Meinung:
Ich war sehr gespannt, ob Lori Nelson Spielman es schaffen würde, ihrem weltweit erfolgreichen ersten Roman einen zweiten Bestseller folgen zu lassen. Ich finde, "Morgen kommt ein neuer Himmel" war kein One-Hit-Wonder, "Nur einen Horizont entfernt" ist genauso gelungen wie das Debüt, wenn nicht noch besser. Dabei fordert sie ihre Leser diesmal mit einem sehr anspruchsvollen Thema heraus: Schuld und Vergebung. Man folgt ihr gern und kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen, weil sie das brisante Thema mit Herz und Humor behandelt. Nur den deutschen Titel für "Sweet Forgiveness" fand ich genauso unpassend wie den für "The Life List".
Was würdest du tun, wenn dich jemand um Verzeihung bittet und auffordert, jemand anderem zu verzeihen? Vor diese Frage wird Hannah Farr gestellt, die Hauptfigur im neuen Roman, eine erfolgreiche TV-Talkmasterin und Lebensgefährtin des Bürgermeisters von New Orleans. Das verlockende Stellenangebot eines Chicagoer Senders macht ihr nach und nach klar, was ihr fehlt: die Liebe der Mutter, von der sie sich als Teenager getrennt hat, und die Liebe eines Partners. Der Brief einer früheren Mitschülerin, die sie jahrelang gemobbt hat und nun um Vergebung bittet, veranlasst sie, sich mit ihrem Leben, ihrer Familiengeschichte, ihren Beziehungen, ihrer Arbeitsstelle auseinanderzusetzen. Denn Vergeben heißt nicht Vergessen.
Viele Schriftsteller vernachlässigen über der Handlung ihres Romans die Entwicklung der Personen. Spielman gelingt es, ihre Charaktere so zu zeichnen, dass ihre Entwicklung nachvollziehbar wird. Das gilt auch für alle Nebenfiguren. Besonders viel Zeit nimmt sie sich jedoch für Hannah, die Ich-Erzählerin, und gibt dem Leser Anteil an Hannahs Gedanken und Entdeckungen. Am Ende hat man das Gefühl, nicht nur etwas über Geheimnisse, Verrat und Verlust gelernt zu haben, sondern diese Frau zu kennen.