Profilbild von Karschtl

Karschtl

Lesejury Star
offline

Karschtl ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Karschtl über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.02.2021

Die Augen der Welt schauen auf Berlin

Olympia
0

Wie oft bin ich an den Resten des Olympischen Dorfes vorbei gefahren, jedes Mal wenn ich nach Berlin fuhr sah man kurz vor der Stadtgrenze links und rechts der B5 verlassene und verfallende Häuser und ...

Wie oft bin ich an den Resten des Olympischen Dorfes vorbei gefahren, jedes Mal wenn ich nach Berlin fuhr sah man kurz vor der Stadtgrenze links und rechts der B5 verlassene und verfallende Häuser und Wohnblöcke (die russischen Soldaten bauten später noch zahlreiche Häuser als Unterkünfte hinzu). Und jetzt ermittelt Gereon Rath also dort, anno 1936. Ein Mord ist passiert, der allerdings nicht als solcher publik gemacht werden darf! Das Ansehen des Reiches in aller Welt wäre dadurch gefährdet. Also ermittelt Rath auf eigene Weise, und erhält Unterstützung von Pflegesohn Fritzi und seiner Frau Charly.

Diesem Teil konnte man relativ einfach folgen. Etwas verzwickter wurde es da schon mit den zwischendurch eingestreuten Todesfällen, die ein Regiment von Göring betreffen. Da wurde vieles erstmal nur angedeutet, bis die Geschichte später wieder darauf zurück kam. Aber man braucht ja auch ein bisschen Futter für 500+ Seiten, da reicht so ein 'einfacher' Mordfall auch nicht aus.

Wobei Kutscher sich eh nicht nur auf die Kriminalfälle konzentriert, sondern ein buntes Bild von Berlin in diesem Sommer 1936 zeichnet, was ihm auch hervorragend gelungen ist. Ich mag seinen Schreibstil sehr! Das alltägliche Berlin, die Szenen mit Charly und vor allem auch die Geschichte rund um Fritze interessierten mich ehrlich gesagt oft auch mehr als die Intrigen innerhalb des Nazi-Apparates. Wobei es gegen Ende hin dann doch mal richtig spannend wurde.

Als 'Recherche-Junkie' musste ständig Namen oder anderes googeln, und mir auf alten Fotos anschauen wie zB der 'Bellamy Salute' ausgesehen hat, den die Hochspringer gemacht haben, oder ob es den Konservenfabrikant Morgan wirklich gab (es gab zumindest eine Firma dieses Namens), wie das Leben von Jesse Owens nach diesen Wahnsinnserfolgen weiterging (im Grunde ging es schon kurz danach nur noch bergab, weil ihm die Amateurlizenz entzogen wurde), und vieles vieles mehr!

Es würde mich sehr freuen, wenn auch die TV-Serie "Babylon Berlin" bis zu diesem Teil fortgesetzt werden würde. Und vor allem bin ich gespannt, ob und wie lange Kutscher die Reihe noch fortsetzen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2021

New York vor 40 Jahren

Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
0

Ich fühlte mich in diesem Buch wirklich in das New York von 1980 versetzt und bin mit Anton und Buddy Winter die Straßen der Stadt rauf und runter spaziert und habe ihrem Mix aus Politik, Sport und Showbiz ...

Ich fühlte mich in diesem Buch wirklich in das New York von 1980 versetzt und bin mit Anton und Buddy Winter die Straßen der Stadt rauf und runter spaziert und habe ihrem Mix aus Politik, Sport und Showbiz gebannt zugehört. (Die fiktive!) Familie Winter war Teil der New Yorker Upper Class, wohnte im berühmten und exklusiven Dakota-Building (das ebenfalls ausführlich beschrieben wird) und hatte ein florierendes gesellschaftliches Leben, das Buch ist voll von namedropping berühmter (realer!) Personen und Anekdoten über Geschehnisse dieser Zeit.

