Profilbild von Kittyzer

Kittyzer

Lesejury Profi
offline

Kittyzer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kittyzer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2017

Wunderschön geschrieben, aber mit problematischer Botschaft

Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen
0

"Ich...wollte dir eine Stelle vorlesen, aber jetzt kann ich mich nicht entscheiden."
"Lies auf der Seite, auf der du gerade bist."
"shall we
say years?
O let us say it, girl
to boy smiling while the moments ...

"Ich...wollte dir eine Stelle vorlesen, aber jetzt kann ich mich nicht entscheiden."
"Lies auf der Seite, auf der du gerade bist."
"shall we
say years?
O let us say it, girl
to boy smiling while the moments kill
us gently and infinitely."
Die Momente töteten uns sanft und unendlich.
Ich ließ die Zeilen in der Luft hängen, bis sie im Zirpen der Heuschrecken zerfielen, und sagte: "Das ist wahr, oder?"
"Solche Sätze lassen mich daran glauben, dass die Menschen nicht komplett verrückt sind", sagte Ben.
--

INHALT:
Hanna und Ben sind schon so lange beste Freunde, dass sie sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann, ohne seine Geschichten, seine Graffitis und seine Undurchschaubarkeit. Als er sie darum bittet, fährt sie nach dem Abitur spontan mit ihm ans Meer, einfach nur so. Dort schlagen sie ihr Zelt auf, genießen die Landschaft, das Wetter und ihre Zweisamkeit. Bis sie Chloé kennen lernen, die ihnen eine schaurige Legende erzählt. Eine Legende, die sich immer mehr zu bewahrheiten scheint...

MEINE MEINUNG:
Autorin Ulla Scheeler erzählt in ihrem ersten Roman von einer tiefen Freundschaft, einer ebenso tiefen Liebe, Missverständnissen und Schuldgefühlen. "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" lässt Hanna aus der Ich-Perspektive ihren Ausflug mit Ben erzählen und sie so zur guten Identifikationsfigur für den Leser werden. Der Schreibstil ist bildschön, voller Metaphern, ohne allzu stark zu übertreiben, und unglaublich atmosphärisch. Wäre die zweite Hälfte nicht gewesen - ich hätte das Buch lieben können.

Hanna ist eine starke Persönlichkeit, zwar oft unsicher und verletzlich, ebenso oft aber auch überraschend mutig und willensstark. Mit ihrer gewitzten Art begleitet man sie gerne, ihre starke Abhängigkeit von Ben und seinen Launen strengt jedoch auch an. Ben ist so ein Charakter, dem ich nicht so wirklich viel abgewinnen konnte: Egoistisch, eifersüchtig und gewollt geheimnisvoll wie er sich gibt, hatte ich oft das Gefühl, dass seine Freundin etwas Besseres verdient hat. Er hat zwar geniale Ideen und immer einen guten Spruch auf Lager, seine Arroganz macht ihn aber nur wenig sympathisch. Da gefielen mir Sam, den Hanna in einer Bar kennen lernt, und Chloé, die ihnen eine geheimnisvolle Legende erzählt, deutlich besser. Beide versuchen sich zu verstellen und scheitern damit, unter den Masken kommen spannende und originelle Persönlichkeiten zum Vorschein, von denen ich gern noch mehr gelesen hätte.

Die erste Hälfte des Romans mochte ich total gerne: Die geheimnisvolle Stimmung am Meer, die witzigen und glaubwürdigen Dialoge, die berauschenden Gefühle zwischen Hanna und Ben. Es passiert nicht wirklich viel, aber aufgrund der Chemie zwischen den beiden und Bens Verschwiegenheit bleibt das Ganze durchgehend spannend. Jedenfalls bis plötzlich das Drama überhand nimmt und eine nicht recht passende Wendung vieles für mich kaputt gemacht hat. Die Handlungen der Personen konnte ich nicht nachvollziehen und auch die Intensität hat schlagartig nachgelassen. Bis zum Schluss bleibt alles seltsam vage, wirkliche Antworten gibt es nicht, die Beweggründe ergeben keinen Sinn und erst recht nicht Hannas Reaktion auf die Geschehnisse. Zwar regt die letzte Szene durchaus zum Nachdenken an - wirklich zufrieden stimmt sie aber nicht.

