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Veröffentlicht am 12.03.2018

Winterblüte

Winterblüte
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Der größte Teil der Handlung spielt sich, während der Adventszeit im Jahr 1900, im Umfeld der Familie Baabe ab, die im Ostseebad Heiligendamm ein Gästehaus betreibt. Als Christian, der Sohn des Hoteliers, ...

Der größte Teil der Handlung spielt sich, während der Adventszeit im Jahr 1900, im Umfeld der Familie Baabe ab, die im Ostseebad Heiligendamm ein Gästehaus betreibt. Als Christian, der Sohn des Hoteliers, eine bewusstlose junge Frau am Strand findet, die offensichtlich Schiffbruch erlitten hat, wirft dies einige Fragen auf, denn die Gerettete kann sich an nichts erinnern, nicht einmal an ihren Namen. Die Mitglieder der Familie Baabe verhalten sich der jungen Frau gegenüber recht unterschiedlich. Christian fühlt sich von Anfang an für sie verantwortlich, weil er sie ins Haus gebracht hat. Er möchte ihr helfen, die Erinnerung wieder zu erlangen, und je öfter er mit ihr zusammen ist, umso stärker fühlt er sich zu ihr hingezogen. Johanna, Christians Schwester, sucht ihre Nähe, mit dem Wunsch, in der Fremden eine Freundin zu finden. Auch wenn diese nicht weiß, wie sie heißt oder woher sie kommt, so ist ihr aber ein Brauch in Erinnerung, der mit einem kleinen Zweig zusammenhängt, den die Schiffbrüchige in ihren Händen hielt, als Christian sie fand. Sie weiß sehr genau, dass es sich dabei um einen Barbarazweig handelt. Obstbaumzweige, die am 4. Dezember geschnitten und ins Wasser gestellt werden, sollen Glück bringen, wenn sie an Weihnachten blühen. Glück können beide jungen Frauen brauchen: Johanna, weil sie nach dem Willen ihrer Eltern eine Zweckheirat eingehen und eine gute Partie machen soll, obwohl sie in einen anderen Mann verliebt ist, den ihre Eltern jedoch nie und nimmer als Ehemann für sie akzeptieren würden, weil er einer Familie angehört, die seit Urzeiten mit den Baabes verfeindet ist.
Ihre neue Freundin, die von Johanna kurzerhand „Barbara“ genannt wird, wegen des Zweigs, den sie bei sich hatte, wünscht sich nichts sehnlicher als ihre Erinnerung zurück zu gewinnen.
Herr Baabe, der Vater des Geschwisterpaars, hat Mitleid mit Barbara und möchte alles versuchen, ihr zu helfen und etwas über ihre Herkunft in Erfahrung zu bringen, während seine Frau ganz und gar nicht mit dem neuen Hausgast einverstanden ist. Ihre Abneigung, die sie der jungen Frau entgegenbringt, kann man erst mit der Zeit ein wenig nachvollziehen, wenn man mehr über sie erfährt. In ihrem Bestreben, Barbara schnellstmöglich wieder loszuwerden, setzt sie Ereignisse in Gang, die sich bald als verhängnisvoll erweisen.
Die Charaktere des Romans sind alle sehr klar und gut ausgearbeitet. Johanna und Christian waren mir vom ersten Moment an sympathisch. Über die Eltern mit ihrem Standesdünkel konnte ich manchmal nur den Kopf schütteln, aber eine derartige Einstellung gab es sicher damals in vielen Köpfen. Obwohl Herr Baabe ein eher friedliebender, gerechter Mensch zu sein scheint, hat er so seine Probleme, was ein altes Familiengeheimnis angeht, mit dem auch die Feindschaft zu jener anderen Familie zusammenhängt, in deren Sohn Johanna verliebt ist.
Während die Geschwister Baabe darauf hoffen, ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und ihre große Liebe heiraten zu dürfen, sieht es in der Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Eltern ganz anders aus. Da gewinnen negative Gefühle die Oberhand, und so manche Handlung wird von Misstrauen und Eifersucht, von Neid und Hass angetrieben. Merete Brettschneider liest dieses Hörbuch sehr ausdrucksvoll und verleiht den Protagonisten mit verschiedenen Stimmlagen Charakter. Ich habe ihr nur allzu gerne zugehört, und das Hörbuch war leider viel zu schnell zu Ende. Neben der kurzweiligen, facettenreichen Handlung hat mir auch gefallen, dass man einiges über das damalige gesellschaftliche Leben des eleganten Ostseebads Heiligendamm erfährt.
Wie schon der Titel aussagt, spielt die Geschichte im Winter, genauer gesagt in der Adventszeit und endet an Weihnachten. Das ist ja auch schon in Hinblick auf die Barbarazweige klar, die im Roman ihre eigene, besondere Rolle spielen. Ob die Zweige bis Weihnachten blühen und ob sich damit die Hoffnungen der beiden jungen Frauen erfüllen, verrate ich natürlich hier nicht, denn das muss jeder Leser oder Hörer dieses schönen und stimmungsvollen Romans selbst herausfinden.

