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Veröffentlicht am 15.09.2016

Detailreiche Darstellung der Frühzeit des Menschen

Die Kinder des Prometheus
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Hermann Parzinger gibt hier eine weitgefasste Zusammenschau der Frühgeschichte des Menschen.
Nach einem Überblick über die wichtigsten Evolutionsschritte von den frühsten Hominiden bis zum Homo sapiens ...

Hermann Parzinger gibt hier eine weitgefasste Zusammenschau der Frühgeschichte des Menschen.
Nach einem Überblick über die wichtigsten Evolutionsschritte von den frühsten Hominiden bis zum Homo sapiens steht dann vor allem das Holozän, der Zeitraum seit dem Ende der letzten Eiszeit, im Mittelpunkt.

Der Autor betrachtet einen Erdteil nach dem anderen und beschreibt alle wichtigen Fundstellen, durch welche Einblicke in die Vergangenheit gewonnen werden konnten. Erste Hinweise auf sesshaftes Leben, Keramikherstellung, Pflanzenzucht und Domestikation von Nutztieren – dies sind die Entwicklungsschritte, die dabei immer wieder angesprochen werden und die in den verschiedenen Gegenden jeweils zu unterschiedlichen Zeiten und unter andersartigen Umständen erstmals aufgetreten sind.
So kann man gut nachvollziehen, welche Vielfalt an Kulturen die Menschheit bereits vor dem Einsetzen der „offiziellen“ Geschichtsschreibung hervorgebracht hatte, und es ist interessant, wie viele erhellende Funde diesbezüglich (auch außerhalb Europas) bereits gemacht wurden und welche Zusammenhänge die Forscher daraus ableiten können.

Die Ausführungen sind eher sachlich und mit einer Reihe von Fachbegriffen durchsetzt, die aber großteils erklärt werden, sodass die Lektüre allgemein verständlich ist.
Dennoch ist eine gewisse Kondition von Nöten, um die ganzen über 700 Text-Seiten durchzulesen. Man wird mit eine Fülle an Informationen überhäuft, immer neue (und sich letztlich doch immer wieder gleichende) Details über diverse Fundstücke werden ausgebreitet, sodass es oft schwer ist, den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen zu verlieren.
Zwar gibt es auch einige zusammenfassend Betrachtungen, diese hätten aber ausführlicher ausfallen und vielleicht auch mehr orts- und zeitraumübergreifende Zusammenhänge zwischen den diversen Einzelbeobachtungen herstellen können.
Hervorzuheben ist aber jedenfalls der umfangreiche Anhang, der neben einem ausführlichen Literaturverzeichnis auch Register geographischer Begriffe sowie archäologischer Kulturen enthält.

Vielleicht ist dieses Buch ja weniger zum Auf-einmal-Durchlesen sondern besser als Nachschlagewerk geeignet.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Brisantes Zusammenleben

Das Zeugenhaus
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Dieses Buch behandelt ein interessantes und zuvor in der Öffentlichkeit wenig bekanntes Thema der deutschen Nachkriegsgeschichte: Während der Nürnberger Prozesse haben die Amerikaner eine beschlagnahmte ...

Dieses Buch behandelt ein interessantes und zuvor in der Öffentlichkeit wenig bekanntes Thema der deutschen Nachkriegsgeschichte: Während der Nürnberger Prozesse haben die Amerikaner eine beschlagnahmte Villa in der Novalisstraße verwendet, um dort wichtige Zeugen, sowohl solche der Anklage als auch der Verteidigung, unterzubringen. Manche „Gäste“ wie etwa Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann oder der Gründer der Gestapo Rudolf Diels haben dort für längere Zeit logiert, andere blieben nur für eine Nacht. Geleitet wurde das Haus zunächst von der in Thüringen aufgewachsenen und dann in Ungarn verheirateten Gräfin Ingeborg Kalnoky, deren „Amtszeit“ hier im Mittelpunkt steht, dann von Annemarie von Kleist, deren Gatte, der während der Nachfolgeprozesse als Dolmetscher fungierte, mit den Eltern von Christiane Kohl befreundet war.
Durch ihn wurde diese also auf die einigermaßen bizarre Situation aufmerksam, dass hier (Mit)täter und Opfer unter einem Dach leben mussten, und sie begann daraufhin bereits in den 1980er-Jahren, erste Nachforschungen anzustellen.