FAZIT:
Von der ersten Hälfte des Buches her hätte "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" eine großartige Lektüre für mich werden können - schon allein aufgrund von Ulla Scheelers atemberaubendem Schreibstil. Aber der Plottwist später hat mich leider gar nicht überzeugen können. Daher reicht es letztendlich nur für gute 3 Punkte.

Veröffentlicht am 20.03.2017

High Fantasy wie sie sein soll

Empire of Storms - Pakt der Diebe
0

"Unglaublich, oder?" Seine roten Augen glänzten im dämmrigen Licht des Mondes, das durch das Fenster fiel. "Die Mittel und der Einfallsreichtum, die die Leute darauf verwenden, etwas Neues zu finden, das ...

"Unglaublich, oder?" Seine roten Augen glänzten im dämmrigen Licht des Mondes, das durch das Fenster fiel. "Die Mittel und der Einfallsreichtum, die die Leute darauf verwenden, etwas Neues zu finden, das sie verdummen lässt."
Sie musste tatsächlich kurz lachen.
"Ich bin übrigens Red", sagte er und hielt ihr die Hand hin.
"Mein Name ist Bleak Hope", sagte sie und ergriff sie. "Obwohl die meisten mich nur Hope nennen."
Sein Lächeln kehrte zurück. "Hope und Red. Das klingt gut zusammen, findest du nicht?"
--

INHALT:
Als er mit acht Jahren ein Waisenkind wird, findet sich der junge Red in der Paradieskehre wieder - der Unterstadt von New Laven, wo es schmutzig ist und vor Verbrechern wimmelt. Zum Glück findet er in der Bewohnerin Sadie eine Mentorin, die ihn alles lehrt, was er wissen muss, um zu überleben. Und bald hat er ein Ziel: Der größte Dieb von allen zu werden. Währenddessen ergeht es Hope auf den Südlichen Inseln ganz ähnlich: Nachdem Biomanten des Imperiums alle Bewohner ihres Dorfes getötet haben, wird auch sie zur Waisin. Sie hat das Glück, bei den Vinchen, fähigen Mönchskriegern, aufgenommen zu werden - und verbotenerweise unterweist sie einer davon in der Kunst des Kampfes. Jahre später ist sie eine wahre Kriegerin. Als sie von Rache getrieben in New Laven auf Red trifft, schließen die beiden einen Pakt: Nicht eher zu ruhen, als dass sie die Biomanten gestürzt haben...

MEINE MEINUNG:
Angefangen hat er im Young Adult-Fantasy-Bereich, nun ist er bei der Adult Fantasy angekommen: Jon Skovrons Auftakt der "Empire of Storms"-Trilogie ist ein Schmuckstück des Genres. Natürlich gibt es einige altbekannte Storyelemente, wie etwa das grausame und unterdrückendes Imperium, die strikte Unterteilung in Arm und Reich und die beginnende Rebellion. Aber das sind gleichzeitig auch die Punkte, die High Fantasy ausmachen, und hier werden sie wunderbar mit einer ganz eigenen Geschichte verwoben. Erzählt wird "Pakt der Diebe" aus der personalen Sicht von Red und Hope, später kommt auch noch eine gewisse Brigga Linn zu Wort. Der Schreibstil ist wortgewaltig, einnehmend und detailreich, besonders in den Dialogen in der Kehre aber auch ziemlich vulgär, woran man sich erst gewöhnen muss.

