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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Besondere Figuren, großartiger Plot-Twist

Durchs Feuer
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"Es war schrecklich. Es war genial."
"Aber es war so gefährlich", sagte er. "Du hättest sterben können."
"Hast du es noch nicht rausgefunden?", fragte ihn Margot.
"Was?"
"Das große Geheimnis des Lebens. ...

"Es war schrecklich. Es war genial."
"Aber es war so gefährlich", sagte er. "Du hättest sterben können."
"Hast du es noch nicht rausgefunden?", fragte ihn Margot.
"Was?"
"Das große Geheimnis des Lebens. Wenn etwas nicht gefährlich ist, lohnt es sich kaum, es zu tun."
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INHALT:
Iris ist mit einer furchtbaren Familie geschlagen: Ihr Vater hat sie vor Jahren verlassen, ihre Mutter denkt nur ans Geld und ihr Stiefvater nur an sich selbst. Um ihre Gefühle verarbeiten zu können, zündelt sie gern und treibt sich mit ihrem besten Freund Thurston auf den Straßen herum. Bis ihre Mutter beschließt, dass sie wieder nach England zurückziehen und Iris' Vater besuchten sollten. Dieser liegt ihm Sterben und es wartet das große Geld. Nach anfänglicher Skepsis lässt sich Iris bald auf diesen fremden, aber irgendwie vertrauten Mann ein, der ihr die Augen öffnet über so manche Familiengeheimnisse...

MEINE MEINUNG:
Jenny Valentine schreibt sehr besondere Bücher für Jugendliche - von denen ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, noch keines gelesen habe. Bisher, denn mit "Durchs Feuer" habe ich wohl einen sehr guten Anfang erwischt. Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Iris, der man so sehr nah kommt. Der Stil ist wunderschön, manchmal rau, manchmal zärtlich und durchsetzt von mitreißenden Beschreibungen, die einen von der ersten Seite an fesseln.

Iris ist eine eigenwillige, spitzzüngige Hauptfigur, die man mit ihrer pyromanischen Ader nicht immer verstehen muss - deren Motive dafür man allerdings immer nachvollziehen kann. Ihr bester Freund Thurston ist noch skurriler als sie, mit verrückten Ideen und einer irren Sprunghaftigkeit, dem die Freundschaft aber dennoch extrem viel bedeutet. Und auch Iris' Vater, den sie nun erst richtig kennen lernt, schließt man mit seiner nachdenklichen, liebevollen Art schnell ins Herz. Dagegen präsentieren sich die Mutter und der Stiefvater als egoistische, niederträchtige Persönlichkeiten, denen man alles Schlechte wünscht. Dabei gelingt es der Autorin aber trotzdem auf verblüffende Weise, dass auch diese beiden niemals eindimensional wirken.

Natürlich hat die Geschichte nicht wirklich viele Überraschungen zu bieten - kurz vor dem Tod des Vaters trifft die Tochter auf ihn und sie versöhnen sich. Aber durch die Sprünge in die Vergangenheit, wenn Iris von ihrem Leben in den Staaten, von ihren Aktionen mit Thurston und ihren Bränden erzählt, kommen dennoch viele originelle Details hinzu, und der Wortwitz und die vielen Oneliner tun ihr Übriges. Das Ganze ist unfassbar unterhaltsam, geht aber auch in die Tiefe und stimmt nachdenklich über Leben und Tod, über Vergeben, Vergessen und Rache. Und nachdem der Roman 200 von 215 Seiten wenige Wendungen aufzubieten hatte, kommen diese dann am Ende mit einem schon im Klappentext angekündigten "wahren Paukenschlag" - so unerwartet und genial ausgedacht, dass der Schluss einen lange nicht mehr loslässt.

FAZIT:
"Durchs Feuer" mutet vom Inhalt her gar nicht mal so besonders an - aber Jenny Valentines großartiger Schreibstil und ihre klasse ausgearbeiteten Figuren lassen das Buch zu einem echten Lesevergnügen werden. Die große Überraschung am Ende setzt dem Ganzen nur die Krone auf. 5 Punkte!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Faszinierend, aber auch sehr kryptisch

Die Diamantkrieger-Saga - Damirs Schwur
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"Möchtest du mehr darüber erfahren?"
Ich hatte mich schon zum Gehen gewandt, als seine Worte mich mitten in der Bewegung stoppen ließen.
"Worüber?", fragte ich emotionslos, obwohl mein Herz zuckte, als ...

