Anfängen als eine zunächst noch relativ unauffällige Affenart in der afrikanischen Savanne bis zum 21. Jahrhundert, wo wir an der Schwelle zu Neuerungen stehen, die das gesamte Wesen unserer Spezies grundlegend verändern könnten.

Er verliert sich dabei nicht in Details, sondern es geht ihm darum, die großen Zusammenhänge und Entwicklungslinien aufzuzeigen, insbesondere hinsichtlich der bedeutenden Revolutionen, die unsere Vergangenheit prägten – etwa der kognitive Sprung nach vorn, welcher die Menschen erst zu dem machte, was sie heute sind, für dessen Ursache es aber eine Reihe verschiedener Theorien gibt, die Entstehung der Landwirtschaft, die auf den ersten Blick ein großartiger Fortschritt zu sein scheint, in Wirklichkeit aber viel Leid für Mensch und Tier verursacht hat oder der Aufschwung der Wissenschaften zu Beginn der Neuzeit, der im Verbund mit der industriellen Revolution zu einer tiefgreifenden Änderung unseres Alltags sowie zur ersten globalen Kultur der Geschichte führte.

Bei all den Ausführungen und Erklärungsansätzen wird immer ein besonderes Augenmerk auf das Innenleben des Menschen gelegt, darauf, welch bedeutende Umwälzungen es oftmals zur Folge hatte, wenn neue Gedanken oder Einstellungen sich in einer Gesellschaft durchsetzten.
Dabei entsteht eine interessante Sichtweise auf viele Fragestellungen und es werden eine Reihe spannender Denkansätze vorgestellt.
Beispielsweise versucht der Autor zu erklären, wie die ursprüngliche Untergliederung in einzelne Stämme mit jeweils einer Hand voll Mitgliedern von Staaten mit Tausenden oder Millionen Untertanen abgelöst werden konnte oder wieso es gerade den Europäern nach dem Jahr 1500 gelang, große Teile der Welt zu kolonialisieren und ihre Lebensweise über den ganzen Erdball zu verbreiten, und vieles andere mehr. Sogar die Frage, wie ein glückliches Leben gelingen kann und ob die Menschen im Lauf der Geschichte tatsächlich, wie manche Fortschrittsgläubigen vermuten, immer glücklicher geworden sind, wird nicht ausgespart.

Manche Aussage, wie etwa dass Menschenrechte und Staaten Fiktionen seien oder dass es sich beim Kapitalismus und beim liberalen Humanismus auch nur um eine Art von Religion handle, wird sicher nicht jeder gerne hören, gerade der Mut zu solchen Überlegungen machte die Lektüre für mich aber so interessant.
Sicherlich sollte man beim Lesen im Hinterkopf behalten, dass viele der hier behandelten Themen kontrovers diskutiert werden und man kann dem Autor bisweilen durchaus den Vorwurf machen, dass er relativ unstrittige Tatsachen und bloße Spekulationen nicht immer sorgfältig voneinander abgrenzt.

Doch dies ist eben ein populärwissenschaftliches Buch, dem es aber jedenfalls hervorragend gelingt, auch komplexere Themen allgemein verständlich aufzubereiten und dessen Lektüre durch den flüssigen und amüsanten Schreibstil zum Vergnügen wird.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Am Puls der Wissenschaft

Leben
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Nick Lane hat für dieses Buch 10 von ihm als besonders bedeutsam angesehene Errungenschaften der Evolution herausgegriffen – Entstehung des Lebens, DNA, Photosynthese, komplexe Zellen, Sex, Bewegung, Sehen, ...

Nick Lane hat für dieses Buch 10 von ihm als besonders bedeutsam angesehene Errungenschaften der Evolution herausgegriffen – Entstehung des Lebens, DNA, Photosynthese, komplexe Zellen, Sex, Bewegung, Sehen, Warmblütigkeit, Bewusstsein, Tod – und beschreibt, wie sich die aktuelle Wissenschaft ihr Auftreten erklärt.

Er stellt dabei eine Reihe interessanter Theorien vor, erläutert, was für und gegen sie spricht, setzt sich mit der von ihm Favorisierten jeweils ausführlicher auseinander, versäumt aber auch nicht darauf hinzuweisen, dass es sich bei alldem lediglich um den derzeitigen Stand der Dinge handelt und die Problemstellungen durch eine neue Idee bald wieder in einem anderen Licht erscheinen könnten.

