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Veröffentlicht am 05.04.2018

Besonderes Gedankenspiel

Die Gabe
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Wir schicken Elektrizität durch geregelte Schaltkreise und Schalter, doch sie will die Form eines lebenden Wesens annehmen, eines Farnkrautes, eines nackten Zweiges. Der Blitz schlägt in der Mitte ein, ...

Wir schicken Elektrizität durch geregelte Schaltkreise und Schalter, doch sie will die Form eines lebenden Wesens annehmen, eines Farnkrautes, eines nackten Zweiges. Der Blitz schlägt in der Mitte ein, das Licht strebt nach außen.
Diese Form wächst in uns allen, unser innerer Baum aus Nerven und Blutgefäßen, inklusive Stamm und aller Äste. Die Signale werden von unseren Fingerspitzen über die Wirbelsäule ins Gehirn geleitet. Wir sind elektrisch. Die Gabe, diese einzigartige Kraft, lebt in uns, wie sie es auch in der Natur tut. Meine Kinder, alles, was hier geschieht, befindet sich im Einklang mit dem Gesetz der Natur.
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INHALT:
Bei manchen hat es sich schon länger angekündigt, bei anderen kam es ganz plötzlich und unerwartet: Junge Mädchen auf der ganzen Welt entwickeln auf einmal etwas, das bald "Die Gabe" genannt wird: Es ist ihnen möglich, Elektrizität mit ihren Fingern auszusenden, anderen Schmerzen zuzufügen, sie zu töten. Teilweise können die Mädchen es auch an erwachsene Frauen weitergeben, und damit kehrt sich nun das Altbekannte um: Jetzt sind die Männer das schwache Geschlecht und haben sich den Frauen unterzuordnen. Doch im Umschwung lassen Krieg und Gewalt nicht lange auf sich warten. Die Frauen, getrieben von Macht und Hass, scheinen die Welt nicht gerechter zu machen...

MEINE MEINUNG:
"Die Gabe" verfolgt ein Gedankenexperiment, das so interessant ist und so wichtig bei all den Geschlechterkämpfen, dass mich der Ideenreichtum schier umhaut. Gepriesen als neues "The Handmaid's Tale", von Margaret Atwood selbst gelobt - ein Roman also, der nicht nur unterhalten, sondern vor allem zum Nachdenken anregen will. Dafür gibt es auch verschiedene Perspektiven: eine skrupellose Politikerin; ein misshandeltes Mädchen, das als Gottheit verehrt wird; die Tochter eines Verbrechers; und ein nigerianischer Reporter, der von Anfang an dabei ist. Die Perspektiven sind allerdings leider etwas inkonsistent, teilweise sehr unterschiedlich im Spannungslevel - und auch der Stil verändert sich außer in den Dialogen recht wenig.

Bezeichnend ist, dass es keinen weiblichen Sympathieträger gibt. Bezeichnend besonders im Anbetracht dessen, was Frauen in der Vergangenheit erlebt haben und wie sie dies hier nun dagegen eintauschen, selbst Übel zu verbreiten. Natürlich schwelt im unterdrückten Geschlecht der Wunsch, auch selbst einmal Macht zu haben - aber diese Entwicklung zu brutalen Unterdrückern geht hier doch sehr schnell, und gegensätzliche Stimmen gibt es kaum. Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Margot als Politikerin ihre Kraft für den Aufstieg benutzt, gleichzeitig bringt sie die Geschichte aber auch wenig voran. Ausreißerin Allie verfolgt ihren eigenen Plan und nutzt dafür den religiösen Wahn, aber sie macht lange keine Entwicklung durch. Nur Roxy und Tunde, erstere getrieben von Rache und Verrat, letzterer von dem Wunsch, jemand zu sein, konnten mich in ihren Kapiteln eigentlich immer fesseln.

Insgesamt ist "Die Gabe" schwierig zu bewerten, vor allem als ein Buch, das mehr sein will als eine Dystopie. Es wirft sehr interessante Fragen auf und besitzt ein Szenario, das erschreckend ist - denn egal, welches Geschlecht die Macht besitzt, es wird nicht gerecht sein. Brutalität, Vergewaltigung, Verfolgung sind das Ergebnis, was teilweise schwer zu verkraften ist. Gleichzeitig bietet der Roman aber nicht einmal im Ansatz eine Lösung, es wird alles nur schlimmer, und dann fehlt auch noch der richtige Höhepunkt, der Umschwung, das Ergebnis. Eingebettet als Geschichtsroman eines Mannes in einer eben solchen von Frauen regierten Welt, funktioniert das nicht komplett. Zum Schluss fehlt einfach ein Knall, und das ist schade.

