Profilbild von Kittyzer

Kittyzer

Lesejury Profi
offline

Kittyzer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kittyzer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2017

Niedlich, aber auch überdramatisch

Weihnachten in Briar Creek
0

[Sie] eilte [...] die Main Street hinauf zu ihrer Bäckerei und suchte im Vorübergehen die Straßen und Schaufenster nach dem Mann ab, der vorhin in sie hereingerasselt war. Der Zusammenstoß hatte sie dermaßen ...

[Sie] eilte [...] die Main Street hinauf zu ihrer Bäckerei und suchte im Vorübergehen die Straßen und Schaufenster nach dem Mann ab, der vorhin in sie hereingerasselt war. Der Zusammenstoß hatte sie dermaßen überrascht und verärgert, dass alles nur so an ihr vorbeirauschte, aber jetzt glaubte sie sich an sein breites Lächeln zu erinnern, die Lachfältchen um seine haselnussbraunen Augen, an das markante Kinn und die schöne, gerade Nase.
Sie hätte ihn jederzeit wiedererkannt, und plötzlich hoffte sie, dass sie ihm wirklich noch einmal begegnen würde. Um sich zu entschuldigen...und vielleicht auch, um herauszufinden, ob er über Weihnachten in der Stadt blieb.
--

INHALT:
Es ist Winter in Briar Creek und damit hält auch der Weihnachtszauber Einzug. Die junge Kara hat vor wenigen Monaten ihre eigene Bäckerei eröffnet, und auch wenn sie diese Jahreszeit liebt, hat sie aufgrund der vielen Arbeit doch kaum Zeit, um sie wirklich zu genießen. Ganz anders ergeht es Nate, der für zwei Wochen seine Tante besucht: Er hat frei, für Weihnachten aber so gar nichts übrig und würde dem Trubel am liebsten aus dem Weg gehen. So gegensätzlich wie die beiden sind, sprühen doch schon bei der ersten Begegnung die Funken zwischen ihnen. Ob Weihnachtsbäckerin und Weihnachtsmuffel einen Weg zueinander finden werden?

MEINE MEINUNG:
In der Weihnachtszeit überkommt es auch mich: Da habe ich mal Lust auf eine locker-leichte Liebesgeschichte, die so richtig in winterlich-festliche Stimmung versetzt. "Weihnachten in Briar Creek" ist der letzte Band einer fünfteiligen Reihe und verspricht genau das. Ich bin komplett ohne Vorkenntnisse an den Roman herangegangen, was aber kein Problem ist, weil jeder davon von zwei anderen Protagonisten handelt. Erzählt wird das Ganze abwechselnd aus den Perspektiven der Turteltauben, der Schreibstil ist besonders in den Beschreibungen der Winterlandschaft zauberhaft - aber mehrmalige Wiederholungen einzelner Gegebenheiten sowie Unstimmigkeiten in den Beschreibungen (da ist der Teint erst blass, später dunkel) stören den Lesefluss.

Dafür hat die Autorin mit Kara aber eine wunderbar sympathische und liebenswerte Protagonistin geschaffen, die nach einer Vergangenheit als Wirbelwind, der nicht wusste, was das Leben bringen soll, zu sich selbst gefunden hat. Sie verfolgt ihren Traum von der eigenen Bäckerei eisern, wird aber selbstverständlich auch von Zweifeln geplagt. Nate ist schon eher von sich überzeugt, denn als erfolgreicher Geschäftsmann meint er, alles im Leben erreicht zu haben. Dass dem eventuell nicht so ist, stellt er erst in Briar Creek fest. Er ist ein netter Kerl, zieht aber oft voreilige Schlüsse und sein Weihnachts-"Trauma" fand ich recht weit hergeholt. Für die amüsantesten Momente sorgen definitiv die unterschiedlichen Stadtbewohner, die zum großen Teil natürlich einem gewissen Klischee entsprechen (die quirlige Schwester, die kuppelnde Tante, etc), aber auch immer wieder für Frische sorgen.