Man muss der Autorin auf jeden Fall zugute halten, dass sie sich mir ihren Recherchen viel Mühe gemacht hat, es ist ihr gelungen, viele noch lebende Zeitzeugen von damals aufzuspüren, mit ihnen ausführliche Gespräche zu führen und diverse Dokumente unterschiedlicher Herkunft einzusehen.

Dennoch wirkt das vorliegende Buch irgendwie unvollständig, einem Großteil des Textes liegen persönliche Erinnerungen zu Grunde, die natürlich subjektiv gefärbt und nach so langer Zeit sicherlich unvollständig sind. Vieles muss offen bleiben, beispielsweise können eine Reihe von Eintragungen in den Gästebüchern des Zeugenhauses keiner konkreten Person zugeordnet werden, anderes beruht eher auf Vermutungen.

Außerdem kann man beim Lesen die Atmosphäre, die in diesem Haus geherrscht haben muss, nicht wirklich fühlen. Dafür sind die Ausführungen dann doch wieder zu sachlich.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterhaltsame Satiren

Die besten Tagespresse-Meldungen 2014
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Ich muss zugeben, dass mir die Tagespresse bisher nicht bekannt war, in Zukunft werde ich aber sicher öfters einen Blick auf ihre Homepage werfen.
Dieses Buch enthält eine Auswahl der dort veröffentlichten ...

Ich muss zugeben, dass mir die Tagespresse bisher nicht bekannt war, in Zukunft werde ich aber sicher öfters einen Blick auf ihre Homepage werfen.
Dieses Buch enthält eine Auswahl der dort veröffentlichten Meldungen, einschließlich eines kurzen Kommentars dazu, in welchem Kontext diese entstanden sind, sowie meist auch einiger Reaktionen von Lesern, von denen einige offensichtlich nicht erkannt haben, dass es sich hierbei um eine Satire handelt.

Persönlichkeiten und Ereignisse aus Politik und High Society (siehe beispielsweise die Schlagzeilen „Dunkle Mächte verhindern den Wahlsieg von Ewald Stadler“, „Stronach gründet neue Partei in der Ukraine“ oder „Richard Lugner zieht sich aus Privatleben zurück“ ) werden ebenso aufs Korn genommen wie ganz alltägliche Ärgernisse (etwa „Weltrekord: Schlange vor Billa-Kassa erreicht Bratislava“ oder „Ministerium erlässt Reisewarnung für U6“ ) thematisiert werden.

Die einzelnen Beiträge sind eher kurz, haben aber doch viel Aussagekraft, sodass sie sich gut als amüsante und manchmal auch zum Nachdenken anregende Lektüre für zwischendurch eignen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Dorf voller Geheimnisse

Moorteufel
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Dieser Roman führt ins westfälische Ahlbeck des Jahres 1814, bei dem es sich auf den ersten Blick um ein beschauliches, etwas abseits gelegenes Dörfchen handelt, wo aber einige dunkle Geheimnisse ihrer ...

Dieser Roman führt ins westfälische Ahlbeck des Jahres 1814, bei dem es sich auf den ersten Blick um ein beschauliches, etwas abseits gelegenes Dörfchen handelt, wo aber einige dunkle Geheimnisse ihrer Aufdeckung harren.

Hauptfigur und Ich-Erzähler ist der 18jährige Jeremias Vogelsang, der als Deserteur gesucht wird, weil er nicht an dem Kriegszug gegen Napoleon teilnehmen möchte. Doch dies ist bei weitem nicht das einzige Problem, mit dem er sich auseinander zu setzen hat. Er erfährt, dass er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern ist und versucht nun, herauszufinden, wer seine richtige Mutter gewesen sein könnte. Außerdem befasst er sich mit der Geschichte eines Bauernhofes, der vor 20 Jahren unter mysteriösen Umständen abgebrannt war, was mit dem Tod des Bauern und dem plötzlichen Verschwinden von dessen Frau zu tun hatte. In den Ruinen des Hofes begegnet er auch noch dem ehemaligen Schulzen Bernhard Lanvermann, der das Dorf vor einigen Jahren fluchtartig verlassen musste, nachdem ihm der Mord an seiner Gattin vorgeworfen worden war. Was hat seine plötzliche Rückkehr zu bedeuten? Jeremias beschleicht der Verdacht, dass all diese seltsamen Vorgänge irgendwie zusammenhängen könnten.