Dies ist sicher kein Buch, das man flott nebenbei lesen kann. Es ist jedenfalls die Bereitschaft, sich tief in die Materie hineinzudenken und über das Gelesenen nachzudenken von Nöten – und selbst dann wird man ohne gewisse naturwissenschaftliche Vorkenntnisse wohl nicht sämtliche Details nachvollziehen können, vor allem die Kapitel über die Entstehung des Lebens und die Photosynthese behandeln doch einige kompliziertere chemische Prozesse.

Nichtsdestotrotz ist die Lektüre lohnend, bekommt man hier doch einen guten Einblick in die Praxis der wissenschaftlichen Arbeit, darin, wie Forscher auf den Leistungen ihrer Vorgänger aufbauen, wie alte und neue Modelle immer wieder diskutiert und im Lichte neuer Erkenntnisse modifiziert oder verworfen werden.
Vor allem zeigt sich dabei auch, wie viel – allen Unkenrufen von Kreationisten zum Trotz – die Evolutionsbiologie bereits zu erklären in der Lage ist
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Fazit: Dieses Werk eignet sich für jeden, der an einer tiefschürfenden Betrachtung von biologischen Phänomenen interessiert ist. Für einen ersten Einstieg in das Thema Evolution würde ich allerdings andere Bücher empfehlen.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Geschichten über Österreich(er)

Nicht auf die Größe kommt es an
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Gregor Auenhammer hat hier (laut Vorwort) „eine Sammlung alltäglicher, aber auch exzentrischer Exkursionen, die Österreich greifbar, nie aber begreifbar macht“ verfasst.
Er berichtet etwa von der Erfindung ...

Gregor Auenhammer hat hier (laut Vorwort) „eine Sammlung alltäglicher, aber auch exzentrischer Exkursionen, die Österreich greifbar, nie aber begreifbar macht“ verfasst.
Er berichtet etwa von der Erfindung des Baguettes, diversen aufsehenerregenden Kunstprojekten, einer „Weltraummission“ in der Wüste Marokkos unter Innsbrucker Leitung, der „letzten Femme fatale“, einer Totenkopfuhr und vielem mehr.

Man kann hier sicherlich einiges Neues und Interessantes über Österreich(er) erfahren.
Wobei es allerdings bisweilen etwas gezwungen wirkt, wenn beispielsweise jemand, dessen Vorfahren aus einem Teil der Ukraine stammen, der damals zur Habsburgermonarchie gehörte, als Österreicher gewertet wird, und ähnliches. Auch sonst ist der Zusammenhang mit Österreich öfters nicht so wirklich eindeutig erkennbar. Aber eine gewisse „elastische“ Interpretation ist in diesem Bereich ohnehin üblich.

Was mich bei der Lektüre aber wirklich störte, war, dass der Autor es nicht lassen kann, immer wieder negative Bemerkungen einfließen zu lassen.
Es reicht ihm beispielsweise nicht, einen innovativen Künstler zu loben – nein, er muss auch über „Kleingeister“ oder „selbsternannte Sittenwächter“ herziehen, die dessen Arbeit nicht zu würdigen wissen.
Oder, um ein weiteres Beispiel anzuführen: Muss Hansi Hinterseer in einem Buch zum Thema „Großartiges und Unvermutetes“ überhaupt vorkommen? Meiner persönlichen Meinung nach ist er weder das eine noch das andere. Deshalb hätte er hier einfach nicht erwähnt werden sollen. Dass ihm dennoch ein ganzes Kapitel gewidmet wird, nur um ihn darin ständig schlecht zu machen, halte ich daher für überflüssig.

Es ist unbestritten, dass es in Österreich auch Kritikwürdiges gibt. Diese Kritik könnte aber auch auf freundlichere, vielleicht humorvollere Art artikuliert werden. Ansonsten sollte zumindest der (Unter)titel des Buches anders lauten.

Außerdem ist generell schwer erkennbar, wo hier der rote Faden verläuft bzw was die eigentliche Aussage dieses Sammelsuriums von jeweils ca zwei bis fünf Seiten langen Geschichten sein soll.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Der Henker und der Medicus

Die Henkerstochter (Die Henkerstochter-Saga 1)
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Schongau, 1659: Als tote Kinder mit seltsamen Zeichen auf dem Rücken gefunden werden und noch weitere eigenartige Dinge geschehen, gelangen die Bewohner mehr und mehr zu der Überzeugung, dass hier Zauberei ...