Dieser Roman ist eine Weihnachts-Romanze, damit habe ich gerechnet, und daher war ich positiv überrascht, wie viel Zeit sich mit der Liebesgeschichte gelassen wird - so können sich die Gefühle langsam entwickeln, Leser mit beiden Figuren warm werden und nichts wirkt überhastet. Gleichzeitig wird aber auch der "Konflikt" (dass Nate eigentlich in Boston lebt) arg ausgewalzt, was zu Wiederholungen und Längen führt. Zudem werden sehr unpassend noch kleinere Sequenzen aus der Perspektive von Karas Schwester eingestreut, die so gar keinen Mehrwert für die eigentliche Geschichte haben und dann am Schluss plötzlich ganz einfach fallen gelassen werden. Sowieso ist die Auflösung des ganzen Liebesdramas viel zu knapp und kommt sehr überraschend, ohne den Weg dorthin wirklich auszugestalten, was ein wenig enttäuscht. Nach Schnee sehnt man sich nach dem unvermeidlichen wie schönen Happy End aber trotzdem irgendwie.

FAZIT:
"Weihnachten in Briar Creek" ist, das sagen Titel und Cover schon ganz deutlich, eine winterliche Romanze mit einer Prise Kitsch und ganz viel Zärtlichkeit. Tatsächlich entwickelt sich die Liebesgeschichte angenehm langsam und bleibt so glaubwürdig - die Dramen waren mir dann aber doch ein wenig zu viel und das Ende wurde mir viel zu kurz abgehandelt. Insgesamt knappe 3,5 Punkte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Setting
  • Figuren
  • Gefühl
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 14.11.2017

Zum Schluss enttäuschend

Und wenn die Welt verbrennt
0

Er ordnet die Kreide vor sich neu und schiebt einige Farben ein Stück nach vorne. Sind das meine Farben? Die Aufregung sammelt sich in meinem Magen, und ich wünsche mir ein Stück Plopp-Folie, um mich beim ...

Er ordnet die Kreide vor sich neu und schiebt einige Farben ein Stück nach vorne. Sind das meine Farben? Die Aufregung sammelt sich in meinem Magen, und ich wünsche mir ein Stück Plopp-Folie, um mich beim Zerdrücken der Blasen zu beruhigen.
Dann schaut er auf, und er sieht nicht mein Gesicht an, sondern mich.
Das Gefühl ist sofort da: Wie ein Gummiband um meine Brust, das sich spannt, je länger er den Blick hält. Ich schaue zurück, solange ich kann, dann blicke ich weg.
"Das war schon richtig", sagt er. "Schau einfach zu mir."
Also sehe ich wieder zu den blauen Augen.
--

INHALT:
Auf der Flucht vor den Schrecken ihrer Vergangenheit ist Alisa in München gelandet, aber wirklich eingelebt hat sie sich nicht - was vor allem daran liegt, dass sie anderen Menschen nach Möglichkeit aus dem Weg geht. Bis sie auf Felix trifft, der mit Kreide Bilder auf dem Asphalt entstehen lässt. Schnell finden sie eine Verbindung zueinander, denn sie beide haben das Gefühl, endlich einmal wirklich gesehen zu werden. Doch es dauert nicht lange und Alisa wird von ihren vergangenen Handlungen und ihren Schuldgefühlen eingeholt. In dem Versuch, Felix vor der Wahrheit zu bewahren, macht sie alles nur noch schlimmer...

MEINE MEINUNG:
Auch wenn mich Ulla Scheler mit ihrem Debüt Anfang des Jahres (bzw. hauptsächlich mit dessen Ende) nicht vollends überzeugen konnte, ist mir ihr beeindruckend wortgewandter Schreibstil in Erinnerung geblieben. "Und wenn die Welt verbrennt" beeindruckt mit einer ebenso lebendigen Sprache, die inbesondere in den Szenen, die sich um Kunst drehen, wunderbar zur Geltung kommt. Die beiden Protagonisten erzählen abwechselnd aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen, wobei Felix' Kapitel im Präteritum und Alisas im Präsens verfasst sind, was sich mir leider nicht ganz erschlossen hat. Sie spricht auch immer wieder eine Person, "Kleiner Käfer", mit Du an, was was zwar im Prinzip Sinn ergibt, aber meistens wie ein überflüssiges Stilmittel wirkt.

