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Veröffentlicht am 15.09.2016

Intensiv und eindrücklich

Böse Lügen
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Die Furchen in ihrem Gesicht verschwinden, ihre Wangen wölben sich. Ist sie etwa tatsächlich im Begriff, mich anzulächeln?
"Ich bin vor Angst um dich halb wahnsinnig geworden", sage ich.
Doch kein Lächeln, ...

Die Furchen in ihrem Gesicht verschwinden, ihre Wangen wölben sich. Ist sie etwa tatsächlich im Begriff, mich anzulächeln?
"Ich bin vor Angst um dich halb wahnsinnig geworden", sage ich.
Doch kein Lächeln, jedenfalls noch nicht, vielleicht bloß die Erinnerung daran, dass so etwas früher einmal möglich war. "Ich war doch noch nicht mal vierundzwanzig Stunden eingebuchtet."
"Ich rede von den letzten drei Jahren."
Los, Catrin. Ein halbes Dutzend Schritte auf mich zu, mehr ist nicht nötig. Ich denke tatsächlich, dass sie genau das tun wird, als das Klirren zerberstenden Glases durch den Sturm dringt. Irgendjemand hat unten ein Fenster eingeschlagen.
Dann hören wir die Explosion.
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INHALT:
Catrin, Callum und Rachel leben auf den Falklands, einer Insel mit nur wenigen Einwohnern, und hatten früher einmal viel miteinander zu tun - bis ihnen eine Tragödie dazwischen kam. Nun besteht zwischen ihnen ein Verhältnis geprägt von Hass, Schuld und vergangener Liebe, das ihnen das Leben schwer macht. Als ein Kind verschwindet, das dritte in drei Jahren, ist die Insel in heller Aufregung, und auch Catrin, Rachel und Callum machen sich auf die Suche. Dabei decken sie nicht nur die Geheimnisse der Gemeinschaft auf, sondern auch die, die tief in ihnen schlummern, und so geraten bald alle drei ins Fadenkreuz der Ermittlungen...

MEINE MEINUNG:
Sharon Bolton ist eine Meisterin der intensiven und spannenden Thriller, was sie unter anderem immer wieder mit den Büchern ihrer "Lacey Flint"-Reihe unter Beweis stellt. "Böse Lügen" ist nun nach längerer Zeit mal wieder ein Einzelband, in dem sie sich die stürmische und kühle Kulisse einer Insel ausgesucht hat. Ihr Stil ist gewohnt großartig, voller wunderschöner wie auch bedrückender Beschreibungen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, und dabei immer auf den Punkt genau. Unterteilt ist der Roman in drei Abschnitte, wobei der erste aus der Ich-Perspektive von Catrin, der zweite aus der von Callum und der dritte aus der von Rachel erzählt wird.

Catrin lernt man als eine bereits gebrochene Frau kennen, die über einen schlimmen Verlust vor drei Jahren nie hinweg gekommen ist. Sie wirkt teilweise etwas kalt und unnahbar, sogar skrupellos, was man aufgrund ihrer Vergangenheit aber verstehen kann - und gerade ihre sehr pragmatische Art macht sie so interessant. Callum ist ihr ehemaliger Liebhaber, ein großer, muskulöser Mann, der gerade dadurch umso mehr mit seiner sanften Güte überrascht. Seine posttraumatische Belastungsstörung nach seinem Einsatz als Soldat geben aber auch ihm Ecken und Kanten. Und Rachel, die als Letzte aus ihrer Sicht erzählt, und die man bis dahin als Monster wahrgenommen hat, zeigt einem noch einmal eine völlig neue Perspektive auf, die ziemlich überrascht. Es gibt teilweise ein paar viele Nebenfiguren, bei denen ich zwei Männer partout nicht auseinander halten konnte, der Rest ist aber wie die Protagonisten großartig charakterisiert. Vor allem die Polizistin Skye und Catrins Exmann Ben bestechen durch ihre gute Ausarbeitung.