Veröffentlicht am 09.03.2018

Wie der Wind und das Meer

Wie der Wind und das Meer
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In den letzten Kriegstagen 1945 verliert der elfjährige Paul bei einem schweren Fliegerangriff seine ganze Familie. Während er durch die Trümmer der zerbombten Straßen Münchens irrt, trifft er auf ein ...

In den letzten Kriegstagen 1945 verliert der elfjährige Paul bei einem schweren Fliegerangriff seine ganze Familie. Während er durch die Trümmer der zerbombten Straßen Münchens irrt, trifft er auf ein kleines Mädchen. Sarah ist Jüdin und ebenfalls allein, denn auch ihre Eltern sind während des Bombenangriffs ums Leben gekommen. Die beiden Kinder schließen sich zusammen, und als die Gefahr besteht, getrennt zu werden, greifen sie zu einer Notlüge. Da Sarah Pauls verstorbener Schwester Rosalie sehr ähnlich sieht, geben sich die beiden als Geschwister aus. Auf diese Weise werden sie gemeinsam von einem lieben Ehepaar adoptiert. Lange sind sie glücklich, aber Jahre später erkennen sie, dass sich ihre gegenseitige Liebe verändert hat und anders ist, als es zwischen Geschwistern sein sollte. Sie müssen ihre Liebesbeziehung geheim halten, da alle Welt sie für Bruder und Schwester ansieht und sie sonst fortwährend in der Furcht vor eine Anklage wegen Inzucht leben müssten.

Der Roman ist in fünf große Abschnitte eingeteilt und umfasst insgesamt die Zeitspanne von 1945 bis 1989. Der Schreibstil ist angenehm und leicht zu lesen, und die Schilderungen der Ereignisse haben mich vor allem am Anfang völlig gefangen genommen. Man erfährt im ersten Teil, wie sich Sarah und Paul treffen und wie es ihnen zum Ende des Kriegs und in den Nachkriegsjahren ergeht. Im zweiten großen Abschnitt passiert so einiges, was das Leben der „Geschwister“ gehörig durcheinander bringt. Nachdem sie sich gegenseitig ihre Liebe gestanden haben, suchen sie fieberhaft nach einer Lösung, um ihre Liebe leben zu können und dabei die Adoptiveltern nicht zu verletzen. In den folgenden beiden großen Abschnitten begleitet man die Protagonisten auf ihrem weiteren Lebensweg, der für beide recht steinig ist. Im fünften Abschnitt schließlich löst sich alles auf, werden die Fäden verbunden.
Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass die Autorin mit sehr viel Zeitkolorit schreibt und die Denk- und Handlungsweise der Menschen zeigt, wie sie sich im Lauf der Jahrzehnte veränderte. Es kommen einschneidende Ereignisse der deutschen Geschichte zur Sprache, und der Roman fängt den Zeitgeist meist sehr gut ein. Nur so gegen Ende der Siebziger und zu Beginn der Achtziger Jahre hatte ich den Eindruck, die Protagonisten hinken doch etwas hinter der Realität her, denn was sie da so über das Zusammenleben ohne Trauschein oder über allein erziehende Mütter äußern, kann ich, obwohl ich selbst damals als Jugendliche in einer konservativen Kleinstadt lebte, nicht bestätigen. Das mag in den Sechzigern so gewesen sein, aber die Geschichte spielt in München und zum Teil in Berlin, also in Großstädten, und da war das Leben auch damals schon viel freier.
Die Protagonisten haben ihre ganz eigene Art, mit Problemen umzugehen, die ich nicht immer nachvollziehen konnte, besonders bei Sarah/Rosalie ging es mir so. Manche Dinge, zu denen sie einfach schwieg oder auch nicht die Wahrheit sagte, hätten vielleicht mit ein paar klaren, ehrlichen Worten ganz anders ausgehen können. Aber sie hat letztendlich so gehandelt, wie sie es für richtig hielt, und sie sah keine andere Lösung für ihre Sorgen.
So sehr mich das Schicksal von Sarah und Paul berührt hat und so interessiert ich ihr Leben verfolgte, so hatte ich doch mit der einen oder anderen Leseflaute zu kämpfen, weil es im Buch so einige Längen gibt, die es meines Erachtens nicht gebraucht hätte. Manche Szenen hätten nicht ganz so gründlich erzählt werden müssen.
Dafür ging es am Schluss dann wieder fast zu schnell. Das Ende ist kompakt erzählt, und auch wenn es sehr traurig ist, empfand ich es als gut und passend.
Trotz der erwähnten Längen ist dies ein wirklich guter und vor allem sehr berührender Roman, bei dem ich im letzten Abschnitt ein paar Tränen nicht unterdrücken konnte, so nahe ist mir die Geschichte gegangen. Im Nachhinein muss ich ständig darüber nachdenken, was im Leben von Paul und Sarah hätte anders laufen können, wenn sie sich für die Wahrheit entschieden hätten.

