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Veröffentlicht am 25.05.2023

Eine wortgewaltige Erzählung

Babel
4

Selten hat mich ein Buch so im Zwiespalt hinterlassen wie Rebecca F. Kuangs Babel. Einerseits ist hier ein enorm interessantes, einmaliges Werk entstanden, das sprachlich nur als gewaltig bezeichnet werden ...

Selten hat mich ein Buch so im Zwiespalt hinterlassen wie Rebecca F. Kuangs Babel. Einerseits ist hier ein enorm interessantes, einmaliges Werk entstanden, das sprachlich nur als gewaltig bezeichnet werden kann, andererseits wirkt es in nahezu all seinen Komponenten unausgeglichen, nicht ausbalanciert, was mich wiederrum mit einem Gefühl der Unzufriedenheit hinterließ, welches ich nur schwer erklären kann. Versuchen werde ich es trotzdem.
Erstmal zum Schreibstil. Dieser hat mich anfangs noch sehr begeistern können, die sprachliche Eleganz, dieses Empfinden, jedes Wort sei mit Bedacht gewählt worden. Alles wird mit einer gewissen Gemächlichkeit geschildert, durchaus ausführlich aber keineswegs langweilig. Und auch wenn es vielleicht nicht direkt danach klingt, so hat mich das doch sehr schnell in die Geschichte hineingezogen. Ich bin gerne drangeblieben und war motiviert weiterzulesen, weil all diese ausführlichen Schilderungen die Erwartung genährt haben, dass bald etwas in Gang gesetzt würde, dass der Handlung ein neues Tempo verleihen sollte. Tatsächlich wartete ich darauf jedoch vergebens. Während ich am Lesen war, war es leicht dranzubleiben. Sobald ich dann aber eine Pause einlegt habe, forderte es immer auch ein bisschen Überwindung das Buch wieder in die Hand zu nehmen, da die Aussicht auf ausschweifende Berichterstattung und geringfügige Handlungsentwicklung nur wenig Begeisterung in mir wecken konnte. Die meiste Zeit ist man eher passiver Zuhörer, statt aktiv zu erleben, was den Protagonisten widerfährt und bei mehr als 700 Seiten war mir das einfach zu wenig.
Das bringt mich zum nächsten Punkt. Dreh und Angelpunkt der Geschichte sind Sprache und Übersetzung und die Autorin verwendet viele Seiten darauf, sich in Etymologischen Erörterungen zu ergehen. Faszinierenderweise ist ihr das auf eine Art gelungen, dass ich diese eher belehrenden Absätze mit großem Interesse gelesen habe und lange als spannend und nicht langweilig empfunden habe. Doch auch hier ist kein gesundes Mittelmaß gelungen. Irgendwann wird es einfach zu viel und ich denke es hätte der Geschichte gutgetan, wenn man zu Gunsten der Handlung auf die ein oder andere etymologische Belehrung verzichtet hätte.
Selbes lässt sich über den Einsatz der Fußnoten in diesem Buch sagen. Einige davon waren sehr interessant als Ergänzung zum Fließtext, aber auch hier wurde das Mittel in meinen Augen überstrapaziert. Wenn die Fußnoten beinahe eine halbe Seite einnehmen, nur dazu dienen mehr Information abzuladen, oder scheinbar wichtige Hintergründe zu den Figuren an den unteren Seitenrand verbannt werden, finde ich das einfach nicht gut.
