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Veröffentlicht am 10.08.2017

Kommt nicht an "Eleanor & Park" heran

Fangirl
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Zwillingen – besonders den eineiigen - wird nachgesagt, dass sie ein ganzes Leben lang eine besondere Bindung haben. Sie umschlingt ein unsichtbares Band, das sie auf eine bestimmte gemeinsame Gefühlsebene ...

Zwillingen – besonders den eineiigen - wird nachgesagt, dass sie ein ganzes Leben lang eine besondere Bindung haben. Sie umschlingt ein unsichtbares Band, das sie auf eine bestimmte gemeinsame Gefühlsebene versetzt, die niemand sonst erreichen kann. Schmerzhaft wird es für ein Zwillingspaar, wenn sie sich während der Pubertät nicht nur von ihren Eltern abnabeln müssen, sondern auch voneinander, um ihren eigenen Platz im Leben zu finden. Die Zwillinge Cath und Wren sind auch durch ein stabiles Band verbunden. Doch nun beginnt für beide mit dem College ein neuer Lebensabschnitt. Wren scheint nun andere Interessen zu entwickeln und entfernt sich zunehmend von ihrer Schwester. Für Cath sind diese Entwicklungen ein harter Schlag und machen ihr Angst. Anstatt sich diesen Ängsten zu stellen und sich in das für sie neue College-Leben zu integrieren, kehrt sie lieber der realen Welt den Rücken und verliert sich beim Schreiben von Fanfiction in einer magischen Welt – wo es keine bösen Überraschungen gibt, weil Cath die Fäden zieht und alle Ereignisse bestimmt. Doch irgendwann muss sie auf schmerzliche Weise lernen, dass die wichtigen Schritte außerhalb der eigenen Komfortzone gemacht werden.

In ihrem neuen Roman „Fangirl“ beschreibt Rainbow Rowell in einem sehr eindringlichen Stil die Veränderungen in der besonderen Beziehung zwischen den Zwillingen Cath und Wren - obgleich Wren für den Leser eher im Hintergrund agiert. Die Geschichte von Cath dem Fangirl gleicht meiner Meinung nach einer sehr intensiven Charakterstudie eines jungen Menschen, der sich nach vielen schmerzlichen Erfahrungen eine eigene Welt erschaffen hat, um den eigenen Schmerz nach zahlreichen Verletzungen abzumildern.
Als Leser erfährt man mit jeder gelesenen Passage, wie Caths bisheriges Leben verlaufen ist und was sie angetrieben hat eine virtuelle der realen Welt vorzuziehen. Man erlebt, wie Cath nach und nach gezwungen wird sich weiterzuentwickeln, um aus ihrer Komfortzone auszubrechen, sich echten Menschen öffnen und an sich selbst zu glauben. Und was könnte verlockender sein, als die Liebe?

„Fangirl“ von Rainbow Rowell ist ein Buch, das seine Leser durch ruhiges Fahrwasser dahintreiben lässt. Die Geschichte entwickelt sich erst nach und nach, dann aber stetig. Cath wird mit jedem neuen Kapitel etwas offener und berichtet auf eindringliche Weise über die vielen Brennpunkte in ihrem Leben.
Ein für mich uninteressanter Brennpunkt war Caths Leidenschaft für Simon Snow. Genauer gesagt nicht ihre Leidenschaft für die literarische Figur – jeder sollte für etwas brennen -, sondern die Vielzahl an Textpassagen aus den Simon Snow Büchern und die von Cath geschriebene Fanfiction, in der sie ihre Fantasien auslebt. Ich persönlich konnte diesen Texten nichts abgewinnen. Vielmehr wollte ich über Caths reales Leben erfahren. Um ihre Leidenschaft für den Magier nachvollziehen zu können, hätte mir die Lektüre „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“ von Rainbow Rowell womöglich etwas auf die Sprünge geholfen. Beide Bücher scheinen genau wie Cath und Wren eine besondere Verbindung zu haben.

