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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.07.2023

Erstklassige Idee

Die letzte Nacht
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Eines Nachts, als die Ärztin Sara Linton in der Notaufnahme arbeitet, wird eine junge, schwerverletzte Frau eingeliefert, deren Leben allerdings nicht mehr zu retten ist. Im Todeskampf berichtet die Verletzte ...

Eines Nachts, als die Ärztin Sara Linton in der Notaufnahme arbeitet, wird eine junge, schwerverletzte Frau eingeliefert, deren Leben allerdings nicht mehr zu retten ist. Im Todeskampf berichtet die Verletzte der Ärztin Sara, dass sie vergewaltigt wurde, sich aber an kaum etwas erinnern kann. Die darauf folgenden polizeilichen Untersuchungen halten jedoch Überraschungen bereit. Die Ermittler Will Trent und Faith Mitchell haben eindeutige Hinweise, dass der Übergriff mit einem weiteren Überfall zusammenhängt – nämlich mit der vor 15 Jahren begangenen Vergewaltigung an Sara Linton selbst.

Karin Slaughters Werke faszinieren mich schon seit vielen Jahren, und die „Die letzte Nacht“ bildet dabei keine Ausnahme. Von der ersten bis zur letzten Zeile waberte unterschwellig eine bedrückende, bedrohliche Atmosphäre mit, allerdings meist nur sehr subtil. Doch genau damit lockte mich die Autorin meisterhaft von Kapitel zu Kapitel, um die Lösung des Falls zu entdecken und dieses Gefühl der Ungewissheit zu klären.

Ich bin immer wieder erstaunt über die vielen aufwändig recherchierten medizinischen Details und Möglichkeiten, die in die Szenen der Sara Linton eingebaut werden. Im aktuellen Buch waren Saras Fachkenntnisse sogar entscheidend für die Lösung des Falls. Die Ärztin glänzte allerdings auch in der Opferrolle, denn die Momente ihrer damaligen Vergewaltigung, und alle dazugehörigen Umstände, wurden schonungslos auf den Tisch gebracht. Dabei grub Slaughter tief: Die Konfrontation ließ Sara ihr Trauma in aller Härte aufleben, wobei mich die entsetzlichen Einzelheiten des Überfalls und die damit verbundenen Emotionen und Gefühle völlig erschütterten. Meiner Ansicht nach hat die Autorin dadurch aber auch fantastische Aufklärungsarbeit geleistet, denn die problematischen Nachwehen eines solch schrecklichen Verbrechens werden in der Regel gesellschaftlich wohl eher wenig thematisiert. Zudem wirkten die Ermittlungen außerordentlich fundiert, denn das Team um Will Trent agierte sehr authentisch, wägte Risiken ab und bezog auch rechtliche Hintergründe mit ein.

Erstklassig empfand ich auch die Idee des Falls an sich, der sich für mich durchaus glaubhaft darstellte. Hier wurde nicht überdramatisiert oder Effekthascherei betrieben, sondern die Möglichkeiten und Tricks in der Ermittlungsarbeit, inklusive der Stolpersteine und Risiken, demonstriert. Für mich war dies tatsächlich aufregend genug, da in diesem Zusammenhang auch private Ängste und Unsicherheiten der Teammitglieder bearbeitet wurden. Zudem schien mir, dass die Autorin grundsätzlich einen durchaus unaufgeregten, realistischen Blick auf die Welt hatte, was ich aus verschiedenen Passagen herauslesen konnte. Währenddessen durfte ich wunderbar eigene Vermutungen über den Täter anstellen, die ich dann – dank einiger spannender Wendungen - allerdings mehrmals überdenken musste.

Wer die Charaktere aus Karin Slaughters Thriller-Reihen noch nicht kennt, dem sei gesagt, dass jeder davon interessant, und ein echtes Unikat ist, wobei deren jeweilige Lebenswege im Laufe der Serie ziemlich ausführlich enthüllt werden. Es lohnt sich also doppelt die Serie von Anfang an zu verfolgen. In diesem aktuellen Thriller, der übrigens unabhängig gelesen werden kann, habe ich jedoch etwas mit Wills Partnerin Faith gehadert, die mir mit ihrer Kontrollsucht etwas auf den Zeiger ging. Allerdings machte die resolute Vorgesetzte Amanda diesen Umstand wieder wett. Diese Frau ist immer für Überraschungen gut und lässt mich aufgrund ihrer Art regelmäßig schmunzeln.