Handlungstechnisch hatte Babel mit Ausnahme des Endes nur wenig zu bieten. Der Plot ist eher dünn und erstreckt sich über mehrere Jahre. Die passive Erzählweise trägt auch nicht gerade zur Spannung bei. Insgesamt hat das Buch viel von einer Chronik, die das Leben des Protagonisten zusammenfasst. Tja und den Fantasy Charakter habe ich vergebens gesucht. Lässt man das Silberwerken außen vor, hat man hier einen Roman, der im Viktorianischen Zeitalter spielt und ein Britisches Empire darstellt, dass exakt so rüberkommt und funktioniert, wie das reale Britische Empire. In der Konsequenz liest sich Babel weitaus mehr als (fiktiver) historischer Roman, denn als Fantasy und ich muss doch deutlich sagen, dass sich der Verlag keinen Gefallen damit getan hat, es mit Denis Schecks aufmerksamkeitsheischender Proklamation zu bewerben, Babel sei „das Aufregendste im Fantasygenre seit Harry Potter“. Diese Aussage ist so dermaßen unzutreffend, dass es mir fast physisches Unbehagen bereitet, genauer darüber nachzudenken.
Widmen wir uns nun den Charakteren. Robin ist von Anfang an ein Sympathiemagnet. Tragische Kindheit, gleich zu Beginn diese große Veränderung mit der Überfahrt nach England, wo der liebe, ruhige und aufmerksame Junge in einem lieblosen Haushalt aufwächst, die toten Sprachen und eine eindimensionale Haushälterin seine einzige Gesellschaft. Oh, wie schön es doch war zu lesen, wie er am College endlich Freunde findet und sich ein Leben aufbaut, dass ihn glücklich macht. Und auch diese Freunde, diese Gruppe, die entsteht hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die Dynamik zwischen Robin, Ramy, Victoire und Letty ist eine, mit der man sich auf Anhieb wohlfühlen kann. Natürlich nur, bis die Realität auch in ihrer kleinen Babel-Blase ankommt. Da zeigt sich nämlich, dass die Autorin hier Charaktere zusammengeführt hat, die scheinbar nur den Zweck erfüllen sollen, als Sprachrohr für jene Perspektiven zu Imperialismus und Rassismus herzuhalten, die sie in ihrem Roman adressieren will. Die oberflächliche Individualität aller Figuren, sei es Robin selbst, seine Freude oder sogar Professor Lovell halten einer näheren Betrachtung nicht stand. Sieht man genauer hin, sind es keine originellen und vielschichtigen Charaktere, sondern nur an die Handlung angepasste Stellvertreter für bestimmte Meinungsbilder. Professor Lovell ist der skrupellose, überhebliche Imperialist; Robin, der halb Chinese und halb Brite ist, sitzt zwischen den Stühlen; Letty, die ignorante, privilegierte weiße Frau; Ramy, Victoire und Griffin, die überzeugten Gegner der Kolonialherren und des Empires und so weiter.
Ergänzend dazu ist es auch alles andere als hilfreich, dass die Autorin scheinbar kein Vertrauen in ihre Leserschaft hat, sich eine eigene Meinung über Themen wie Kolonialismus, Sexismus usw. zu bilden. Anstatt uns durch Subtext oder Denkanstöße an die elementaren Schlussfolgerungen der Geschichte heranzuführen, gibt sie im Grunde eine vorgekautes Ergebnis zum Besten. Selbes passiert übrigens Robin in dem Buch. Ihm wird auch alles durch Griffin oder Lovell vorgekaut und er entscheidet sich der Seite zu glauben, die für den Moment den besseren Vortrag abgeliefert hat.
Es ist wirklich bedauerlich, denn im Grunde steckt hier eine aufregende und bedeutsame Geschichte drin, die gerade auch junge Leser an diese enorm wichtigen Themen unserer Weltgeschichte heranzuführen vermag. Ich kann durchaus verstehen, dass Babel so viel Begeisterung auslöst, aber weil es für mich so eine ambivalente Leseerfahrung war, wie ich sie nur selten erlebt habe, kann ich mich dem nicht so richtig anschließen. Letzten Endes fehlte mir einfach eine gewisse Balance in allem, sodass ich mit meinem Fazit nur bei 2.5 Sternen lande.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 24.05.2023