FAZIT:
Naomi Aldermans Idee ist so genial wie anders, weswegen "Die Gabe" trotz einiger Kritikpunkte ein Buch ist, was man gelesen haben sollte. Denn eine Herrschaft durch Frauen würde nicht automatisch alle Probleme lösen. Letztendlich fehlt aber einfach ein befriedigendes Ende. Knappe 3,5 Punkte.

Veröffentlicht am 05.04.2018

Sensibel erzählt, aber schwache zweite Hälfte

Für immer ist die längste Zeit
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Ich räuspere mich. "Weißt du, Eve, man sagt, die Zeit, die wir jetzt gerade durchmachen, nach der Beerdigung, wenn alle anderen weitergegangen sind, das ist die schwerste Zeit der Trauer."
"Ja, ach, ich ...

Ich räuspere mich. "Weißt du, Eve, man sagt, die Zeit, die wir jetzt gerade durchmachen, nach der Beerdigung, wenn alle anderen weitergegangen sind, das ist die schwerste Zeit der Trauer."
"Ja, ach, ich finde, das ist kompletter Blödsinn", antwortet sie. Als ich auflache, fasst sie den Mut, weiterzusprechen. "Jeder Tag ist anders beschissen. Es wird nie aufhören."
Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist, aber ich nicke zustimmend. Wie kann ich so tun, als hätte all das auch positive Seiten? Einzuräumen, dass alles beschissen ist, ist schon mal ein Fortschritt, denn immerhin sind wir uns einig.
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INHALT:
Die liebende Ehefrau und Mutter Maddy ist tot - vollkommen überraschend, womit sie ihre mitten in der Pubertät steckende Tochter und ihren immer zu viel arbeitenden Mann in eine tiefe Krise stürzt. Und dabei muss sie auch noch zusehen, denn sie ist nicht in den Himmel gelangt, sondern schwebt über der Welt. Ist das das Fegefeuer? Mitansehen zu müssen, wie sich ihre Familie gegenseitig zerfleischt, weil beide das Gefühl haben, mehr hätten tun zu können? Doch sie besitzt ein wenig Einfluss, wie sie feststellt. Und so beschließt sie, ihrem Mann eine neue Frau zu suchen und die Familie dadurch wieder zu kitten...

MEINE MEINUNG:
Tod, Verlust, Trauer und Vergebung - wichtige Themen, die die Menschen beschäftigen und immer wieder gern in Büchern aufgegriffen werden. Auch Abby Fabiaschi macht sich in "Für immer ist die längste Zeit" daran, diesen emotionalen Regungen nachzugehen. Sie erzählt ihre Geschichte aus drei Perspektiven: Die der toten Maddy, die ihrer Tochter Eve und die ihres Mannes Brady. Insbesondere die ersten beiden sind sich aber extrem ähnlich, was nach einer Pause beim Lesen schnell zur Verwirrung führen kann. Der Schreibstil ist dafür jedoch sehr angenehm und ruhig, durchsetzt von spritzigen Dialogen und schönen Beschreibungen.

Die drei Protagonisten sind einem größtenteils sehr sympathisch und vor allem ihre jeweilige Trauer - individuell ausgelebt - wird sehr realistisch dargestellt. Maddy vermisst ihre Familie, tut aber alles, um diese wieder auf den rechten Weg zu bringen. Eve ist ein zickiger Teenager und muss erst entdecken, was alles in ihr steckt. Und Brady will sich ein neues Ziel setzen, um seine Wutanfälle besser kontrollieren zu können. Besonders letzterer macht eine intensive Wandlung durch, die mir gut gefallen hat. Am spritzigsten und spannendsten ist aber dennoch Rory, die Frau, die Maddy als neue Ehefrau auserkoren hat, und die sich diesem Plan doch irgendwie recht stark widersetzt. Sie ist eine leidenschaftliche, humorvolle Person, die man nur ins Herz schließen kann.