Rainbow Rowell scheint mit „Fangirl“ die Leserschaft zu spalten. Die einen überschlagen sich mit Lob, die anderen mit negativen Kritiken. Ich sitze buchstäblich zwischen den Stühlen, denn einerseits habe ich sehr gerne viele interessante und eindringliche Stunden mit der außergewöhnlichen und so menschlichen literarische Figur Cath und einer erfrischenden Liebes- und Lebensgeschichte verbracht. Andererseits haben einige Längen und die Textpassagen zum Thema Simon Snow aus dieser Geschichte meine Geduld etwas strapaziert.

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Veröffentlicht am 06.08.2017

Meja macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt ...

Meja Meergrün
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Neue literarische Heldinnen braucht das Kinderbuch-Genre! Aber nicht irgendwelche … Stark sollten sie sein, kämpferisch und ohne Furcht die eigenen Emotionen zu zeigen. Sie sollten träumen und ihre Träume ...

Neue literarische Heldinnen braucht das Kinderbuch-Genre! Aber nicht irgendwelche … Stark sollten sie sein, kämpferisch und ohne Furcht die eigenen Emotionen zu zeigen. Sie sollten träumen und ihre Träume verwirklichen. Und vor allem sollten sie an sich selbst glauben. Nach diesen Heldinnen suche ich aktuell, denn ich möchte, dass mein Sohn nicht nur mit männlichen Heldenfiguren aufwächst.
Natürlich gibt es einige literarische Figuren wie Pippi Langstrumpf oder Ronja Räubertochter, die mir zu diesem Thema einfallen, aber vor Kurzem durfte ich eine noch recht junge und frische Protagonistin aus einer neuen Kinderbuchreihe kennenlernen, die das Potenzial zur Heldin hat: Meja Meergrün.

Die kleine Meerjungfrau lebt in einer magischen Unterwasserwelt. Ihre Eltern verreisen sehr oft und während dieser Zeit wohnt Meja allein in einem wunderschönen Haus mit einer meergrünen Glocke. Und was tut man, wenn die eigenen Eltern ausgeflogen sind? Richtig! Man sucht nach großen Abenteuern, die man mit seinen besten Freunden bestreiten kann. Lange suchen muss Meja jedoch nicht, denn in den letzten Tagen scheint irgendetwas Merkwürdiges in der Unterwasserwelt vorzugehen. Nach und nach wird es dunkler auf dem Meeresgrund. Dahinter steckt bestimmt die böse Wasserhexe Siri und Meja macht sich zusammen mit ihren Freunden auf, um das Verlöschen des Lichts zu verhindern und schlittert von einem tollkühnen Abenteuer ins nächste.

Bevor Meja sich ins Abenteuer stürzt, lernt der Leser erst einmal ihre Lebensumstände etwas besser kennen. Sie lebt allein in einem großen Haus, ihre Eltern begeben sich meistens auf geheimnisvollen Reisen und lassen Meja viel Freiraum, obgleich diese noch recht grün hinter den Ohren ist. Meja liebt es, ohne Regeln in den Tag hineinzuleben und sich mit ihren Freunden in der Unterwasserwelt zu tummeln. Zur Schule geht Meja einfach nicht. Das findet ihre Lehrerin überhaupt nicht gut und setzt alles daran die kleine Meerjungfrau umzustimmen.
Erinnert euch das vielleicht an eine andere Geschichte? Mich auch und das war für mich ein großer Kritikpunkt. Gerade am Anfang gab es doch viele Parallelen zu „Pippi Langstrumpf“, die der Autor lieber weggelassen hätte. Genau wie die darauffolgenden Ereignisse, die vergleichbar mit den Begebenheiten aus „Arielle, die Meerjungrau“ sind. Bei mir kam im Laufe der Geschichte auch die Frage nach dem Verbleib der Eltern auf, weil dieses Thema nicht behandelt wird. Als Erwachsener muss man bei Kinderbüchern manchmal das rationale Denken weglassen und über solche Dinge hinwegschauen. Bei „Meja Meergrün“ entdeckt man dann auch die vielen unterhaltsamen und sehr witzigen Details und die amüsanten literarischen Figuren in der abenteuerlichen Handlung und kann, zusammen mit seinem Kind, das sich sowieso nicht von den Ereignissen ablenken lässt, eine wunderbare Geschichte erleben.