Veröffentlicht am 07.03.2018

40 Tage mit Dietrich Bonhoeffer

40 Tage mit Dietrich Bonhoeffer
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Vierzig Tage dauert die alljährliche christliche Fastenzeit, von Aschermittwoch bis Karsamstag, und genau auf diesen Zeitraum ist das Andachtsbuch von Sandro Göpfert abgestimmt. Das Buch enthält vierzig ...

Vierzig Tage dauert die alljährliche christliche Fastenzeit, von Aschermittwoch bis Karsamstag, und genau auf diesen Zeitraum ist das Andachtsbuch von Sandro Göpfert abgestimmt. Das Buch enthält vierzig kurze Kapitel, die sich jeweils einem bestimmten Thema widmen. Jeder Tag und jedes Kapitel ist gleich aufgebaut. Es beginnt mit einer ausführlichen Stellungnahme zum Tagesthema aus den Werken Dietrich Bonhoeffers. Ergänzend dazu findet man im Anschluss ein passendes Bibelzitat. Hierauf folgen ein paar Leerzeilen mit der Illustration einer kleinen Bank. Diese lädt zum Innehalten und Verweilen ein, so dass man über das bisher Gelesene nachdenkt und sich eventuell auch kleine Notizen machen kann. Eine Erläuterung des Autors, die nun folgt, lässt uns aus heutiger Sicht die Texte Bonhoeffers besser verstehen. Bei den anschließenden Fragen kann man für sich persönlich eine Essenz aus dem Kapitel ziehen, und die erhaltenen Denkanstöße laden dazu ein, sich noch tiefer gehende Gedanken zu machen. Den Abschluss bilden täglich einige Vorschläge für Gebete.



Die vierzig Themen bauen zum Teil aufeinander auf oder ergänzen sich. Hier geht es um alles, was Christen bewegt,beispielsweise um das Christ sein, um Schöpfung, Sünde, Gebet, Gemeinschaft oder Gottesdienst, es gibt Kapitel zur Beichte, Taufe, zum Abendmahl. Es geht um Gefühle wie Dankbarkeit, Enttäuschung, Leiden oder Sehnsucht, um nur einige der Tagesthemen zu nennen.

Die Lektüre dieses Büchleins ist sehr bereichernd, denn sie hat mir einerseits die Gedanken und das Werk Dietrich Bonhoeffers näher gebracht und mich andererseits dazu angeregt, gerade in der Fastenzeit intensiv über vieles nachzudenken, was sonst oft im Alltag auf der Strecke bleibt.

Bonhoeffers Worte sind nicht immer einfach zu verstehen, und seine Einstellung zum Christsein empfand ich manchmal als sehr streng. Man spürt bei seinen Ausführungen, dass er ganz in seinem Glauben gefestigt war und seine Überzeugung sehr intensiv lebte. Das Leben, die Gedanken und Taten dieses Mannes mit dem tragischen Schicksal erfüllen mich mit Bewunderung. Wie Sandro Göpfert die Schriften Bonhoeffers hier in kleinen Portionen aufbereitet hat, gefällt mir sehr gut, denn in dieser Darreichungsform sind sie besser verständlich. Ich gebe zu, dass ich die meisten Texte mehrmals lesen muss, da sich mir ihr Sinn nicht immer auf den ersten Blick erschließt. Es wird vermutlich den meisten Lesern ähnlich ergehen, und ich gestehe, dass mich nicht alle vierzig Themen in gleichem Maße ansprechen und beschäftigen. Da ich dieses Buch aber nicht als einmalige Lektüre sehe, sondern es sicher alljährlich zur Fastenzeit wieder hervor holen werde, stelle ich mir vor, dass bei jedem neuen Lesen andere Kapitel in den Vordergrund rücken, denn durch die Vielfalt der angesprochenen Themen holt einen das Buch immer da ab, wo man gerade geistig und seelisch steht. So bietet es einen guten Leitfaden, nicht nur für die Fastenzeit.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Die Oleanderschwestern