Schon die Erzählweise, jede Hauptfigur einzeln über die Tage der Suche nach dem dritten verschwundenen Jungen berichten zu lassen, ist etwas Besonderes. So lernt man zum Beispiel Rachel zu einem Zeitpunkt kennen, zu dem man bereits vieles zu wissen glaubt, und wird so damit konfrontiert, einige dieser Schlüsse wieder über Bord werfen zu müssen. Die Atmosphäre ist unglaublich dicht, vor allem durch das tragische Ereignis in der Vergangenheit, aber auch durch Geschehnisse wie die Strandung von Walen an der Küste, die eine schwere Entscheidung nach sich zieht. Parallel zu den fortschreitenden Seiten wird es auch immer hitziger in der Gemeinde - die sich bald einen Verdächtigen sucht und eine regelrechte Hetzjagd veranstaltet, die niemanden unberührt lässt.

Obwohl schnell aufgelöst wird, was vor Jahren eigentlich zwischen Catrin, Callum und Rachel vorgefallen ist, wird es danach nicht weniger spannend. Es bleibt die Frage nach dem Entführer der verschwundenen Kinder, bei der sich die eigenen Vermutungen immer und immer wieder ändern. Viele Überraschungen und Wendungen sorgen dafür, dass es immer spannend bleibt, ohne dass die Ereignisse allerdings je ins Absurde abrutschen. Die Autorin hält grandios die Balance zwischen aufregenden Thriller-Elementen und der emotional bedrückenden Hintergrundgeschichte. Die plausible, unerwartete Auflösung stellt sehr zufrieden, ebenso wie der Ausgang für alle Beteiligten. Und die letzte schockierende Enthüllung ganz am Schluss lässt einen das Buch ganz bestimmt für lange Zeit nicht vergessen.

FAZIT:
"Böse Lügen" ist ein Thriller wie man ihn von Sharon Bolton erwartet: Die unterschiedlichen Figuren mit interessanten Motiven, die atemberaubende Kulisse und der intensive Stil lassen einem kaum Zeit zum Durchatmen, sodass man die Seiten nur so verschlingt. Aufregend, durchdacht und anders. Dafür gibt es 5 Punkte!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nichtssagend und wenig überraschend

Die Achse meiner Welt
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"Hilfe!", rief ich. "Bitte anhalten! Hilfe!"
Ich stürzte nach vorn und versuchte zu laufen, während ich gleichzeitig die Arme hochriss, um den Fahrer auf mich aufmerksam zu machen. Das war meine letzte ...

"Hilfe!", rief ich. "Bitte anhalten! Hilfe!"
Ich stürzte nach vorn und versuchte zu laufen, während ich gleichzeitig die Arme hochriss, um den Fahrer auf mich aufmerksam zu machen. Das war meine letzte schlechte Idee an einem Abend voller schlechter Ideen. Laufen ist keine Option, wenn man kaum stehen kann - geschweige denn sehen. Ich stürzte kopfüber dem Boden und der Bewusstlosigkeit entgegen, als die nahenden Autoscheinwerfer in den Sternenhimmel hinaufleuchteten.
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INHALT:
Ein Abend vor 5 Jahren hat Rachels Leben zerstört: Um sie vor dem sicheren Tod zu retten, opferte ihr bester Freund Jimmy damals sich selbst. Ohne ihn und gezeichnet mit einer entstellenden Narbe, führt Rachel von nun an ein Leben ohne Glück und Freude. Bei einem Wiedertreffen mit alten Freunden aus der Zeit vor dem Unglück erleidet sie schließlich einen Zusammenbruch. Und als sie im Krankenhaus erwacht, traut sie ihren Augen kaum: Vor ihr steht Jimmy - kerngesund! Rachel weiß nicht mehr, welches Leben ihr richtiges ist und versucht verzweifelt, herauszufinden, was eigentlich los ist...

MEINE MEINUNG:
Parallelwelten haben etwas an sich, das sicherlich nicht nur mich ungemein fasziniert - dieses Gedankenexperiment rund um gleichzeitig existierende Welten, in denen doch so viel unterschiedliches geschieht. Genau darum scheint es laut Klappentext auch in Dani Atkins' "Die Achse meiner Welt" zu gehen. Und anfangs beginnt der Roman auch mit einem tragischen Schicksalsschlag, der jedoch plötzlich wie ausgelöscht scheint - ein Paralleluniversum also? Letztendlich ist das Ganze dann aber doch übliches Chick-Lit ohne Überraschungen und mit vielen Klischees.