Tom Barbash hat sehr viel Recherchearbeit in seinen Roman fließen lassen, ständig musste ich Namen und Ereignisse googeln (und habe auch einen kleinen Fehler entdeckt - nicht Yoko und Sean haben am selben Tag Geburtstag sondern John und Sean). Obwohl John Lennon im Titel so prominent genannt wird, dreht es sich keineswegs nur um ihn und seine Bekanntschaft mit Familie Winter. Aber er kommt oft genug vor, dass der Buchtitel gerechtfertigt ist. Ob das Jahr 1980 allerdings tatsächlich das "beste Jahr unseres Leben" (also von Anton und seinem Vater Buddy) war, bin ich mir nicht so sicher. So wirklich viel passiert bei den beiden ja nun auch nicht, es geht meist um andere Leute. Aber gut, der Titel stammt auch nicht vom Autor selbst sondern ist nur in der deutschen Übersetzung so.

Ein sehr unterhaltsamer Streifzug durch die Geschichte, der mir an einigen wenigen Stellen (zum Beispiel nach dem Segeltrip auf die Bermudas) etwas langatmig wurde aber ansonsten ein schönes Leseerlebnis war. Unvorstellbar eigentlich, dass das ganze vor 40 Jahren spielt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.02.2021

Wenn die Eltern mit der Zeit gehen wollen

Wie man seine peinlichen Eltern erträgt (Eltern 2)
0

Der deutsche Titel des Buches ist wirklich gut gewählt, denn Luis Eltern verhalten sich in diesem Buch tatsächlich oft peinlich. Das fanden vor allem meine Söhne, die sich manchmal beim Vorlesen schon ...

Der deutsche Titel des Buches ist wirklich gut gewählt, denn Luis Eltern verhalten sich in diesem Buch tatsächlich oft peinlich. Das fanden vor allem meine Söhne, die sich manchmal beim Vorlesen schon die Ohren zuhielten. Aber sooo sehr muss man sich jetzt auch nicht fremdschämen - finde ich zumindest als Mutter. Ich werde mich aber nach dieser Reaktion von meinen Kindern hüten, sie jemals vor ihren Freunden als Digga oder Homie zu bezeichnen und auf gar keinen Fall ein Basecap verkehrt herum aufsetzen! Habe ich zumindest bei der Lektüre auch etwas gelernt, wobei ganz am Ende auch Luis eine kleine Lehre ziehen kann.

Auch ansonsten hatten wir Spaß mit Luis, der sich hier nicht nur mit seinen Eltern rumschlagen muss, sondern vor allem seine Karriere als Komiker voran treibt und tatsächlich zu einem weiteren Auftritt kommt. Leider wird immer nur davon geschrieben, was so die Themen seiner Witze oder seines Programms sind, ohne dass wir davon viele Kostproben bekommen (lässt sich aber in geschriebener Form wohl auch schlecht transportieren). So blieb es bei mir gerade mal bei ein paar Schmunzlern. Außerdem fand ich manche Dialoge zwischen Luis und Maddy nicht ganz authentisch. 'So würden Kinder in ihrem Alter nie miteinander reden', dachte ich mir mehrere Male.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.02.2021

1001 Varianten eines Lebens

Die Mitternachtsbibliothek
0

"Was wäre wenn" hat sich bestimmt jeder schon einmal gefragt. Nora Seed auch, aber dennoch ist sie sehr überrascht, als sie nach ihrem Selbstmordversuch in eine Zwischenwelt gerät in der sie mittels Bücher ...

"Was wäre wenn" hat sich bestimmt jeder schon einmal gefragt. Nora Seed auch, aber dennoch ist sie sehr überrascht, als sie nach ihrem Selbstmordversuch in eine Zwischenwelt gerät in der sie mittels Bücher in jede Version ihres Lebens einsteigen kann. Wenn sie irgendwo irgendwann eine andere Entscheidung getroffen hätte wäre ihr Leben ganz anders verlaufen.

Ziel der Übung ist ein bisschen wie bei Faust. Das Leben zu finden, das sie zu 100% zufrieden stellt und wo sie am liebsten sagen würde "verweile doch du bist so schön". Ansonsten kehrt sie immer wieder in die Mitternachtsbibliothek zurück. Und das tut sie des öfteren, denn auch wenn sie eine Entscheidung, die sie später bereute, nun revidieren konnte so ergeben sich früher oder später andere Dinge, die sich als nicht wirklich toll entpuppen.