„Meja Meergrün“ habe ich zusammen mit meinem Sohn in Hörbuchform erleben dürfen - gelesen und gesungen von der brillanten Hörbuchsprecherin Anna Thalbach. Diese verleiht durch ihre Stimme, jedem Protagonisten aus dieser Geschichte eine ganz besondere Charakternote. Besonders ausgeprägt ist diese Note jedoch bei Meja Meergrün. Diese literarische Figur wirkt so abenteuerlustig, wild und mutig, manchmal aber auch etwas rotzig und frech. Eine wichtige charakterliche Eigenschaft ist auch ihre Liebenswürdigkeit, die immer wieder durchsickert – auch wenn Meja es nicht möchte. Ihr Herz ist einfach am richtigen Fleck.

„Meja Meergrün“ von Erik Ole Lindström ist der Auftakt zu einer neuen Kinderbuchreihe, in der viel Potenzial schlummert. Wenn der Autor sich in den nächsten Bänden etwas mehr auf seine eigenen Ideen beschränkt und seiner Handlung und einigen Protagonisten etwas mehr Tiefe verleiht, kann daraus eine großartige Geschichte entstehen, die mit einer weiblichen literarischen Heldenfigur gekrönt wird.

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Veröffentlicht am 30.07.2017

Ein Buch für laue Sommernächte

Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt
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Habt ihr euch schon mal auf ein Buch eingelassen, ohne dass ihr wusstet, was euch thematisch erwartet? Für mich ist es immer wieder ein Erlebnis und ich lasse mich gerne darauf ein, weil für meinen Geschmack ...

Habt ihr euch schon mal auf ein Buch eingelassen, ohne dass ihr wusstet, was euch thematisch erwartet? Für mich ist es immer wieder ein Erlebnis und ich lasse mich gerne darauf ein, weil für meinen Geschmack in den Kurzbeschreibungen der Bücher viel zu viel vom Inhalt preisgegeben wird.
Meine Lektüre wähle ich oft nach den Bewertungen anderer Leser und nach der Gesamtgestaltung aus. Natürlich gehe ich damit auch ein Risiko ein, aber das Leseerlebnis ist dafür umso größer. Mein letztes Buch habe ich genau nach diesem Schema ausgewählt und einen absoluten Volltreffer gelandet. Die Vielzahl an positiven Leserbewertungen hat mich sehr neugierig auf „Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt“ von Nicola Yoon gemacht und die wunderschöne Aufmachung leistete den Rest an Überzeugungsarbeit.

Wie bereits erwähnt, hatte ich keinerlei Vorstellungen davon, was mich erwarten würde. So konnte sich die Geschichte mit jeder Seite etwas mehr entfalten und mich unvoreingenommen mit einer für mich faszinierenden Handlung begeistern.
In den ersten Passagen durfte ich die außergewöhnliche literarische Hauptfigur Madeline kennenlernen. Außergewöhnlich ist sie deshalb, weil sie ein ungewöhnliches Leben hinter den dicken Mauern ihres Wohnhauses fristet. Sie hat keine Ahnung davon, wie sich ein warmer Sommerregen oder ein kühler Windhauch auf der Haut anfühlt, denn jeder Schritt in der freien Natur könnte ihren Tod bedeuten. Trotzdem hadert Madeline nicht mit ihrem Schicksal und weiß sich mit Büchern und Fernkursen zu beschäftigen. Die Fenster ihrer Wohnung sind, neben ihrer Mutter und einer Pflegerin, die einzige Verbindung zur Außenwelt. Eines Tages beobachtet sie, wie ein Junge ins Haus gegenüber einzieht. Zu diesem Zeitpunkt hat Madeline noch keine Ahnung, wie sehr dieser Junge namens Olly ihr Leben durcheinanderbringen wird.

