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Veröffentlicht am 16.10.2021

Eine amüsante, aber auch kritische Betrachtung unseres pandemiegeprägten Alltags

Die Wellenreiter
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Im ersten Coronaherbst ging es Wladimir noch gut. Seine Lesereisen fanden mit Maske, Desinfektionsmittel und Abstand statt. Gefährdeten Städte schaffte er, zu verlassen, bevor sie zum Risikogebiet erklärt ...

Im ersten Coronaherbst ging es Wladimir noch gut. Seine Lesereisen fanden mit Maske, Desinfektionsmittel und Abstand statt. Gefährdeten Städte schaffte er, zu verlassen, bevor sie zum Risikogebiet erklärt worden sind. Und die ihm drohende Quarantäne bezwang er mühelos. Doch irgendwann war auch seine Glückssträhne vorbei. Plötzlich schaute Wladimir vom heimischen Wohnzimmer zu, wie der Kampf gegen die unsichtbare Virenbedrohung immer verrückter wurde und das ganze Land in einen kontaktarmen Winterschlaf verfiel.

Bereits in der „verlorene Sommer“ hat Wladimir Kaminer den Alltag der Coronauten beschrieben und ist dabei mit viel Witz und Herz zu Werke gegangen. Diesmal setzt er noch eine Schippe drauf und berichtet von Infektionszahlen und Hygienekonzepten, von Impfpriorisierungen und Anwesenheitsdokumentation. Und wie es ist, nicht mehr niesen zu dürfen, ohne gleich ein Aussätziger zu sein. Ein Kampf wie David gegen Goliath. Nur, dass neben einst gut funktionierenden Familien auch ganze Brachen in den Ruin getrieben werden, in der Hoffnung, den unsichtbaren Feind besiegen zu können.

Mit einer guten Beobachtungsgabe, dem Gespür für erzählenswerte Details und einer ordentlichen Portion Humor gelingt es Wladimir Kaminer, die Änderungen in unserem pandemiegeprägten Leben so darzustellen, dass sich jeder in seinen Geschichten wiederfindet. Sei es als Hypochonder, der sämtliche Coronasymptome durchlebt, in der heimischen Küche bei Homeoffice und Onlineunterricht oder in der Rolle des folgsamen Bürgers, der in der Öffentlichkeit brav den rot markierten Pfeilen folgt.

Fazit und Bewertung:
„Die Wellenreiter: Geschichten aus dem neuen Deutschland“ ist eine amüsante, aber auch kritische Betrachtung unseres pandemiegeprägten Alltags, in dem ein Lockdown den nächsten jagt und die Coronastatistik die Nachrichten bestimmt.

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 10.10.2021

Ein subtiler Thriller, der menschliche Verhaltensweisen an den Pranger stellt.

Liebe deine Nachbarn wie dich selbst
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Gepflegte Grundstücke, verständnisvolle Nachbarn und Kinder, die auf der Straße spielen. Das alles findet man in dem englischen Vorort Lowland Way, deren Bewohner ein kleines Paradies erschaffen haben. ...

Gepflegte Grundstücke, verständnisvolle Nachbarn und Kinder, die auf der Straße spielen. Das alles findet man in dem englischen Vorort Lowland Way, deren Bewohner ein kleines Paradies erschaffen haben. Doch als nach dem Tod der alten Jane das Haus Nr. 1 neu bezogen wird, ändert sich alles. Denn der neue Besitzer Darren Both und seine Lebensgefährtin Jodie betreiben einen Autohandel und lieben laute Metal Musik. Deshalb nun an gibt es nur noch Streit, ein Junge wird von Darren angefahren und ein schreckliches Verbrechen geschieht. Daran ist natürlich Darren Schuld, wenn es nach der Meinung der Nachbarn geht. Nur die Polizei sieht das anders und so nimmt ein verhängnisvoller Kampf, die neuen Nachbarn loszuwerden, seinen Lauf.

„Liebe deine Nachbarn wie dich selbst“ ist ein fein gesponnener Psychothriller, der von vielen gut gehüteten Geheimnissen und wenig sichtbaren Verstrickungen der überschaubaren Bewohner von Lowland Way lebt. Da ist zum einen die eine Website betreibende Naomi Morgan, die das Zepter in der Hand hält und durch eine kinderfreundliche Kampagne bekannt geworden ist. Zum anderen lernt der Leser Sissy Watkins kennen, die in ihrem Haus einen Bed and Breakfast betreibt und durch die Pöbeleien der neuen Nachbarn ihre Kunden verliert. Und dann gibt es noch ein junges Ehepaar, dessen Kind aufgrund des Lärms nicht mehr schlafen kann und eine Handvoll weitere Bewohner, denen die plötzliche Unordnung auf der Straße so gar nicht gefällt.

