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Veröffentlicht am 07.05.2023

Sehr fremd

Als wir Vögel waren
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Schauplatz ist eine fiktive Stadt auf einer Karibikinsel. Die Autorin ist auf Trinidad aufgewachsen. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; dies ist ihr erster Roman.
Die Geschichte wird abwechselnd ...

Schauplatz ist eine fiktive Stadt auf einer Karibikinsel. Die Autorin ist auf Trinidad aufgewachsen. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht; dies ist ihr erster Roman.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der Hauptpersonen beschrieben: Darwin ist Rasta. Er bricht sein Gelübde und schneidet sich Haare und Bart ab, um in der Stadt auf einem Friedhof zu arbeiten. Einen anderen Job hat er nicht bekommen. Yejide entstammt einer alten Familie, und nun stirbt ihre Mutter. Da erlebt sie, dass sie mit Toten sprechen kann. Tod und Leben sind in dieser Kultur eng miteinander verwoben. Das kollidiert mit einer klassisch westlichen Lebensweise, in der es auf materielle Besitztümer ankommt.

Für mich war das alles etwas zu fremd. Darwin ist noch relativ begreiflich, aber mit Yejide bin ich gar nicht warm geworden. Es handelt sich um eine Art Liebesgeschichte, doch die Liebe von Darwin und Yejide ist längst unzweifelhaft vorhanden und beschlossen, als die beiden einander endlich treffen. Sie müssen gegen keine Widerstände kämpfen, alles passt plötzlich zusammen. Die beiden Geschichten – die von Darwin und die von Yejide - nehmen Fahrt auf und erleben jede einen Höhepunkt. Die Begegnung bereichert die Protagonisten, auch an Verständnis für das, was sie umgibt. Ähnlich erging es mir beim Lesen: nach der Hälfte des Buches, als die Liebenden sich treffen, wird die Geschichte rund, und dann macht es auch Spaß, sie zu Ende zu lesen.
Ein Glossar wäre hilfreich gewesen. Informationen zur beschriebenen Kultur fehlen ebenfalls. Das wunderschöne, farbenprächtige Titelbild verdient eine eigene Erwähnung. Leseempfehlung für Neugierige und für die, die die karibische Kultur wenigstens ein bisschen kennen.

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Veröffentlicht am 19.04.2023

Hinsehen!

Die spürst du nicht
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Zwei befreundete, wohlhabende Ehepaare wollen mit ihren Kindern eine Woche Urlaub in der Toskana machen. Die Tochter möchte eine Schulfreundin mitnehmen: Aayana, ein Flüchtlingskind, schwarz und Muslima. ...

Zwei befreundete, wohlhabende Ehepaare wollen mit ihren Kindern eine Woche Urlaub in der Toskana machen. Die Tochter möchte eine Schulfreundin mitnehmen: Aayana, ein Flüchtlingskind, schwarz und Muslima. Zwei Kulturen prallen aufeinander. Dann passiert eine Katastrophe, die alle Beteiligten an ihre Grenzen bringt.

Der Autor hat einige Bestseller geschrieben, an bekanntesten ist wohl "Gut gegen Nordwind", das auch verfilmt wurde.

Die Menschen, die wir hier beobachen, sind oberflächlich und selbstherrlich, aber nicht böse. Im Angesicht der Katastrophe sind sie komplett hilflos und überfordert. Hinzu kommt, in Zeiten von Internet, der wertende Blick der Öffentlichkeit. Wie konnte das passieren, wie konnte es überhaupt dazu kommen?

Es ist kein fortlaufender, erzählender Text; das kennt man von diesem Autor bereits. Wir scheinen Gast in einem Theater zu sein, von der Bühne bis zur Kritik danach. Es gibt Pressemitteilungen, es gibt ein Medienecho bis hin zu Online-Kommentaren aus Volkes Mund, und zum Schluss sogar eine Gerichtsverhandlung. Das ist unbequem zu lesen, vermittelt aber treffend die Emotionalität und die Fragen, die mit dem Flüchtlingsthema verbunden sind. Alle sind überfordert. Auch wir. Was tun?

