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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.05.2024

Der Widerstand von Hannie Schaft

Wir waren nur Mädchen
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«Wir waren nur Mädchen» erzählt eindrucksvoll die Geschichte von der niederländischen Widerstandskämpferin Hannie Schaft, die sich 1940 der bewaffneten Widerstandsgruppe RVV anschliesst, um ihre jüdischen ...

«Wir waren nur Mädchen» erzählt eindrucksvoll die Geschichte von der niederländischen Widerstandskämpferin Hannie Schaft, die sich 1940 der bewaffneten Widerstandsgruppe RVV anschliesst, um ihre jüdischen Freundinnen Philine und Sonja vor den Nationalsozialisten beschützen zu können. Eine ihrer Kontaktpersonen ist Jan, der ihr das Schießen beibringt. Die Nähe zu ihm bringt sie durcheinander und Hannie entwickelt Gefühle für Jan. Schließlich wird sie zu einer gesuchten Kämpferin, die alles für die Freiheit riskiert.

„Bitte lasst mich nicht sterben, bevor der Krieg vorbei ist.“

Spannend und mitreißend geschrieben, nimmt einen dieses Buch sehr ein. Alles ist greifbar und Hannies Gedanken und Gefühle lassen sich bedrückend gut nachvollziehen. Die Angst, ertappt, verraten oder festgenommen zu werden, die Qualen der Hilflosigkeit, der Hannie durch ihren Widerstand bewusst zu entkommen versucht. Die tragischen Verbrechen, das schreckliche Leid, da gab es Textstellen in der zweiten Hälfte, die waren schwer auszuhalten. Vor allem erhält man dadurch Einblicke, wie sich der Widerstand aufgebaut hat und wie gefährlich es war. Insgesamt ein beindruckendes Buch, dass ein ehrwürdiges Bild von der starken Hannie Schaft zeichnet, welches zutiefst berührt, und vor Augen führt, was man sich nicht vorzustellen wagt. Besonders das ausführliche Nachwort macht bewusst, wie wichtig solche wahren Geschichten sind und welche Verbrechen damals geschahen. Besonders in der heutigen Zeit sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 07.05.2024

Humorvolle Graphic Novel Sammlung

Allzumenschliches
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«Allzumenschliches» ist eine gebundene Sammlung von über vierzig kurzen Graphic Novels von Catherine Meurisse in Großformat, die monatlich im französischen «Philosophie Magazin» erschienen. Sehr heiter, ...

«Allzumenschliches» ist eine gebundene Sammlung von über vierzig kurzen Graphic Novels von Catherine Meurisse in Großformat, die monatlich im französischen «Philosophie Magazin» erschienen. Sehr heiter, derb, modern und feministisch widmet sie sich, auf je einer Doppelseite, den größten Denkern der Geschichte und ihren bekannten philosophischen Theorien. Während in «Pitch» Aristoteles mit seinem Design begeistert, werden in «Die Schöne und das Biest » wahre Geschehnisse mit Aussagen von Nietzsche neu interpretiert, die Frau bestürzen. Der Schreibstil bringt es präzise auf den Punkt, was durchaus herausfordernd und komplex ist. Die überwiegend textreichen Sprechblasen und Dialoge sind wichtig, aber eigentlich sind es die Zeichnungen, die alle Blicke auf sich ziehen und den Humor unterstreichen. Catherine Meurisse ist es gelungen, in ihrem ganz eigenen Stil, manche philosophischen Ideen genial zu entzaubern und gleichzeitig mit Tiefsinn und Witz einen modernen Blickwinkel festzuhalten. Wunderbar unterhaltsam und ein hochwertiges Geschenk.

Veröffentlicht am 24.04.2024

Die Diamanten der Lüfte

Das geheime Leben der Tiere (Wald) - Revier der Raben
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Eine lebenslange Vogelehe ohne Streit, ist nur eine bewundernde Eigenschaft, die die größten Singvögel, die es bei uns gibt, auszeichnet - denn es sind unterschätzte Diamanten der Lüfte, die viele Nestgeschichten ...

Eine lebenslange Vogelehe ohne Streit, ist nur eine bewundernde Eigenschaft, die die größten Singvögel, die es bei uns gibt, auszeichnet - denn es sind unterschätzte Diamanten der Lüfte, die viele Nestgeschichten zu erzählen haben.
Selbst, wenn man sich nicht brennend für Vögel interessiert, ist «Revier der Raben» ein faszinierendes Leseerlebnis, das so manche Wissenlücke schließen wird, und sich toll zum Vorlesen eignet. Spannend und berührend konsequent aus der Vogelperspektive erzählt, mit vielen Sachinformationen verwoben und von eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Illustrationen begleitet, begibt man sich in die Baumwipfel der Wälder, um das geheime Leben der Kolkraben zu entdecken. Vanessa Walder schreibt prägnant, humorvoll und kindgerecht, ihre Beschreibungen sind imposant und bildhaft und es finden sich immer wieder poetische Sätze, die es schaffen, Groß und Klein zu verzaubern.

