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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2022

Tour durch die Geschichte der Mathematik

Wie die Null aus dem Nichts entstand
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Dieses Buch stellt eine flotte Tour durch die Geschichte der Mathematik dar. Der Autor spürt den Sternstunden seines Fachgebiets nach – beginnend mit dem Moment in grauer Vorzeit, als ein unbekanntes Genie ...

Dieses Buch stellt eine flotte Tour durch die Geschichte der Mathematik dar. Der Autor spürt den Sternstunden seines Fachgebiets nach – beginnend mit dem Moment in grauer Vorzeit, als ein unbekanntes Genie erkannte, dass „ein Paar Tage und ein Paar Fasane jeweils Ausdruck der Zahl zwei waren“.
Unter anderem fragt er, wann die Null erstmals nicht mehr als Platzhalter für eine Leerstelle, sondern als Zahl begriffen wurde, schildert, wie die Mathematiker auf den „logischen Skandal“ der Inkommensurabilität (also der Existenz irrationaler Zahlen) reagierten, zeigt, wie imaginäre Zahlen in der Physik zur Beschreibung der Wirklichkeit verwendet werden oder erklärt, dass über die Euklidische Geometrie hinausgegangen werden muss, um die wahre Geometrie des Raumes zu erkennen.

Der Inhalt ist interessant und wird weitgehend auf allgemein verständliche Weise dargestellt. Es kommt wenig „richtige“ Mathematik vor und wenn, dann immer in eine geometrische Aufgabe verpackt, sodass sie mittels Grafiken veranschaulicht werden kann.
Der Text besteht allerdings zu oft in einer bloßen Auflistung, wer wann was gesagt oder geschrieben hat. Obwohl das Buch insgesamt relativ kurz ist und eigentlich eher zu wenig in die Tiefe geht, wirkt es dadurch doch öfters langatmig.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Was wir über Neandertaler wissen (oder vermuten)

Der Neandertaler, unser Bruder
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Die Paläoanthropologin Silvana Condemi und der Wissenschaftsjournalist Fancois Savatier geben hier einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zum Thema Neandertaler. Sie verfolgen dessen Evolution ...

Die Paläoanthropologin Silvana Condemi und der Wissenschaftsjournalist Fancois Savatier geben hier einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zum Thema Neandertaler. Sie verfolgen dessen Evolution im Europa der Eiszeiten, überlegen, wie seine körperlichen Merkmale entstanden sind und beschreiben seine kulturellen Leistungen sowie seine Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Auch das Verhältnis zwischen Neandertaler und Homo sapiens wird umfassend ausgeleuchtet. Hat das Auftauchen des Sapiens zum Aussterben des Neandertalers geführt? Oder ist letzterer gewissermaßen gar nicht ausgestorben, sondern in der Sapiens-Population aufgegangen?
Die Autoren stützen sich dabei sowohl auf die Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen in ganz Europa und darüber hinaus, als auch auf die Arbeit von Paläogenetikern, welchen es in den letzten Jahren zunehmend gelungen ist, DNA von Neandertalern und anderen Menschenarten der Frühzeit zu extrahieren.

Immer wieder wird dabei deutlich gemacht, dass die Neandertaler nicht die groben und tumben Gesellen waren, als die lange Zeit gesehen wurden und in den Massenmedien bisweilen noch immer portraitiert werden. Unter diesem Aspekt hat mir das Buch auch sehr gut gefallen. Hier werden doch einige Klischees zurechtgerückt. Schön fand ich weiters, dass öfters verschiedene Theorien und Erklärungsansätze dargestellt und gegeneinander abgewogen werden.

