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Veröffentlicht am 14.12.2023

Düstere, un(be)greifbare Heimat

Terafik
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Nilufars Vater Khosrow ist Iraner; nachdem sich seine Frau von ihm getrennt hatte, verließ er Deutschland und kehrte in den Iran zurück. Nun, mit Anfang 30, soll Nilufar ihn in dem diktatorischen Land ...

Nilufars Vater Khosrow ist Iraner; nachdem sich seine Frau von ihm getrennt hatte, verließ er Deutschland und kehrte in den Iran zurück. Nun, mit Anfang 30, soll Nilufar ihn in dem diktatorischen Land besuchen. Die Lust dazu ist enden wollend, doch Wahl bleibt ihr scheinbar keine. So bricht sie auf in ein Land, dass ihr surreal und fremd erscheint und doch ist es ein Teil von ihr. Dort angekommen, wird sie in die komplizierten Verstrickungen ihrer Familie hineingezogen und wie am Präsentierteller herumgereicht. Anstatt das Land kennenzulernen, trifft sie auf die komplexen Verflechtungen ihrer Großfamilie und fühlt sich von Tag zu Tag mehr eingesperrt.

Mutmaßlich verarbeitet die Autorin in "Terafik" ihre eigene Lebensgeschichte, ihre Suche nach ihrer eigenen Identität. Stilistisch durchaus spannend, wechseln sich die Erzählperspektiven ab: Nilufar lässt den/die Leserin an ihrer inneren Zerrissenheit bezüglich ihrer Identität, der Beziehung mit ihrem Vater, ihrer Mutter und mit ihrer Lebensgefährtin teilhaben. Zwischendurch - mittels kursiver Schrift gekennzeichnet - wird das Leben ihres Vaters, vor allem jenes in Deutschland, nachgezeichnet. Immer wieder werden auch Antworten auf Fragen, die Nilufar an ihn stellt, eingestreut. Ausführlich wird auch berichtet, wie es ist, als "Ausländerkind" in Deutschland aufzuwachsen und wie Menschen aus anderen Ländern als Menschen zweiter Klasse behandelt werden - diese Schilderungen zu lesen, ist schmerzhaft! Ein seltsames Bauchgefühlt bot sich auch bei den Beschreibungen der Familienzusammenkünfte im Iran - die strikte Rollenaufteilung der Geschlechter, die vorausgesetzte Gastfreundlichkeit und ein Interesse für Nilufar, bei dem der/die Leserin nicht weiß, ob es ehrlich ist, oder auch als Teil des Rollenspiels Familie gilt. Immer wieder verfällt die Autorin stilistisch auch in sinnsuchende Poetik.

Nach Beendigung des Buches bin ich mir aber nicht sicher, um was es in Terafik tatsächlich gehen sollte. Der rote Faden taucht zwar immer wieder auf, verläuft sich aber zwischendurch auch wieder im Sande. Dramaturgisch beginnt Terafik interessant, mit den unterschiedlichen Erzählebenen, diese werden aber im Laufe des Buches immer weniger und das Autobiographische - durchmischt mit philosophischer Poetik - dominiert. Trotzdem ich die Thematik spannend fand und der Schreibstil grundsätzlich ansprechend ist, hat mir aber der Spannungsbogen komplett gefehlt. Wie ich das Buch beendet habe, blieben viele Fragezeichen und ein runder Abschluss fehlte. Gestört hat mich auch, dass doch recht viele Rechtschreibfehler im Buch sind (ich habe das Ebook gelesen. Natürlich meine ich bei diesen Rechtschreibfehlern nicht die Zitate des Vaters, der in gebrochenem Deutsch schreibt, sondern tatsächliche "Schlampigkeitsfehler"). Was aber auf alle Fälle hängen bleibt, ist, dass das Konstrukt "Familie" im Iran sehr unterschiedlich zum Mitteleuropäischen Konzept ist - und das ist spannend und erweitert den Horizont!