"Möchtest du mehr darüber erfahren?"
Ich hatte mich schon zum Gehen gewandt, als seine Worte mich mitten in der Bewegung stoppen ließen.
"Worüber?", fragte ich emotionslos, obwohl mein Herz zuckte, als wolle es laut "Ja!" rufen. Doch ich bekam keine Antwort.
Erst, als ich auf meinem Rad durch die überraschend milde Abendluft jagte, realisierte ich, dass ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt hatte.
Und er mich nicht nach meinem.
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INHALT:
Um über die Runden zu kommen und die Pflege für ihre kranke Großmutter bezahlen zu können, arbeitet die 17-jährige Sara nachts als Diebin für Diamanten - denn schon von klein auf kann sie diese hören und ist daher eine der Besten in ihrem Job. Doch als sie nach einem ihrer Coups dem gut aussehenden, schweigsamen Damir begegnet, beginnt sich ihre Welt auf den Kopf zu stellen. Ihr Körper und ihre Wahrnehmung verändern sich, immer wieder hat sie Visionen einer anderen Zeit und die Menschen reagieren seltsam auf sie. Aber erst, als sich die Ereignisse zu überschlagen beginnen, realisiert Sara, in welch großer Gefahr sie nun schwebt...

MEINE MEINUNG:
Bettina Belitz schreibt außergewöhnliche Romane, die man mag oder nicht - dazwischen gibt es selten etwas. Auch der Auftakt ihrer neuen Diamantkriegersaga, "Damirs Schwur", ist originelle Fantasy, getragen vom bildlichen, großartigen Schreibstil. Doch die Geschichte, erzählt aus der Ich-Perspektive von Sara, ist sehr geheimnisvoll und durch die wenigen Erklärungen teilweise schwammig und auch seltsam esoterisch angehaucht, was durchaus erst einmal sehr ungewöhnlich und manchmal auch abschreckend anmutet.

Sara ist eine Protagonistin, die auf den ersten 100 Seiten und auch danach immer mal wieder sehr zu überzeugen weiß: Tough, mutig und kämpferisch ist sie eine Protagonistin, die sich nichts sagen lässt und dennoch weiß, wann es wichtig ist, zurückzustecken. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto unsicherer wird sie jedoch, denkt sich immer wieder neue Verschwörungstheorien aus und verrennt sich vollkommen in unlogischen Gedankengängen, die irgendwann anfangen zu nerven. Titelgeber des Bandes, Damir, lernt man dafür so gut wie gar nicht kennen, er spricht kaum und wenn, dann nur in kryptischen Andeutungen, was recht anstrengend ist. Er erhält keinen Charakter, was eventuell gewollt ist - wodurch man ihm aber auch nicht nahe kommt. Interessante Persönlichkeiten sind dagegen Saras grausame Mutter Jaga, der gefährliche, oft irre Hehler Kratos und ganz besonders der fürsorgliche, freundliche Anwalt Herr Goldwasser, der im Grunde der Einzige ist, der Sara endlich mal Informationen bieten will.

Das erste Viertel war für mich definitiv der beste Teil des Romans: Saras Diebstähle, ihr elegantes Eindringen in Häuser, die Beschreibung der Unterwelt - das alles ist sehr intensiv, mitreißend und glaubwürdig. Auch wenn die restliche Welt eher vage bleibt, weil die Autorin nicht genau benennt, wo die Geschichte spielt, hat man doch bald das Gefühl, sich ebenfalls in dieser schmutzigen, brutalen Stadt zu befinden. Es spielt sich wohl alles in der Zukunft ab, vielleicht ein paar Jahrzehnte weiter von uns aus gesehen, auch das wird jedoch nie ganz deutlich. Das ist leider ein Problem, was sich durch die gesamte Geschichte zieht: Es ist alles so vage, Informationen über Hintergründe und auch über das, was mit Sara passiert, gibt es kaum. Oft fragt man sich auch, warum sich die Strippenzieher so vehement dagegen wehren, ihr mehr zu offenbaren, denn das bringt das Mädchen nur noch mehr in Gefahr.