Red ist ein charmanter Protagonist, den man mit seiner vorlauten Klappe und seinem jugendlichen Übermut schnell ins Herz schließt. Wie es sich für einen Jungen in seinem Alter gehört, will er sich natürlich ständig beweisen - aber über seine Intelligenz und sein gutes Herz kann er damit nicht hinweg täuschen. Hope ist das ziemliche Gegenteil von ihm: Ihr halbes Leben hat sie bei Mönchen verbracht, keuschen, aber teilweise grausamen Männern. Zuneigung hat sie nur durch ihren Meister Hurlo und später durch den Kapitän Carmichael erfahren, doch wen sie liebt, den verliert sie auch. Da ist es nicht verwunderlich, dass ihr Vertrauen eher schwer fällt. Trotzdem ist sie jemand, der sich für andere einsetzt, und auch wenn sie ein wenig zu perfekt ist, ist sie durchaus sympathisch. Seine große Stärke zeigt der Autor aber mit seinen Nebenfiguren. Sadie die Ziege, Reds raue und gleichzeitig gutmütige Mentorin; sein treuer bester Freund Filler und seine freiheitsliebende Kumpanin Nessel, sie alle lassen das Buch hinreißend lebendig werden.

Tatsächlich dauert es eine ganze Weile bis zum ersten Aufeinandertreffen der Protagonisten und in diese Phase haben sich ehrlich gesagt auch ein paar Längen eingeschlichen - vor allem, weil es seine Zeit dauert, mit den Formulierungen und der Welt warm zu werden. Nachdem man aber hinein gefunden hat, lassen die Geschehnisse einen bald nicht mehr los. Red schlägt sich auf den Straßen herum, während Hope erst trainiert wird und dann auf Seefahrt geht - in beiden Welten ist das Leben auf jeden Fall nicht einfach. Eine Prise Piraterie und eine ganze Handvoll Action tun ihr Übriges, um bei Laune zu halten. So richtig hatte mich das Buch dann aber erst, als die beiden sich endlich begegnen, denn gemeinsam sind sie ein großartiges Gespann, das sich perfekt ergänzt. Ab der Hälfte gibt es kaum noch eine ruhige Minute, ein Kampf folgt auf den nächsten, ohne dabei auf ein gutes Maß Witz zu verzichten. Natürlich wird es zum Ende hin dramatisch - und die Ausgangslage für den nächsten Band ist eine gänzlich andere. Aber das macht es nur umso spannender.

FAZIT:
Ich habe meine Zeit gebraucht, um völlig in diese gewalttätige, schmutzige und vulgäre Welt einzutauchen, die Jon Skovron in "Pakt der Diebe" erschaffen hat. Nachdem ich jedoch die Charaktere lieb gewonnen hatte, gab es kein Entkommen mehr. Eine wendungsreiche, spannende Geschichte, auf die in Band 2 wahrscheinlich noch eine Schippe drauf gelegt wird. Sehr gute 4 Punkte!

Veröffentlicht am 20.03.2017

Unlogisches Worldbuilding und gähnende Langeweile

Delirium
0

Manchmal, wenn man Dinge einfach betrachtet, wenn man einfach still dasitzt und die Welt existieren lässt - dann, ich schwöre es, bleibt die Zeit manchmal für einen winzigen Augenblick stehen und die ...

Manchmal, wenn man Dinge einfach betrachtet, wenn man einfach still dasitzt und die Welt existieren lässt - dann, ich schwöre es, bleibt die Zeit manchmal für einen winzigen Augenblick stehen und die Welt hält in ihrer Drehung inne. Nur einen Augenblick lang. Und wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, in diesem Augenblick zu leben, würde man ewig leben.
--

INHALT:
Die junge Lena lebt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die Liebe als Krankheit identifiziert wurde und deren Heilung für das Land daher oberste Priorität hat. Kurz nach dem 18. Geburtstag erhalten alle Bürger einen Eingriff, der sie für das Gefühl unempfänglich macht. Auf diesen Eingriff fiebert Lena schon lange hin und in wenigen Wochen wird es so weit sein. Doch dann begegnet sie Alex - zum ersten Mal spricht sie bewusst mit einem Vertreter des anderen Geschlechts und trotz ihrer Angst muss sie sich eingestehen, dass er ihr gefällt. Sie scheint krank zu werden. Aber kann etwas, das sich so gut anfühlt, denn schlecht sein?