Allerdings – und hier beginnen die Kritikpunkte – geschieht dies alles doch sehr oberflächlich. Manche Argumentationen wirken nicht wirklich durchdacht bzw hatte ich manchmal den Eindruck, dass Fakten gerade so interpretiert werden, dass sie zu einer schon vorher bestehenden Meinung passen. Fragwürdig finde ich auch, dass aus der Lebensweise der Inuit (also von Vertretern des Homo sapiens) in den letzten paar Jahrhunderten Schlüsse darüber gezogen werden, wie sich die Neandertaler (zugegeben in einer ähnlichen Umwelt) vor Jahrtausenden verhalten haben.
Insgesamt war mir vieles zu spekulativ und von den weniger umstrittenen Aussagen außerdem das meiste schon bekannt.
Man muss den Autoren aber immerhin zugutehalten, dass ein echtes Interesse an und Sympathie für ihr Forschungssubjekt erkennbar ist.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Gewalttätiges Mittelalter

Der Bastard von Tolosa
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Heiliges Land, 1110: Jaufre Montalban hat als Kreuzritter an vielen Schlachten teilgenommen, große Erfolge gefeiert, aber auch die Schrecken des Krieges hautnah miterlebt. Als seine armenische Frau Noura ...

Heiliges Land, 1110: Jaufre Montalban hat als Kreuzritter an vielen Schlachten teilgenommen, große Erfolge gefeiert, aber auch die Schrecken des Krieges hautnah miterlebt. Als seine armenische Frau Noura getötet wird und er kurz darauf einen überraschenden Brief seines Onkels, des Erzbischofs von Narbona, erhält, entschließt er sich, nach Jahren in das heimatliche Rocafort und zu seiner Familie zurückzukehren, die er vor langer Zeit im Streit verlassen hatte.
Doch seine Hoffnung auf ein friedlicheres Leben erfüllt sich nicht. Ein schockierendes Geheimnis um seine Herkunft zwingt ihn, sich erneut an blutigen Auseinandersetzungen zu beteiligen.

Dieser Roman strotzt nur so vor Tod und Gewalt, was sicher zur damaligen Zeit passt, für meinen Geschmack aber zu viel war. Die ständige Schilderung von Kriegsszenen, Todesfällen oder langwierigen Belagerungen ist eher langatmig als spannend. Positiv fand ich immerhin, dass hier auch diverse Gräueltaten durch die Kreuzritter thematisiert werden. Der Protagonist wirkt diesbezüglich desillusioniert und hadert immer wieder mit der Frage, ob die Wünsche der Kirche und die Taten der Adeligen wirklich durch Gottes Wille gerechtfertigt werden können.

Weil in Ich-Form aus Jaufres Perspektive erzählt wird, kann man sich außerdem besonders gut in ihn hineinversetzen. Trotz seiner Erfolge wird er nicht als strahlender Held gezeichnet, sondern als Mensch mit Fehlern, gerade was sein Verhalten seiner Familie gegenüber betrifft. Seine Beziehungen zu anderen Personen (Frau, Kinder, Kriegskameraden etc) werden dabei einfühlsam und nachvollziehbar dargestellt und auch das Rätsel darum, was ihn mit den Grafen von Tolosa verbindet, weckt Interesse.
Es gibt durchaus einige packende Szenen. Dazwischen aber auch viele Längen.

Fazit: Diese Geschichte hätte auch und besser auf der Hälfte der Seitenzahl erzählt werden können. Man muss bei der Beurteilung allerdings auch berücksichtigen, dass es sich hier um ein Erstlingswerk handelt. Ich habe von dem Autor schon interessantere Romane gelesen.

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Veröffentlicht am 30.01.2022

Große Erkenntnisse über winzige Organismen

Eine Geschichte der Welt in 100 Mikroorganismen
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In der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung führen Mikroorganismen eher ein Schattendasein und werden, wenn überhaupt, meist nur in negativen Zusammenhängen, etwa als Krankheitserreger, erwähnt. Was ...

In der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung führen Mikroorganismen eher ein Schattendasein und werden, wenn überhaupt, meist nur in negativen Zusammenhängen, etwa als Krankheitserreger, erwähnt. Was gewissermaßen verständlich ist, handelt es sich dabei doch definitionsgemäß um mikroskopisch kleine, einzellige Organismen, wie Bakterien, Archaeen, Viren, aber auch winzige Algen, Pilze oder Amöben. Daher wurden sie lange Zeit im wahrsten Sinne des Wortes übersehen und auch heute hat die Wissenschaft längst noch nicht alle ihre Geheimnisse entschlüsselt.