Wie so oft in Büchern wie diesem hat einer der Hauptcharaktere ein schwerwiegendes Geheimnis - in diesem Falle ist das Alisa. Aus Angst davor, dass ihre Vergangenheit ans Licht kommen könnte, hält sie sich so gut es geht von anderen Menschen fern und stößt diese im Extremfall auch von sich. Sie lernt im Laufe der Handlung, langsam wieder mehr Vertrauen zu fassen, aber ihre ewige Geheimniskrämerei, die sich noch bis kurz zu Schluss zieht, ging mir irgendwann auf die Nerven. Felix ist das genaue Gegenteil von Alisa: Er hat keine Schwierigkeiten, sich an andere Menschen zu binden, und so ist er größtenteils die treibende Kraft hinter der Beziehung. Allerdings ist er sehr schnell eingeschnappt und eifersüchtig, und er trifft besonders auf den letzten 100 Seiten so einige Entscheidungen, die nicht nachzuvollziehen sind. Seine beste Freundin Olli und "Kleiner Käfer" sind die wohl interessantesten Figuren, gehen aber in der Dramatik der Protagonisten einfach zu oft unter.

Sieht man von den Schwächen der Figuren ab, werden die Sorgen beider Protagonisten durchaus gut beleuchtet - insbesondere Felix' Angst, einfach nicht gut genug im Zeichnen zu sein und niemals gegen seinen erfolgreichen Bruder anzukommen, weswegen er sich immer wieder in Zweifel flüchtet. Ebenso dreht sich vieles um häusliche Gewalt und Verlust, Themen, die größtenteils sensibel angesprochen werden. Stück für Stück wird Alisas Vergangenheit offenbart, wodurch sich eine gewisse Spannung hält - aber da man sich irgendwann das Puzzle selbst zusammen setzen kann, hätten die Details auch früher offenbart werden können. Vor allem aber hatte ich meine Schwierigkeiten damit, Alisas frühere Taten und Erlebnisse einfach so hinzunehmen, ohne mir über das moralische Dilemma Gedanken zu machen - was Felix ganz eindeutig nicht tut. Das Ende wirkt sehr gehetzt, ohne rechten Abschluss, was sich erklärt, wenn man in der Danksagung liest, welche Schwierigkeiten die Autorin mit dem Buch hatte. Am Schluss fehlt die erforderliche Auseinandersetzung mit einer Straftat, die eigentlich die gesamte Handlung prägt; stattdessen wird das Problem einfach übergangen - und das ist weder wirklich realistisch noch sinnvoll.

FAZIT:
Ulla Scheler hat einen wunderbaren Schreibstil, der mich immer wieder beeindruckt - aber ihren Geschichten fehlte es für mich bisher jedes Mal an einem guten Ende, das offensichtliche Probleme nicht einfach als gegeben hinstellt. "Und wenn die Welt verbrennt" spricht wichtige Themen an, setzt diese aber nicht konsequent genug um. 3 Punkte.

Veröffentlicht am 08.11.2017

Komplex und stark erzählt

Das Lied der Krähen
0

"Wir kommen von Norden, wie geplant", sagte Kaz.
Jesper ließ den Kopf gegen den Schiffsrumpf sinken und sah zum Himmel. "Fein. Aber wenn Pekka Rollins uns alle umbringt, dann werde ich Wylans Geist dazu ...

"Wir kommen von Norden, wie geplant", sagte Kaz.
Jesper ließ den Kopf gegen den Schiffsrumpf sinken und sah zum Himmel. "Fein. Aber wenn Pekka Rollins uns alle umbringt, dann werde ich Wylans Geist dazu bringen, meinem Geist beizubringen, wie man Flöte spielt, nur damit ich euren Geistern so richtig auf den Geist gehen kann."
Brekkers Lippen zuckten. "Dann heuere ich Matthias' Geist an, um deinem Geist in den Arsch zu treten."
"Mein Geist wird keinen Umgang mit deinem Geist haben", antwortete Matthias steif, und dann fragte er sich, ob die Seeluft sein Hirn langsam auflöste.
--

INHALT:
Ketterdam ist nicht nur eine lebendige Hafenstadt voller Touristen und Kaufmänner, sie ist auch Brutstätte für allerlei zwielichtige Personen, die vor allem darauf aus sind, anderen ihr Geld abzuknöpfen. Kaz Brekker gehört zu eben diesen zwielichtigen Personen und ist der Anführer der Bande der Dregs, die sich mit ihrer Gewieftheit bereits einen Namen gemacht hat. Als er eines Tages einen überaus lukrativen, aber auch eigentlich unmöglichen Auftrag erhält, ist sein Ehrgeiz geweckt. Gemeinsam mit fünf sehr unterschiedlichen Helfern entwirft er einen Plan, um in das am Besten bewachte Gefängnis überhaupt einzubrechen. Sie alle verfolgen ihre ganz eigenen Ziele, müssen aber trotzdem zusammen halten, wollen sie überleben. Das allerdings ist deutlich leichter gesagt als getan...