Beginnend mit dem tödlichen Unfall werden die Ereignisse zunächst als Rückblick ab dem Zeitpunkt des Einzugs der neuen Nachbarn acht Woche zuvor erzählt, um danach chronologisch bis zur Klärung der Vorfälle nach dem Unfall fortgesetzt zu werden. So erhält der Leser einen guten Einblick in das sich immer weiter zuspitzende Geschehen, während er gleichzeitig die Nachbarn und in ihre Gefühle und Beweggründe besser kennenlernt. Dazu werden einzelnen Kapiteln Befragungsprotokolle der Polizei vorangestellt und um Vernehmungsniederschriften, Facebookposts und Artikel in der örtlichen Presse ergänzt. Ein Sammersurium an Informationen, die letztendlich zum Täter führen und ein Leseerlebnis, das wendungsreich und spannend ist.

Fazit und Bewertung:
„Liebe deine Nachbarn wie dich selbst“ ist ein subtiler Thriller, der menschliche Verhaltensweisen an den Pranger stellt und einen interessanten Blick hinter die Kulissen einer Vorstadtidylle gewährt, in der es lange Zeit brodelt und zu guter Letzt überkocht.

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Ein spannender und bitterböser Thriller

SCHWEIG!
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Am Tag vor Heiligabend fährt Esther zu ihrer Schwester Sue, die nach der Trennung von ihrem Mann, alleine in einem großen Haus im Wald wohnt. Viel zu sagen haben sich die beiden Frauen nicht. Denn während ...

Am Tag vor Heiligabend fährt Esther zu ihrer Schwester Sue, die nach der Trennung von ihrem Mann, alleine in einem großen Haus im Wald wohnt. Viel zu sagen haben sich die beiden Frauen nicht. Denn während Esther dominant und übergriffig ist und die Menschen in ihrer Umgebung ständig zu kontrollieren und beherrschen versucht, lehnt Sue die Manipulationen ihrer großen Schwester rigoros ab. Zu tief sitzen die Verletzungen aus der Kindheit, die ihr zugefügt wurden und die sie nur mit trickreichen Vergeltungsschlägen ertragen hat. Nun aber, nachdem Esther in ihrer Küche sitzt, sprechen sich aus. Und plötzlich kommen Dinge ans Tageslicht, die lieber im Verborgenen geblieben wären und eine tödliche Kurzschlusshandlung nach sich ziehen.

„Schweig!“ ist ein spannender und bitterböser Thriller um zwei Schwestern, die von einer verhängnisvollen Kindheit geprägt, schwer gezeichnet sind. Esther, die stets perfekt sein will und damit ihre Beziehung vergiftet und Sue, die ihre Ruhe liebt und wenig mit der überehrgeizigen Schwester anfangen kann. Doch am Vorweihnachtsabend wendet sich das Blatt. Als Esther ihre kleine Schwester mit ihren Forderungen in die Enge treibt, greift diese zum ersten Mal an und offenbart nicht nur ihre tiefsten Gefühle, sondern auch eine Wahrheit die Esther schwer trifft. Dabei ist Sue nicht die Einzige, die unter der Kontrollsucht ihrer Schwester zu leiden hat. Auch deren Mann Martin bleibt davon nicht verschont und hofft, eines Tages von ihr loszukommen.

Judith Merchant hat eine Geschichte voller finsterer Gedanken und Vergeltungsschläge erdacht, deren Tragweite erst allmählich durchschaut werden kann. Denn zunächst einmal sieht alles nach einer dem Weihnachtsfest entgegenfiebernden Familienidylle aus, in der die abtrünnige kleine Schwester einen gebührenden Platz erhalten soll. Dass sie das nicht will, ist nur schwer zu verstehen, wie auch die Tatsache, dass sie ein von ihrer Nichte liebevoll verpacktes Geschenk ablehnt. Von da an dauert es noch ein wenig, bis Rückblicke in die Vergangenheit abgrundtiefe Hintergründe offenbaren und aus der angestrebten Harmonie eine gefahrvolle Lügengeschichte wird.

Fazit:
Mit einem guten Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen und subtile Spannungen hat Judith Merchant einen bitterbösen Thriller geschrieben, der berührt und fesselt.

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Veröffentlicht am 25.09.2021

Ein spannender und blutiger Thriller, der zu viele Baustellen hat.

Herzschlag des Bösen
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Die Journalistin Hanna Engels möchte der ganzen Welt von den Gräueltaten der islamistischen Extremisten berichten. Deshalb fährt sie trotz ernsthafter Warnungen gemeinsam mit einem Fotografen und einem ...