Rachel ist nach dem Unglück eine von Leid gezeichnete Frau, die im eigenen Selbstmitleid versinkt - das ist zugegebenermaßen aber zu verstehen. Als sie dann jedoch im Krankenhaus aufwacht und bemerkt, dass ihr Leben perfekt ist; so, wie es hätte sein können, beginnt sie, sich komplett irrational zu verhalten: Sie will den Menschen beweisen, dass dieses Leben falsch ist, verrennt sich in Zweifel und ist regelrecht davon besessen, alles wieder kaputt zu machen, etwas, das ich absolut nicht nachvollziehen konnte. Die anderen Figuren bleiben dafür überwiegend sehr blass bzw. unausgereift - Matt zum Beispiel ist mal beschützend und gut meinend, dann wieder der herablassende Schnösel, und das völlig ohne Sinn und Verstand. Die beste Freundin Sarah taucht nur sporadisch auf und kann nicht wirklich kennengelernt werden; Jimmy ist freundlich, liebevoll und ohne Makel. Am besten leiden konnte ich Sarahs Verlobten Dave, und das, obwohl dieser nur in einer Szene auftaucht.

Wäre der Roman eine Geschichte über Rachels Umgang mit dem Verlust ihres wohlgeordneten Lebens und ihrem besten Freund Jimmy, hätte er berührend und mitreißend werden können. So, wie es die ersten 70 Seiten sind, in denen man das Geschehen, das damals zum Tod führte, miterlebt, sowie Rachels Jahre des Elends, da sie sich selbst nicht verzeihen kann, dass Jimmy gestorben ist, weil sie im Moment der Gefahr nicht schlau genug war, sich zu bewegen. Ihre Unfähigkeit hätte ausgebügelt werden können, wenn ihr die Möglichkeit gegeben worden wäre, zu sich selbst zu finden. Stattdessen jedoch wird die einfache Art der Erzählung genommen und einfach ein anderes Leben für sie aus dem Hut gezaubert. Und ab da geht es steil bergab, denn obwohl die Jahre, an die Rachel sich lebhaft erinnert, schrecklich waren, voller Schmerz und Trauer, will sie unbedingt dorthin zurück und nimmt dafür sogar in Kauf, dass alle Menschen in ihrer Umgebung sie für verrückt halten. Das soll einer verstehen!

So macht sie sich also mit Jimmy auf die Suche nach Spuren an das Leben, das sie kennt. Die Beiden stoßen auf keinerlei neue Erkenntnisse, trotzdem geht das Buch noch 150 Seiten so weiter. Langweilige Beschreibungen reihen sich an langweilige Dialoge, nur durchbrochen von Rachels erneuter Blindheit für die Gefühle der Menschen um sie herum. Und trotzdem gelingt es der Autorin famoserweise, das Ganze extrem kitschig werden zu lassen - besonders zum Ende hin. Das dann übrigens genauso kommt, wie man sich das schon vom Klappentext her gedacht hat. Abgesehen davon, dass nicht einmal genannt wird, warum der Schluss kommt wie er kommt, ist dieser eben erneut vollkommen ohne Überraschungen und bar jeder Originalität, und lässt so nur furchtbar enttäuscht zurück.

FAZIT:
"Die Achse meiner Welt" von Dani Atkins ist eines jener Bücher, die vielversprechend anfangen und dann aufgrund einer Idee, die gut hätte sein können, es aber leider nicht ist, nichtssagend versanden. Zudem besitzt der Roman leider auch noch eine Protagonistin, die partout nicht weiß, was sie will und Entscheidungen trifft, die nicht nachzuvollziehen sind. Dafür gibt es von mir nur schwache 2 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Plump, konfus und nervig

Das Dunkel der Seele
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Auf dem Weg zur L bemerkten wir eine atemberaubende Kreatur - einen jungen Mann mit den Zügen eines Models und einer Sportlerfigur -, die uns ein paar Blocks folgte, dann mit uns in den Zug stieg und sich ...