MEINE MEINUNG:
Ich bin nicht die Erste, aber ganz sicher auch nicht die Letzte, die sich ein eigenes Bild machen musste vom "Lied der Krähen", das in die Buchwelt eingeschlagen hat wie selten ein Fantasy-Roman zuvor. Die "Grischa"-Reihe von Leigh Bardugo, die im selben Universum spielt, habe ich nicht gelesen, aber zum Glück kann die "Glory or Grave"-Dilogie auch ohne Vorwissen richtig Spaß machen. Erzählt wird sie aus insgesamt fünf Perspektiven, wobei Bandenführer Kaz jedoch am Häufigsten zu Wort kommt. Diese Art der Erzählung hätte bei anderen schnell verwirrend sein können, die Autorin meistert sie aber beeindruckend gut. Der Schreibstil ist wunderbar bildlich, voller Gerüche und Geschmäcker und Gefühle, was dazu beiträgt, dass einen die Atmosphäre schnell gefangen nimmt. Am meisten überzeugen können aber die sehr glaubwürdigen, mal schlagfertig-witzigen, mal gefühlvollen, mal von Zorn getriebenen Dialoge, die einen die Charaktere auch außerhalb ihrer eigenen Perspektiven gut kennen lernen lassen.

Nachdem in letzter Zeit in Fantasy-Romanen aufopferungsvolle, immerzu verliebte und damit sehr langweilige Figuren auf dem Vormarsch zu sein scheinen, sind die verschiedenen, oft ambivalenten Figuren hier eine echte Erfrischung. Es gelingt das Kunsstück, dass man die Charaktere im einen Moment nicht leiden kann, nur um sie kurz darauf zu lieben, weil sie so menschlich sind: Der egoistische, gefährlich lebende Kaz Brekker, der ein altes Trauma mit sich herumschleppt; der spielsüchtige Adrenalinjunkie Jesper; die unglaublich leise und doch so starke Inej; der auf Rache sinnende Hexenjäger Matthias; und die magisch begabte, von Schuldgefühlen geplagte Nina. Der sechste Hauptcharakter, Bombenbauer und Kaufmannssohn Wylan, kommt nicht selbst zu Wort, aber durch die Augen der anderen hat man nichtsdestotrotz das Gefühl, ihn zu kennen. Diese unterschiedlichen Protagonisten mit ihren Geheimnissen und dunklen Vergangenheiten sind das, was das Buch so besonders macht, auch wenn für Nebenfiguren dann schon fast kein Platz mehr ist. Einzig und allein gestört hat mich, dass alle Personen so unfassbar jung sind, was ihren vielen Taten und Errungenschaften manchmal die Glaubwürdigkeit nimmt.

Anfangs brauchte das Buch für mich einige Zeit, um seine volle Wirkung zu entfalten - Ketterdam ist düster und dreckig und sehr komplex, und nicht nur muss man sich in dieser Stadt zurechtfinden, sondern auch mit den Gegebenheiten. Das bessert sich aber irgendwann und spätestens, wenn man die Figuren zu verstehen beginnt und sich an sie bindet - ob man will oder nicht -, kommt man kaum noch zur Ruhe. Trotz vieler Rückblicke wird es nie langweilig, denn gerade durch das Verständnis für Motive und Hintergründe kann man auch jeweilige Entscheidungen besser nachvollziehen. Richtig großartig wird es dann aber auf den letzten 200 Seiten, als der Coup, den die Sechs durchführen wollen, in vollem Gange ist und es nicht nur zu so einigen brenzligen Situationen kommt, sondern auch zu großen Überraschungen, die atemlos zurücklassen. Dabei hofft und bangt man gemeinsam mit den Figuren, nicht nur wenn es ums Überleben geht, sondern auch im Bezug auf die ein oder anderen tieferen Gefühle. Es gibt langsam schwelende und dennoch sehr intensive Romantik, die sich nie in den Vordergrund drängt und gerade deswegen so überzeugend ist. Der Schluss ist actionreich, unerwartet und lässt einem mit dem Gefühl zurück, dass Band 2 noch viel epischer wird - und wenn man den Kritiken glauben darf, trügt dieser Eindruck nicht.

