Gibt es einen Plural von Schuld?
Porträt auf grüner WandfarbeLondon: In den 1990er Jahren wird Gwen von ihrer Tante Lily gebeten, diese noch einmal in die alte Heimat Köslin - heute Polen - zu begleiten.
Diese Fahrt wird dann zu einer Reise durch Raum und Zeit, ...
London: In den 1990er Jahren wird Gwen von ihrer Tante Lily gebeten, diese noch einmal in die alte Heimat Köslin - heute Polen - zu begleiten.
Diese Fahrt wird dann zu einer Reise durch Raum und Zeit, denn Gwen fallen alte Briefe, Fotos und Aufzeichnungen in die Hände, die deutlich machen - es gibt in ihrer Familie einige Geheimnisse und noch mehr unausgesprochene Wahrheiten.
In den 1930er Jahren arbeitet die junge Ella Blau im legendären Schloss Elmau. Dort lernt sie die exaltierte Ilsabé kennen, die - trotz unterschiedlicher Herkunft und Interessen - zu einer Freundin wird.
Im Schloss trifft Ella außerdem auf den verwitweten Baron Jakob von Stein, für den sie schwärmt und den sie dann als Assistentin nach Köslin begleitet. Dort wird sie zu einer Art Ersatzmutter für seine Kinder Theo, Heinrich und Lily.
Heiraten wird der Baron dann aber Ilsabé, die gemeinsame Tochter Marga, Gwens Mutter, wird geboren.
Diese zuerst einfach klingende Geschichte wird auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt und durch ganz unterschiedliche Personen aus Gegenwart und Vergangenheit ergänzt und erweitert.
Diese tauchen wie immer neue Teile eines Puzzels auf, dessen fertiges Bild man (noch) nicht kennt.
Das macht die Handlung ausgesprochen interessant und facettenreich, hat aber auch dazu geführt, ab und zu innezuhalten und zu überlegen, wer da jetzt wie mit wem verwandt, bekannt oder verbandelt war.
Zumal immer wieder neue interessante und spannende Verbindungen und Entwicklungen hochkommen - und dies nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge!
Ich habe irgendwann überlegt mir vielleicht Notizen zu machen.
Aber durchhalten lohnt sich wirklich, denn "Porträt auf grüner Wandfarbe" ist eine faszinierende Geschichte, die ausgesprochen atmospärisch von einer untergegangenen Zeit erzählt, die für mich beim lesen wie ein alter Film in sepia daherkommt.
Die einzelnen Bruchstücke, die Gwen nach und nach zu einem Familienporträt zusammensetzt, werfen ein ganz neues Bild auf die Vergangenheit und die Familie.
Denn ein paar dieser "verschwiegenen" Bruchstücke hatten unvorhersehbare Folgen, die noch immer nachwirken.
Wann ist der Zeitpunkt ein Schweigen zu brechen? Oder ist es irgendwann einfach zu spät?
Hebt eine Schuld eine andere auf?
Kann nach vielen Jahren eine Versöhnung durch Akzeptanz gelingen?
Der Debütroman von Elisabeth Sandmann lässt sich definitiv nicht "so nebenher" lesen oder hören.
Er ist unfassbar vielschichtig und mit vielen Wendungen und ganz außergewöhnlichen Protagonist(inn)en versehen, die einen in ihren Bann ziehen und nicht so schnell wieder loslassen.
Ein spannender Familienroman über starke Frauen, ihre Leidenschaften und den Wunsch nach Selbstbestimmung.
Die Sprecherin Elisabeth Günther liest ausgesprochen gut, besonders Ilsabé scheint mir hervorragend gelungen.
Natürlich auch in Papierform zum lesen verfügbar