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Auf den Spuren eines Todes

Simone
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Was muss geschehen sein, dass sich ein Mensch das Leben nimmt? Hätte der Tod verhindert werden können? Und gibt es eine Person oder ein Ereignis, die bzw. das Schuld am selbstgewählten Ableben ist? Diese ...

Was muss geschehen sein, dass sich ein Mensch das Leben nimmt? Hätte der Tod verhindert werden können? Und gibt es eine Person oder ein Ereignis, die bzw. das Schuld am selbstgewählten Ableben ist? Diese und mehr Fragen stellt sich auch die Journalistin und Autorin Anja Reich. Ihre gute Freundin Simone hat sich Mitte der 1990ern das Leben genommen, scheinbar vollkommen unvorhersehbar. In "Simone" begibt sich Reich auf Spurensuche und zeichnet den Lebensweg ihrer Freundin und deren Familie nach: von der Lebensgeschichte ihrer Großeltern und Eltern, über das Aufwachsen Simones in der DDR, hin zum einschneidenden Ereignis der Wiedervereinigung bis zum mutmaßlichen Selbstmord der knapp 27-Jährigen.

Zugegebenermaßen bin ich, wie ich begonnen habe das Buch zu lesen, davon ausgegangen, dass es sich bei "Simone" um einen fiktiven Roman handelt - aus dem Klappentext war für mich nicht ersichtlich, dass Anja Reich tatsächlich über reale Begebenheiten schreibt. Dementsprechend langatmig empfand ich den Beginn des Buches - Schilderungen über die Vorfahren Simones, geschichtliche Überblicke, es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie zu der "Hauptprotagonistin" kam. Doch als Simone die Bühne des Buches betritt und klar wird, dass Reich versucht ihr Leben und ihren Tod bestmöglich nachzuzeichnen, um eine Erklärung für das Unvorstellbare - den Suizid - zu finden, wird das Werk spannend. Einfühlsam aber schonungslos ehrlich porträtiert sie Simone, ihre anziehende offene Art genauso wie ihre scheinbare Herrschsucht und Unsicherheit. Sie setzt ihrer Freundin ein Denkmal, das als Beispiel dienen kann, nachzuempfinden, wie psychische Erkrankungen Menschen beeinflussen und verändern - für Außenstehende oft nicht erkennbar.

Das Buch ist harte Kost. Es ist berührend, mitnehmend und anstrengend zugleich. Ich finde es empfehlenswert für alle, die sich dafür interessieren, was in einem Menschen mit einer psychischen Erkrankung (mit Suizidgedanken) vorgeht; es kann anhand einer tatsächlichen Lebensgeschichte einiges erklären und fühlbar machen. Abraten würde ich aber jenen, die sich in akuten Krisen befinden oder die eine Trauerbewältigung nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen noch nicht abgeschlossen haben, zu schwer und bedrückend wiegt das Thema.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Die Archäologie der Erinnerungen

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Doris Knechts namenlose Protagonistin stellt in "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" fest, dass sie viele Begebenheiten ihres Lebens tief ins Un(ter)bewusste vergraben hat. In ...

Doris Knechts namenlose Protagonistin stellt in "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" fest, dass sie viele Begebenheiten ihres Lebens tief ins Un(ter)bewusste vergraben hat. In einer Phase des Umbruchs - ihre Kinder werden flügge, weshalb sie sich auf die Suche nach einer anderen, leistbaren Wohnung machen muss - gräbt sie ihre Erinnerungen aus und entdeckt nach und nach, was sie zu der Person machte, die sie heute ist.

