Eingeschränkte Leseempfehlung
Immer diese HerzscheißeMeinung
Immer diese Herzscheiße ist mein erstes Buch der Autorin, wobei mir erst nach Übersenden des Romans aufgefallen war, dass ich ein weiteres Buch von ihr – Wir waren hier – auf dem Stapel ungelesener ...
Meinung
Immer diese Herzscheiße ist mein erstes Buch der Autorin, wobei mir erst nach Übersenden des Romans aufgefallen war, dass ich ein weiteres Buch von ihr – Wir waren hier – auf dem Stapel ungelesener Bücher liegen habe.
Bei richtig guten Büchern werden meine Bewertungen recht kurz. Richtig schlechte Geschichten führen zu überlangen Rezensionen. Und dann sind da noch diese Bücher, die ich nicht so recht einzuschätzen weiß und deren Beurteilung zu einer größeren Herausforderung wird. Zu eben jeden Büchern gehört auch Immer diese Herzscheiße.
Warum gestaltet sich das Verfassen der Rezension aber nun so schwierig für mich und warum hätte ich es, wäre es nicht eben ein Rezensionsexemplar gewesen, nach dem ersten Abschnitt am liebsten abgebrochen? Es liegt am von Rademacher gewählten Stil. Dieser ist gleichzeitig Höhepunkt und Todesurteil.
Ich habe es selten erlebt, dass sich eine Autorin so gut in in die Denkweise und das Gefühlsleben einer ‚problematischen‘ Fünfzehnjährigen hineinversetzen kann, wie in diesem Roman. Protagonistin Sarah wirkt dadurch wahnsinnig authentisch und ich sehe da viel, was mir selbst bzw. besonders meiner Schwester in dem Alter durch den Kopf gegangen ist. Romane dieser Art (Schwierige Jugendliche, problematisches Umfeld, keine Perspektiven) werden oft aus einer harten, jedoch gefühlsfernen Sicht geschildert. Man hat den Einblick in die Gedanken der umliegenden Personen und nimmt deren Sichtweisen an. Man findet es falsch, dass dieser Jugendliche so sehr abdriftet und dass man weiß, ‚aus dem wird nichts‘.
In dem Fall von Immer diese Herzscheiße erzählt Sarah die Geschichte aus ihrer Sicht und sieht natürlich nichts Verwerfliches darin, die Schule abzubrechen und eine ‚Hartz IV Karriere‘ zu starten. Wieso sollte es auch anders sein? Zerrüttete Familienverhältnisse, Freunde mit Vorstrafen und ein Umfeld, welches fast nur aus Arbeitslosen besteht. Sarah kennt es nicht anders und da kann in ihren Augen auch ein überengagierter Deutschlehrer erst einmal nichts daran ändern. Im weiteren Verlauf schildert der Roman mögliche Perspektiven, auf die ich natürlich hier nicht weiter eingehen werde.
„[…] jeder kann ja eigentlich alles sein. Nur bei uns im Viertel eben nicht.“ – Seite 89
Interessant ist die Geschichte allemal und wie bereits geschildert ist der Autorin das Erschaffen ihrer Protagonistin wahrlich gelungen. Allerdings stößt es mir immer noch auf, dass sich Sarahs Art zu sprechen im kompletten Text wiederfindet. Durch die Erzählweise in der 1. Person muss man sich als Leser durch 320 Seiten Umgangssprache durcharbeiten und dabei versuchen, nicht daran zu verzweifeln. Um das Authentische noch zu unterstreichen, dürfen Rechtschreibfehler nicht fehlen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dieses Buch eine ganz andere Zielgruppe als mich anspricht und gerade meine Texte sind, trotz mehrmaligem Durchlesen, sicher nie gänzlich fehlerfrei. Jedoch kann – und sollte – ich von einem Jugendbuch das Zwölf- bis Fünfzehnjährige anspricht einen Text erwarten können, der sich eben nicht einem ‚Schreiben nach Gehör‘ beugt.
„Ach, das ist ja wie in der Toskana mit den Züpressen!“ – Seite 37
Ein Roman der Autorin für ‚ältere Leser‘ würde mich sehr reizen, denn zwischen all den jugendlichen Ergüssen stecken hier und da wundervolle kleine Zeilen, die fast schon poetisch anmuten. Und auch hier bin ich mir sicher, wäre der Roman in einer etwas anderen Art verfasst worden, hätte er mir sicher sehr gut gefallen können.
„Es kommt eben nicht auf die Menge der Zeit an, sondern auf die Art, wie wir zusammen sind.“ – Seite 233
Ich weiß, eine Grenze zu ziehen ist wirklich schwierig. Ein Buch wie dieses steht jenen gegenüber, die Jugendliche aufweisen, die wie Fünfunddreißigjähre klingen und auch sonst deren Hobbys und Musikgeschmäcker aufweisen. Den Punkt genau in der Mitte zu treffen, damit ich zu 100 % begeistert bin, ist aber nicht die Aufgabe der Autoren. Ein Buch, dass Jugendliche abholt und sie zum Lesen animiert, kann nie verkehrt sein. Da hilft auch mein Einwand während der Leserunde ‚Auch als ich in Sarahs Alter war, habe ich Bücher in so einem Stil schon nicht leiden können‘ nichts. Ich könnte wirklich damit Leben, hätte man auf die absichtlichen Fehler verzichtet.
Fazit
Wem ein authentischer jugendlicher Schreibstil nicht abschreckt, sollte mit Sicherheit das Experiment Immer diese Herzscheiße wagen. Inhaltlich bringt der Roman sein behandelndes Thema treffend auf den Punkt. Aus alten Mustern auszubrechen, sich gegen vermeintliche Freunde stellen und neue Wege einzuschlagen kann beängstigend sein und es gibt sicher genug, die sich hier wiedererkennen werden. Auch wenn ich mich die Art, wie der Roman verfasst wurde, im weiteren Verlauf weniger störte wie noch zu Beginn, empfand ich das Lesen dadurch trotzdem sehr anstrengend. Von daher gibt es heute nur eine Leseempfehlung Auf eigene Gefahr.