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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2019

Authentisch, nachvollziehbar - beeindruckend!

Mein Leben als Sonntagskind
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Dieses Buch ist ein wahrer Wälzer, und doch hätte ich noch stundenlang weiterlesen mögen um zu erfahren, was Jasmijn in den restlichen 20 Jahren seit 1999 so passiert ist. Doch die Autorin konzentriert ...

Dieses Buch ist ein wahrer Wälzer, und doch hätte ich noch stundenlang weiterlesen mögen um zu erfahren, was Jasmijn in den restlichen 20 Jahren seit 1999 so passiert ist. Doch die Autorin konzentriert sich hier rein auf die Kindheit und Jugend ihrer Protagonistin, die stark autobiografisch ist. In einem Interview sagte sie, dass sie zwar einiges von sich selbst weggelassen, und auch einiges hinzu erdacht hat. Aber im Großen und Ganzen beschreibt sie hier ihr Leben, ihr Aufwachsen und Erwachsenwerden mit dem Asperger-Syndrom, ohne dass sie überhaupt weiß was das ist geschweige denn dass sie das hat.

Sie weiß nur, dass sie anders ist. Ihre Mutter sagt es ihr ja oft genug, begleitet von einem kleinen Seufzer, "So bist du eben". Erstaunlicherweise akzeptieren ihre Eltern das aber, wobei man immer bedenken muss: sie wussten ja gar nicht, dass Jasmijn nicht einfach nur eigen ist sondern eben Asperger hat. Dennoch waren sie absolut verständnisvolle Eltern, die immer hinter ihrer Tochter standen! Sie versuchten nie sie zu ändern, sagten nie "jetzt reiß dich aber mal zusammen", sondern akzeptieren ihre Eigenarten und versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lösungen zu finden damit Jasmijn ihre Umwelt leichter ertragen kann. Denn fremde Menschen, Gewusel, viele Stimmen, grelles Licht, starke Gerüche, Musik - all das ist für Jasmijn zu viel. Das macht es ihr schwer, Shoppingtrips im Einkaufszentrum, die Schuldisco oder selbst Essenseinladungen bei ihrer besten Freundin zu überstehen.

Jasmijn fällt es zudem schwer, sich auf mehr als eine Sache gleichzeitig zu konzentrieren. Sie vergleicht sich da an einer Stelle mit der "normalen Jasmijn", die in ihrem Kopf 'lebt' und sich eben ganz normal verhält. "Klar, sie konnte wie alle anderen die ganze Skala der Nebengeräusche herausfiltern, sich auf das eine Geräusch einstellen, das sie hören wollte, und den Rest vorbeifliegen lassen wie Bälle, die das Tor verfehlen. Dass bei mir alle Bälle trafen, wusste sie nicht. Mein Kopf war ein Tor ohne Torwart."
Die reale Jasmijn braucht einen festgelegten und bekannten Ablauf. Sie muss sich auf jede Situation im Vorhinein einstellen, und sei es nur ein Besuch bei der Oma. Auch dort muss sie wissen, wer von der großen Verwandtschaft auch da sein würde. Denn im Kopf spielt sie ganze Szenen vorher durch, übt alles und legt sich ein Drehbuch zurecht - als wäre ihr Leben ein Theaterstück.

Wie sich diese überbordenden Situationen voller Sinneseindrücke für Jasmijn anfühlen, beschreibt die Autorin anhand zahlreicher Erlebnisse sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar. Auch, wie kräftezehrend das für sie war (angesichts der Mengen an (ungesunder) Nahrung die sie verzehrte um einen anstrengenden Tag zu überleben wundert es mich sehr, dass sie anscheinend nie Gewichtsprobleme bekommen hat).

Erstaunlich fand ich dann aber, dass sich die Protagonistin nicht nur bewusst ist dass sie sich anders verhält. Sondern dass es eben diese "normale Jasmijn" in ihrem Kopf gibt, die sich all den Situationen wunderbar anpassen kann die ihr selbst so viele Schwierigkeiten bereiten. Sie beschreibt teilweise sehr detailliert, wie die normale Jasmijn reagiert hätte. Sie sagt ihr quasi vor, was sie jetzt 'normalerweise' tun sollte. Als Leser fällt es einem dann manchmal schwer zu verstehen, wieso Jasmijn trotz dieser inneren Soufleuse 'nicht über ihren Schatten springen' kann. Und anscheinend fragt sich das die Jasmijn in ihrem Kopf auch. "Komm, rief die Normale Jasmijn. Du kannst es doch. Doch sie verstand mich nicht. Ich konnte es eben nicht."

"Mein Leben als Sonntagskind" ist ein Buch, das mich sehr gut unterhalten hat. Viel mehr noch hat es mir aber vor allem das Leben - und vor allem Aufwachsen - mit dem Asperger Syndrom sehr verständlich und nachvollziehbar vor Augen geführt. Eine wahrlich beeindruckende Lektüre!

Veröffentlicht am 04.06.2019

Spannungsgeladene Studie zum Sozialverhalten der Menschen

Dry
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Nachdem ich erst kürzlich mit "Der Wal und das Ende der Welt" ein ähnliches Weltuntergangs-Szenario gelesen habe, kommt mit "Dry" nun eine Dystopiegeschichte daher bei der Wasser nicht nur knapp ist sondern ...

Nachdem ich erst kürzlich mit "Der Wal und das Ende der Welt" ein ähnliches Weltuntergangs-Szenario gelesen habe, kommt mit "Dry" nun eine Dystopiegeschichte daher bei der Wasser nicht nur knapp ist sondern bald komplett fehlt. In ganz Kalifornien, dem sunshine state in dem es ja laut dem Song von Albert Hammond nie regnet.

Eindrucksvoll beschreibt dieses Jugendbuch (das hoffentlich nicht nur von solchen gelesen wird) wie das Fehlen der Ressource Wasser die Menschen innerhalb kürzester Zeit an den Rand des Todes, vor allem aber an den Rand des Wahnsinns treibt. Das Buch ist genauso sehr Thriller wie eine Studie zum Sozialverhalten von Menschen in Krisensituationen. Und genau wie John Ironmonger in seinem eingangs erwähnten Roman kommen Vater + Sohn Shusterman zu dem Schluss, dass man als Gemeinschaft die besten Überlebenschancen hat. Selbst wenn das bedeutet, dass man sein weniges Wasser teilen muss. Obwohl die Mehrheit der Menschen das - durchaus zu Recht - anders sieht. "»Entweder man öffnet die Türen weit oder man schließt sie ab«, sage ich wehmütig. »Die Menschen sind zu kompliziert, um auf irgendetwas dazwischen zu vertrauen.«" Denn verzweifelte Menschen werden zu einen unkontrollierbaren Mob, der sich alles nimmt was ist, ohne Rücksicht auf andere.

Ich habe wirklich mitgefiebert mit der kleinen Truppe von Teenagern, die sich durch die Tage des Tap-Outs kämpfen. Und immer wenn ich dachte, es gibt nun eine kleine Verschnaufpause oder zeitweilige Rettung für unsere Protagonisten, kam doch wieder alles anders. Das Autorenduo hat mich ständig mit neuen Wendungen überrascht, bis ganz zum Schluss. Genau so soll es auch sein!

Ich hoffe, dass dieses Buch verfilmt wird, die Figuren, die Zeitebene von nur wenigen Tagen und die ganze Dramaturgie bietet sich dafür förmlich an. Vor allem aber ist die Botschaft der Geschichte immens wichtig, denn das hier geschilderte Szenario ist ganz und gar nicht abwägig wie es Alieninvasionen oder Krieg mit einer Terminator-Armee vielleicht sind!

Ein wichtiger Tipp zum Schluss: bitte haltet beim Lesen immer ein großes Glas Wasser in eurer Nähe. Am besten eine ganze Flasche. 1,5 Liter. Mindestens!

Veröffentlicht am 03.06.2019

Schönes Kinderbuch mit Schulbezug

Die wilde Baumhausschule, Band 1: Raubtierzähmen für Anfänger
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Dieses Kinderbuch ist mit 192 Seiten (und einer durchgängigen Geschichte!) nicht gerade kurz, aber wird durch zahlreiche wirklich sehr gelungene Illustrationen immer wieder aufgelockert. Dennoch müssen ...

Dieses Kinderbuch ist mit 192 Seiten (und einer durchgängigen Geschichte!) nicht gerade kurz, aber wird durch zahlreiche wirklich sehr gelungene Illustrationen immer wieder aufgelockert. Dennoch müssen sich die Kids gedulden wenn sie wissen wollen, wer denn da den Zoo die ganze Zeit sabotiert. Wir haben die abendliche Vorlesezeit zwar immer wieder überzogen ('Nur noch ein Kapitel, Mama! Ist grad so spannend.'), aber doch 5 Abende gebraucht bis wir durch waren.

Erzählt werden die ersten paar Tage von Greta in ihrer neuen Schule - wo 'ihr' Elefant das Schulhaus zerstört und ihre Klasse den Lehrbetrieb kurzerhand auf den Hügel verlegt, wo auch der Zoo sein zu Hause hat. Der Zoo, in dem Greta seit kurzem lebt weil ihre Eltern als neue Direktoren eingestellt worden sind.
Sehr gut gefallen hat uns, dass der Rundgang der Schulkinder durch den Zoo wirklich schön und ausführlich beschrieben wurde (und man sogar das eine oder andere gelernt hat). Dazu kommen dann noch ein paar 'Streiche', dessen Urheber lange unklar ist. Das enthielt für meine Jungs wirklich viel Spannung und sie stellten ihre eigenen Überlegungen an wer da dem Zoo wohl was Böses wollen würde. Sehr viele Verdächtige werden allerdings nicht präsentiert. Auch ansonsten ist das Buch an einigen Stellen eher 'minimalistisch' gehalten. So gibt es in der eingefallenen Schule zB nur diese eine Klasse? Weitere Kinder werden zumindest nie erwähnt. Meinen Jungs machte das aber gar nichts aus, denen ist das noch nicht mal so aufgefallen.

Enttäuscht waren wir dann aber doch, dass erstens Raubtiere gar nicht gezähmt werden müssen (der Löwe ist eher ein Kuscheltier) und vor allem zweitens die titelgebende Baumhausschule in dieser Form gar nicht stattfindet. Es gibt zwar ein Baumhaus, das anscheinend groß genug wäre für die Schüler (wie riesig ist das??), aber Unterricht findet dort nicht statt. Zumindest noch nicht in diesem ersten Band. Den zweiten gibt es aber bereits, und wir werden die Reihe definitiv weiterverfolgen.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Eine Geschichte mit vielen Beziehungs-Ebenen

Solange sie tanzen
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Ich war mir anfangs nicht so sicher, was für ein Buch das hier werden wird. Und selbst am Ende fällt es mir schwer, es zu 'klassifizieren', denn es war für mich so vielschichtig. Denn erzählt wird hier ...

Ich war mir anfangs nicht so sicher, was für ein Buch das hier werden wird. Und selbst am Ende fällt es mir schwer, es zu 'klassifizieren', denn es war für mich so vielschichtig. Denn erzählt wird hier die Lebensgeschichte von Ada Musäus. Doch es ist auch die Liebesgeschichte von Ada und Hans. Und die Familiengeschichte der Friedbergs. Eine Geschichte von Kindern und ihren Eltern. Von Hund und Frauchen. Von alten und neuen Freunden und Nachbarn. Und vor allem ist es eine besondere Geschichte, die mich sehr berührt und sehr begeistert hat.

Die Autorin beschreibt abwechselnd Geschehnisse im hier und jetzt und aus der Vergangenheit. Aufgrund des 'Zeitraffer'-Verfahrens passiert in den Kapiteln von früher immer so einiges, oder zumindest bedeutende Dinge. Doch ich fand die Kapitel von 2017 nicht minder interessant, auch wenn sie 'nur' einen alltäglichen Tag im Leben von Ada und Hemingway beschrieben. Doch Leciejewski kann gut beschreiben, und so las ich gern von ganz banalen Dingen. Vor allem aber habe ich selten einen Roman gelesen, der so gut verdeutlicht wie sich eine beginnende Alzheimer-Erkrankung bemerkbar macht.

Wenn Ada jeden Abend im alten Haus gegenüber beim Tanzen beobachtet habe ich nicht gleich gecheckt, da hat es erst ziemlich spät Klick gemacht. Ergab zum Schluss eine schöne runde Sache!

Veröffentlicht am 02.06.2019

Gut geschrieben, schönes Setting, aber ein bisschen zu viel künstliches Drama

Crystal Lake – Diagnose Liebe
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Dieses Buch ist mit 102 Seiten extrem kurz, und da es Teil einer (momentan nur 3teiligen) Reihe ist 'fühlt' es sich auch eher so an wie eine Episode einer TV-Serie. Von der ich womöglich die Pilotfolge ...

Dieses Buch ist mit 102 Seiten extrem kurz, und da es Teil einer (momentan nur 3teiligen) Reihe ist 'fühlt' es sich auch eher so an wie eine Episode einer TV-Serie. Von der ich womöglich die Pilotfolge verpasst habe... Aber gut, natürlich haben einige Figuren schon eine Vorgeschichte die sie mitbringen, und die Autorin versucht auch ihr möglichstes, durch Hinweise und eingestreute Bemerkungen diese für den Leser zu verdeutlichen.

Die Geschichte an sich ist gut geschrieben, klarerweise nicht sehr tiefgehend aber dennoch irgendwie rund. Ein bisschen hat mich der Hang zu Übertreibungen gestört. Mark verliert nach nur einer Woche im Krankenhaus schon seinen Sponsor? Leena will nach einem kleinen 'Zwischenfall' sofort wieder wegziehen? Und wie schnell gleich von wahrer Liebe gesprochen wird... Nun ja, zumindest passt diese Dramaturgie, die ich maximal aus US-Romance-Büchern kenne, gut zum Setting dieser Reihe. Diese Berge von Colorado - und ein Krankenhaus - ist eine sehr gelungene Wahl und birgt viel Potential (weil viel Personal) für zahlreiche Fortsetzungen! Worum es in Band 2 gehen wird, ist in einem Cliffhanger zumindest schon angedeutet.