Auf dem Weg zur L bemerkten wir eine atemberaubende Kreatur - einen jungen Mann mit den Zügen eines Models und einer Sportlerfigur -, die uns ein paar Blocks folgte, dann mit uns in den Zug stieg und sich auf dem Weg zum Hotel in unserer Nähe hielt. Wir redeten über nichts Wichtiges und übertrieben im Bezug auf Dante bei einigen Punkten lautstark - "Unfassbar, dass er sich an gar nichts erinnert!", "Der erkennt ja nicht mal uns wieder!" -, aber trotz unserer recht glaubhaften Vorstellung hatten wir panische Angst. Unser Verfolger gehörte dem Syndikat an, und er sollte uns offensichtlich daran erinnern, dass es wirklich kein Entkommen gab.
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INHALT:
Haven kann es kaum fassen: Sie darf ein Praktikum im neu eröffnenden luxuriösen Lexington Hotel antreten, das ihr später Wege in jede gewünschte Ausbildung ebnen kann. Und damit nicht genug: Sie wird unglaublich gut bezahlt, ihre Chefin Aurelia ist die schönste und Ehrfurcht gebietendste Frau, die sie je getroffen hat - und der schöne Lucian, der sie von Anfang an fasziniert, scheint sich auch noch für sie zu interessieren. Doch irgendwann fällt Haven auf, dass hinter der glamourösen und perfekten Fassade etwas Dunkles lauert. Und sie ist die Einzige, die es aufhalten kann...

MEINE MEINUNG:
Aimee Agrestis Debüt und gleichzeitiger Auftakt zur Reihe um Haven Terra, "Die Erleuchtete" will vieles sein: romantische Liebesgeschichte, originelle Fantasy-Reihe, witzig, unterhaltsam, berührend. Leider gelingt es dem Ganzen aber nur selten, die angestrebten Ziele auch zu erreichen, weshalb es unweigerlich scheitert. Das beginnt leider schon beim Schreibstil. Dieser ist durchaus einnehmend und durchsetzt von schönen Beschreibungen, ufert gerade bei diesen aber zum Teil sehr aus, wodurch eine gewisse Langatmigkeit entsteht. Außerdem sind insbesondere die Dialoge extrem holprig - Antworten werden oft mit einem störenden "Naja" oder "Also" eingeleitet oder passen gar nicht zur Frage, und die Konservationen im Allgemeinen bestehen zum Großteil aus den Worten "Wow" und "Whoa". Das vermittelt das Gefühl, dass hier schludrig gearbeitet wurde, und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

Haven ist - mal abgesehen von ihrem mal wieder besonders exotischen Namen - eine Durchschnitts-Protagonistin mit den üblichen Selbstzweifeln und Komplexen. Besonders zu Anfang ist sie überaus naiv und leicht beeinflussbar. Dies ändert sich jedoch zum Glück im Laufe der Handlung, und sie wird mutiger und selbstsicherer, wenn sie auch trotzdem lieber ewig in "Was wäre, wenn"-Gedanken schwelgt als wirklich zu handeln. Ihr Schwarm Lucian konnte mir allerdings noch weniger zusagen. Er ist zwielichtig und führt definitiv etwas im Schilde. Besonders aber seine Veränderung zum Ende hin ging mir zu schnell und machte so mehr oder weniger die Glaubwürdigkeit der gesamten Figur zunichte.

Da Haven nicht die einzige Praktikantin im Hotel ist, darf der Leser noch Dante und Lance kennen lernen. Dante ist der unglaublich klischeehafte schwule beste Freundin, der neuerdings anscheinend in allen Jugendbüchern total in ist, und kennt sich natürlich super mit Mode, Frisuren und schrillen Dingen aus. 400 von fast 600 Seiten taucht er jedoch einfach nicht auf, weswegen er nicht nur völlig überzeichnet, sondern auch total blass ist. Lance dagegen ist eine Figur, die richtig Feuer hat und durchaus mal wichtige Dinge zur Sprache bringt oder der Protagonistin unter die Arme greift - so richtig viel eigenen Willen hat er jedoch nicht. Und Aurelia hat sicherlich ihren eigenen giftigen, fiesen Charme, wirkt jedoch mehr wie eine Spielfigur und dadurch, dass sie beschrieben wird wie etwa 20, sich aber benimmt wie eine griesgrämige Rentnerin, gebahrt ihr Auftreten nicht selten einer unwillkürlichen Lächerlichkeit.

Eines will ich dem Roman jedoch nicht absprechen: Die Originalität. Denn Aimee Agresti hatte hier tatsächlich eine absolut interessante und neuartige Idee, die auch zwischenzeitlich immer wieder faszinieren kann - denn die Art, auf die hier das Böse sein Unwesen treibt und die Gabe, die Haven besitzt, mochte ich sehr. Nur gibt es eben leider mehr negative als positive Aspekte. Da ist zum einen die Länge zu nennen - denn "Das Dunkel der Seele" hat beinahe 600 Seiten, und das ist für den Plot zu viel. Immer und immer wieder kaut die Protagonisten dasselbe durch und kommt dabei oftmals keinen Schritt weiter. Zudem taucht bei ihr nach kurzer Zeit ein Buch auf, in dem von Geisterhand Aufträge erscheinen, und ohne auch nur nachzudenken, führt Haven diese blauäugig und vertrauensselig aus. Wer macht denn sowas?!

Hinzu kommen die zwischenzeitlich recht kitschigen Schwärmereien für den ach so schönen Lucian, die total platten Dialoge, das plötzliche Verlagern des Interesses vom einen zum anderen Kerl [und dabei kommt raus, dass genau dieser sie während eines Stromausfalls einfach mal geküsst hat - und sie findet es klasse] bis hin zu der mir völlig unverständlichen Handlung der Bösewichte, die einzige Waffe, die man gegen sie einsetzen kann, im Hotel aufzubewahren. Wie doof kann man denn sein? Da mag das Finale vor dem Schluss noch so spannend und gut geschrieben sein - all diese Dinge, bei denen ich mir die Hände über dem Kopf zusammenschlug, machen das wieder zunichte. Trotz der vielen ungeklärten Fragen werde ich jedenfalls keinen erneuten Ausflug in Havens Welt unternehmen.

FAZIT:
"Das Dunkel der Seele" ist der erste Band der "Die Erleuchtete"-Reihe von Aimee Agresti und versagt zum Großteil auf ganzer Linie. Viele der Figuren sind stereotyp und wenig glaubwürdig; die Story ist zwar originell, aber langatmig und konfus; und der Schreibstil ist schrecklich plump. Kein Buch für mich! 2 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Weniger ein Thriller als eine Charakterstudie

Die Witwe
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I wanted to believe him. I loved Glen. He was my world. I was his, he said. We were each other's.
And the idea of me being guilty of pushing him to look at those horrible photos grew in my head, crowding ...

I wanted to believe him. I loved Glen. He was my world. I was his, he said. We were each other's.
And the idea of me being guilty of pushing him to look at those horrible photos grew in my head, crowding out the questions about Glen. Of course, I didn't find out about his 'addiction' until after the police came knocking on our door that Easter Saturday, and then it was too late to say or do anything.
I had to keep his secrets as well as mine.
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INHALT:
Jean und Glen führen seit zwanzig Jahren ein ruhiges Eheleben, das bis auf seine Computersucht völlig normal verläuft. Bis eines Tages die Polizei vor der Tür steht und Jean den wahren Grund für Glens "Nonsens" erfährt, wie sie es nennt: Er wird beschuldigt, sich nicht nur Kinderpornos angeschaut, sondern auch ein kleines Mädchen entführt und getötet zu haben. Doch anstatt sich abzuwenden, hält Jean weiterhin zu ihrem Mann, über Jahre der Gerichtsverhandlungen und Anschuldigungen hinweg. Und erst als er schließlich durch einen Unfall stirbt, ist sie bereit, die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen.

MEINE MEINUNG:
Als ein psychologischer Thriller wird Fiona Bartons "The Widow" angepriesen, für Fans von "Gone Girl" oder "The Girl on the Train". Kein Wunder, dass sich der Rowohlt Verlag bereits die Rechte gesichert hat; "Die Witwe" erscheint noch im Mai diesen Jahres. Doch durch die Vermarktung und Beschreibungen werden vollkommen falsche Hoffnungen geweckt, denn das Buch ist in keinster Weise ein Thriller. Eher einer Charakterstudie ähnlich wird das Bild einer manipulativen Ehe, schlechter Ermittlungsarbeit und grausamer Medienhetze aufgezeigt. Das könnte interessant sein - wenn man sich nicht etwas völlig anderes vorgestellt hätte.