Die Geschichte beginnt im Februar und begleitet über die Monate ein Kolkraben-Elternpaar und das Aufwachsen ihrer beiden Jungvögel. Die Geschwister sind ganz unterschiedlich und während Roah von einem eigenen Revier träumt, bevorzugt ihr Bruder Krrik das großen Abenteurer am Ende der Welt. Ein dramatisches Naturspektakel lenkt sein Schicksal jedoch in eine andere Richtung und führt ihn zu den Menschen. Seine Schwester hingegen macht ganz andere Erfahrungen. Dieser abwechslungsreiche Perspektivenwechsel gibt naturnahe Einblicke in das Fressverhalten, die Kolonien, den Revierkampf und zahlreiche Eigenschaften der Kolkraben, und bietet ungewöhnliche Wahrnehmungen der Menschenwelt, die Krrik aus seiner Sicht beschreibt, und die mich oft zum Schmunzeln gebracht haben. Ich war sehr fasziniert von der Rabensprache, ihrer hohen Intelligenz und bin begeistert von der Mischung aus rührend schönen oder atemberaubend spannenden Momenten, und den fantastischen Bildern von Simona M. Ceccarelli. 

Insgesamt eine wunderbare Geschichte der empfehlenswerten Reihe «Das geheime Leben der Tiere» für große und kleine wissenshungrige Tierfreunde, die mitreißende und berührende Unterhaltung mit Mehrwert lieben. Ab 8 Jahren empfohlen.

Veröffentlicht am 24.04.2024

Schlechte Gewissen

Treibgut
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Die Geschichte spielt im Jahr 2016. Die Präsidentschaftswahl zwischen Clinton und Trump ist noch nicht entschieden. Die eindeutigen Umfragen lassen keinen Zweifel am Wahlsieg aufkommen. Der Roman beginnt ...

Die Geschichte spielt im Jahr 2016. Die Präsidentschaftswahl zwischen Clinton und Trump ist noch nicht entschieden. Die eindeutigen Umfragen lassen keinen Zweifel am Wahlsieg aufkommen. Der Roman beginnt mit Adam Gardner, einem hoch angesehenem Meeresbiologen und selbsternannter Dichter, auf Cape Cod lebend, der sich ganz sicher ist, dass noch eine letzte ruhmreiche Entdeckung in ihm schlummert. Sein siebzigster Geburtstag und seine Pensionierung stehen bevor und werfen „ihren Schatten voraus“, als sein behandelnder Arzt in den Ruhestand geht. Die 38-jährige Abby Gardner ist Künstlerin und unterrichtet an einer Hochschule. Sie wohnt in einem Atelier in den Dünen, das einst ihre verstorbene Mutter baute, und das leider nicht ihr, sondern ihrem Bruder gehört. Sie plant ihrem Vater zum Geburtstag ihr neues Kunstwerk zu schenken und ihr großes Geheimnis zu lüften. Ihr Bruder Ken, Bauunternehmer, verheiratet mit ihrer besten Freundin Jenny und Vater ihrer zwei wunderbaren Nichten, durchlebt eine Ehekrise. Widerstrebend geht er zur Therapie, und schnell wird klar, sein Groll gegenüber der Welt und vor allem seiner Schwester ist verheerend. „Wer verletzt ist, verletzt andere.“ Dementsprechend angespannt ist die Geschwister-Beziehung und beide stehen sich nicht nahe. In den fünf Perspektiven, die sich kapitelweise abwechseln, nimmt auch die Polizistin Steph eine Rolle ein. Kürzlich Mutter geworden, stellen sich Steph Fragen, auf die sie keine Antwort findet.

Mich konnte «Treibgut» mit der einnehmend klugen und gewandten Schreibweise absolut mitreißen. Ich mochte diese geschickte Aufdeckung und Sogwirkung, und besonders Abby, die sich auch in den wirren Konstellationen schwieriger Verhältnisse angenehm hervorhebt. Die betont weibliche Stärke ist spürbar, genauso wie Verletzlichkeit und der Wunsch, nach familiärem Zusammenhalt. Auch sehr gelungen, fand ich die Ausarbeitung der einzelnen Figuren, die durchaus außerhalb der Familie bestehen. Das Ende passt hervorragend, in Anbetracht der bleibenden Fragen, die nur die Zeit beantworten kann. Großartig einnehmendes Lesevergnügen, wunderschön erzählt, tiefgehend und vielschichtig.

Veröffentlicht am 24.04.2024

Sehr lesenswert

James
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Jim hat sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht. Doch seine Fähigkeiten muss er verbergen, denn Sklaven können sich vor den Weißen keine Bildung leisten. Als Jim verkauft werden soll, flieht er ...

Jim hat sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht. Doch seine Fähigkeiten muss er verbergen, denn Sklaven können sich vor den Weißen keine Bildung leisten. Als Jim verkauft werden soll, flieht er und lässt seine Frau und seine Tochter zurück, mit der Absicht, sie später zu befreien. Auf seiner Flucht trifft er Huckleberry Finn und sie verstecken sich gemeinsam. Dabei stehen die Abenteuer, die Sklaverei und die ständige Angst, gefangen und bestraft zu werden, im Vordergrund. Die Handlung ist in drei Teile geteilt, die überraschende Wendungen einleiten.

Percival Everetts Schreibstil ist so einfach wie genial. Die Seiten fliegen dahin. Die spezielle Schreibweise des Südstaatenenglisch birgt Stolpersteine, aber man gewöhnt sich daran und ich fand sie sehr authentisch umgesetzt. Die Handlung übt eine Sogkraft aus, der ich mich nicht entziehen konnte. Eindringlich und schonungslos wird aus der Ich-Perspektive von Jim erzählt und man spürt die ständige Anspannung, weil er selbst Huck nicht vertrauen kann, stets auf der Hut sein muss und nicht er selbst sein darf. „Vielleicht wirst du irgendwann kein Sklave mehr sein, aber du wirst nicht frei sein.“

Ein berührender Roman, der die Grausamkeit der Sklaverei offenlegt und den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung intensiv nachempfinden lässt.