Der Absturz des Mr. Cave
Der fürsorgliche Mr. Cave„Michelangelos Botschaft an mich, als ich vor der Pietà stand, war klar: Es erwartet dich unsägliches Leid, wenn du deine Tochter in eine Welt der verlorenen Seelen entlässt. Du musst sie beschützen und ...
„Michelangelos Botschaft an mich, als ich vor der Pietà stand, war klar: Es erwartet dich unsägliches Leid, wenn du deine Tochter in eine Welt der verlorenen Seelen entlässt. Du musst sie beschützen und darfst sie niemals gehen lassen.“
Der Antiquitätenhändler Mr. Cave ist ein besonders fürsorglicher Familienvater; sein kleines Mädchen ist schließlich alles, was ihm geblieben ist, nachdem er seine Mutter, seine Frau und seinen Sohn nicht retten konnte. Von Schuldgefühlen und väterlichem Beschützerinstinkt besessen, spitzen sich die Auseinandersetzungen mit seiner adoleszenten Tochter immer weiter zu.
Mr. Cave fühlt sich getrieben, die Dinge nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Seine kraftlose Seele befindet sich im freien Fall, wie Matt Haig es formuliert, zeitweise wie von Sinnen, lässt ihn sein Verstand im Stich und er verliert immer mehr ausgerechnet das, wovon er sich so viel Sicherheit versprochen hatte: die Kontrolle. „Es ist, als würde man mit Hitler zusammenleben.“ Diese Worte richtet die Tochter an ihren Vater, und gibt damit einen seltenen Einblick, in ihre Sichtweise. Der Roman ist nämlich aus der einseitigen Perspektive des Vater verfasst, der einen Bericht an seine Tochter schreibt. Das strickte Einhalten dieser Erzählspur löst vorwiegend die beklemmende und zuspitzende Atmosphäre aus. So erfolgversprechend diese Erzählweise sich auch darstellt, ich hätte andere Perspektiven als aufschlussreich empfunden. Denn die ausschweifenden Gedankensprünge und Rückblenden haben das Durchhalten beim Lesen erschwert und die Handlung selten bereichert. Wie meistens bei Romanen von Matt Haig verstecken sich aber auch in diesem Buch interessante Gedanken, Wissenswertes und nachklingende Sätze. Er findet die richtigen Worte, um Leiden greifbar zu machen und neue Einsichten zu gewinnen.
Fazit: Das absolute Gegenteil zu dem lebensbejahenden Roman „Die Mitternachtsbibliothek“. Ein beklemmendes psychologisches Drama, bei dem man nicht weiß, was dominiert, Liebe oder Wahnsinn. Ein schwermütiger Roman, der zwar faszinierend und sprachlich gelungen am Ende einen überraschenden Twist bereithält, aber zu keiner Zeit fesselt oder mitreißt - stattdessen war ich erleichtert, nachdem ich das Buch beendet hatte.