Der Autor empfiehlt, hinzusehen. Das könne ein Anfang sein. Aber nach so vielen Jahren voller Flüchtlingskrisen sollten auch aus der Literatur Ideen kommen, die weit darüber hinausgehen. Insofern bin ich etwas enttäuscht von diesem sonst sehr lesenswerten Buch.

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Veröffentlicht am 14.04.2023

Reden wir übers Sparen

3000 Yen fürs Glück
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"Es sagt tatsächlich etwas über einen Menschen aus, wie er sein Geld ausgibt."

Miho hat ihren ersten Job nach dem Studium und ist zuhause ausgezogen. Zum Jahreswechsel besucht sie ihre Eltern. Ihre Schwester ...

"Es sagt tatsächlich etwas über einen Menschen aus, wie er sein Geld ausgibt."

Miho hat ihren ersten Job nach dem Studium und ist zuhause ausgezogen. Zum Jahreswechsel besucht sie ihre Eltern. Ihre Schwester ist verheiratet und hat ein kleines Kind, aber kein eigenes Einkommen. Die Mutter der beiden ist frisch operiert und muss feststellen, dass noch immer alle Haushaltsarbeit von ihr erwartet wird, obwohl sie noch sehr krank ist. Die Großmutter Kotoko lebt allein und macht sich Sorgen um ihr Auskommen im Alter.
All diese Frauen verbindet nicht nur die japanische Kultur und die Familie, sondern auch die Tatsache, dass sie sich um Geld und Sparen Gedanken machen.

Dies ist ein Roman über den Umgang mit Geld und über alles, was es bedeuten kann: Ein Stipendium für die Tochter, ein eigenes Haus für die noch zu bekommenden Kinder, ein Auskommen im Alter oder ein Job mit dreiundsiebzig. Selbständigkeit, Freiheit. Einige Aspekte können durchaus zum Nachdenken und Sparen anregen, zum Beispiel die Optimierung der monatlichen Fixkosten. Aber in Japan sind einige Umstände andere als hier. Nicht alles ist übertragbar.

Als Roman liest sich das nicht sehr spannend, weil der Ratgeber-Charakter doch recht stark ist. Da werden die auftretenden Fragen allzu leicht gelöst. Die Charaktere sind eher angedeutet, sie haben keine Tiefe. Ein Spannungbogen um Mihos Geschichte fesselt nicht.
Was sehr deutlich gezeigt wird, ist die japanische Kultur. Essen spielt eine große Rolle. Es gibt zahllose Gerichte, die aufwändig zuhause zubereitet werden. Der Umgang der Menschen miteinander und die traditionelle japanische Höflichkeit sind für uns eher fremd.
Schwierig beim Lesen sind die japanischen Namen und viele japanische Begriffe. Es befindet sich ein hilfreiches Glossar im Buch und eine Namensliste. Dreitausend Yen sind übrigens laut Klappentext etwa 23 Euro. Viele erheblich höhere Summen kommen vor, die schlecht einschätzen kann, wer den Yen nicht kennt.

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Veröffentlicht am 13.04.2023

Menschen im Freibad

Seemann vom Siebener
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"Es ist so schön, ich würde jetzt gerne einen Vogel freilassen."

Ein deutsches Freibad, irgendwo in einer Kleinstadt. Hier treffen an einem heißen Sommertag die Menschen auf einander. Jemand ist mit dem ...

"Es ist so schön, ich würde jetzt gerne einen Vogel freilassen."

