Das man auch in einer Großstadt zwischen vielen Menschen einsam sein kann, registriert Lucy Bredfort erst richtig, als sich ihr Leben bereits komplett ändert. Eigentlich will sie nur Weihnachten bei ihren ...
Das man auch in einer Großstadt zwischen vielen Menschen einsam sein kann, registriert Lucy Bredfort erst richtig, als sich ihr Leben bereits komplett ändert. Eigentlich will sie nur Weihnachten bei ihren Eltern verbringen und nutzt dazu die Mitfahrgelegenheit in Bens altem Auto. Die beiden geraten auf der Straße Richtung Norden in einen schlimmen Schneesturm und müssen die Nacht in einem kleinen Dorf im alten Hof von Dorle übernachten.
Im Frühjahr darauf erfahren beide zu ihrer großen Überraschung, dass die alte Frau ihnen ihren Besitz vermacht hat, unter der Bedingung, dort gemeinsam einzuziehen. Ben, der unglücklich als Arzt in einer Notaufnahme in Hamburg arbeitet und unter Panikattacken leidet und Lucy, die sich als Übersetzerin gerade an ihren ersten eigenen Roman gewagt hat, kennen sich zwar nur flüchtig, wollen das gemeinsame Abenteuer aber wagen.
Die beiden leben sich schnell in ihrem neuen Leben ein. Mit dem Hof haben sie die halbe Dorfgemeinschaft quasi mitgeerbt. Gemeinschaft wird in Bredenhofe noch groß geschrieben. Die symphatischen und teilweise kautzigen Nachbarn helfen, wo sie können und bringen die beiden neuen Dorfbewohner auch sonst ganz schön auf Trab. Nach und nach öffenen die Beiden sich und ganz leise und langsam (auf Zehenspitzen) schleicht sich die Liebe zwischen Lucy und Ben.
Die Figuren sind allesamt liebevoll beschrieben, die Sprache des Romans ist emphatisch und sehr charmant. Dieses Buch ist perfekt für den Sommer - humorvoll, leicht und locker und dennoch nicht oberflächlich.
"City of girls" spielt im New York der 1940iger Jahre. Hauptakteurin Vivian zieht 19jährig zu Ihrer Tante Peg nach Manhatten und taucht sofort und insbrünstig in ihr neues Leben ein. Ihre Tante besitzt ...
"City of girls" spielt im New York der 1940iger Jahre. Hauptakteurin Vivian zieht 19jährig zu Ihrer Tante Peg nach Manhatten und taucht sofort und insbrünstig in ihr neues Leben ein. Ihre Tante besitzt ein heruntergekommenes Theater, das Lily's, und Vivian freundet sich mit den Schauspielerinnen an, entdeckt Musik, Tanz, Sex, Alkohol. Stets an ihrer Seite: das Revuegirl Celia, eine Freundin auf Zeit, wunderschön, lebenshungrig und risikobereit wie sie selber. „Celia sollte mir alles beibringen, was sie wusste - über Männer, über Sex, über New York, über das Leben-, und das tat sie gern."(S102) Das Eingreifen der Vereinigten Staaten in den 2. Weltkrieg, ihr weiterer Berufsweg, Nöte und Sorgen der Menschen um sie herum... alles Dinge, die an Vivian vorbeigleiten als hätten sie nichts mit ihr zu tun.
Als die berühmte englische Schauspielerin Edna Parker-Watson ins Lily Playhouse kommt, ist Vivian von der Frau - insbesondere von ihrem Stil und ihrem Auftreten - hingerissen! Das Ensemble des Lily's kreiert eine neue Show, die viel ehrgeiziger und aufwendiger als die bisherige seichte Unterhaltung ist und Edna Parker-Watson auch in New York zum Star machen soll.
Der Cocktail aus jugendlichem Überschwang und planloser Unbeschwertheit scheint ewig weiterzugehen aber dann kommt es zu einem Skandal, der es bis in die New Yorker Zeitungen schafft und Vivian dazu zwingt, reumütig zu ihren Eltern zurückzukehren. Vivians Sturz ist vollständig und bitter. Sie scheint sich völlig willenlos in ihr neues Leben zu fügen, ist mit dem langweiligen Bürojob im väterlichen Unternehmen ebenso zufrieden, wie mit dem Verlobten, den der Vater aussucht. Doch sie kommt noch einmal davon - gerade so - denn unvermittelt taucht ihre Tante Peg bei den Eltern auf und befreit Vivian aus ihrer Eintönigkeit.