Der neue Titel von Doris Knecht lockt mit einem ansprechenden Titel und Cover - es lässt sich erahnen, dass auch ein Hund eine gewisse Rolle in dem Roman spielen wird. Die Story wird autofiktional erzählt. Die gewählte Sprache erschien mir anfänglich sehr galoppierend, doch gewöhnte ich mich schnell an das Tempo und rasch konnte ich mich in die Titelfigur hineinversetzen. Die einzelnen Kapiteln sind mit einem eingängigen Header tituliert und halten sich meist recht kurz, was das Buch zusätzlich sehr kurzweilig macht. Die Plots sind nachvollziehbar, aber spannend und durchaus humoristisch. Die Hauptprotagonistin lässt die Leserinnen in fesselnder Art und Weise an der Entdeckung ihres Vergessenen teilnehmen. Treffend analysiert sie dabei ihre Beziehung zu ihrer Familie, ihren Kindern, ihren Freundinnen und auch zu den Männer, die in ihrem Leben immer wieder auftauchten. Lediglich der Kindsvater wird eher ausgeklammert und auch die Tatsache, dass ihr Hund nur "der Hund" genannt wird, wirkt etwas unpersönlich.

Ich hätte gerne noch viele Seiten mehr an dem Leben der Protagonistin teilgenommen, so sympathisch ist sie mir geworden. Von Beginn an schafft es die Autorin ein Kopfkino bei der bzw. dem Leser*in zu starten. Das Buch hinterlässt ein wohliges Gefühl und ist definitiv ein Werk, was mir in Erinnerung bleiben und in Zukunft erneut gelesen wird.

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Veröffentlicht am 01.12.2023

Der Bus, die Frau und der Weg zu ihr selbst

Eine Frau, ihr Bus und der unverschämt kluge Plan
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Annie fühlt sich gerade in ihrem Leben nicht so wohl. Der Job nervt, nach einer Brustkrebserkrankung ist sie immer noch nicht ganz bei Kräften, irgendwie klappt es auch nicht so gut mit ihrem Mann und ...

Annie fühlt sich gerade in ihrem Leben nicht so wohl. Der Job nervt, nach einer Brustkrebserkrankung ist sie immer noch nicht ganz bei Kräften, irgendwie klappt es auch nicht so gut mit ihrem Mann und zu ihrem pubertierenden Sohn findet sie keine Verbindung mehr. Durch einen Wink des Schicksals fällt ihr ein roter Oldtimer-Bus zu und sie beginnt durch die schwedische Provinz zu fahren, um darin Unterwäsche zu verkaufen. Sie will die Zeit nutzen, um sich darüber klar zu werden, was sie eigentlich im Leben will. Viele verschiedene Begegnungen beeinflussen den Weg ihrer Selbstfindung. Und ihr Talent, gefühlvoll mit den Menschen umzugehen, beeinflusst diese wiederum auf positive Art und Weise.

Zugegebenermaßen fand ich den Titel und das Cover nicht sonderlicher ansprechend, da ich aber eine Vorliebe für skandinavische Literatur habe, wollte ich Näheres über das Buch erfahren und fand die Inhaltsbeschreibung sehr reizvoll. Das Buch hat mich dann von Anfang an überzeugt - ich empfand den Schreibstil sehr einnehmend, mag ich es doch grundsätzlich sehr gerne, wenn die Protagonistin selbst erzählt und alles so beschrieben wird, dass sich die Lesenden bildlich und auch gefühlsmäßig gut in die Story hineinversetzen können. Hinzu kommt der Lokalkolorit aus Darlana und Umgebung und die schwedischen Eigenheiten, die die beschriebenen Menschen besonders machen.

Ich bin ungefähr in Annies Alter und kann die Gedanken über das Leben sehr gut nachvollziehen. Bedauerlicherweise habe ich eine ähnliche Krankheitsgeschichte und da muss ich sagen, dass ich mir ab und an mit der Thematisierung der Krankheit schwer getan habe. Ehrlicherweise hätte ich das Buch nicht gelesen, hätte ich von der Inhaltsbeschreibung gewusst, dass Brustkrebs eine Rolle in diesem Roman spielt. Das hat einiges getriggert und war für mich nicht immer leicht zu lesen, aber schlussendlich fand ich es schön und auch ein Stück weit inspirierend, wie sie die Krankheit hinter sich gelassen hat.