Bis auf den relativ austauschbaren dickköpfigen und gutmütigen Detektiv Sparkes und teilweise die engagierte, intelligente Reporterin Kate gibt es keine Identifikationsfigur. Stattdessen sind die Figuren undurchschaubar, unsympathisch und teilweise regelrecht hassenswert - wie eben Glen, dessen abgebrühte und zugleich manipulative Art einen sowohl unangenehm berührt als auch fasziniert. Auch die völlige Abhängigkeit von Jean, die durch ihren unerfüllten Kinderwunsch so einige Probleme entwickelt hat, ist erschreckend zu beobachten. Figuren muss man nicht mögen, damit sie glaubwürdig sind, hier tragen diese unterschiedlichen, unausstehlichen Persönlichkeiten sogar zur Atmosphäre bei. Gleichzeitig fällt es einem aber auch schwer, weiterzulesen, weil es keinen wirklichen Bezugspunkt gibt.

Erzählt wird die Geschichte hauptsächlich aus den wechselnden Sichten der Witwe, der Reporterin und des Detektivs, in einzelnen Kapiteln kommen aber auch die Mutter des entführten Mädchens und sogar einmal der verdächtigte Ehemann zu Wort. Durch diese verschiedenen Perspektiven erwartet man einiges an Spannung, die jedoch nie aufkommt. Statt dass es sich wirklich darum dreht, was die Witwe weiß und nun erzählt, geht es lange Zeit nur um die schlampige Ermittlungsarbeit der Polizisten, die Hinweisen teilweise erst Jahre später nachgehen und horrende Fehler machen. Die Handlung tritt Ewigkeiten auf der Stelle, und auch wenn die Medienjagd noch so erschreckend ist, diese reicht nicht, um zu fesseln. Die größte Enttäuschung erwartet einen aber am Ende: Ohne jegliche Überraschung oder auch nur einen winzigen Twist wird alles vor einem ausgebreitet, es ist alles so, wie man es von Anfang an geahnt hat. Und damit lädt auch dieser Schluss nur dazu ein, das Ganze sehr schnell wieder zu vergessen.

FAZIT:
Wer hier einen spannenden, nervenaufreibenden Thriller erwartet, ist bei "The Widow" völlig falsch - allenfalls als sehr langatmigen Roman mit Krimi-Elementen kann man Fiona Bartons Erstlingswerk beschreiben. Die Frau ist Journalistin und beschreibt die Kniffe der Medien daher sehr gekonnt, der Rest funktioniert aber fast gar nicht. 2 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mir persönlich zu religiös

Anima
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Eyota murmelte etwas in der Sprache ihrer Vorfahren. Ich verstand die Worte nicht, merkte jedoch, wie beunruhigt sie war. "Du machst mir Angst. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Hier war und ist ...

Eyota murmelte etwas in der Sprache ihrer Vorfahren. Ich verstand die Worte nicht, merkte jedoch, wie beunruhigt sie war. "Du machst mir Angst. Wir haben über Gott und die Welt geredet. Hier war und ist niemand. Jetzt komm schon. Das Wasser hat höchstens fünf Grad."
Ein Schauer überzog meinen Rücken. Nicht nur wegen der Kälte. Ich war mir sicher gewesen, auch Eyota hätte ihn gesehen. Sie hatte mich doch erst auf ihn aufmerksam gemacht. Wir hatten doch über ihn geredet!
Irgendetwas stimmte nicht. Entweder mit ihr oder mit mir. Willenlos ließ ich mich aus dem Wasser ziehen.
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INHALT:
Wie jedes Jahr verbringt Abby den Sommer mit ihrer Familie im Nationalpark Acadia, der wie eine zweite Heimat für sie ist. Doch dieses Mal ist alles anders: Nachdem der Neuankömmling Juspinn als Magier angestellt wird, beginnen sich die sonst so freundlichen Menschen zu verändern; Hass, Neid und Betrug spalten die Gemeinschaft. Abby ahnt bald, dass dies etwas mit Juspinn zu tun hat, aber auch sie kann sich seiner Anziehung nicht erwehren. Und sie ahnt nicht, wie gefährlich ihre Gefühle für ihn sind...