FAZIT:
Epische Fantasy mit durchdachten Figuren, die einem trotz - oder gerade wegen - ihrer Ecken und Kanten ans Herz wachen, das ist "Das Lied der Krähen". Die ideenreiche Geschichte mit viel Action brauchte bei mir etwas Anlaufzeit, konnte mich dann aber überzeugen. Band 2, "Crooked Kingdom" gibt es im Original bereits - und wird hoffentlich auch bald übersetzt. Sehr gute 4 Punkte.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Eher Liebesgeschichte als High Fantasy-Roman

Bird and Sword
0

Corvyn kniete neben mir nieder und stöhnte entsetzt auf. Ich hob meinen Kopf von Larks Ohr und schaute ihm in die grauen Augen, in denen Tränen der Angst standen. Ich musste ihm Stärke geben und dafür ...

Corvyn kniete neben mir nieder und stöhnte entsetzt auf. Ich hob meinen Kopf von Larks Ohr und schaute ihm in die grauen Augen, in denen Tränen der Angst standen. Ich musste ihm Stärke geben und dafür sorgen, dass er glaubte, und sei es nur, damit er selbst überlebte. Ich konzentrierte mich auf das, was gesagt werden musste. Die Macht meiner Worte ergoss sich auf die Pflastersteine. "Verbirg ihre Worte, Corvyn. Denn wenn sie stirbt ... wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann wird dir dasselbe Schicksal blühen."
Seine Augen weiteten sich vor Schreck, als sich meine schlossen und die Worte und die Welt um mich herum verstummten.
--

INHALT:
Seit dem Tod ihrer Mutter ist die junge Lark nicht mehr in der Lage, zu sprechen oder ihre Magie zu wirken. Das ist auch besser so in einem Land, in dem Magische bestraft werden. So wächst Lark bei ihrem lieblosen Vater auf und fühlt sich wie in einem goldenen Käfig. Im Hintergrund tobt ein Krieg, doch davon bekommt sie kaum etwa mit - bis sie eines Tages Besuch von König Tiras erhalten, der Lark in Geiselhaft nimmt, um ihren Vater an dessen Kriegspflichten zu erinnern. Die dickköpfige Lark und der geheimnisvolle Tiras kommen anfangs nicht gut miteinander aus, doch bald finden sie Gemeinsamkeiten, entwickeln sogar Zuneigung füreinander. Als der Krieg sich ausweitet und Lark ihre Gabe neu entdeckt, scheint es, als wären sie gemeinsam die Einzigen, die die Gefahr aufhalten können.

MEINE MEINUNG:
Amy Harmon ist eigentlich eher für ihre - durchaus in die Tiefe gehenden - Liebesromane bekannt, wagt sich mit "Bird & Sword" aber nun ins Genre der Fantasy vor. Man bemerkt jedoch sehr schnell, dass sie zwar interessante phantastische Ideen hatte, das Hauptaugenmerk aber entschieden auf die Romantik gelegt hat. Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Lark, die über einen Großteil des Buches hinweg nur ohne (gesprochene) Worte mit anderen Charakteren kommunizieren kann, was sehr interessant zu lesen ist.

Lark ist anfangs eine sehr starke Protagonistin, die sich trotz ihrer Stummheit zu helfen weiß, die sich nichts sagen lässt und vor Wissensdurst nur so strotzt. Letzteres ändert sich nicht, ihre Neugier behält sie bei, doch in Anwesenheit von Tiras verwandelt sich sich im Laufe der Handlung immer wieder in ein nichtsnutziges Prinzesschen. Dass ihr Traumprinz ihr mehrmals mitteilt, dass sie ihm "von Nutzen" ist und lernen soll, "ihm zu Gefallen zu sein", stört sie zwar, aber anstatt sich ihm entgegen zu stellen, lässt sie so mit sich umgehen. Tiras hat mir das auch nicht unbedingt sympathisch gemacht - auf den letzten 100 Seiten macht er zwar eine positive Entwicklung durch, sein sexistisches Macho-Gehabe fand ich aber dennoch so gar nicht attraktiv. Der misstrauische und sich selbst verleugnende Kjell und der liebevolle Troll Boojohni sind eindeutig die interessantesten Figuren, erhalten aber viel zu wenig Aufmerksamkeit. Andere Charaktere, insbesondere Frauen, sind ansonsten, wie so oft, leider nur Beiwerk, maximal Konkurrentinnen, damit auch ja niemand Lark das Rampenlicht stiehlt.