Das ist auch ein bisschen eine Life-Lesson für die Leser, die vielleicht ein ebenso dickes "Bereuen"-Buch haben wie Nora. Häng dem Vergangenen nicht nach. Wer weiß ob es überhaupt diese Variante deines Lebens so toll geworden wäre wie du es dir immer einbildest.

Kam mir am Anfang des Buches ja gleich der "Faust" in den Sinn (von dem ich gar nicht weiß, ob Matt Haig sich von dem inspirieren ließ), so fiel es mir gegen Ende des Buches wie Schuppen von den Augen welches Werk hier doch sehr offensichtlich referenziert werden soll! Schließlich spielt die Geschichte in Bedford, das wird seit Beginn an häufig genug erwähnt. Später tauchen noch die Namen Bailey und Donna auf. Und dann macht Nora einen Spaziergang durch ihre Heimatstadt, in der es ihre Ursprungs-Version nie gegeben hat. "Ist das Leben nicht schön?" natürlich! Und da gibt es gleich noch eine Life-Lesson, für Nora und die Leser!

Das Ende fand ich gut (obwohl es meinetwegen auch gerne schon etwas früher hätte enden können, das sah Nora ja genauso), nicht kitschig-happy-endig aber trotzdem positiv in die Zukunft blickend.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.02.2021

Winter in Cedar Cove

Winterglühen
0

In dem kleinen Küstenstädtchen im Staate Washington ist wieder einiges los. Ein frisch geschiedenes Paar versucht, mit der neuen häuslichen Situation und ihren aufmüpfigen Kindern zurecht zu kommen. Grace ...

In dem kleinen Küstenstädtchen im Staate Washington ist wieder einiges los. Ein frisch geschiedenes Paar versucht, mit der neuen häuslichen Situation und ihren aufmüpfigen Kindern zurecht zu kommen. Grace versucht, nach dem Tod ihres Mannes ein neues Leben zu starten während ihre Tochter Maryellen gleichzeitig neues Leben in sich trägt (und nicht weiß wie sie mit dem dazugehörigen Mann umgeben soll).
Grace's Freundin, Richterin Olivia Lockhart, wird von zwei Männern gleichzeitig umworben. Und obwohl sie eigentlich weiß, wem ihr Herz gehört, dauert es doch eeewig, bis es dann auch die Männer wissen.
Und dann gibt es da immer noch das Rätsel um den Unbekannten, der letztes Jahr im B&B des Ortes plötzlich verstorben ist.

Ich weiß nicht, ob es nur an der Jahreszeit spielt, in dem der Großteil der Geschichte spielt (Herbst und Winter), aber es liegt irgendwie eine Schwermut und Melancholie auf all den Beziehungen, die wir hier begleiten, die größtenteils ja auch alle kaputt sind. Zumindest ist keine wirklich ganz. Vielleicht wird dieses Schwermut-Gefühl auch noch dadurch verstärkt, weil die Erzählgeschwindigkeit sehr langsam ist, teilweise liegen ein paar Wochen dazwischen bis ein Faden der Geschichte wieder aufgenommen wird.
Am Ende kommt dann eine ganz neue Storyline hinzu, die wahrscheinlich im nächsten Band weiter ausgeführt wird.

Neuerdings gibts es ja zahllose Buchreihen, in der jedes Buch für sich gelesen werden kann weil es immer um eine andere Figur geht, und die anderen Personen nur ganz kleine Nebenrollen bekommen. Ich hingegen mag es eigentlich lieber, von jedem zu wissen, wie es mit ihr/ihm weitergeht - so wie es Debbie Macomber in ihrer "Cedar Cove Reihe" tut.

Insgesamt ist "Winterglühen" ein sehr netter Frauenroman, den ich auch gern gelesen habe weil ich die Personen mittlerweile sehr lieb gewonnen hat. Man merkt ihm aber das Alter (das Buch erschien im Original bereits vor 20 Jahren) doch auch schon an.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere