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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2018

Manchmal kannste nix machen, außer weiter

Wenn's einfach wär, würd's jeder machen
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Zu Beginn des Buches wird es einem nicht leicht gemacht, Annika zu mögen. Sie ist verwöhnt und bequem, macht nur Dienst nach Vorschrift, bleibt trotz der sehr freundlichen Aufnahme durch die neuen Lehrerkollegen ...

Zu Beginn des Buches wird es einem nicht leicht gemacht, Annika zu mögen. Sie ist verwöhnt und bequem, macht nur Dienst nach Vorschrift, bleibt trotz der sehr freundlichen Aufnahme durch die neuen Lehrerkollegen reserviert und unverbindlich...
Aber im Laufe der nächsten 9 Monate, die das Buch erzählt, vollzieht Anni eine richtig gute Wendung. Sie findet ihre Freude an der Musik wieder, stellt sich dem großen Angst-Problem ihrer Kindheit, überdenkt ihre Einstellung und bezieht Stellung. Ihre Reaktionen und Entscheidungen sind dabei immer nachvollziehbar, das macht sie und das Buch sympathisch.
Die Figuren und die Handlung sind so richtig aus dem Leben gegriffen und nebenbei wird dem Leser Hamburg schmackhaft gemacht.
Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, die vorausschaubar sein könnte, es aber nicht ist. Es macht riesen Spaß den beiden Protagonisten zuzuschauen, wie sie umeinander herum schleichen. Man fiebert mit, spürt das Knistern und zumindest ich habe mich riesig gefreut, als die Beiden endlich zusammenkamen.
Das Buch lehrt uns wieder einmal, dass man nicht perfekt sein muss, sondern Spaß an dem haben sollte, was man tut. Dass es ok ist, Fehler zu machen, wenn man dazu steht.
Alles in allem ist „Wenn‘s einfach wär, würd‘s jeder machen“ trotz der vielen ernsten Themen ein richtiger Gute-Laune-Roman, der zu Herzen geht aber gar nicht kitschig daherkommt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Gefühl
  • Lesespaß
Veröffentlicht am 24.04.2018

hat mich komplett eingenommen

Kranichland
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Es ist bemerkenswert, dass dieses Buch ein Debüt ist, noch dazu von einer Autorin geschrieben, die zur Wende erst 11 Jahre alt war. Man meint, sie habe die DDR-Zeit selbst komplett durchlebt. Das Buch ...

Es ist bemerkenswert, dass dieses Buch ein Debüt ist, noch dazu von einer Autorin geschrieben, die zur Wende erst 11 Jahre alt war. Man meint, sie habe die DDR-Zeit selbst komplett durchlebt. Das Buch ist sehr gut recherchiert, gerade als ehemaliger DDR-Bürger fand ich mich selbst oft wieder, egal ob es das lange Anstehen am Konsum ist, ohne zu wissen, wofür oder der Besitz eines Micky-Maus-Heftchens, welches zum Schulverweis führen konnte oder das Gefühl mit dem Alubesteck an eine Amalgam-Zahnfüllung zu kommen. Fast 80 Jahre Geschichte (von 1936 – 2012) werden lebendig beschrieben. Es ist ein ehrlicher Roman, der anhand der Familie Groen zeigt, wie die Menschen in der DDR gelebt haben. Er verdeutlicht uns die Zerrissenheit der Menschen und des Systems.

Die Geschichte beginnt mit Johannes Groen, der den Selbstmord seiner Mutter verkraften und allein aus Schlesien fliehen muss. Nach Ende des 2. Weltkrieges findet er sich in Rostock wieder, wo er in einem Auffanglager erst Kolja kennenlernt, einen russischen Soldaten, der für ihn, obwohl er nur unwesentlich älter ist, zur Vaterfigur wird und fast gleichzeitig Elisabeth, die ebenfalls schwer vom Krieg gezeichnet ist und an die er sein Herz verschenkt. Elisabeth ist Krankenschwester und lebt gemeinsam mit ihrer Mutter Käthe im eigenen kleinen Häuschen in Rostock. Johannes und Elisabeth heiraten und bekommen Töchterchen Charlotte. Während Elisabeth von Familie und Harmonie träumt, wird aus Johannes Wanjuscha, ein Arbeitstier, der dynamisch bei der Errichtung eines neuen Staates mit anpackt und sich immer mehr im Netz von Partei und Staatssicherheit verheddert. So dauert es nicht lange, bis die junge Familie nach Berlin zieht, wo Johannes noch mehr arbeitet und Elisabeth immer einsamer wird. In dem jungen Arzt Anton Michalsky findet sie einen Menschen, der ihre Sehnsucht nach Zweisamkeit stillt. Elisabeth bekommt eine zweite Tochter, Marlene, die in ihrem Wesen völlig anders ist als der treue DDR-Spross Charlotte. Marlene interessiert sich für Kunst, ist anderem Denken gegenüber aufgeschlossen und eckt immer öfter an. Sie wird ihren Wunsch nach Freiheit teuer bezahlen müssen.

2012 versucht die jüngste Schwester Teresa zu entschlüsseln, warum gerade sie ein Haus in Rostock von der großen Schwester Marlene, die eigentlich schon seit Jahre tot ist, geerbt hat und wer der ominöse Miterbe Tom ist. Sie beginnt gemeinsam mit ihrer Tochter Anna die Vergangenheit Schicht um Schicht zu entknoten.

Was mir an dem Buch so gefallen hat, ist, dass jede Personen dazu beiträgt, zu verstehen, wie es, mal abgesehen von den Zwängen und Befehlen der Sowjetunion, denen die DDR folgen musste, überhaupt einerseits zur Gründung der DDR und andererseits zu deren Fall kommen konnte. Offiziell war die DDR eine Demokratie, doch faktisch regierte die SED in einer Einparteienherrschaft. Die viel zitierte Einigkeit gab es eben nicht. Die Parteispitze und Regierung ist im Laufe der Jahre immer weiter abgedriftet, lebte in einer Scheinwelt und war von den Wünschen der Bevölkerung weit entfernt. (was im übrigen wieder ein hochaktuelles Thema ist)

Die Handlung ist sehr interessant, jede Figur im Buch hat ihre eigene Persönlichkeit, das Geschehen und ihre Entwicklungen sind verständlich und ich bin mit allen Personen außer Elisabeth warm geworden. Ich habe oft geschmunzelt und manchmal auch geweint.

Der ständige Wechsel zwischen den Perspektiven und Zeiten verwirrt in diesem Buch nicht, sondern trägt zum besseren Verständnis bei. Man hat das Gefühl, einer wahren Begebenheit zu folgen, so fassbar werden die Figuren beschrieben. Ich könnte mir dieses Buch gut als Verfilmung und Schulliteratur für höhere Klassen vorstellen.

Kranichland gibt es auch als Hörbuch in einer Produktion des Audio Buch Verlag, gelesen von Beate Rysopp auf 2 MP3-CDs mit 704 Minuten Spielzeit. Beate Rysopp schafft es in der Lesung, die Personen lebendig werden zu lassen, sie liest flüssig, ausdrucksstark, emotional und dennoch ruhig, kann sowohl wie eine Nachrichtensprecherin klingen als auch die Panik in einer Stimme erkennbar machen, wenn etwas schreckliches passiert. Ich fand im Hörbuch die Sprechpausen nicht gut gelöst, das müsste vielleicht nochmal überarbeitet werden.

Für mich sind Buch und Hörbuch definitiv ein Lesehiglight des Jahres 2018!