Ein deutsches Freibad, irgendwo in einer Kleinstadt. Hier treffen an einem heißen Sommertag die Menschen auf einander. Jemand ist mit dem Auto verunglückt und soll heute beerdigt werden. Ein anderer ist schon vor Jahren im Sprungbecken verstorben, unter dem Siebenmeterturm. Die Spuren dieser Todesfälle ziehen sich durch die Geschichten.
Einfühlsam wird das Innenleben mehrerer Personen dargestellt, mit allem was sie denken und erinnern. Jede dieser Person ist für einen langen Augenblick des Buches das Zentrum ihrer Welt und ihrer Wahrnehmung. Danach wendet sich die Geschichte wieder einer anderen zu. Hauptfigur ist ein namenloses Mädchen, das in Ich-Form berichtet und heute zum ersten Mal seit Langem wieder das Haus verlässt.
Diese Darstellung der Menschen ist sehr authentisch und intensiv. Die Geschichten wachsen, je nachdem, welche Person wieder aufgegriffen und weiter erzählt wird. Man kann sich alles sehr gut vorstellen, ist nahezu dabei, wenn im Freibad jeder die eigenen Gedanken mitbringt und die anderen Menschen beobachtet.
Der Stil ist schön, poetisch und manchmal besonders. Er zieht den Leser mitten hinein in den heißen Sommertag. Jeder, der jemals einen Nachmittag träge im Freibad vergammelt hat oder dort früher einmal jugendlich herumtobte, wird sich hier wiederfinden. Manchmal ist es dort auch etwas langweilig.
Doch alle Geschichten sind miteinander verknüpft. Spannung entsteht, weil vor lauter Wahrnehmung und Betrachtung Fragen offen bleiben. Einige der Menschen hier haben schlimme Dinge erlebt. Das kann man zunächst nur erahnen. Doch es gibt Befreiung.
Ein ruhiger Sommerroman vom Sein

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Ein gutes Buch

Muss ich das gelesen haben?
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Teresa Reichl ist Poetry Slamerin, hat Preise gewonnen und steht rund hundert Mal im Jahr auf der Bühne. Sie hat Germanistik und Anglistik studiert, um an Gymnasien zu unterrichten. Hier hat sie es sich ...

Teresa Reichl ist Poetry Slamerin, hat Preise gewonnen und steht rund hundert Mal im Jahr auf der Bühne. Sie hat Germanistik und Anglistik studiert, um an Gymnasien zu unterrichten. Hier hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Literaturkanon zu diversifizieren. Die Liste von Büchern, die in den Schulen und Universitäten gelesen werden, seien alle von weißen Männern der oberen gesellschaftlichen Klassen verfasst. Das bemängelt und analysiert sie und macht Vorschläge, welche Bücher man in den Kanon mit aufnehmen sollte.

Die feministische Sicht auf einige bekannte Klassiker ist ein erhellender Perspektivwechsel. Was wir als große Menschheitsfragen in der Schule kennen gelernt haben, sind in Wahrheit Fragestellungen alter weißer Männer einer priviligierten Gesellschaftsschicht. Jede andere Literatur wurde unterdrückt. Reichl beschreibt, wie Frauen aktiv am Schreiben und Veröffentlichen gehindert wurden. Trotzdem haben sie geschrieben und publiziert, doch später wurden ihre Bücher verdrängt.

Nach den Frauen betrachtet sie andere "marginalisierte" Gruppen, deren Bücher in der allgemein bekannten Literatur kaum zu finden sind, wie zum Beispiel homosexuelle oder nicht-binäre Menschen, Menschen schwarzer Hautfarbe oder nichtchristlichen Glaubens und noch andere. Eine ausführliche Leseliste (auch online) und Quellenangaben vervollständigen das Ganze.

Der Stil ist respektlos und erfrischend. Die zahlreichen Fußnoten machen das Ganze sehr persönlich. Man spürt, dass es der Autorin sehr wichtig ist. Sie ist und war immer eine leidenschaftliche Leserin, und ihre Botschaft ist, dass Lesen toll ist. Deshalb ist das Buch nicht nur für den Deutschunterricht an Schulen und Unis interessant. Es ist ein Buch für alle, die Deutschunterricht hatten und sich darin immer wieder veralbert und dumm fühlten, und die dennoch genussvoll Bücher lesen.

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