Madelines Liebe zu besonderen Büchern hat mich komplett für sie eingenommen. Nicht nur weil sie viele Geschichten gelesen hat, die mir auch sehr am Herzen liegen. Auch die Art und Weise, wie sie manchmal ihre Bücher liest, fand ich sehr interessant.

„Manchmal lese ich meine Lieblingsbücher von hinten nach vorne. […] Wenn man verkehrt herum liest, wechseln die Charaktere von Hoffnung zu Verzweiflung, von Selbsterkenntnis zu Selbstzweifeln. Liebesgeschichten beginnen damit, dass Paare Liebende sind und zu Fremden werden. Gestorbene Lieblingsfiguren erwachen wieder zum Leben.“ Seite 178


Madeline meint, ihre Lebensgeschichte würde sich beim Rückwärtslesen nicht verändern. Wie falsch sie da doch liegt. Ehrlich gesagt würde ich aber keinem empfehlen, sie rückwärts zu lesen. Denn so würden viele faszinierende, bewegende Momente und Wendungen an ihrer Wirkung verlieren.

Nicola Yoon hat ihre liebenswerten und authentischen Figuren in eine sehr interessante Handlung hineingeschrieben und beschert dem Leser ein außerordentlich schönes Leseerlebnis. Man erhält einen guten Einblick in Madelines ungewöhnliches Leben und in ihre Gefühlswelt, die von einem auf den anderen Augenblick komplett aus den Fugen gerät. Man fiebert mit ihr und lässt sich von dem lyrischen Schreibstil und der vielfältigen Handlung mitreißen. Nicalo Yoon versteht es die gewichtige Thematik ihrer Geschichte leicht und beschwingt zu verpacken, um ihre Leser nicht zu überfordern.
Das filigran illustrierte Cover enthält viele Symbole, die wichtiger Bestandteil der Geschichte sind. Auch die gelungene Gesamtgestaltung fügt sich perfekt in die Geschichte ein. Auf einigen Seiten findet man ausgewählte Illustrationen, die zur gelesenen Passage passen. All das macht „Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt“ zu einem Buch für laue Sommertage, an dem man nichts weiter tun möchte, als eine wunderbare Geschichte zu lesen.

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Veröffentlicht am 29.07.2017

Ein wunderbares Bilderbuch mit bedeutsamen Botschaften

Zusammen unter einem Himmel
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Unsere Welt ist im Moment etwas aus den Fugen geraten. Schon oft hat sie große Erschütterungen erleben müssen, von denen sie sich nur schlecht erholen konnte. Schuld daran ist unser schlechter Umgang mit ...

Unsere Welt ist im Moment etwas aus den Fugen geraten. Schon oft hat sie große Erschütterungen erleben müssen, von denen sie sich nur schlecht erholen konnte. Schuld daran ist unser schlechter Umgang mit der Natur und viele Konflikte, die durch Kriege gelöst werden sollen. Manchmal frage ich mich, warum Menschen nicht in Frieden miteinander leben können. Haben wir Menschen es womöglich verlernt? Warum machen wir uns das Leben gegenseitig schwer und bekämpfen einander? Umso wichtiger finde ich es, dass man der nächsten Generation vermittelt, dass es eben auch anders geht. Wir Menschen, egal wie verschieden wir auch sind, sollten respektvoll miteinander umgehen und zusammen friedlich unter einem Himmel leben.
Mit „Zusammen unter einem Himmel“ von Britta Teckentrup habe ich, passend zu diesem Thema, ein wunderbares Bilderbuch entdeckt, das auf stimmungsvolle Weise zeigt, wie schön unsere Welt ist und, dass egal wie verschieden wir auch sind, wir trotzdem sehr viele Dinge gemeinsam haben.