Leider hat "Bird & Sword" genau das Problem, was auch viele andere High Fantasy-Romane in letzter Zeit haben: Es ist einfach keine wirkliche High Fantasy, sondern mehr ein schwaches Gerüst, das um die Liebesgeschichte herum gebaut wurde. Informationen zum Königreich gibt es so gut wie gar keine, weil sich Lark zuerst die ganze Zeit bei ihrem Vater und dann in Tiras' Schloss aufhält. Irgendwo herrscht Krieg, aber die Kampfszenen, die wir miterleben dürfen, werden sehr schnell abgehandelt, damit sich der König - der enorm viel Zeit hat - wieder Lark widmen kann, um ihr beispielsweise Lesen beizubringen. Larks Entwicklung ist spannend und ihre Gabe durchaus faszinierend, allerdings wird nicht erklärt, warum sie so anders ist als die anderen magischen Fähigkeiten der Bevölkerung. Am Schlimmsten sind aber die Logikfehler, die so einfach hätten vermieden werden können: Etwa ein Mordanschlag auf den König, der nie aufgeklärt wird, oder dass sich eine Gegenspielerin mit dem großen Antagonisten verbünden konnte, obwohl niemand wusste, wer er ist. Einem Lektorat hätten all diese kleinen Schnitzer eigentlich auffallen müssen. Der Showdown wird erneut nur sehr kurz behandelt, der große Bösewicht auf wenigen Seiten getötet und danach ist alles gut - bei der Ausgangssituation hätte man mehr erwarten können.

FAZIT:
Amy Harmon kann schreiben, das beweist sie auch hier - nur reicht das betriebene Worldbuilding bei langem nicht aus, um glaubwürdige High Fantasy zu verfassen. Viele Figuren bleiben blass, es gibt so einige Logiklücken, die immer wieder den Lesefluss stören, und es wird deutlich mehr Wert auf Romantik als die eigentliche Geschichte gelegt. Enttäuschend. Schwache 3 Punkte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Fantasie
  • Gefühl
Veröffentlicht am 24.10.2017

Fantasievoll, aber auch düster und bedrückend

Fuchsnacht
0

Peter Pan nimmt meine Hand und führt mich fort ind das Land, in dem Träume blühen und in dem niemand jemals erwachsen werden muss. Ich sehe die wiegenden Kronen der Bäume unter mir hinweg ziehen, als wäre ...

Peter Pan nimmt meine Hand und führt mich fort ind das Land, in dem Träume blühen und in dem niemand jemals erwachsen werden muss. Ich sehe die wiegenden Kronen der Bäume unter mir hinweg ziehen, als wäre ich ein Adler, der seine weiten Schwingen ausbreitet. Endlich legt sich die Nacht wie eine Decke über mich und wickelt mich in einen Kokon.
Zum ersten Mal in meinem Leben lauern in der rabenschwarzen Nacht weder Schnäbel noch Krallen, die sich in mein Fleisch bohren. Samtweich treibe ich im Nichts. Jeder Funke Erwartung und Druck fällt von mir ab, meine Knochen lösen sich auf, mein Körper zerfließt in tausend Staubkörner. Nichts spielt mehr eine Rolle - friedvolle Gleichtgültigkeit hält in mir Einzug.
Sterben ist zu leicht. Es ist das Leben, das unendlich viel wiegt.
--