Die Journalistin Hanna Engels möchte der ganzen Welt von den Gräueltaten der islamistischen Extremisten berichten. Deshalb fährt sie trotz ernsthafter Warnungen gemeinsam mit einem Fotografen und einem Trupp der nigerianischen Armee ins Rebellengebiet. Was ihr dort widerfährt, wird sie nie vergessen. Froh, nach ihrer Befreiung wieder in Frankfurt zu sein, ahnt sie nicht, dass auch dort eine Überraschung auf sie wartet, die extrem gefährlich ist. Denn ein Serienmörder hat es auf sie abgesehen und wartet darauf, mit ihr als Opfer sein blutiges Finale zu begehen.

„Herzschlag des Bösen“ ist ein spannender Thriller, der anfangs zu viele Baustellen hat und dadurch unübersichtlich in Erscheinung tritt. Erst später entwickelt sich das eigentliche Geschehen, das mit einer Reihe grausamer Morden einhergeht und für zartbesaitete Gemüter nicht geeignet ist. So fließt neben der detaillierten Beschreibung der Taten viel Blut und auch die Gedanken des tötenden Psychopathen sind abartig und widerlich. Hier hätten Andeutungen und kurze Tatortbeschreibungen ausgereicht, um die Gefährlichkeit und Abnormalität des Mörders nachvollziehbar darzustellen.

Der Schreibstil von Matthias Soeder ist flüssig, die Handlung wurde mit vielen interessanten Informationen versehen. Angefangen mit einem kleinen Einblick in die Gewalttaten der islamistischen Rebellen in Nigeria, über die verantwortungsvolle Arbeit eines Frachtflugpiloten, bis hin zu durchgeführten Mordermittlungen oder den Möglichkeiten eines Hackers, erfährt der Leser gut recherchierte oder selbst erlebte Details. Demgegenüber bleiben die Figuren erstaunlich blass und eindimensional. Und letztendlich ist es lediglich der Mörder selbst, der tief in sein Seelenleben blicken lässt.

Fazit und Bewertung:
„Herzschlag des Bösen“ ist ein Thriller, der schockt und polarisiert. Leser, die blutige und abartige Taten mögen, werden sich gut unterhalten fühlen, alle anderen sollten lieber die Finger davon lassen.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Ein zwielichtiger und bewegender Thriller

Nur ein Schritt
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Die Sozialarbeiterin Morgan steht in einer U-Bahnstation am Gleis, als eine fremde Frau sie bittet, ihr Baby zu nehmen. „Liebe sie an meiner Stelle“, fleht sie Morgen an und stürzt sich nur Sekunden später ...

Die Sozialarbeiterin Morgan steht in einer U-Bahnstation am Gleis, als eine fremde Frau sie bittet, ihr Baby zu nehmen. „Liebe sie an meiner Stelle“, fleht sie Morgen an und stürzt sich nur Sekunden später vor den einfahrenden Zug. Morgan, die sich sicher ist, dass die Fremde ihren Namen genannt hat, ist hilflos und geschockt. Was ist da gerade passiert und hätte sie es verhindern können? Mit wirren Gedanken im Kopf folgt sie einem Officer auf die Wache, wo sie auf Detective Karina Martinez stößt, die sie seit dem Selbstmord ihres Mannes Ryan kennt. Schon damals glaubte sie Morgan nicht und auch diesmal scheint sie in ihren Augen nicht schuldlos am Tod eines Menschen zu sein.

„Nur ein Schritt“ ist ein spannender Psychothriller, der sich um das Schicksal zweier Frauen rankt und um einem Geheimnis aus der Vergangenheit, das mit seinen zerstörerischen Schatten um sich greift. Nur ganz langsam und mit einer Reihe an nicht zu erklärenden Begebenheiten dringt es in ihr Leben ein und stellt diese auf den Kopf. So ist lange Zeit nicht klar, was der Leser von den sich zuspitzenden Ereignissen halten soll und wer von den beteiligten Personen glaubhaft ist und wer gnadenlos lügt. Auch ist nur schwer zu erkennen, welche Bedrohung über allem schwebt, bis es mitten im Feierabendverkehr an einer gut gefüllten U-Bahnstation zum Äußersten kommt.

Von der Sozialarbeiterin Morgan und der erfolgreichen Unternehmerin Nicole abwechselnd erzählt, nehmen die verhängnisvollen Geschehnisse ihren Lauf. Dabei gewähren beide Frauen einen tiefen Einblick in ihr Leben, berichten offen über das, was vor und nach dem tragischen Vorfall geschehen ist und scheuen sich nicht, grundlos ehrlich zu sein. Ein Sammelsurium an Gefühlen und Emotionen, in die erst Ordnung gebracht muss. Und dann, von einem Moment auf den anderen kristallisiert sich die Ursache des Übels heraus und mit ihr eine noch immer bestehende Gefahr, die gebannt werden muss.

Fazit und Bewertung:
Ein bewegender Thriller, der bis zum Schluss in Atem hält und durch viele eingebaute Täuschungsmanöver und Stolpersteine zwielichtig und wendungsreich in Erscheinung tritt.

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