Die Gesamtgestaltung von „Zusammen unter einem Himmel“ ist meisterhaft und gleicht einem kleinen Kunstwerk. Nimmt man das Buch zur Hand, muss man erst einmal die besondere Oberfläche und die Ausstanzung in Form einer Wolke befühlen. Damit verbrachten wir etliche Minuten. Nachdem wir uns an den ersten Illustrationen auf dem Hardcover sattgesehen hatten, schlugen wir es endlich auf.

Für eine vereinte Welt

Mit dieser Botschaft beginnt die Autorin ihre bedeutsame Geschichte und vermittelt dem Leser den Schwerpunkt der folgenden Seiten. Blättert man weiter, wird man von kräftigen und warmen Tönen und einem poetischen Text, der unter die Haut geht, umfangen.

„Zusammen unter einem Himmel“ mutet an wie eine kleine Weltreise. Wir Leser werden auf jeder der 12 Doppelseiten in einen anderen Landstrich unserer wunderschönen Erde versetzt und dürfen eindrucksvollen Szenen beiwohnen. Britta Teckentrup führt uns über die Dächer unter dem Nachthimmel einer Stadt zu einer Katzenfamilie, lässt uns in der Savanne mit einer Löwenfamilie schwitzen, um uns zusammen mit einem Pinguinpaar in Schnee und Eis abzukühlen. Wir schwimmen mit Walen, durchkämen mit Hirschen die Berge und lauschen hoch über den Wolken dem Gesang der Vögel. Und all diese Szenen machen sehr deutlich, dass alle etwas gemeinsam haben. Sie lauschen denselben Stürmen, sie singen dieselben Lieder, träumen dieselben Träume und spüren dieselbe Liebe.

Es gibt mehr, das uns verbindet, als das was uns trennt

Alle gezeichneten Szenen, aber auch die bedeutungsvollen und eindringlichen Zeilen dieser Geschichte sind auf verschieden Weise miteinander verbunden. Alles ist in Bewegung und geht fließend von einer Seite auf die nächste über. Oft sogar durch die Seiten, denn auch im Buch findet man zahlreiche Ausstanzungen, die die poetischen Worte über die Grenzen hinaus durch die gesamte Welt und zum Leser tragen.

Britta Teckentrup gehört nicht nur wegen der Auswahl ihrer Themen zu meinen Favoriten. Es ist auch der besondere Stil, mit dem sie ihre unverwechselbaren Illustrationen zeichnet. Sie haucht ihren Bildern eine besondere Stimmung ein - mal melancholisch und ruhig, mal heiter und dynamisch -, die den Betrachter jedes Mal aufs Neue verzaubert und nicht mehr loslässt. Ich bemerke dieses Teckentrup-Phänomen besonders, wenn ich ihre Bücher zusammen mit meinem Sohn betrachte. Er wird ruhiger und versinkt konzentriert in die Geschichte. Blättere ich zu schnell, werde ich ermahnt.

„Zusammen unter einem Himmel“ von Britta Teckentrup ist ein sehr besonderes Bilderbuch, welches man nicht nur wegen der bedeutsamen Botschaften von Generation zu Generation weitergeben sollte.

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Veröffentlicht am 10.07.2017

Eine aufreibende Lektüre

Der Koffer
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Es gibt Bücher, die mich sprachlos machen können. Meist sind es Bücher, die sich mit einer sehr schwierigen und erschütternden Thematik beschäftigen und mit vielen dramatischen Ereignissen meine Emotionen ...