Schongau, 1659: Als tote Kinder mit seltsamen Zeichen auf dem Rücken gefunden werden und noch weitere eigenartige Dinge geschehen, gelangen die Bewohner mehr und mehr zu der Überzeugung, dass hier Zauberei im Spiel sein muss. Schnell gerät die Hebamme Martha Stechlin in Verdacht, eine Hexe zu sein. Der Henker Jakob Kuisl soll mittels Folter ein Geständnis von ihr erzwingen. Doch er glaubt nicht an die Schuld der alten Frau und macht sich gemeinsam mit dem Medicus Simon Fronwieser daran, die wahren Hintergründe aufzudecken.

Zwar ist diese Ausgangssituation vielversprechend, ich hatte allerdings zu Beginn gewisse Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzukommen, was vor allem an dem (zu) häufigen Wechsel der Erzählperspektive lag.
Auch wird durch den „Kriminalfall“ nicht wirklich viel Spannung aufgebaut, man kann schon früh erkennen, wer hinter der ganzen Sache steckt, wenngleich erst am Ende sämtliche Zusammenhänge aufgedeckt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass die Titelheldin, die Henkerstochter Magdalena Kuisl, in Wahrheit nur eine Nebenrolle spielt. Da drängt sich der Verdacht auf, dass dieser „weibliche“ Titel vom Verlag vor allem aus Marketinggründen gewählt wurde.

Nichtsdestotrotz ist der Roman aus historischer Perspektive sehr gelungen. Wie aus dem Nachwort hervorgeht, ist der Autor sogar ein echter Nachfahre der Kuisls, bei denen es sich tatsächlich um eine berühmte Henker-Dynastie gehandelt hat.
In diesem Buch, für das er auch auf das Privatarchiv von an Ahnenforschung interessierten Familienmitgliedern zurückgreifen konnte, kann man vieles über das Leben in einer Stadt der frühern Neuzeit, den damaligen Stand der Medizin und vor allem auch über die Lebensumstände und den Tätigkeitsbereich des Henkers erfahren. Schließlich handelt es sicher hierbei um einen Berufsstand, der in historischen Romanen in der Regel keine besonders große und erst recht keine besonders sympathische Rolle spielt.

Zwar wirkt Kuisl schon fast ein bisschen zu gut und schlau und überlegen und der Autor hat sich sicherlich die eine oder andere dichterische Freiheit erlaubt, die Lektüre gestaltet sich aber jedenfalls unterhaltsam und interessant.

Veröffentlicht am 04.12.2016

Sachensucherin Sandra

Coffeeshop
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Im Mittelpunkt dieses hinreißend komischen Romans steht die Sachensucherin Sandra, die neben einem ungewöhnlichen Job, der viel Kreativität und Einsatzfreude erfordert, auch über einen interessanten Freundeskreis ...

Im Mittelpunkt dieses hinreißend komischen Romans steht die Sachensucherin Sandra, die neben einem ungewöhnlichen Job, der viel Kreativität und Einsatzfreude erfordert, auch über einen interessanten Freundeskreis verfügt. Ihr liebster Aufenthaltsort ist der von einem ihrer besten Freunde betriebene „Coffeeshop“, wo sie nicht nur ihre Kunden empfängt, sondern sich auch von all den kleinen und großen Katastrophen in ihrem Leben erholt.

Da Sandra in Ich-Perspektive erzählt, kann man sich ganz besonders gut in sie einfühlen und an ihren Erlebnissen teilhaben. Obwohl die Handlung an sich eher seicht ist, möchte man doch immer wieder wissen, wie es weitergeht und was als nächstes passieren wird.

Natürlich wird hier vieles sehr überzeichnet und teilweise klischeehaft dargestellt und es ist schon ziemlich unrealistisch, in wie viele absurde Situationen die Protagonistin innerhalb von nur 300 Seiten gerät.

Doch das tut dem Lesespaß keinen Abbruch, zu dem auch die gelungene Aufmachung dieses Werkes beiträgt. So sorgen die öfters eingefügten Facebook-Beiträge von Sandras „im Kopf drinnen blonder“ Freundin Klaudi für einige Lebendigkeit und die einschließlich Rezepten abgedruckten Tagesgerichte des Coffeeshop, die immer einen gewissen Zusammenhang mit der Handlung haben, deuten auf die liebevolle Gestaltung hin.

Sicherlich kann man hier keine Weltliteratur erwarten, als amüsante Lektüre für zwischendurch eignet sich dieses Buch aber hervorragend. Ich würde mich freuen, bald mehr über Sandra und ihre Clique zu lesen.