Besonders als Sara sich in ihrer Paranoia und ihren Schuldzuweisungen suhlt, begeht sie einen Fehler nach dem anderen (während der Leser ihr immer bereits voraus ist) - doch selbst aus extrem lebensgefährlichen Situationen wird sie sehr spät gerettet, was mir ihre Gegenüber nicht wirklich sympathischer gemacht hat. Und sogar die Informationen, die sie zum Ende hin endlich erhält, bleiben kryptisch und geben dem Leser nur wenige Vorstellungen darüber, was wirklich vor sich geht. Dafür ist der Schluss aber gut gewählt und passt endlich wieder zu der starken Protagonistin, die man zum Anfang des Bandes kennen gelernt hat. Da darf man gespannt sein, was die Autorin für den nächsten Teil bereit hält.

FAZIT:
"Damirs Schwur" ist wunderbar geschrieben und fesselt über weite Teile - aber der Inhalt kam bei mir oft nicht so richtig an. Alles ist sehr kryptisch gehalten, was sowohl die Protagonistin als auch den Leser zur Weißglut treibt, vor allem, weil man oft so viel mehr weiß als sie. Mit mehr Informationen könnte Band 2 aber definitiv überzeugender werden. Knappe 3 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Atmosphärisch und besonders

Die längste Nacht
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Draußen stand Luca. Ich sah ihn nur als dunkle Schattengestalt und er sagte nicht mehr als zwei Sätze.
"Es wäre gut, wenn ihr morgen früh vom Grundstück verschwunden seid. Und Vita, triff mich morgen Nachmittag ...

Draußen stand Luca. Ich sah ihn nur als dunkle Schattengestalt und er sagte nicht mehr als zwei Sätze.
"Es wäre gut, wenn ihr morgen früh vom Grundstück verschwunden seid. Und Vita, triff mich morgen Nachmittag um halb fünf in Viagello, gegenüber von dem kleinen Lebensmittelladen an der Mauer - allein."
Ehe ich etwas erwidern konnte, tauchte er zurück in die Nacht. Wenige Sekunden später hörte ich, wie der Motor seines Fiats ansprang und über die Schottersteine an unserem Bulli vorbei das Grundstück verließ.
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INHALT:
Nach dem Abitur macht sich die 17-jährige Vita mit zwei Freunden zu einem lange geplanten Roadtrip durch Europa auf - doch sie hätte nie gedacht, dass ihre Reise schon in dem kleinen Ort Viagello enden würde. Denn dieser birgt ein Geheimnis, das irgendwie mit ihrer Familie zusammenhängt und dem, was sie vor 13 Jahren zerstört hat. Vita beginnt Fragen zu stellen, doch diese reißen alte Wunden wieder auf. Und schon bald sieht sie sich mit Widerwillen und Feindseligkeit konfrontiert...

MEINE MEINUNG:
7 lange Jahre mussten Fans von Isabel Abedis Jugendromanen auf einen neuen warten - aber für "Die längste Nacht" hat sich das durchaus gelohnt. Wie immer gelingt es der Autorin, eine realistische und doch faszinierende Geschichte zu erschaffen, die insbesondere zwischenmenschlich überzeugt. Der Stil ist flüssig und passt atmosphärisch perfekt zu diesem niedlichen Ort im sonnigen Italien, der auch seine dunklen Seiten hat. Erzählt wird das Buch fast ausschließlich aus der Ich-Perspektive der Protagonistin, zwischenzeitlich kommt aber auch der Verfasser eines mysteriösen Manuskripts zu Wort.

Vita ist eine wunderbare Identifikationsfigur, deren Gedanken und Handlungen man in fast jedem Moment nachvollziehen kann. Sie will stark sein und sich nichts anmerken lassen, aber sie ist auch verletzlich durch die unausgesprochenen Dinge ihrer Vergangenheit. Leider konzentriert sie sich zum Ende hin ein wenig zu stark auf die Lösung des Rätsels und vernachlässigt ihre Freunde enorm - das ändert sich aber zum Glück wieder. Luca ist der ebenfalls sehr sympathische Love Interest, familienverbunden und liebevoll ist er immer für Vita da und sein starkes Bewusstsein für richtig und falsch gibt ihm immer wieder einen Stups in die richtige Richtung. Großartige Charaktere sind auch Vitas Freunde Danilo und Trixie, die so unterschiedlich sind und sich in ihren besonderen Merkmalen - die eine sehr aufgedreht, der andere sehr besonnen - perfekt ergänzen. Jede Nebenfigur hat ihre besonderen Eigenschaften, sodass man sie trotz ihrer Fülle alle sehr gut auseinander halten kann.