Bezaubernd fand ich die einzelnen Begegnungen mit verschiedenen Menschen, die Annie im Laufe der Geschichte trifft. Ihre gefühlvolle Art auf die Menschen, mit denen sie interagiert, einzugehen, ist wirklich herzerwärmend, aber nicht kitschig. Trotzdem Annie grundsätzlich positiv ist, schwingen doch immer realistischer Zweifel, sehr nachvollziehbare Enttäuschungen und eine gewisse Melancholie mit, die das Buch für mich nur noch glaubhafter machen. Das Buchrückenzitat der Dagens Nyheter "Das ist ein intelligenter schwedischer Feelgood, der nie zu zuckersüß wird, sondern einen schönen melancholischen Grundton bewahrt." trifft es für mich auf den Punkt.

Mein Fazit: Wer Schweden mag, einer starken Protagonistin auf ihrem Weg zur Selbstfindung begleiten und mit ihr Höhen und Tiefen erleben will, ohne dass es zu philosophisch oder gesellschaftskritisch wird, ist hier genau richtig. Eine Triggerwarnung an alle, die mit Brustkrebs zu tun hatten, das kann durchaus herausfordernd werden. Insgesamt ein schönes Buch, das ein wohliges und zuversichtliches Gefühl hinterlässt.

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Veröffentlicht am 26.11.2023

Rasantes aus der Welt der Hacker/innen

The Unknown Link: Cyberella
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Vorab: ich habe die ersten beiden Teile der Trilogie nicht (vollständig) gelesen. Der Prolog in diesem Buch beginnt rasant und spannend mit einer Flucht. Danach begleiten wir die Hauptprotagonistin Zara ...

Vorab: ich habe die ersten beiden Teile der Trilogie nicht (vollständig) gelesen. Der Prolog in diesem Buch beginnt rasant und spannend mit einer Flucht. Danach begleiten wir die Hauptprotagonistin Zara aka Cyberella in einer Reise um die Welt, um unerkannt Mister Unknown zu treffen, der ihr ein Angebot macht, gemeinsam einen Erzfeind aufzuspüren und zu besiegen. Doch es kommt anders und schnell ist Zara dabei gemeinsam mit einigen Verbündeten die Welt zu retten. Ihre KI "Spinne" bekommt ungewollt eine wesentliche Rolle in dem drohenden Unheil...

Zwar war "The Unknown Link" durchaus spannend und kurzweilig zu lesen, ich konnte mich aber nie ganz in die Geschichte hineinversetzen. Ich hatte ständig das Gefühl, dass mir Details aus den Vorgängerromanen fehlen, auch wenn doch einiges geschildert wird - ich würde aber auf alle Fälle empfehlen, die ersten beiden Bände der Reihe zu lesen, wenn einem die Reihe grundsätzlich zusagt! Ich hatte mit dem ersten Teil "The Backdoor Link" begonnen, konnte mich aber auch hier nicht in die Story einfinden und gab nach 70 Seiten auf. Irgendwie fehlte es mir bei beiden Werken an Tiefe, trotzdem es sich zweifelsohne um eine komplex erschaffene Welt an Hackern und Systemsprengern handelt. Meinem persönlichen Geschmack hätte es entsprochen, wenn die ideologischen Hintergründe der verschiedenen Taten intensiver beleuchtet worden wären. Auch war für mich die doch recht oberflächliche Beschreibung der Hacker/innen-Welt nicht sonderlich glaubwürdig, ich empfand einiges als unrealistisch. Würde die Reihe verfilmt werden, würde es sich definitiv um einen Action-Film handeln. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, dass es mir nicht so zugesagt hat, bevorzuge ich grundsätzlich langsame und tiefgründigere Geschichten.

Mein Fazit: Roland Hebesberger hat zweifelsohne eine rasante, actionreiche Hacker/innen-Welt mit diversen Charakteren erschaffen, der es für meinen persönlichen Geschmack aber an Tiefgang und Entschleunigung fehlt. Wer zahlreiche Wendungen und ein schnelles Tempo mag, ist hier aber sicher gut aufgehoben, wie die vielen positiven Rezensionen belegen.

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