MEINE MEINUNG:

SCHREIBSTIL
Lauren Oliver hat einen sehr einnehmenden, angenehmen Stil, das hat sie schon in ihrem Debüt unter Beweis gestellt. Ihre Dialoge sind glaubwürdig und regen zum Nachdenken an, die Beschreibungen von Lenas Angst vor einer Ansteckung sind manchmal klar und nüchtern, manchmal poetisch und bedrückend. Wo sie jedoch auf Gefühle intensiv eingeht, fehlt der Rest, insbesondere Umgebung und dystopisches System werden einem kaum näher gebracht.

CHARAKTERE
Lena ist über weite Strecken eine überaus passive Protagonistin. Obwohl sie als Kind die Liebe einer Mutter erfahren durfte - etwas, das es seit dem Heilmittel nicht mehr gibt -, klammert sie sich verzweifelt an das System und fürchtet sich schon davor, überhaupt in eine andere Richtung zu denken. Sie sträubt sich intensiv gegen Regelverstöße und macht ihrer besten Freundin Hana, die sich ausprobieren will, immer wieder Vorwürfe. Da wirkt es sehr inkonsistent, dass sie bereits nach der zweiten Begegnung mit Alex alles über den Haufen wirft und mehr oder weniger ihren Charakter endet, regelrecht rebellisch wird. Es braucht also mal wieder einen Mann, damit die Frau über sich hinaus wächst. Na sowas! Alex ist durchaus ein netter Kerl: Einfühlsam und gefühlvoll weicht er vom Klischee des Bad Boys ab. Herzklopfen löst er aber keines aus.

STORY
Die Idee, dass die Liebe in der Zukunft als Krankheit und Wurzel allen Übels angesehen wird, folglich also geheilt werden muss, ist durchaus originell und interessant. Sie erfordert aber auch plausible Erklärungen, und an denen hakt es hier besonders. Dass die Menschen bei Einführung des Eingriffes in Scharen zu den Krankenhäuser geströmt sind, muss doch einen Auslöser haben - der nie genannt wird. Kein großes weltbewegendes Ereignis oder schreckliches Geschehnis, das auf das Gefühl zurückzuführen ist. Nur die Aussage: Die Liebe ist eine Krankheit. Ende, mehr Erklärungen gibt es nicht. Menschen werden getötet oder inhaftiert, wenn sie sich weigern oder fliehen, was keinerlei Sinn ergibt, wo die Krankheit doch gar nicht ansteckend ist - genauso benehmen sich jedoch alle. Die Bibel wurde umgeschrieben und der neuen Wahrheit angepasst und jeder glaubt dieser neuen Geschichte - wie lange muss die Veränderung dann her sein? Der Weltentwurf ist löchrig und voller Ungereimtheiten, weshalb er einfach nicht überzeugen kann.

UMSETZUNG
Besonders problematisch finde ich aber, dass nur angerissen wird, was für Konsequenzen eine so lieblose Erziehung haben muss, wie sie die Kinder hier erfahren. Durch Lenas junge Nichten, die sich beide nicht ihres Alters entsprechend verhalten - die eine zynisch und grausam, die andere stumm -, wird deutlich, dass so ein Leben Folgen hat. Trotzdem geht dieser Aspekt in dem großen Freiheitsgedanken unter. Selbstbestimmung ist wichtig, ja, aber sie ist hier die einzige treibende Kraft. Nicht einmal denkt Lena an ihre Nichten und was dieses Leben für sie bedeuten muss oder daran, die kleine Grace davor zu beschützen. Letztendlich ist das Ganze doch wieder nur die Suche nach der wahren Liebe, keinesfalls eine Gesellschaftskritik. Das ist schade, denn so bleibt das Ganze immer nur an der Oberfläche.