Wer auf einen Roadtrip gespannt ist, ist bei diesem Roman allerdings falsch: Auch wenn Vita deswegen überhaupt erst nach Italien kommt, ist die Reise doch sehr schnell wieder vobei - denn letztendlich dreht sich alles darum, das Geheimnis zu lüften und endlich das große Ganze zu erkennen. Das hat mir ziemlich gut gefallen, da ich kein großer Fan von Roadtrips bin, und Viagello als Ort das Geschehens hat sowieso so viel Atmosphäre und wirkt so warm und vertraut, dass man gar keine weiteren Städte braucht. Vita auf ihrer Sucht nach der Wahrheit zu begleiten, ist fast durchgehend spannend wie auch mitreißend, und ihr unbändiger Drang nach dem Wissen über die Geschehnisse vor 13 Jahren geht bald auch auf einen selbst über, sodass das Ganze nicht mehr loslässt.

Die Liebesgeschichte zwischen Luca und Vita ist ebenso schön zu lesen, und die schnelle Anziehung zwischen den beiden erklärt sich sinnvoll. Besonders gut gefällt hier, dass sich die Romantik trotzdem langsam entwickelt und sich nie in den Vordergrund drängt. Zum Ende hin werden dann alle Fäden zusammengeführt, die letzten Fragen geklärt und auch, wenn man ein bestimmtes Geheimnis schon erahnt hat, wird dieses ebenso glaubwürdig aufgelöst. Die tragischen Hintergründe und ihre Tragweite bleiben noch lange im Gedächtnis - ebenso aber auch die schönen Momente, in denen es um Selbstfindung, Vertrauen und Vergebung ging. Der Schluss lässt einen mit einem warmen Gefühl und dem Vertrauen auf eine schöne Zukunft zurück - ein würdiges Ende für einen besonderen Roman.

FAZIT:
Isabel Abedis neuestes Werk dreht sich wieder einmal um ein altes Geheimnis, um eine junge Liebe und um Selbstfindung, und ist dabei doch auch wieder ganz anders als ihre vorherigen Bücher - ihre Geschichten sind einfach immer etwas Besonderes. "Die längste Nacht" ist atmosphärisch, manchmal traurig und manchmal sehr schön, und insgesamt sehr lesenswert. Gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nicht mit Suzumas Debüt zu vergleichen

Broken
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Er presst sein Gesicht gegen ihre Schulter, versucht, dem Ansturm der Gefühle Herr zu werden, sich der Flut entgegen zu stemmen, aber es ist, als ob sein Körper seinen eigenen Willen hätte und ihn dazu ...

Er presst sein Gesicht gegen ihre Schulter, versucht, dem Ansturm der Gefühle Herr zu werden, sich der Flut entgegen zu stemmen, aber es ist, als ob sein Körper seinen eigenen Willen hätte und ihn dazu zwänge, sich Lola zu öffnen, ihr zu zeigen, wie schlecht es ihm geht, obwohl es das Letzte ist, was er jetzt gerade tun möchte...
Und allmählich, nach mehreren Minuten qualvoller, stummer Tränen, spürt er, wie der Druck in seiner Brust nachlässt und auch der Schmerz in seinem Kopf.
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INHALT:
Mathéo führt das perfekte Leben: Er ist erfolgreicher Turmspringer mit Aussicht auf eine Medaille bei den Olympischen Spielen, er hat genug Geld, um sich jeden Wunsch erfüllen zu können und er ist mit der wunderschönen Lola liiert. Doch nach einem Wochenende in Brighton, wo ein Wettkampf stattfand, wacht er in seinem völlig zerstörten Zimmer auf und weiß, dass etwas Schreckliches geschehen ist. Doch er kann und will sich nicht erinnern, weil er ahnt, dass diese Sache sein gesamtes Leben kaputt machen könnte...

MEINE MEINUNG:
Tabitha Suzuma hat sich 2011 mit ihrem Tabus brechenden Roman "Forbidden" in viele Herzen geschrieben - so auch in meines. Mit "Broken" ist nun endlich ein neues Werk von ihr erschienen, das sich erneut mit den Gefühlen und Problemen Jugendlicher auseinandersetzt und wieder ein wichtiges und trauriges Thema anspricht. Doch anders als im Debüt wird die Geschichte hier aus der personalen Sicht erzählt, was bei einer so intensiven Thematik nur wenig Nähe zulässt. Der Schreibstil ist oftmals stark ausschweifend, sodass ganze Seiten nur aus einem Absatz voller Beschreibungen bestehen, was schnell ermüdet - und so gelingt es dem Buch auch weit weniger als erhofft, einen zu fesseln.