MEINE MEINUNG:
"Anima" ist Kim Kestners erster gedruckter Roman, nachdem sie zuvor eine Trilogie im Imprint "Impress" des Carlsen-Verlages veröffentlichte. Ihr neuer Roman ist wieder Fantasy und verspricht, mit Gut und Böse zu spielen und infrage zu stellen, inwiefern das eine ohne das andere existieren kann. Erzählt wird die Geschichte fast ausschließlich aus der Ich-Perspektive von Abby, manchmal kommt auch Juspinn zu Wort. Die Beschreibungen der Natur sind wunderschön und mitreißend, die Dialoge wirken aber teil ein wenig holprig und unnatürlich.

Abby war ein für mich relativ schwieriger Charakter, weil sie so perfekt ist. Sie hat die reinste Seele von allen, will grundsätzlich nur helfen und kann in niemandem etwas Übles sehen. Sie hat zwar einen eigenen Willen, lässt sich diesen aber insbesondere von Juspinn häufig ausreden. Dafür hat sie mir in den Momenten, in denen sie ihm die Stirn bot, aber besonders gefallen. Mit Juspinn dagegen bin ich gar nicht klar gekommen - und das lag nicht nur an seiner Unfreundlichkeit. Er ist zusätzlich auch noch extrem von sich überzeugt und ein schrecklicher Besserwisser - jedes Mal, wenn er Abby tadelt, weil sie sich in irgendeiner Weise wiederholt, wollte ich schier aus der Haut fahren. Interessant dagegen fand ich seine böse, undurchsichtige und gefühlskalte Schwester Maria, die einem mit ihrer Art immer wieder Schauer über den Rücken jagt. Und die Nebenfiguren lernt man zwar größtenteils nur während ihrer Veränderung zum Schlechten kennen, von diesen konnte ich mich jedoch mit Abbys Freundin Eyota am meisten identifizieren, von der ich auch gern mehr erfahren hätte.

Eigentlich hätte das alles so gut sein können: Das Geheimnis, das Juspinn umgibt und das offensichtlich starke negative Auswirkungen auf Menschen hat, der Kampf von Gut und Böse, und die Liebesgeschichte zwischen einer reinen und einer verdorbenen Seele. Aber gerade letzterer Aspekt beginnt schnell zu nerven, denn wie man das von Jugendbüchern gewohnt ist, beginnt die Protagonistin dem Love-Interest schnell permanent hinterher zu laufen. Der Grund dafür wird zwar erklärt, das hilft einem aber trotzdem nicht, die Anziehung besser zu verstehen, denn diese ist größtenteils einfach nicht spürbar. Das mag auch daran liegen, dass Juspinn so unsympathisch und Abby so naiv ist, bei mir kamen die Gefühle jedenfalls einfach nicht an.

Hinzu kommt, dass ich persönlich nicht mit einer Geschichte gerechnet habe, in der es so "religiös" zugeht - das sage ich so schwammig, um nicht zu spoilern, was hinter den Geheimnissen steckt. Ich bin Atheistin und lese daher auch Bücher, in denen es um Engel geht, oftmals bewusst nicht. Denn obwohl Abby, die ja Tochter des Reverends ist, oft betont, wie aufgeschlossen doch alle sind, gibt es eben doch die ein oder andere Szene, besonders zum Ende hin, die mir in dem Bereich zu viel war. Davon abgesehen ist aber immerhin der Showdown aufregend und überraschend, sodass man zumindest am Ende noch einmal richtig mitgerissen wird, auch wenn der Schluss vorhersehbar ist. Und wer dem Göttlichen nicht unbedingt abgeneigt ist, wird hier vielleicht auch mehr Freude haben.

FAZIT:
Mein Hauptproblem mit Kim Kestners "Anima" war zum einen die Liebesgeschichte, die durch die Figuren nicht bei mir ankam, und zum anderen die Religiosität, die ich so nicht erwartet hatte. Sie dominiert den Inhalt nicht, aber Erklärungen und Geschehnisse konnte ich so einfach nicht nachvollziehen und verstehen, weil ich nicht daran glaube. Mit diesem Vorwissen wäre möglicherweise anders an den Roman herangegangen - so gibt es leider nur knappe 2,5 Punkte, abgerundet auf 2.