FAZIT:
Lauren Oliver ist eine überaus beliebte Autorin, aber mein Fall sind ihre Bücher wohl nicht. Nach ihrem Debüt hat mir der Auftakt ihrer Dystopien-Trilogie sogar noch weniger gefallen. "Delirium" ist mir nicht durchdacht und plausibel genug, es kommt über weite Teile keine Spannung und kein Verständnis für die Figuren auf, und auch Tiefe lässt es vermissen. Diese Reihe werde ich nicht weiterverfolgen. Knappe 2 Punkte.

Veröffentlicht am 05.03.2017

Zu wenig Fantasy und Action für einen Fantasy-Roman

Der Kuss der Lüge
0

"Was soll ich ausrichten..."
Ich hörte nicht mehr, was er danach noch sagte, denn die trappelnden Pferdehufe stampften alle ausgesprochenen und unausgesprochenen Argumente in Grund und Boden. Einer Entscheidung ...

"Was soll ich ausrichten..."
Ich hörte nicht mehr, was er danach noch sagte, denn die trappelnden Pferdehufe stampften alle ausgesprochenen und unausgesprochenen Argumente in Grund und Boden. Einer Entscheidung folgend, die nie mehr ungeschehen zu machen war, die tausend Träume beendete und einen einzigen gebar, galoppierte ich mit Pauline an meiner Seite auf die Deckung des Waldes zu. Ich sah nicht ein einziges Mal zurück.
--

INHALT:
Um den Frieden zwischen ihrem und dem angrenzenden Königreich zu sichern, soll die junge Lia einen ihr vollkommen unbekannten Mann heiraten - was ihr gar nicht gefällt. Kurzentschlossen flieht sie daher in ein Hafenstädtchen weit entfernt von ihrer Heimat, wo sie von nun an als Aushilfe in einem Gasthaus arbeitet. Sie ist das harte Leben nicht gewöhnt, aber alles ist ihr lieber als diese Hochzeit aus Pflicht statt aus Liebe. Eines Tages kehren in der Gaststätte zwei Männer ein: Gutaussehend, hilfsbereit, einer düster, einer freundlich. Lia fühlt sich zu beiden hingezogen. Was sie nicht weiß: Einer ist der Prinz, den sie nicht heiraten wollte. Und der andere ein Attentäter, gekommen, um sie zu töten...

MEINE MEINUNG:
Mit dem von der Autorin erschaffenen Königreich Morrighan ist "Der Kuss der Liebe" eigentlich High Fantasy: Länder, die miteinander im Clinch liegen, Reisen zu weit entfernten Orten, eine epische Liebe - das alles sind Markenzeichen des Genres. Im Deutschen wird das Ganze allerdings als Romantasy angepriesen. Hätte ich das mal vorher gewusst! Erzählt wird die Geschichte größtenteils aus der Ich-Perspektive von Lia, ab und zu kommen auch der Prinz und der Attentäter zu Wort. Die Autorin versucht sich hier in einem Verwirrspiel, welcher der Männer nun wer ist, das manchen nerven könnte. Der Schreibstil ist vor allem in den Dialogen oft plump, die Beschreibungen sind zu Anfang sehr poetisch, später eher eintönig. Einzig die Hintergründe des Königreichs sind interessant zu lesen.

Es gibt 17-jährige, die ein gewisses Verantwortungsbewusstsein haben und es gibt andere völlig ohne ein Gefühl dafür. Lia gehört zu Letzteren. Natürlich ist sie jung und will sich nicht bevormunden lassen, weshalb sie durch ihre Flucht in gewisser Weise für sich einsteht - trotzdem hätte ihr klar sein können, was für Konsequenzen ihr Handeln haben wird. Sie verhält sich oft sehr unbedacht und kopflos, denn obwohl sie nicht gefunden werden will, posaunt sie ihre Stellung mehr oder weniger offen heraus. Sie ist mutig, aber leider nicht besonders schlau. Das zeigt sich auch ein wenig in ihrer Männerwahl. Dadurch, dass man von den beiden Kerlen lange nicht weiß, wer wer ist, ist es schwer, sie zu charakterisieren. Um ehrlich zu sein, waren mir die Unterschiede nicht einmal besonders klar, außer dass Rafe geheimnisvoller zu sein scheint. Die Grenzen zwischen ihnen verschwimmen, für niemanden habe ich wirklich Sympathien gehegt. Die einzigen wirklich überzeugenden Figuren sind die Gasthof-Besitzerin Berdi und die Vagabundin Dihara, beide wirklich starke Frauen voller Wissen und Hilfsbereitschaft.