Mathéo ist dieses reiche, perfekte und alleskönnende Kind, das man in der Schule nicht leiden kann. Er hat alles und weiß auch darum, weswegen man anfangs relativ wenig Sympathie zu ihm hegt. Das ändert sich, als ihm das schreckliche Ereignis widerfährt und er sich gegen seine Privilegien zu sträuben beginnt. Außer, dass er eher viel weint, als um seine Zukunft zu kämpfen und endlich mal zu reden, kommt er einem aber leider trotzdem nicht großartig nahe. Da gelingt die Identifikation mit der lebenslustigen Lola, die immer für ihn da ist und ihm liebevoll zur Seite steht, besser. Und auch Mathéos kleiner Bruder Loïc ist ein kleiner Schatz, von dem ich persönlich gern noch mehr gelesen hätte. Die Nebenfiguren sind allesamt recht gut ausgearbeitet, können aber auch nicht mit besonderen Eigenschaften punkten.

Man hat größtenteils einfach das Gefühl, dass das Buch zu lang ist, dass die ganze Geschichte auch auf 200 Seiten hätte erzählt werden können, und zwar besser. Denn so wirken viele sich wiederholende Dialoge wie Lückenfüller und die Details und Beschreibungen nehmen zu viel Platz ein. Vor allem aber die ersten 100 Seiten, in denen lang und breit Mathéos Leben vor dem Ereignis beschrieben wird, sind eintönig und haben relativ Mehrwert, außer um auf seine nicht funktionierende Familie hinzuweisen. Es passiert einfach zu wenig, um einen bei der Sache zu halten. Am Störendsten ist aber, dass Mathéo etwa ab der Hälfte weiß, was ihm zugestoßen ist, es jedoch nicht erzählt - natürlich schämt er sich und trauert um sein früheres Leben, aber seine Reaktion ist so einfach nicht nachvollziehbar.

Die gesamte Auflösung, auch desjenigen, der letztendlich etwas damit zu tun hatte, wird so lange hinausgezögert, dass man sich schon selbst alles zusammengereimt hat, als es endlich herauskommt. Und gerade diese Auflösung ist dann zwar spektakulär, aber wenig logisch - es erscheint mir schon fast unmöglich, dass das niemand bemerkt hat. Auch das Ende scheint vor allem auf die Tränendrüse drücken zu wollen, ohne wirklich glaubhaft zu sein, denn die getroffene Entscheidung einer der Figuren macht so einfach keinen Sinn. So bleibt man zum Schluss mit dem schalen Gefühl zurück, dass hier weit mehr hätte draus gemacht werden können - besonders im Hinblick auf den Debütroman der Autorin.

FAZIT:
"Broken" sollte man meiner Meinung nach nicht mit Tabitha Suzumas Erstlingswerk vergleichen, denn an dieses kommt der neue Roman nicht heran. Durch die personale Erzählweise entsteht eine zu starke Distanz, um wirklich mitfühlen zu können, und die vielen detailreichen Beschreibungen lassen das Ganze recht langatmig werden. Gerade bei dem intensiven und bedrückenden Thema ist das sehr schade. 2,5 Punkte, abgerundet auf 2.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Atemberaubendes Setting, unglaubwürdige Liebesgeschichte

Zorn und Morgenröte
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"Gute Nacht, Chalid."
Shahrzad betrachtete die Tür, als sie sich hinter ihm schloss.
Wenn ich noch eine Gelegenheit bekäme, würde ich schießen? Bringe ich über mich, was getan werden muss?
Ihre Fäuste ...

"Gute Nacht, Chalid."
Shahrzad betrachtete die Tür, als sie sich hinter ihm schloss.
Wenn ich noch eine Gelegenheit bekäme, würde ich schießen? Bringe ich über mich, was getan werden muss?
Ihre Fäuste ballten sich zusammen.
Ich kann ihn vielleicht nicht kaltblütig erschießen, aber ich muss tun, was getan werden muss.
Ich werde herausfinden, wieso er alle seine Bräute töten ließ.
Und ich werde ihn dafür bestrafen.
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INHALT:
Der Herrscher von Chorasan gilt als Ungeheuer und Mörder, denn jeden Abend heiratet er ein Mädchen aus dem Volk, um es am nächsten Morgen töten zu lassen. Genauso trifft es irgendwann auch Shahrzads beste Freundin Shiva und Shahrzad schwört daraufhin Rache. Sie meldet sich freiwillig als Braut - und überlebt, indem sie nachts Geschichten erzählt, ohne den Schluss zu verraten. So erlangt sie immer wieder Aufschub und kommt dem jungen König während der Tage näher. Ihre Gefühle spielen verrückt, wenn sie ihn sieht, was in ihr große Schuldgefühle auslöst: Denn eigentlich war ihr Plan, ihn zu töten, um all die Mädchen zu rächen...