Hier erkenne ich den wahren Kern des Buches - eine wortgewandte Arbeit über das Urteil über und die Bestrafung von Frauen. "Die dreckigen kleinen Huren hatte man entsorgt, der Mann durfte bleiben" (S315)
Aber Vivian erkennt auch, dass ihr Verhalten zwar Konsequenzen hat aber es führt nicht zu ihrem Untergang. "Irgendwann im Leben einer Frau wird sie es einfach satt, sich die ganze Zeit zu schämen", sagt Vivian später. "Danach ist sie frei, zu werden, wer sie wirklich ist." (S398) Vivians
Vivian kehrt also kurz vor Ende des 2. Weltkrieges nach Manhatten zurück, der Stadt ihres Lebens, die sie nicht mehr verlassen wird. Sie hilft zunächst ihrer Tante Peg bei der Zusammenstellung von Shows für die Arbeiter im Brooklyn Navy Yard und gründet nach Ende des Krieges gemeinsam mit Ihrer Freundin Marjorie ein eigenes kleines Geschäft. Sie lebt weiter ein unkonventionelles freies Leben, eines, das nur ihr gehört. 90 Jahre alt ist Vivian am Ende des Romans, der eigentlich ein Brief ist an die Tochter des einzigen Mannes, den sie je geliebt hat. Die Beziehung zu diesem Mann, einem Kriegsveteran, schwer verwundet an Körper und Seele, ist ebenso frei und andersartig wie ihr gesamtes Leben. Jahrelang wandert Vivian mit ihm durch das nächtliche New York, ohne dass es körperliche Berührungen gibt. Sie entwickelt sich zu einer Frau, die zu Freundschaft und Liebe fähig ist. "Ich habe früher gern behauptet, dass ich nur zwei Dinge gut beherrsche: Nähen und Sex. Aber da habe ich mich unter Wert verkauft, denn ich bin auch sehr gut darin, eine Freundin zu sein." (S.487)
Fazit:
Das Buch ist für mich das Statement einer selbstbewussten, emanzipierten Frau, die sich nimmt, was sie will. Selbstkritisch blickt die alte Vivian am Ende des Romans auf die Tollheiten ihrer Jugend zurück. Sie legt ihre Geschichte dar und die der Frauen um sie herum - Frauen, die so gelebt haben, wie sie wirklich sind. Ihr Resümee nach einem langen, selbstbestimmten Leben? „Die Welt folgt keinem Plan. Menschen haben ein bestimmtes Wesen, so ist das nun mal. Und Menschen passieren Dinge - Dinge, die sie nicht kontrollieren können.“ (S.467) Ein ganz und gar großartiges Buch!
"Du willst im Juni nach Italien? Im Sommer reist man nicht ans Mittelmeer...Die glühende Sommerhitze ist äußerst gefährlich. Schon durch und durch gesunden Menschen macht sie schwer zu schaffen, erst recht ...
"Du willst im Juni nach Italien? Im Sommer reist man nicht ans Mittelmeer...Die glühende Sommerhitze ist äußerst gefährlich. Schon durch und durch gesunden Menschen macht sie schwer zu schaffen, erst recht leicht erregbaren... Und das Wasser ist doch viel zu salzig. Es heißt, das fördert Schwellungen des Zahnfleisches." (Seite 58/59)
Die Geschichte beginnt in Frankfurt am Main im Jahr 1922. Das Buch ist der erste Teil einer Diologie. Hauptprotagonistin ist die junge Salome Sommer, die nach dem Tod der Mutter von der Großmutter erzogen wird und vom Vater weitesgehend unbeachtet von einer Vertrauten und vom Meer träumt. Die Untermieterin der Familie, Paola, teilt diese Sehnsucht. Sie ist es auch, die in klugen Schachzügen zuerst Salomes Vater von der Idee überzeugt, künftig Reisen an die italienische Riviera anzubieten und sich anschließend gleich selbst als seine neue Ehefrau ins Spiel bringt.
In Italien arbeitet Familie Sommer mit einem ortsansässigen Hotelier zusammen. Dessen Tochter Ornella wird für Salome zur besten Freundin, zur Schwester, zur Komplizin. Fortan lenken die beiden jungen Frauen geschickt ihre Väter im eigenen Interesse. Probleme und Sorgen entstehen auf gesellschaftlicher Ebene durch den aufkeimenden Faschismus, zuerst in Italien, später dann in Deutschland, und auf privater Ebene durch Ornellas erste Liebe, zu der auch Salome sich hingezogen fühlt.