Wer wie ich den Fehler begeht High Fantasy zu erwarten, wird wahrscheinlich ebenso enttäuscht werden. Von einem Roman dieses Genres erwarte ich vor allem eines: Fantasy. Tatsächlich ist aber auf 550 von 560 Seiten keine Spur von Magie oder auch nur irgendetwas Phantastischem zu finden. Es passiert einen Großteil des Buches über einfach nichts. Lia flieht auf unglaubwürdig problemlose Weise und verbringt dann ein Drittel des Romans damit zu kellnern und mal mit dem einen Mann zu flirten, mal mit dem anderen. Die Liebesgeschichte drängt sich damit so stark in den Vordergrund, dass alles andere untergeht. Es geht nichts voran, es werden keine Fragen beantwortet und Action kann man schon gar nicht erwarten. Erst auf den letzten 150 Seiten geschieht etwas und Lia scheint sogar ein leichtes Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, aber selbst in dieser gefährlichen Situation lässt es sich die Autorin nicht nehmen, das Liebes-Dreieck weiter anzuheizen. Bis zum Schluss gibt es keine Antworten, stattdessen endet dieser Band mit einem Cliffhanger. Das lässt zwar Spannung aufkommen - befriedigt aber in keinster Weise.


FAZIT:
"Der Kuss der Lüge" ist Romantasy in seiner liebestollsten Ausführung. Das Drumherum mit dem Königreich und der ominösen Gabe der sogenannten Ersten Tochter hätte nicht sein müssen, denn Mary E. Pearson führt diese Ideen sowieso nicht weiter aus, sondern konzentriert sich auf die Liebesgeschichte. Ich hatte mir wenigstens einen Hauch Fantasy versprochen, wurde aber bitter enttäuscht. Sehr, sehr knappe 2 Punkte.

  • Einzelne Kategorien
  • Spannung
  • Cover
  • Fantasie
  • Abenteuer
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.02.2017

Erste Hälfte schleppend, zweite fulminant

Young Elites (Band 1) - Die Gemeinschaft der Dolche
0

Er streift den Handschuh wieder über und der verstörende Anblick weicht dem von schwarzem, blutbeflecktem Leder. Von Macht.
"Trage deine Makel mit Stolz", sagt er sanft. "Es sind Zeichen - dafür, dass ...

Er streift den Handschuh wieder über und der verstörende Anblick weicht dem von schwarzem, blutbeflecktem Leder. Von Macht.
"Trage deine Makel mit Stolz", sagt er sanft. "Es sind Zeichen - dafür, dass du etwas Besonderes bist. Und wenn du eine von uns wirst, werde ich dich lehren, sie einzusetzen wie ein Mörder sein Messer." Seine Augen werden schmal. Sein dünnes Lächeln wirkt plötzlich gefährlich. "So. Und nun sag mir, kleine Wölfin. Willst du all jene, die dich gequält haben, bestrafen oder nicht?"
--

INHALT:
Vor einigen Jahren ging das sogenannte Blutfieber unter den Menschen um - und während es die erkrankten Erwachsenen tötete, ließ es Kinder meistens entstellt zurück. Diese werden nun "Malfettos" genannt, gefürchtet und gehasst. Die junge Adelina ist eine von ihnen, was ihr Vater sie jeden Tag wieder spüren lässt. Als er sie eines Tages verkaufen will, flieht sie und gerät der Inquisition in die Hände. Vor dem sicheren Tod rettet sie eine Gruppe junger Malfettos, die mit besonderen Gaben ausgestattet sind und sich "die Dolche" nennen. Sie haben vor, auch ihre Fähigkeiten hervorzubringen. Doch in Adelina schwelt der Hass auf alles und jeden, und so bringt sie nicht nur sich in Gefahr, sondern auch die anderen...