Kurzum, „Die letzte Nacht“ war eine Lektüre ganz nach meinem Geschmack, mit großer Authentizität und einer aufregenden Ermittlung. Ehrlich gesagt würde ich gerne umgehend den nächsten Teil der Reihe lesen – aber man kann ja nicht alles haben. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Hat mich auf keiner Ebene erreicht

Eine Nacht mit dir
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Ruby will aus London wegziehen und löst ihren Hausstand auf. Bei der Gelegenheit begegnet sie Nic, der ihr Sofa kaufen möchte. Die beiden sind schnell voneinander angetan – doch sie wissen, dass ihre Lebensplanung ...

Ruby will aus London wegziehen und löst ihren Hausstand auf. Bei der Gelegenheit begegnet sie Nic, der ihr Sofa kaufen möchte. Die beiden sind schnell voneinander angetan – doch sie wissen, dass ihre Lebensplanung nicht miteinander harmoniert. Ob sie sich trotzdem wiedersehen?

Hätte ich es lieber bleiben lassen! Ja, ich rede von diesem Roman, der mir durch verschiedene Teaser als romantisch und mitfühlend angepriesen wurde. Doch Fakt ist, dass ich schon lange nicht mehr so gelangweilt, genervt und verwirrt war, wie von dieser Geschichte.

Schon der Beginn der Story schien mir recht unglücklich gewählt. Statt romantischem, charmantem Kennenlernen mit netter Kommunikation, legten die Protagonisten einen One-Night-Stand aufs Parkett. Die Kennenlernphase war eigentlich gar nicht richtig gegeben, stattdessen musste ich mich mit vielen Oberflächlichkeiten, anzüglichen Gesprächen und viel uninteressantem Blabla auseinandersetzen. So richtig spannend oder prickelnd wirkte das alles jedenfalls nicht auf mich; auch nicht, was den Erzählstil betraf. Irritiert haben mich zudem die theatralischen (Gedanken-) Momente, die irgendwie nicht so recht zu dem One-Night-Stand-Entwurf passen wollten.

Nach einer gewissen Zeit hatte ich den Eindruck, hier werden alle möglichen Themen, die Beziehung, Sex und sexuelle Orientierung betrafen, auf Biegen und Brechen mit voller Dramatik, teilweise mit erhobenem Zeigefinger, untergebracht. Von vulgären Ausdrücken, über zwanglose Beziehungen oder Geschlechtskrankheiten – alles dabei. So wirkte die Dynamik dieser Geschichte auf mich etwas orientierungslos, bzw. verzettelt. Manchmal fragte ich mich, worauf die Geschichte eigentlich hinauslaufen sollte. Spannend waren eigentlich vor allem die Nebenschauplätze, wie beispielsweise die Suche nach der verschollenen Liebe eines Pensionärs, oder die Entzweiung einer langjährigen Freundschaft, was jedoch stets nicht ausreichend verfolgt wurde. 

Zudem fand ich die Beziehung zwischen den Protagonisten weder romantisch, noch aufregend; sie warf bei mir eher Unverständnis und Fragen auf. Ich hatte demnach nicht nur zur Handlung, sondern auch zu den Charakteren keinerlei Zugang. Ich fühlte ihre Verbindung nicht und fand ihre Gespräche oder Gedanken in den meisten Fällen eher etwas theatralisch.

Gesamt gesehen blieb mir die Story viel zu sachlich, nüchtern und emotionslos. Das Schlimme war, es hätte genug Aspekte gegeben, die einer näheren Betrachtung wert gewesen wären, doch dieser Roman wurde mit einer derart großen Dichte von Problemen überschwemmt, dass für Tiefgründigkeit überhaupt kein Platz mehr war. Seltsamerweise hatte ich den ambivalenten Eindruck, es passiere nicht viel im Lauf der Geschichte, und tatsächlich stellte sich bei mir immer wieder Langeweile ein. Im Grunde war mir diese ganze Erzählung fremd, zu unverbindlich, kitschig und gefühlt konstruiert. Eine herbe Enttäuschung!