Daher ist es schön, dass sich der Astronom Florian Freistetter und der Biologe Helmut Jungwirth hier dieses Themas annehmen. In 100 jeweils ca drei Seiten langen Kapiteln zeigen sie, wie vielfältig und facettenreich die Welt des Allerkleinsten ist, was wir durch die Beschäftigung damit schon alles gelernt haben und welche Entdeckungen die Zukunft noch bereithalten könnte. Natürlich kommen dabei auch so manche „Bösewichte“ vor, die Menschen, Tieren oder Pflanzen das Leben schwer machen. Die weitaus meisten sind aber durchaus nützlich oder auch einfach „nur“ faszinierend – weil sie Einblicke darin geben, wie das Leben entstanden sein könnte, an den unwirtlichsten und unerwartetsten Orten überleben können oder über erstaunliche Fähigkeiten verfügen.
Immer wieder zeigt sich dabei, welch großen Einfluss diese winzigen Organismen haben. Sie wirken sich beispielsweise sogar auf das Weltklima aus und können teilweise auch für die Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden.

Ich kann dieses unterhaltsame Buch, das sich aufgrund der kurzen Kapitel auch gut zur Lektüre zwischendurch eignet, also nur weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 15.01.2022

Atmosphärisch beeindruckend, aber vorhersehbar

Die Dorfschullehrerin
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Februar 1961: Die aus der Sowjetisch besetzten Zone (also der DDR) geflohene Helene tritt ihre Stelle als Lehrerin im hessischen Kirchdorf an. Ihre Dienste werden auch dringend benötigt, herrschen aufgrund ...

Februar 1961: Die aus der Sowjetisch besetzten Zone (also der DDR) geflohene Helene tritt ihre Stelle als Lehrerin im hessischen Kirchdorf an. Ihre Dienste werden auch dringend benötigt, herrschen aufgrund des Lehrermangels in der Schule doch teilweise chaotische Zustände. Aber der Grund dafür, dass sie gerade in diesem Dorf arbeiten möchte, hat nichts mit ihren beruflichen Ambitionen zu tun, sondern liegt in der Nähe zu dem ostdeutschen Weisberg, das nur wenige Meter entfernt, jedoch hinter einer scharf bewachten Grenze liegt.

So ist dieser Roman vor dem Hintergrund der deutschen Teilung angesiedelt. Großteils wird die Geschichte aus Helenes Sicht erzählt, öfters werden aber auch die Perspektiven anderer Personen eingenommen, darunter auch solche, die jenseits der Grenze wohnen. Bei letzteren wird oft sehr schön der Zwiespalt deutlich zwischen der Freude über die Segnungen des Sozialismus einerseits und dem Hadern mit den erlebten Einschränkungen andererseits. Aber auch das Leben in einem kleinen Dorf im Westdeutschland der 1960er Jahre wird gut portraitiert.

Die historischen Rahmenbedingungen sind also sehr
interessant. Die eigentliche Handlung konnte mich allerdings nicht restlos begeistern.
Zwar ist Helene eine sympathische Protagonistin, mit der ich gerne mitgefiebert habe. Es gab jedoch gar nicht besonders viel zum Mitfiebern. Sie muss (zumindest während der Zeit, die hier geschildert wird) keine großen Konflikte austragen und ist schon nach wenigen Wochen allseits beliebt, nicht nur bei ihren Schülern, sondern im ganzen Ort (und insbesondere bei dem Landarzt Tobias). Auch die übrigen Figuren wirken zu glatt. Niemand hat mich (im positiven oder negativen Sinn) überrascht.
Daher plätschert die Handlung über weite Strecken nur so dahin, was angenehm zu lesen ist, aber eben auch nicht besonders aufregend. Erst im letzten Viertel kommt etwas mehr Spannung auf. Alles in allem ist das meiste aber vorhersehbar.

Fazit: Es gelingt diesem Buch sehr gut, die Atmosphäre der damaligen Zeit zu vermitteln. Schon deshalb ist es lesenswert. Wirklich packend ist die Geschichte aber nicht. Diesbezüglich gibt es für die Fortsetzung noch Luft nach oben.

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