Es gibt Bücher, die mich sprachlos machen können. Meist sind es Bücher, die sich mit einer sehr schwierigen und erschütternden Thematik beschäftigen und mit vielen dramatischen Ereignissen meine Emotionen aufwühlen. „Der Koffer“ von Robin Roe ist so ein Buch und es fällt mir wirklich sehr schwer die richtigen Worte zu finden, um mein Leseerlebnis zu beschreiben. Besonders, weil mir Robin Roe auf erschreckende Weise klargemacht hat, was für furchtbare Schicksale einige Menschen durchleben müssen, ohne dass jemand Außenstehendes auch nur den Hauch einer Ahnung hat, was der Betroffene gerade durchmacht. Die Ereignisse in diesem Buch haben mir auch verdeutlicht, wie vorschnell wir andere Menschen in Schubladen stecken, ohne nach einem möglichen Grund für ein bestimmtes Verhalten zu suchen.
Der literarischen Hauptfigur Julian passiert es auch sehr oft, denn aufgrund einer Lernschwäche – für die sich nicht einmal die Lehrer interessieren – und seinem zurückhaltenden Wesen, wird er oft für dumm gehalten und als Sonderling abgestempelt. Keiner fragt sich, warum Julian ist, wie er ist. Dabei hätte er ziemlich viele Gründe vorzubringen, die beweisen, dass er eben nicht dumm ist.

Julian trägt ein schweres Schicksal mit sich herum, denn er verlor als 9-Jähriger seine Eltern durch einen Autounfall. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer liebevollen Pflegefamilie musste er zu seinem herrschsüchtigen Onkel ziehen, dem er nichts rechtmachen kann. Wirklich verwunden oder verarbeiten konnte Julian die vergangenen Ereignisse nicht. Dafür ist die Umgebung, in der er jetzt lebt, viel zu kalt und rau. Und außer einem Koffer voller Geheimnisse und einigen Erinnerungen an seine Mutter und seinen Vater ist ihm nichts mehr geblieben.
Julian hat sich mit seinem neuen Leben, das so viel liebloser ist als sein altes, arrangiert und hat hier und da einen sicheren Ort gefunden, an dem er einfach sein kann – ohne das Mobbing seiner Mitschüler oder die Maßregelungen seines Onkels.

"Ich habe einfach ein ungutes Gefühl. Wie ein Reh in einem dieser Tierfilme, das die Ohren spitzt, obwohl es den Wolf noch gar nicht sieht. Aber spürt, dass da eine Gefahr ist." Seite 216


Genau so könnte ich mein Gefühl beim Lesen beschreiben, denn die Atmosphäre, die zwischen den Zeilen emporsteigt, ist knisternd und bedrohlich, weil man als Leser meist ahnt, dass früher oder später etwas geschieht, von dem man wirklich erschüttert wird. Und von diesem unguten Gefühl wird man nicht betrogen. Es geschehen wirklich schreckliche Dinge, die furchtbar verstörend sind. Manchmal muss man das Gelesene auch selbst erst verarbeiten, um weiterlesen zu können.


Um die Stimmung nach den wirklich bedrückenden Passagen etwas aufzulockern, hat Robin Roe eine besondere literarische Figur eingesetzt, die abwechselnd mit Julian über das Geschehen berichtet: Adam, der ehemalige Pflegebruder von Julian. Dieser warmherzige, tollpatschige und dennoch coole Junge ist ein Segen für Julian und den Leser. Mit seinem Wesen erhellt Adam die dunklen Stunden.
Der sonst so verschlossene Julian ist in Adams Gegenwart ein anderer. Bei ihm ist er sicher und Julian traut sich nach und nach, dank vieler aufbauender Worte und Momente mit seinem größeren Pflegebruder, aus seiner Isolation heraus.

In „Der Koffer“ lässt Robin Roe ihre beiden literarischen Hauptfiguren - sprachlich einfach und klar - eine wirklich bewegende und erschütternde Geschichte erzählen. Die Handlung wirkt sehr lebendig und wir Leser werden zu stummen Zeugen - auch wenn wir beim Lesen manchmal gerne laut aufschreien würden - von einer wunderbaren Freundschaft, aber auch von vielen verstörenden Ereignissen. "Der Koffer" ist ein Buch, das trotz der enthaltenen gewalttätigen Szenen so viel Liebe und Hoffnungen und wunderbare Botschaften enthält. All dies machte dieses Buch zu einem schrecklich schönen Leseerlebnis. Obgleich mich die verstörenden Ereignisse in der Handlung wohl noch sehr lange beschäftigen werden.

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