„Eine Nacht mit Dir“ konnte mich am Ende auf keiner Ebene erreichen. Die Teaser beschreiben den Inhalt des Romans meiner Meinung nach nicht einmal annähernd. Ich fand hier keine Romantik, keinen Witz oder große Emotionen. Daher spreche ich dieses Mal ganz klar und ungeschönt keine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Nicht so gut wie erhofft

Secrets of the Campbell Sisters, Band 1: April & May. Der Skandal (Sinnliche Regency Romance von der Erfolgsautorin der Golden-Campus-Trilogie)
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Die Campbell-Familie ist verarmt. Um dennoch eine Mitgift zu erhalten, müssen die vier Töchter in der Reihenfolge ihres Alters heiraten. Aus diesem Grund sucht April, die älteste Schwester, eine gute Partie ...

Die Campbell-Familie ist verarmt. Um dennoch eine Mitgift zu erhalten, müssen die vier Töchter in der Reihenfolge ihres Alters heiraten. Aus diesem Grund sucht April, die älteste Schwester, eine gute Partie für sich und macht sich auf, um die Londoner Ballsaison zu besuchen. Doch ein Skandal, über den niemand spricht, hängt wie ein Damoklesschwert über ihr, und ihr Ruf entsprechend am seidenen Faden. Als Nathaniel Pembroke vor ihr steht, gerät ihre Entschlusskraft ins Wanken, denn er war der Verursacher des Skandals. Aber nicht nur April hat den jungen Adligen gesehen, sondern er wird auch von der Londoner Gesellschaft ganz genau beobachtet. Ob April ihre Gefühle in Zaum halten und sich von Nathaniel abwenden kann?

Da ich aktuell wieder einmal auf den „Regency“-Zug aufgesprungen bin, dachte ich, ich könnte mir bei der Gelegenheit auch einmal einen Eindruck von einer Jugendbuch-Version aus dem entsprechenden Subgenre verschaffen. Gesagt getan, doch letztlich rangieren die „Campbell Sisters“, meiner Einschätzung nach, lediglich im guten Mittelfeld.

Den Beginn des Romans empfand ich ziemlich zäh, wobei auch eine eher bedrückende Stimmung die Geschichte einleitete, was sich später aber deutlich besserte. Lesen ließ sich die Erzählung allerdings gut, und ich fand sie auch ganz unterhaltsam, wobei der Dreh- und Angelpunkt der Probleme wie so oft lediglich in einer ungeklärten Situation lag, die mit Leichtigkeit hätte gelöst werden können. Daher war einiges für mich nicht glaubwürdig, allem voran Aprils Unkenntnis über die wirklichen Verhältnisse im Leben ihres geliebten Lord Pembroke. Die vielen „Spielchen“, um April und Nathaniel wieder zusammenzubringen, waren mir zudem auf Dauer zu langweilig und nervig, genau wie der Umstand, dass sich gefühlt jeder der Charaktere selbst belog. Entsprechend stellten sich mir manche Passagen zu langatmig und zu inhaltslos dar.

Erstaunlicherweise zeigten lediglich die Männerfiguren einen Anflug von Charisma. Sie wirkten interessant und ihr Benehmen der Zeit entsprechend, ganz im Gegensatz zu den Damen im Geschehen, die mir alle viel zu blass und manchmal etwas unbesonnen daherkamen. Letztlich setzte sich bei keiner Figur, aber auch in keinem wichtigen Moment, der erwartete Glamour durch, den ich mir im Hinblick auf das Genre versprach.

Am Ende hatte ich aber doch ein paar recht unterhaltsame Lesestunden mit „Secrets of the Campbell Sisters“. Als gut geschrieben, mit gefühlvollen Momenten, ober ohne wirkliche Höhepunkte, wird mir Lyla Paynes erster Teil der Dilogie in Erinnerung bleiben. Band zwei steht bei mir daher eher nicht auf dem Plan.

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Großer Lesespaß

Eine Lady hat die Wahl
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Die junge Eliza Balfour muss sich mit ihrem Witwen-Dasein arrangieren, welches ihr ein beträchtliches Vermögen eingebracht hat. Allzu sehr trauert Eliza jedoch nicht, denn ihre Ehe war lediglich der Wunsch ...