Die ersten 100 Seiten sind beeindruckend sensibel und realistisch geschrieben: Die Hinterbliebenen leben aneinander vorbei, beide mit ihren eigenen Sorgen und Schuldgefühlen beschäftigt, während Maddy im Jenseits (oder kurz davor) alles daran setzt, ihre Familie wieder glücklich zu sehen. Danach tritt das Ganze aber erst einmal auf der Stelle, niemand kommt so recht voran und bis die von Maddy auserkorene Frau mal in das Leben von Kind und Mann tritt, sind etwa 150 Seiten vergangen. Zudem will die Autorin unbedingt bis zum Ende ein Geheimnis aus den Umständen des Todes machen, was seltsam ist, wo doch die Verstorbene selbst aus der Ich-Perspektive erzählt und ganz leicht Licht ins Dunkel bringen könnte. So wirkt das Ende, obwohl es einige tolle Weiterentwicklungen der Figuren gibt, relativ gehetzt und auch nicht ganz nachvollziehbar - insbesondere der Epilog, in dem noch einmal alte Figuren ausgegraben werden. Eine Kürzung im Mittelteil und dafür ein verlängerter Schluss hätten dem Ganzen wahrscheinlich gut getan.

FAZIT:
Abby Fabiaschi geht mit dem Thema Tod und Trauerbewältigung weitestgehend sensibel und realistisch um und die Entwicklung der Figuren ist schön mitanzusehen. Die zweite Hälfte weist aber Längen auf und die Heimlichtuerei um den Tod der Protagonistin ist anstrengend. Da hatte ich mir doch ein durchdachteres Ende erhofft. Letztendlich also gute 3 Punkte.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Für Wonder Woman relativ wenige "Wonder"

Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen
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"Schwester im Kampfe, ich bin dir Schild und Klinge. Solange ich atme, werden deine Feinde keine Zuflucht kennen. Solange ich lebe, ist deine Sache die meine."
Alia presste ihre Hand auf ihr Herz und ...

"Schwester im Kampfe, ich bin dir Schild und Klinge. Solange ich atme, werden deine Feinde keine Zuflucht kennen. Solange ich lebe, ist deine Sache die meine."
Alia presste ihre Hand auf ihr Herz und wiederholte die Worte und während sie es tat, spürte Diana, wie die Kraft des Schwurs sie umhüllte und aneinanderband. Es war ein Schwur, den Diana noch niemit jemandem geteilt hatte, der soe möglicherweise zur Mörderin machte. Aber ihr Blick blieb fest.
"Gut...", sagte Alia und holte zitternd Luft. "Lass uns Jason suchen und dann verdammt noch mal von hier verschwinden."
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INHALT:
Diana, Tochter der Amazone Hippolyta und damit Prinzessin von Themyscira, sehnt sich danach, sich endlich beweisen zu dürfen. Sie hat das Gefühl, nicht auf die Insel, auf der sie aufgewachsen ist, zu gehören, weil sie nicht wie die anderen im Kampf gestorben ist. Als sie von einer Klippe aus beobachtet, wie hinter der Grenze ihrer Lebenswelt ein Schiff untergeht, zögert sie nicht lange und rettet die junge Alia. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Alia ist eine Kriegsbringerin, und hält sie niemand auf, wird sie ungewollt unvorstellbares Leid über die Welt bringen. Diana erkennt ihre Chance und macht sich mit Alia auf die Reise, um sie von ihrem Fluch zu befreien.

MEINE MEINUNG:
Wonder Woman erlebt seit 2016 so etwas wie eine Wiederauferstehung - lange eher verschmäht, hat DC es mit ihr gewagt, endlich einen von einer Frau getragenen Superheldenfilm zu präsentieren, und das hat funktioniert. Allgemein ebbt das Interesse an den Heros nicht ab - kein Wunder also, dass sich vier Bestseller-Autoren zusammen getan haben, um die bekanntesten DC-Helden in Buchform zum Leben zu erwecken. Den Anfang macht also Leigh Bardugo mit "Warbringer" (englischer Titel, der viel besser passt als der deutsche). Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und packend, der Spannungsbogen schwächelt aber in der Mitte und ich hatte meine Probleme, mich mit einer so jungen Diana anzufreunden.