Das Buch spielt zwischen 1922 und 1936 und ist in 6 Abschnitte eingeteilt. Es lässt sich leicht und flüssig lesen. Einerseits vermittelt die Autorin sehr gut die lebendige Kulisse von der italienischen Riviera und der Cote d'Azur; andererseits schafft sie es ebenso, den Schrecken des aufkommenden Faschismus deutlich vor Augen zu führen ebenso wie die Steine, die beiden Mädchen in den Weg gelegt werden. Sie beschreibt eindringlich die Freundschaft der beiden Mädchen, Erfolge und Mißerfolge des Reisebüros und die Gefühle der 1. Liebe, die beiden Mädchen leider mehr Schmerz als Hochgefühle beschert. Das Buch beginnt voller Leichtigkeit und Optimismus und endet mit der kalten Realität des Nazideutschland von 1936. Die Geschichte ist gekonnt aufgebaut und die Schauplätze stecken voller Sehnsucht. Doch leider wirken die Akteure blass und abweisend und taugen allesam nicht als Symphatieträger. Der Cliffhanger am Ende des Buches sorgt dafür, dass ich auch den 2. Teil lesen werde.
“Ich glaube, was ich zu sagen versuche, ist Folgendes, Will: Wenn etwas Schreckliches, Unbegreifliches geschieht, dann braucht es manchmal etwas ebenso Unerwartetes, damit wir es begreifen können.” Mr. ...
“Ich glaube, was ich zu sagen versuche, ist Folgendes, Will: Wenn etwas Schreckliches, Unbegreifliches geschieht, dann braucht es manchmal etwas ebenso Unerwartetes, damit wir es begreifen können.” Mr. Colemann (Wills Lehrer) auf S.166
Danny ist der typische Verlierer. Alle wissen das: seine Firma, sein Vermieter, seine Schwiegereltern, eventuell sogar sein Sohn Will. Er hat keinen richtigen Abschluss, arbeitet als Hilfsarbeiter auf dem Bau, wohnt mit Will in einer schäbigen Wohnung und weiß manchmal nicht, wovon er das Essen und die Miete bezahlen soll. Vor einem Jahr hat er das Beste in seinem Leben bei einem Autounfall verloren – Liz, seine Frau. Seitdem versinkt er in Trauer und Problemen. Eins davon ist, dass Will seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr spricht. Deshalb wird er in der Schule gemobbt aber sein Vater bekommt von all seinen Schwierigkeiten nichts mit, weil er dazu schlicht und einfach keine Kraft hat.
Zu Beginn des Buches mochte ich Danny nicht besonders, weil er so völlig ergeiz- und antriebslos war und sich seinem Schicksal ergeben zu haben schien. Und überhaupt, was ist das für eine blöde Idee, sich ausgerechnet ein schäbiges Pandakostüm zu kaufen um damit als Straßenkünstler tanzend sein Geld zu verdienen, wenn man nicht mal Tanzen kann? Will habe ich da schon eher ins Herz geschlossen. Der Junge hat mit seiner Mutter auch seine beste Freundin verloren (die ganze Seite 201 rührt mich zu Tränen!), will am liebsten unsichtbar sein und versucht dennoch mit der Situation klar zu kommen. Er schwankt zwischen kindlichem und sehr reifem Verhalten hin- und her.
Als Danny Zeuge des Mobbings gegen seinen Sohn wird, erwacht er endlich aus seiner Starre. Er beginnt zu kämpfen, sucht und findet Hilfe in der Tänzerin Krystal und auch sein Freund Ivan ist zur Stelle.
Die Vater-Sohn-Beziehung entsteht völlig neu und James Gould-Bourn erzählt davon so intensiv und kraftvoll, dass mich das sehr berührt hat. Das Buch lebt von wunderschönen Details wie den kleinen Freundschaftsbeweisen von Ivan oder Mo. Es ist keine Liebesgeschichte notwendig, um Gefühle in die Handlung zu bringen, Freundschaft und die Vater-Sohn-Beziehung bleiben im Zentrum. Die sehr eigenwilligen Protagonisten verschaffen der Geschichte immer wieder heitere Szenen und schlagfertige Dialoge.