Die Oleanderschwestern
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Zwillingsschwestern, die nichts voneinander wissen, ein geheimnisvoller Garten und ein tragisches Familiengeheimnis, darum geht es im neuen Roman von Christina Caboni.
Iris und Viola sind Zwillinge. Während ...

Zwillingsschwestern, die nichts voneinander wissen, ein geheimnisvoller Garten und ein tragisches Familiengeheimnis, darum geht es im neuen Roman von Christina Caboni.
Iris und Viola sind Zwillinge. Während Iris beim Vater aufwächst, lebt Viola bei ihrer Mutter. Beide haben keine Ahnung, dass sie eine Zwillingsschwester haben. Ihnen wurde erzählt, dass das jeweils fehlende Elternteil gestorben sei. Dass sich Iris und Viola eines Tages gegenüber stehen könnten, damit hat niemand gerechnet. Aber es passiert, und die beiden jungen Frauen sind verstört und stellen Fragen, so dass den Eltern letztendlich keine Wahl bleibt, sondern sie die Angelegenheit aufklären müssen. Dann kommt auch noch eine Großmutter ins Spiel. Giulia Donati lebt auf La Spinosa, dem Landsitz der Familie mitten in der Toskana. Sie ist schwer erkrankt und möchte ihre Enkeltöchter sehen, denn sie hat eine wichtige Aufgabe für sie. Der prächtige Blumengarten von La Spinosa kümmert; keine einzige Blume blüht mehr. Iris und Viola hegen, wie schon ihre Vorfahren, eine besondere Beziehung und Liebe zu Blumen. Darum ist Giulia der Meinung, nur ihre beiden Enkelinnen können den Garten retten. Ob das wirklich der Fall ist, auch davon erzählt der Roman.
Es ist für mich bereits der dritte Roman, den ich von Christina Caboni gelesen habe. Die ersten beiden haben mich völlig begeistert, während ich diesen hier eher mit etwas gemischten Gefühlen betrachte. Auch er hat mir gut gefallen, besonders der Schreibstil und die Gestaltung der einzelnen Kapitel. Vor jedem neuen Kapitel wird nämlich eine Pflanze erklärt, und man erfährt viel über Aussehen und Eigenschaften verschiedener Blumen. Bei Rückblicken in die Vergangenheit lernt man ein weiteres Familienmitglied kennen. Die Abschnitte über Bianca sind kursiv gedruckt, was beim Lesen sehr hilfreich ist, weil man diese besonderen Passagen so direkt erkennt. Ich muss gestehen, dass mir keiner der Protagonisten rundum sympathisch war. Die Zwillingsschwestern feinden sich erst einmal an, als sie sich zum ersten Mal bewusst treffen. Wieso ihre Eltern sich damals für dieses Arrangement entschieden haben, konnte ich nicht verstehen. Giulia konnte ich bis zuletzt charakterlich nicht so richtig einordnen. Sie hat in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, die sie auch größtenteils einsieht, aber dann gibt es immer wieder Handlungen von ihr, die ich nicht unbedingt nachvollziehen konnte. Schuldzuweisungen sind innerhalb der Familie Donati an der Tagesordnung. Das jedoch nur mal so bemerkt, denn es ist ja nicht zwingend notwendig, dass man die Protagonisten nett findet, um Gefallen am Roman zu finden. Was mich eher gestört hat, sind einige Ungereimtheiten in der Geschichte, denn zum einen driftet die Handlung häufig ins Esoterische ab, und dann gibt es Ereignisse, die in so kurzer Zeit eigentlich gar nicht wirklich ablaufen können. So sehr ich den schönen Schreibstil der Autorin auch genossen habe, so haben mich einige Elemente der Handlung doch sehr irritiert. Besonders aufs Ende zu ging mir dann auch alles etwas zu schnell.
Was ich nicht wirklich verstehe, ist die Wahl des Titels und des Coverbilds. Das Buch heißt „Die Oleanderschwestern“, wobei es, außer in einer Beschreibung der Pflanze, die einem Kapitel vorangestellt wurde, nirgends im Roman einen direkten Bezug zum Oleander gibt. Der italienische Originaltitel lautet „Il Giardino dei fiori segreti“, was übersetzt soviel bedeutet wie „Der Garten der geheimen Blumen“, und dieser Titel wäre stimmig und hätte mir viel besser gefallen. Bei den Blumen auf dem Cover handelt es sich auch nicht um Oleander. Die Blüten erinnern ein wenig an Tagetes, was jedoch nicht zu den Stängeln und Blättern passt. Die meisten der im Buch vorgestellten Pflanzen sagen mir etwas, aber Blumen wie sie hier abgebildet sind, kenne ich nicht. Es sind also einige Kleinigkeiten, die in der Summe dazu geführt haben, dass ich mich mit diesem Roman leider nicht hundertprozentig anfreunden konnte.