Der Ausgangspunkt ist derselbe wie in den anderen Origin-Stories von Wonder Woman: Mit ihren Amazonen-Schwestern und ihrer Mutter lebt sie auf Themyscira und versucht, sich zu beweisen. Statt Steve Trevor rettet sie aber Alia Keralis vor dem sicheren Tod, was durchaus ein netter Twist ist. Das hat allerdings auch zur Folge, dass Alia selbst in jedem zweiten Kapitel zu Wort kommt und diese Kapitel fand ich doch größtenteils uninteressant - schließlich ging es mir beim Lesen um Diana, um ihre Entwicklung zur späteren Wonder Woman und nicht um dieses andere Mädchen, das über die ersten 200 Seiten so beharrlich darauf besteht, dass die Geschehnisse alle ihrer Einbildung entspringen. Insgesamt sind die Charaktere alle ganz nett, insbesondere Diana ist in vielen Punkten die junge Heldin, die man kennt: Gewissenhaft und gut, ein bisschen unsicher, aber mutig. Mit den Weggefährten Theo, Nim und Jason gibt es dann noch andere Weggefährten, die besonders in Sachen Diversität punkten können - aber sie alle wirken auch wie gerade eben einem Young Adult-Roman entsprungen, was teilweise fehl am Platze scheint.

Keine Frage, unterhaltsam ist das Buch allemal, wozu gerade diese Figuren viel beitragen - die ewigen Streitereien zwischen Nim und Theo etwa. Trotzdem hätte die ganze Geschichte mehr Biss vertragen können. Zwischen den Verfolgungsjagden durch die Gegner und den Kampfszenen gibt es immer wieder lange Passagen, die wie der Roadtrip einer Gruppe Freunde wirkt und in denen Diana nur weniges tut, das wirklich an Wonder Woman erinnert. Der plötzliche Plot-Twist zum Ende hin kam mir dagegen etwas überstürzt und vor allem nicht sonderlich logisch, eher schon sehr schwach erklärt, vor. Immerhin folgt darauf ein Finale, das dem Buchtitel endlich zu Ehre gereicht. Der Schluss ist bewusst ein wenig offen, sodass ein zweiter Teil mir wahrscheinlich erscheint. Sofern dieser dann mehr auf das Heldentum setzt und weniger auf jugendliches Geplänkel, könnte eine Besserung stattfinden.

FAZIT:
Die Charaktere in Leigh Bardugos "Wonder Woman: Kriegerin der Amazonen" sind sehr jung, was man der Geschichte auch anmerkt: Zwischenzeitlich geht das Ganze des Öfteren eher in Richtung Young Adult, als beim Superheldengenre zu bleiben. Von Wonder Woman ist auch eher weniger zu sehen, aber immerhin unterhalten die Geschehnisse zumeist ganz gut. Eher etwas für Leser, die sich mit Helden und DC noch nicht großartig auskennen. 3 Punkte.

Veröffentlicht am 13.02.2018

Verworren und sehr besonders

Die Knochenuhren
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Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass Elijah d'Arnoq tatsächlich überlaufen will, auf fünf Prozent ein, aber Esther Little hat es gesehen, und wenn ich sie richtig verstanden habe, soll ich d'Arnoq ...

Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass Elijah d'Arnoq tatsächlich überlaufen will, auf fünf Prozent ein, aber Esther Little hat es gesehen, und wenn ich sie richtig verstanden habe, soll ich d'Arnoq als Verbündeten betrachten oder wenigstens so tun, als glaubte ich ihm. "Ich bin ganz Ohr."
"Nein. Wir müssen uns unter vier Augen unterhalten, Marinus."
Runter auf ein Prozent. Er will mich zu irgendeinem Treffpunkt locken, und dort schnappt die Falle zu. "Was schlagen Sie vor?"
Der Waschbär zeigt mir sein Gesicht mit der schwarzen Zorro-Maske.
"Kommen Sie mir nicht auf die Tiefenstrom-Tour. Ich sitze in Ihrem Wagen in der Auffahrt. Mir frieren gleich die Eier ab. Machen Sie schon mal ein Feuer im Kamin."
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INHALT:
Holly Sykes ist erst 16 Jahre alt, als sie unwissentlich in einen bereits Jahrhunderte andauernden Kampf zwischen Gut und Böse hinein gezogen wird. Eine lange Zeit, Jahrzehnte gar, bemerkt sie davon selbst nur wenig - abgesehen von einigen Vorahnungen und Visionen, die sie manchmal überfallen und die sie gern abstellen würde, und abgesehen von seltsamen Begegnungen, die sie sich lange nicht erklären kann. Doch im Hintergrund lauert nach wie vor die Gefahr. Und Holly, Spielball dieser grundverschiedenen Mächte, wird die Geheimwaffe sein, um den Sieg der Gegner zu verhindern...