MEINE MEINUNG:
Marie Lu konnte sich mit ihrer "Legend"-Trilogie eine große Fanbase aufbauen, hatte mich damals aber bereits mit dem 1. Band verloren. Ihre neue Reihe um die "Young Elites" geht nun jedoch in eine völlig andere Richtung: Angesiedelt in einer düsteren und brutalen Welt wartet sie mit einer schwierigen Protagonistin auf - und einem schwachen Worldbuilding, das mir einiges an Lesefreude genommen hat. Da kommt auch der bildliche, oft etwas abgehackte Schreibstil nicht wirklich gegen an - vor allem, weil dieser auch noch durch die erste recht langweilige und ergebnislose Hälfte untergraben wird.

Adelina ist eine Protagonistin, die man so selten in Jugendbüchern finden. Sie ist schon keine Antiheldin mehr, denn eigentlich ist sie nur "anti". Voller Hass und Angst zieht sie ihre Kräfte aus den düstersten Winkeln ihrer Seele, misstraut jedem, schwelgt immer wieder in ihrer Wut. Sie will durchaus Gutes tun, doch ihr Inneres liegt in Scherben, die sie nicht wieder zusammensetzen kann. Leider überrascht sie zwischenzeitlich mit einer absurden Naivität und Dummheit, die so gar nicht zu ihrem sonstigen Wesen passen. Die Dolche, bei denen sie Unterschlupf findet und die sie ihre Gabe lehren wollen, heben sich allerdings gar nicht mal so sehr ab. Auch sie begehen Morde und verbreiten Schrecken, sehen sich selbst aber als Friedensbringer und verurteilen Adelina doch für ihre Art. Das macht sie nicht unbedingt sympathisch. Besonders Love-Interest Enzo fand ich überraschend langweilig in seiner klischeehaften Zwiespältigkeit.

Inhaltlich geht es mindestens so düster zu wie in Adelinas Gedankenwelt, was dem geneigten Leser gefallen kann. Teilweise erinnern die Zustände in dieser italienisch angehauchten High Fantasy-Welt an die im Dritten Reich: Die Ausgrenzungen und Beschimpfungen der Malfettos sind an der Tagesordnung und sogar vor Verbrennungen wird nicht zurückgeschreckt. Die Autorin zeichnet hier ein erschreckendes und bedrückendes Bild. Und auch die Fähigkeiten der Begabten sind gut ausgearbeitet - insbesondere Adelinas Gabe der Illusion ist etwas Besonderes und ihr Lernen, das mit einem Abdriften in noch dunkleres Gefilde verbunden ist, ist toll zu beobachten. Nur leider wirkt der Rest nicht richtig ausgearbeitet, insbesondere die ominösen Schauplätze mit ihren Eigenheiten erscheinen wie hingeworfen. Warum fliegen riesige Rochen am Himmel? Und weshalb in aller Welt gibt es drei Monde? Erklärungen dafür gibt es keine, was ernüchtert. Dafür reißt der Schluss ziemlich vieles wieder raus: Erschreckend, überraschend und erbarmungslos werden hier viele Fortschritte wieder zunichte gemacht, sodass Band 2 spannend beginnen dürfte.

FAZIT:
Ich scheine kein großer Fan mehr von Marie Lus Geschichten zu werden - auch ihre neue Reihe konnte mich beim ersten Band nicht vollständig von sich überzeugen. Die düstere Protagonistin und der geringere Schwerpunkt auf der Liebesgeschichte haben allerdings dazu geführt, dass mir "Die Gemeinschaft der Dolche" besser gefallen hat als "Legend". Eventuell wird da ja im 2. Band auch noch eins draufgesetzt. Knappe 3,5 Punkte.