Die junge Eliza Balfour muss sich mit ihrem Witwen-Dasein arrangieren, welches ihr ein beträchtliches Vermögen eingebracht hat. Allzu sehr trauert Eliza jedoch nicht, denn ihre Ehe war lediglich der Wunsch ihrer Familie. Tragischerweise wurde im Testament eine Klausel festgesetzt, die besagt, dass ihr das Vermögen nur zusteht, solange sie einen tadellosen Lebenswandel vorweisen kann. Eigentlich sollte diese Forderung für Eliza problemlos zu schaffen sein, doch dann begegnet sie ihrer ersten großen Liebe Oliver und fast zeitgleich dem höchst charmanten Schriftsteller Lord Melville, der sich sehr um Eliza bemüht.

Als ich Sophie Irwins neuestes Buch entdeckte, hatte ich sofort wieder Laune auf einen Ausflug in die Regency-Zeit, denn ihr Roman „Wie man sich einen Lord angelt“ ist mir in überaus guter Erinnerung geblieben.

Wie erhofft, wurde ich auch dieses Mal nicht enttäuscht - ich hatte richtig viel Spaß an der Geschichte. So wurden die damaligen strengen Konventionen der höheren Gesellschaftsschicht, und die damit verbundenen Nöte, unterhaltsam und mit einer Prise Humor in Szene gesetzt, und obwohl die Protagonistin Eliza so sehr in den Gepflogenheiten der Epoche gefangen war, fasste sie mit der Zeit Mut, arbeitete an ihrer Unabhängigkeit, und war sich darüber hinaus nicht zu schade, Rat und Hilfe von Freunden anzunehmen. Die charmanten Figuren und Elizas Entwicklung standen nämlich in engem Kontakt, denn nur durch die unkonventionellen Verhaltens- und Denkweisen der Melville-Geschwister war es der Protagonistin möglich, aus ihrem bisherigen Lebensentwurf auszubrechen und Neues zu wagen. Ich fand diesen Aspekt sehr realistisch und bodenständig.

Lord Melville, der sich so ärgerlich nervtötend, aber auch wundervoll hartnäckig hinsichtlich Elizas Entwicklung gab, entpuppte sich schnell als einer meiner Lieblingscharaktere. Er trug viel Schwung und Lebendigkeit in die Geschichte, zeigte Humor, und hielt Eliza auf verschiedenen Ebenen ganz schön auf Trab. Aber auch die übrigen Charaktere hatten meine volle Sympathie; sogar die zänkischen, mit denen die Autorin viel Bewegung in die Handlung bringen konnte. Für spannende Momente in Sachen Liebe wurde natürlich auch gesorgt – in einer angenehm subtilen, zurückhaltenden Art und Weise.

Mir gefiel es, wie Sophie Irwin die zurückhaltende Eleganz des damaligen Zeitgeistes in Szene gesetzt hat. Die Figuren gingen respektvoll miteinander um, wobei selbst so manch ausgeteilte Spitzen noch höflich wirkten, was ich außerordentlich witzig fand. Auch die Botschaft, dass man sein privates Glück nicht unter jenes der Gesellschaft stellen sollte, fand ich bewegend, und durch Elizas Entfaltung ausgezeichnet verkörpert. Das Ganze fand erfreulicherweise im authentischen Rahmen der Epoche statt, erzählt im passenden Stil und ohne überzogenes Emanzipations-Gehabe.

„Eine Lady hat die Wahl“ sorgte bei mir für einige amüsante Lesestunden. Gefühlvoll geschrieben, mit einer sympathischen, starken Protagonistin und einer herzerwärmenden Romanze, kommt diese Geschichte ohne Kitsch und Erotik aus. Hier geht es um mehr als um die Liebe, darum punktet dieser Roman bei mir sogar doppelt. Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 07.07.2023

Unsagbar spannend - auf allen Ebenen

Refugium
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Als die Schriftstellerin Julia Malmros Insider-Informationen für ihren neuen Krimi benötigt, tritt der Hacker Kim Ribbing in ihr Leben. Zufällig sind die beiden in der Nähe, als ein grausames Verbrechen ...