Die Handlung erstreckt sich nur über wenige, dafür aber sehr ereignisreiche Tage. Das Geschehen schreitet meist flott voran, sodass man beim Lesen kaum Verschnaufpausen hat.
Der Erzählstil ist mitreißend und es ist durchaus spannend, Jeremias bei seinen Erlebnissen zu begleiten und mitzuverfolgen, wie er immer mehr über die Vergangenheit erfährt und die einzelnen Puzzlestücke schließlich ein Gesamtbild ergeben.
Die Art, wie dieser Wahrheitsfindungsprozess voranschreitet, ist auch deshalb interessant, weil verschiedene Personen hierbei jeweils ihre eigenen Versionen der Geschehnisse berichten und dabei auch nicht immer ganz ehrlich sind, sodass es sowohl Jeremias als auch dem Leser oft schwer fällt, Lügen und Wahrheit voneinander zu unterscheiden und es einige doch überraschende Wendungen gibt.

Allerdings basieren einige Handlungselemente zu sehr auf Zufall, dass etwa jemand genau zur rechten Zeit am rechten Ort ist, und es wirkt auch etwas unrealistisch, dass Leute, die zuvor Jahre oder Jahrzehnte geschwiegen haben, dann sofort bereit sind, Jeremias ihre Geschichte zu erzählen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Interessantes Thema mit einigen Längen

Das Salz der Erde
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Oberlothringen 1187: Nach dem Tod seines Vaters, der sich vom hörigen Bauern zum Kaufmann hochgearbeitet hatte, übernimmt Michel dessen Unternehmen und Stellung als Familien- und Haushaltsvorstand. Doch ...

Oberlothringen 1187: Nach dem Tod seines Vaters, der sich vom hörigen Bauern zum Kaufmann hochgearbeitet hatte, übernimmt Michel dessen Unternehmen und Stellung als Familien- und Haushaltsvorstand. Doch seine Heimatstadt Varennes erweist sich als kein ideales Pflaster für einen Geschäftsmann. Überhöhte Zölle und häufige Geldentwertungen sind nur einige der Probleme, denen sich die Händler gegenübersehen. Michel träumt von einer freien Stadt, die von ihren Bürgern selbst verwaltet wird, wie er es im italienischen Mailand erlebt hatte. Er findet dafür einige Mitstreiter, macht sich aber auch gleich mehrere mächtige Männer zu Feinden.
Daneben ist auch sein Privatleben von einigen Turbulenzen geprägt.

Der Roman greift die Freiheitsbestrebungen vieler deutscher Städte auf, die sich im 12. und 13. Jahrhundert daran machten, ihren kirchlichen oder weltlichen Herren Privilegien abzutrotzen sowie Selbstbestimmung und Mitsprache bei politischen und wirtschaftlichen Prozessen einzufordern. Wie am Beispiel des fiktiven Varennes gezeigt, gingen derartige Initiativen vor allem von den Kaufleuten aus.
Diese historischen Hintergründe dürften gut recherchiert sein und werden lebendig dargestellt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven erzählt, weshalb man sich gut in die jeweiligen Figuren hineinversetzen und nachempfinden kann, dass dieselbe Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet unterschiedlich bewertet wird.

Die diversen Protagonisten, auch die meisten Nebendarsteller, sind nachvollziehbar gezeichnet und weisen ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie persönliche Eigenheiten auf. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass manche Personen eine etwas zu „moderne“ Denkweise an den Tag legen.

Außerdem ist die Handlung über weite Strecken ziemlich vorhersehbar. Vor allem zu Beginn dauert es daher lange, bis die Sache richtig in Schwung kommt und wenngleich danach doch eine gewisse Spannung aufgebaut wird, finden sich dazwischen immer wieder eher langatmige Szenen.

Trotz des interessanten Themas wäre es wohl besser gewesen, den Inhalt auf der Hälfte oder vielleicht Zwei Drittel der hier verwendeten Seitenzahl wiederzugeben.