INHALT:
Emil ist ein schmächtiger Teenager von 15 Jahren ohne Freunde und mit einem psychisch kranken Vater, um den er sich kümmern muss. Als wäre das nicht schon schlimm genug, versuchen sich auch noch sein Onkel und seine Tante in sein Leben einzumischen. Eines Tages hält er es nicht mehr aus und beschließt, wegzulaufen und seine Mutter zu suchen, die die Familie vor vielen Jahren im Stich gelassen hat. Doch in einer U-Bahn-Unterführung kommt es zu einem tragischen Unfall, und Emil stirbt. Nicht für lange allerdings - denn er erwacht als Fuchsdoppel: Bei Nacht ist er Mensch, tagsüber ein Fuchs. Mit dieser neuen Realität muss er sich erst einmal abfinden. Neue Freunde, ebenfalls Fuchsdoppel, helfen ihm dabei. Aber als einer von ihnen verschwindet, wird deutlich, dass im Dunkeln eine unbekannte Bedrohung lauert...

MEINE MEINUNG:
In Julia Mayers erstem Buch rund um die Tierdoppel, damals noch bei Amazons CreateSpace erschienen, ging es um Rehe. "Fuchsnacht" hat nun ein Zuhause im Drachenmond-Verlag gefunden, und dieses Zuhause kann sich sehen lassen. Dieser Band rund um die Fuchsdoppel kann komplett unabhängig gelesen werden, trotzdem würde ich jedem auch die berührende Geschichte aus "Rehruf" ans Herz legen. Deutlich wird jedoch von Anfang an, dass sich der Schreibstil der Autorin seit 2015 weiter entwickelt hat - die Formulierungen sind noch etwas sauberer geworden und die Dialoge glaubwürdiger. Die Beschreibungen und Geschehnisse sind oftmals so traurig und bedrückend wie im Vorgänger, aber es gibt auch lichte Momente.

Emil ist als männlicher Protagonist ein ungewöhnlich schwacher Charakter. Er ist noch sehr jung, was man ihm auch anmerkt, und er hat es nicht leicht mit seinem psychisch kranken Vater und dem gewalttätigen Onkel. Seine Unsicherheiten sind daher durchaus nachzuvollziehen. Allerdings hat er mir trotzdem zu viel geweint - selbst nachdem er seine Stärke gefunden und angefangen hat, für sich zu kämpfen, bricht er extrem oft in Tränen aus. Dafür konnten mich die anderen drei Fuchsdoppel, mit denen er sich anfreundet, sehr begeistern: Timon ist anfangs nicht begeistert davon, einen Frischling durchzufüttern, zeigt aber bald seine weiche Seite. Kara ist wunderbar liebevoll und eine echte Sympathieträgerin. Biggers bleibt zwar blass, weil er so schweigsam ist, aber wer gut kochen kann, den mag ich sowieso.

Obwohl "Fuchsnacht" ein Fantasy-Roman ist, geht es auch sehr viel um zwischenmenschliche Probleme und wie schon im Vorgänger um Verlust und Tod. Die erste Hälfte dreht sich überwiegend um Emils Versuch, sich mit dem neuen Leben anzufreunden und um seine erste Liebe - eine homosexuelle, die sehr sensibel und gefühlvoll aufbereitet wird. Danach jedoch wird das Buch überraschend düster und teilweise schon geradezu brutal, denn nicht alle Fuchsdoppel haben nur Gutes im Sinn. Das Motiv der Gegenspieler ist mir nicht recht klar gewesen, aber nichtsdestotrotz entsteht eine bedrückende Atmosphäre, die nicht loslässt. Zwei größere Kontinuitätsfehler (in denen beispielsweise davon gesprochen wird, in zwei Stunden ginge die Sonne auf, nur um dann noch eine vierstündige Fahrt plus mehrere Stunden Schlaf bis dahin verstreichen zu lassen) und ein paar Logiklücken stören ein wenig den Lesefluss, aber die Pluspunkte überwiegen. Am Ende ist nicht alles gut, was sehr realistisch wirkt und zur Geschichte passt - auch wenn ich mir vielleicht ein paar mehr Lichtblicke gewünscht hätte.

FAZIT:
Julia Mayers zweiter Roman ihrer Fuchsdoppel-Reihe dreht sich nun um einen männlichen Protagonisten, der es in seinem Leben bisher nicht einfach hatte - und auf den auch nach seiner Verwandlung zum Tierdoppel noch einige Gefahren warten. "Fuchsnacht" wird zum Ende hin überraschen düster, verpackt dies aber zumeist düster und fesselnd. Knappe 4 Punkte.