MEINE MEINUNG:
David Mitchell ist wohl am Bekanntesten für seinen "Wolkenatlas" aus dem Jahre 2004, der prominent besetzt verfilmt wurde. Weder habe ich das Buch gelesen noch den Film gesehen, der Autor und seine epischen Ideen sind also Neuland für mich. Erst einmal klingt sein neuester Roman, "Die Knochenuhren", auch ähnlich wie sein Bestseller von vor 10 Jahren: In beiden wird aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Jahrzehnten, teilweise Jahrhunderten, eine letztendlich zusammen hängende Geschichte erzählt. Da endet jedoch die Gemeinsamkeit. Auf diese Art des Erzählens, bei der die eigentliche Protagonistin selbst nur 300 der 800 Seiten zu Wort kommt, muss man sich erst einmal einlassen - aber es lohnt sich. Nicht nur für den wunderbar bildlichen und besonders in den Dialogen starken Stil, sondern auch für das große Ganze, das am Ende steht.

Eigentlich bin ich kein großer Fan vieler verschiedener Perspektiven und auch hier hatte ich teilweise das Gefühl, dass sich der Autor etwas übernommen hat. Denn neben der starken, dickköpfigen Holly gibt es noch den arroganten, diebischen Studenten Hugo Lamb, den Kriegsjournalist Ed Brubeck, den ehemaligen Bestseller-Autor Crispin Hershey und zuletzt ein Mitglied der sogenannten Horologen, der Guten in dem allumfassenden Krieg. Das wirkt erst einmal ziemlich viel und bei den vielen unterschiedlichen behandelten Themen - Hersheys Teil etwa ist ein so wunderbar bitterböser Blick auf die Literaturszene, dass ich mir ein eigenes Buch darüber gewünscht hätte - geht zwischendurch ein bisschen der rote Faden verloren.

Mir hätte das Gesamtwerk wahrscheinlich noch besser gefallen, hätte Mitchell sich auf eines oder zwei seiner Themen konzentriert, und mehrere Bücher aus den übrigen gemacht. Zwar geht das Ganze so in die Tiefe, aber es will auch einfach so vieles: die Gesellschaft und ihre Gier kritisieren, auf unser Konsumverhalten und die Umweltverschmutzung aufmerksam machen, den altbekannten Kampf um Herrschaft thematisieren und dabei noch eine phantastische Geschichte erzählen. Die Fantasy-Aspekte werden gekonnt immer wieder eingebaut und letztendlich trägt jeder Teil etwas Entscheidendes bei, aber trotzdem ist das Buch für den Inhalt doch ziemlich ausführlich geraten. Davon abgesehen aber fasziniert diese geschaffene Welt ungemein, die wir bis zum Jahr 2043 begleiten und deren Veränderungen wir so hautnah miterleben können. Das Ende ist großartig und lässt zufrieden, aber auch ein wenig wehmütig zurück. Ein Gefühl der Verbundenheit bleibt nach so vielen Jahren, über die man die Figuren begleitet hat, wohl einfach nicht aus.

FAZIT:
"Die Knochenuhren" ist ein sehr besonderer Roman, der sicherlich nicht jedem gefallen wird. Dass so viele unterschiedliche Charaktere zu Wort kommen und diese trotzdem alle perfekt ausgearbeitet sind, ist faszinierend - gleichzeitig hatte ich persönlich das Gefühl, dass auf diese Weise die eigentliche Geschichte zwischendurch zu kurz kommt. Der Ideenreichtum macht dies aber zum Glück in vielen Fällen wieder wett. 4 Punkte!

Veröffentlicht am 13.02.2018

So soll Dark Fantasy sein

Wächter und Wölfe - Das Ende des Friedens
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Liris ist tot, und die Gesegnete ist bei dem Leichnam. Die Adlerhöhe hat keinen König mehr. Die Adlerhöhe ist verwundbar.
"Gosfath, Gott des Blutes, Dunkle Dame des Todes, ich danke Euch", flüsterte Corvus. ...