Mir persönlich waren die vielen Glücksfälle zum Schluss hin too much und das Ende zu erzwungen. Dennoch geht die Geschichte wirklich zu Herzen und der flüssige Schreibstil lässt einen das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Die Sprache ist berührend und bildhaft, witzig, warmherzig und traurig. Ich würde das Buch eher als leichte Kost einordnen und könnte mir eine Verfilmung gut vorstellen, da man viele Situationen beim Lesen bildlich vor sich sieht.
„Dieser ferne Streifen Meer, wo Himmel und Wasser eins werden.“
"Offene See" ist ein schmales Büchlein voller starker Worte und einer einfachen Geschichte. Man könnte es auch in die Coming-of-Age-Sparte ...
„Dieser ferne Streifen Meer, wo Himmel und Wasser eins werden.“
"Offene See" ist ein schmales Büchlein voller starker Worte und einer einfachen Geschichte. Man könnte es auch in die Coming-of-Age-Sparte stecken aber das würde dem Buch nicht gerecht werden.
Die Geschichte spielt kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges und wird im Rückblick erzählt. Der Schreibstil ist ruhig, poetisch, klar und dabei doch präzise und modern. Und genauso ist die Handlung: Man begleitet Robert ein Stück auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Sein Leben scheint vorgezeichnet zu sein aber manchmal ändern sich die Dinge eben. Robert begeistert sich für die Stille, für mit Mythen beladene Orte. Und so unternimmt er, kurz bevor er in des Vaters Fußstapfen tritt, eine Reise, die ihn zu Dulcie führt, einer emanzipierten, starken und doch tieftraurigen älteren Frau. Ihr Einfluss wird ihm helfen, sich zu dem Mann zu entwickeln, der in ihm steckt. Er wird die Lyrik entdecken, ein unkonventionelles Leben kennenlernen und seinen Horizont erweitern.
Benjamin Myers spricht auf wenigen Seiten sehr viele verschiedene Themen an: Zunächst ist da natürlich der 2. Weltkrieg, der in den Köpfen der Menschen auch 1 Jahr nach seinem Ende alle Gedanken beherrscht und dessen Verarbeitung noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird.
"Denn niemand gewinnte einen Krieg wirklich, manche verlieren bloß ein bisschen weniger als andere."
Dann ist da die wundervolle Natur, die Bienen, das geliebte Haustier und wie all das zur seelischen Heilung beitragen kann.
"Weil Honig flüssige Poesie ist. Er ist wie ein Scheibchen Sonne auf deinem Brot. Er ist die Essenz der Natur - die Essenz von Land und Insekt und Mann oder Frau, die in vollkommener symbiotischer Harmonie zusammenarbeiten. Bienen sind wahre Wunderwesen, die unermüdlich Pollen in Gold verwandeln."
Das Meer wird in seiner Zwiegespaltenheit dargestellt - ist es nun wunderschön, anziehend und ein Sehnsuchtsziel oder abstoßend, kalt und gefährlich? Und schlußendlich geht es um die Kraft der Freundschaft und was sie bewegen kann. Beschreibungen und Handlung halten sich dabei immer die Waage.
"Reisen ist die Suche nach sich selbst. Und manchmal genügt es schon alleine das Suchen."
Beide Protagonisten sind mir sofort ans Herz gewachsen, das ist auch eher selten. Dulcie wird durch ihre Schlagfertigkeit, ihre burschikose, einnehmende Art sofort symphatisch während Robert mit seinem stillen, scheuen, fleißigen Charakter punktet. Die beiden sind ein seltsames Paar. Die Interaktionen der Beiden sind schön zu verfolgen.
„Du redest nicht viel, und das gefällt mir. Im Schweigen liegt Poesie, aber die meisten nehmen sich nicht die Muße, sie zu hören. Sie reden und reden und reden, aber sie sagen nichts, weil sie Angst davor haben, ihren eigenen Herzschlag zu hören. Angst vor ihrer eigenen Sterblichkeit.“
"Offene See" ist zu einem meiner Lieblingsbücher bisher in 2020 geworden. Ich möchte es immerfort an meine Brust drücken und mit mir herzumtragen. Die Geschichte hat mich sehr berührt und hat sie völlig ohne eine turbulente Handlung sondern nur mit der Kraft der Worte geschafft.