Veröffentlicht am 23.02.2018

Lotti, die Uhrmacherin

Lotti, die Uhrmacherin
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Marie von Ebner-Eschenbach erzählt in diesem Roman die Geschichte der Uhrmacherin Lotti. Es ist keine genaue Zeit angegeben, aber ich vermute, die Handlung spielt sich zum Ende des 19. Jahrhunderts ab, ...

Marie von Ebner-Eschenbach erzählt in diesem Roman die Geschichte der Uhrmacherin Lotti. Es ist keine genaue Zeit angegeben, aber ich vermute, die Handlung spielt sich zum Ende des 19. Jahrhunderts ab, ungefähr zu der Zeit, als der Roman veröffentlicht wurde.
Mit Lotti hat die Geschichte eine für damalige Verhältnisse sehr emanzipierte Protagonistin, denn es war nicht an der Tagesordnung, dass eine Frau so selbstverständlich ihren Beruf ausübte. Aber Lotti ist die Tochter eines Uhrmachermeisters und tritt in seine Fußstapfen.
Lotti hält sich selbst nicht für sonderlich attraktiv, und sie wird im Roman eher als konservativer Typ beschrieben. In der Liebe hat sie kein Glück, und so wird ihre Verlobung mit dem Poeten Hermann Halwig wieder gelöst. Jahre später begegnet sie ihrem damaligen Verlobten dann wieder. Dieser ist inzwischen mit einer schönen Frau verheiratet, die jedoch kränkelt, und das Ehepaar befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten. In selbstloser Art und Weise hilft Lotti, so dass sich für die Halwigs alles zum Guten zu wenden scheint, aber dieser Eindruck ist nur von kurzer Dauer. Letztendlich findet Lotti selbst doch noch ein spätes Glück.

Ich kannte von Marie von Ebner-Eschenbach bisher nur „Krambambuli“, was ich früher als Schullektüre gelesen habe. „Lotti, die Uhrmacherin“ war mir bis dato unbekannt. Der Schreibstil ist sehr schön, und man fühlt sich sogleich in die gute alte Zeit versetzt. Sehr lebendig sind die Ereignisse um Lotti beschrieben. Ihre Charakterisierungen der verschiedenen Personen sind so treffend, dass man ein klares Bild vor sich sieht.
Mit der Veröffentlichung dieser Erzählung gelang Marie von Ebner-Eschenbach der literarische Durchbruch auch über Österreich hinaus.
Interessant ist, dass die Autorin, zu der Zeit als „Lotti“ entstand, gerade selbst in Wien eine Ausbildung zur Uhrmacherin absolvierte. Dies ist sicher auch der Grund, wieso Lottis Uhrensammlung so ausführlich in der Geschichte beschrieben ist. Mir sagen die Namen der verschiedenen alten Uhren leider so gar nichts, und damit stehe ich vermutlich nicht allein. Obwohl die Geschichte gerade mal hundert Seiten umfasst, empfand ich sie stellenweise als langatmig, was nicht zuletzt an den vielen fachlichen Anmerkungen der Autorin lag. Lotti ist eine sympathische Protagonistin. Ihre erzählte Geschichte empfand ich jedoch eher als belanglos, zumindest nicht spektakulär. Trotzdem habe ich dieses Büchlein gerne gelesen, denn die schöne sprachliche Ausarbeitung habe ich sehr genossen.