Liris ist tot, und die Gesegnete ist bei dem Leichnam. Die Adlerhöhe hat keinen König mehr. Die Adlerhöhe ist verwundbar.
"Gosfath, Gott des Blutes, Dunkle Dame des Todes, ich danke Euch", flüsterte Corvus. "Ich schwöre, mich dieser Gelegenheit, die Ihr mir geboten habt, würdig zu erweisen. Alles, was ich tue, tue ich zu Euren Ehren." Einer der Häuptlinge drehte sich beim Klang seiner Stimme um, und sein Mund stand vor Staunen weit offen.
"Meine Füße sind auf dem Pfad", vollendete Corvus das Gebet. Er machte drei Schritte vorwärts, hob sein Schwert und begann zu töten. Der König war tot. Lang lebe der König.
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INHALT:
Der rilporischen Sklavin Rillirin gelingt nach Jahren der Gefangenschaft überraschend die Flucht vor den grausamen Mirak - doch ihre Überlebenschancen stehen denkbar schlecht. Der Seher Dom allerdings eine eine Prophezeiung, die ihre Wichtigkeit herausstelt, und rettet sie in letzter Sekunde vor ihren Verfolgern. Zum Glück, denn Rillirin hat so bedeutende wie erschreckende Informationen: Die Mirak planen einen Krieg und sie werden schon bald in die Städte Rilpors einmarschieren, um ihre verehrten Roten Götter - blutrünstige, folternde Herrscher - zurück in die Welt der Menschen zu holen. Und sollte ihnen das gelingen, würde die Erde in Blut versinken...

MEINE MEINUNG:
Anna Stephens' Debüt ist eindeutig der Dark Fantasy zuzuordnen und macht diesem Subgenre alle Ehre: Die Welt in "Wächter und Wölfe" ist unbarmherzig, blutig und brutal, auf schwache Gemüter könnten die ausführlichen Kriegsszenen abschreckend wirken. Gerade diese sind aber hier absolut realistisch - nichts mit kuscheligen Kämpfen und ein paar Toten. Etwas anstrengend sind die vielen Perspektiven, von denen es die Hälfte (und damit immer noch fünf) ebenfalls getan hätten. So kommen immer wieder eher uninteressantere Figuren zu Wort, und auch wenn die Kapitel meist kurz sind, nimmt einem das zwischenzeitlich den Lesespaß.

Am besten ausgearbeitet sind definitiv die Sklavin Rillirin, der Seher Dom, der Soldat Crys und die Wölfin Gilda und damit sind ihre Kapitel auch die spannendsten - sie alle beweisen auf unterschiedlichste Weise Stärke. Rillirin etwa, indem sie sich von der ängstlichen ehemaligen Gefangenen zur tatkräftigen Helferin verändert, oder Gilda, die in ihrer Güte und ihrem Glauben nie am Guten im Menschen zweifelt. Die Autorin konzentriert sich also intensiv auf das Innenleben der Figuren, was ein positiver Aspekt ist - vergisst aber dafür ungewöhnlicherweise komplett die Äußerlichkeiten. Es ist kaum möglich, sich eine Vorstellung von den Charakteren zu machen, weil man einfach so gut wie nichts über ihr Aussehen erfährt.

Ein ähnliches Problem hat auch das Worldbuilding, das man zwar bald besser kennen lernt und in den Grundzügen stimmig ist, ansonsten aber wenig ausgestaltet wird. Städte, Dörfer, das alles bleibt blass, was enttäuscht. Dafür gibt es viele andere Momente, in denen die Autorin ihre Stärken präsentiert: Den wuchtigen Kampfszenen etwa. Die ersten 170 Seiten plätschern noch etwas dahin, aber nach einem sehr überraschenden Plot Twist gibt es kein Halten mehr und vor allem keine einzige ruhige Minute - sowohl für die Protagonisten als auch den Leser. Es geht Schlag auf Schlag, eine Schlacht folgt auf die nächste und die Gegner scheinen immer einen Schritt voraus zu sein. Es ist eigentlich unmöglich, das Buch am Ende zuzuklappen und nicht direkt wissen zu wollen, wie es weitergeht. Band 2, der im Original noch 2018 erscheinen soll, wird bei der ausweglos erscheinenden Situation sicherlich einiges zu bieten haben - ich jedenfalls freue mich drauf.

FAZIT:
Wer harten Kämpfen und einem düsteren Weltentwurf eher weniger abgewinnen kann, wird mit Anna Stephens' Auftakt der "Wächter und Wölfe"-Trilogie nicht glücklich werden. Fans des Genres, die auf der Suche nach etwas Neuem sind, dürften aber wie ich begeistert sein von der vielen Action und dem hohen Spannungslevel. Teilweise bleiben die Figuren noch ein wenig blass und vor allem sind es ein paar zu viele, das trübt aber nicht meine Vorfreude auf Band 2. Knappe 4 Punkte!