MEINE MEINUNG:
"Zorn und Morgenröte" basiert auf "1001 Nacht", einer morgenländischen Erzählung rund um einen König, der jeden Morgen seine Braut töten lässt und eine mutige Frau, die ihn mit ihren Geschichten betört und von diesem Weg abbringt. Renée Ahdieh hält sich in ihrer Neuerzählung dabei ziemlich stark an diese Vorlage und wandelt nur Hintergründe und Motive ab, was nicht von großartiger Originalität zeugt. Wo jedoch im Original famose Geschichten vorkommen, die so beeindrucken, dass man unbedingt das Ende erfahren muss, sind die Erzählungen hier fade und langweilig, weswegen man die Verschonung absolut nicht nachvollziehen kann.

Shahrzad ist ein sehr mutiges Mädchen, zu Anfang getrieben von Hass und Rachegelüsten, was sie durch ihre spitze Zunge recht deutlich werden lässt. Leider ist sie aber auch stark von sich selbst überzeugt und denkt, sie hat den Bossplan mit ihren Geschichten - obwohl es hauptsächlich Zufälle sind, die sie überleben lassen. Chalid, der Kalif von Chorasan, ist tatsächlich nach seiner typischen Kälte und Unnahbarkeit ein recht sympathischer Kerl. Die Bezeichnung "Jüngling" passt allerdings aufgrund seiner Impulsivität und seiner launenhaften Art ebenfalls sehr gut. Besonders gefällt von allen Figuren eigentlich die Magd Despina, ebenso vorlaut wie Shahrzad und liebenswürdig ehrlich. Der interessanteste Charakter ist wohl Hauptmann Jalal mit seiner frechen, aber auch hilfsbereiten Art, der langweiligste ist ganz klar Tarik, dessen einzige Funktion darin besteht, Shahrzads anderer Love-Interest zu sein.

Das gesamte Buch hätte gut werden können, schon aufgrund dieser orientalischen Welt mit den exotischen Speisen, Gewändern und Landschaften, die eine ganz besondere Atmosphäre verbreiten. Leider konzentriert sich Renée Ahdieh aber viel zu stark auf die Romanze, die einer Instant-Liebe schon sehr nahe kommt. Denn Shahrzad kennt Chalid gerade einmal zwei Tage und ist noch fest davon überzeugt, dass er grundlos tötet, als sie bereits starke Gefühle für ihn verspürt. Das ist nach ihrer anfänglichen Abneigung komplett an den Haaren herbei gezogen. Es wäre eindeutig eine bessere Idee gewesen, diesen Part erst aufzubauen, nachdem die Protagonistin die Hintergründe kennengelernt hat.

Denn prinzipiell sind die beiden durchaus ein nettes Pärchen - mit einem Hang zu kitschigen Phrasen und schnulzigen Versprechen. Leider passiert abgesehen von diesem Teil der Geschichte auch recht wenig außer ein paar Mordversuchen, die man allesamt ziemlich schnell durchschaut. Nichtsdestotrotz, und das ist das, was man der Autorin durchaus anrechnen kann, ist der Roman spannend und flüssig zu lesen, sodass man sehr schnell voran kommt. Die Kapitel sind kurz und verleiten so zum Weiterlesen, ebenso wie einige mitreißende Kämpfe. Sollte es davon im zweiten Teil mehr geben - im Austausch gegen den Kitsch -, könnte sich dieser eventuell steigern.

FAZIT:
"Zorn und Morgenröte" hat ein tolles Setting und profitiert vom lebendigen Schreibstil der Autorin. Renée Ahdieh konzentriert sich davon abgesehen aber viel zu stark und vor allem zu schnell auf die Liebesgeschichte, die dadurch oft unglaubwürdig wirkt. Das hätte mehr draus werden können. Knappe 3 Punkte.