Als die Schriftstellerin Julia Malmros Insider-Informationen für ihren neuen Krimi benötigt, tritt der Hacker Kim Ribbing in ihr Leben. Zufällig sind die beiden in der Nähe, als ein grausames Verbrechen auf einer Schäreninsel geschieht. Als ehemalige Polizistin handelt Julia routiniert und geht der Sache später sogar privat nach. Unterstützung bekommt sie in dem Fall von Kim, der die Täter über das Internet verfolgt. Immer wieder stellt sich Julia die Frage, ob Kim etwas zu verbergen hat, da er seine Nachforschungen ausschließlich alleine erledigt. Und wer sind eigentlich die Drahtzieher der schrecklichen Morde?

Nachdem ich John Ajvide Lindqvists fantastischen Erzählstil erst kürzlich in dessen Werk „Unwesen“ entdecken durfte, stand ich freiwillig in vorderster Reihe, als die ersten Leseexemplare für „Refugium“ vergeben wurden. Während des Lesens entwickelte sich der Auftakt dieser neuen Spannungstrilogie für mich sogar als absoluter Pageturner, dessen umfassende Idee mich so vereinnahmte, wie einst die Millenium-Reihe von Stieg Larsson, auf die im Verlauf der Geschichte sogar eingegangen wurde.

Es war beeindruckend, wie sich Lindqvist den Protagonisten in jedem Moment annahm, dabei innere und äußere Konflikte schilderte, die Vergangenheit ins Licht rückte und eine andauernde Ungewissheit im Status quo über die Handlung wabern ließ, ohne unnötig ausschweifend zu werden. Von Langweile oder Effekthascherei keine Spur! Gleichzeitig zog er das Geschehen rund um die Fahndung kontinuierlich an, wobei es nicht nur einen Hotspot gab, sondern meine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Erkenntnisse und Recherchen verschiedener Ermittler und Helfer gerichtet wurde. Die ehemalige Polizistin Julia zeigte sich in diesem Zusammenhang als Kontaktperson immer wieder sehr hilfreich, wobei mich aber auch die Dynamik ihrer seltsamen Beziehung zu Kim faszinierte.

So machte ich mein persönliches Highlight schnell in der Figur des Kim Ribbing aus, der mich immer wieder überraschen konnte, indem er nach und nach seinen Charakter offenbarte. Unfassbar, welch stiller Sturm in dem jungen Mann tobte, während er zielgerichtet seiner eigenen, geheimen Agenda folgte, aber auch entschlossen die Zügel in die Hand nahm, um die Verantwortlichen des perfiden Massakers in den Schären aus dem Verkehr zu ziehen. Obwohl Kim mir mit seiner zurückhaltenden, empathischen Art, seiner Klugheit, und seinem Gerechtigkeitssinn unwahrscheinlich sympathisch war, konnte mich der Autor zum Schluss mit einer unerwarteten, perfekten Cliffhanger-Situation ziemlich verunsichern – denn plötzlich wusste ich nicht mehr, ob Kim wirklich der war, für den ich ihn bisher gehalten hatte. Fantastisch!

Fakt ist, diese Geschichte wurde für mich von Kapitel zu Kapitel interessanter. Die beachtlichen Fähigkeiten und die Kontakte des jungen Hackers entfalteten sich zunehmend, während tröpfchenweise neue Spieler auf dem Feld auftauchten und im Geschehen mitmischten. Hervorragend und zeitgemäß fand ich auch die Themen, die der Autor mal laut, mal leise in diesen Thriller einfließen ließ. Wirtschaftskriminalität, Korruption, Spionage, aber auch sehr persönliche, menschliche Probleme, wie Missbrauch, Vereinsamung, Armut oder Vernachlässigung durften hier ihr Gesicht zeigen und ihren Finger in die Missstände der Welt legen. Ich empfand diese Geschichte nicht nur als spannungsgeladen, sondern sie sprach auch deutlich meine emotionale Seite an; dabei oftmals sehr subtil. Die ideale Mischung für großartige, wertvolle Unterhaltung. Ein Jammer, dass dieser Autor erst jetzt in meine persönliche Buchwelt getreten ist.

Letztlich nimmt „Refugium“ eindeutig einen Platz auf meiner Lieblingsbuchliste des Jahres ein! Origineller Plot, interessante Handlungsschauplätze, ein Sammelsurium an thematisch nachdrücklichen Momenten, und ein außergewöhnlicher Protagonist machten diesen Thriller für mich zu einem erstklassigen Leseerlebnis. Unbedingt lesen!

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