Zwischen Pflicht und Gefühl

Twisted Games
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Twisted Games von Autorin Ana Huang ist der zweite Teil der berühmt berüchtigten Twisted-Reihe und hat mit der jüngsten Auflage im Lyx Verlag wie schon sein Vorgängerband ein schickes neues Gewand bekommen. ...

Twisted Games von Autorin Ana Huang ist der zweite Teil der berühmt berüchtigten Twisted-Reihe und hat mit der jüngsten Auflage im Lyx Verlag wie schon sein Vorgängerband ein schickes neues Gewand bekommen. Hinter dem schlichten, aber ansprechenden Cover in Grün verbirgt sich eine Geschichte, die alles außer schlicht zu sein verspricht, den es wird königlich.
Bridget von Ascheberg trägt als Prinzessin von Eldorra eine enorme Verantwortung, ihrer Rolle, ihrer Familie und nicht zuletzt einem ganzen Land gegenüber. Lange Zeit während ihres Studiums in Amerika hat sie sich mit diesem ständig währenden Konflikt zwischen Pflicht und den eigenen Gefühlen, arrangieren können, doch all das gerät gefährlich ins Schwanken, als Rhys Larsen in ihr Leben tritt. Ihr unausstehlicher neuer Leibwächter ist kalt, mürrisch und unnachgiebig – und irgendwie er ist die Inkarnation all ihrer Träume. Doch eine Beziehung mit ihrem Leibwächter einzugehen wäre ein Skandal, den sich die junge Prinzessin unter keinen Umständen erlauben darf. Noch weniger, als ihr Bruder, der zukünftige König Eldorras einen Entschluss fasst, der ihrer aller Leben vollkommen verändern soll.
Der Schreibstil von Ana Huang hat mir wieder gut gefallen. Sie macht es einem wirklich leicht sich von der Erzählung einfangen und sich ganz und gar auf die Protagonisten und ihre Probleme einzulassen. Schön fand ich auch die Vielseitigkeit der Tropes, die hier vertreten sind. Ein bisschen Enemies-to-lovers, eine ordentliche (!) Portion Slow burn und forced proximity, um nur die wichtigsten mal genannt zu haben. Für Romance-Leser ist da also eine Menge gutes mit dabei.
Die Handlung an sich war im Großen und Ganzen recht vorhersehbar und hat sich hie und da etwas konstruiert angefühlt, aber ich finde die Autorin hat die Geschichte insgesamt gut verkaufen können. Ein wichtiger Faktor hierfür waren natürlich die Figuren. Mit Rhys und Bridget hat sie zwei einnehmende Protagonisten erschaffen, mit denen man super mitfiebern kann, die sympathisch sind aber auch Kanten haben.
Bridget zeigt nach außen hin diese perfekte Fassade, ist immer höflich, freundlich und befolgt alle Regeln, die man ihr aufgibt. Rhys fordert das aber ein Stückweit heraus, provoziert und reizt sie, was zwar für die ein oder andere unkluge Entscheidung von Bridget sorgt, aber auch zeigt, dass da eine willensstarke und selbstbewusste Person hinter der perfekten Fassade steckt. Es war schön zu verfolgen, wie Bridget lernt für sich selbst einzustehen und in die ihr aufgezwungene rolle hineinwächst, sie zu ihrer macht.
Rhys auf der anderen Seite ist das Epitom vom mürrischen Typen mit dunkler Vergangenheit und gutem Kern. Hat man in der Form bestimmt schon mal woanders gelesen, aber insgesamt ist sein Charakter gut ausgearbeitet und authentisch. Ich hätte mir allerdings auf seiner Seite ein wenig mehr spürbare Charakterentwicklung gewünscht. Natürlich öffnet er sich im Laufe der Zeit und man erfährt mehr darüber was ihn bewegt und antreibt, aber allgemein fand ich die Auseinandersetzung mit seinen Gefühlen und Problemen etwas zu flach.
Ansonsten gibt es in diesem Buch auch wieder einige alte und (sehr interessante) neue Nebencharaktere, die für den letzten Schliff gesorgt haben. Tatsächlich hätte ich super gerne mehr von Bridgets Freundinnen gelesen, die hier nur kleinere Gastauftritte erhalten haben.
Alles in allem war Twisted Games eine spannende Romance Lektüre und hat mir doch eine ganze Ecke besser gefallen als das erste Buch der Reihe. Es war jetzt keine Geschichte, die mich atemlos zurückgelassen hat, aber es war doch eine fesselnde und unterhaltsame Reise mit Rhys und Bridget. Von mir bekommen die Beiden 3.5 Sternchen.

Veröffentlicht am 02.05.2023

Slow-burn Thriller

One of the Girls
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“One of the girls” begleitet eine Gruppe von sechs sehr unterschiedlichen Frauen während eines Jungesellinnen-Wochenendes auf der malerischen griechischen Insel Aegos. Doch was als entspannter Kurztrip ...

“One of the girls” begleitet eine Gruppe von sechs sehr unterschiedlichen Frauen während eines Jungesellinnen-Wochenendes auf der malerischen griechischen Insel Aegos. Doch was als entspannter Kurztrip mit bestem Wetter, leckeren Antipasti und Wein beginnt, soll zu einer traumatischen Erfahrung werden, die keine der Freundinnen je wieder vergessen wird.

Das Buch war nicht ganz das, was ich erwartet hatte, aber es hat mich auf so viele verschiedene Arten angesprochen, dass ich von Anfang bis Ende am Haken war. Die Geschichte kreiert einen tollen Kontrast zwischen sommerlicher Leichtigkeit und brodelnden Konflikten. Der Erzählstil ist leichtgängig und bildhaft, was besonders schön ist angesichts des Handlungsortes. Ich habe mich sofort in meinen eigenen Griechenlandurlaub zurückversetzt gefühlt und total genossen von der Autorin an dieses wunderschöne Setting entführt zu werden. Gleichzeitig ist es ihr gelungen den harmlosen Einstieg in Lexies „Hen-Wochenende“ mit Anspielungen auf die düsteren Geschehnisse der kommenden Tage zu durchbrechen. So hatte ich von Anfang an im Kopf: Aha, so schön sich das alles anhört, irgendwann passiert noch was ganz Schlimmes. Damit wurde schonmal eine solide Grundstimmung für die Geschichte festgesetzt und ich war direkt neugierig darauf, was noch passieren könnte.
Die meiste Zeit liest man im Wechsel aus den Perspektiven der Reiseteilnehmerinnen. Das sind Lexi, die Braut, Bella, die Trauzeugin und ihre Lebensgefährtin Fen, Robyn, die Kindheitsfreundin, Eleanor, die etwas sonderbare zukünftige Schwägerin und Anna, eine neue Freundin von Lexi.
Bei so vielen Figuren kommt man gerade am Anfang etwas durcheinander, aber die verschiedenen Persönlichkeiten der Frauen und ihre individuellen Probleme sind so gut herausgearbeitet worden, dass sie schon sehr bald zu leicht unterscheidbaren und authentischen Charakteren werden. Das nicht alle gleich sympathisch oder interessant rüberkommen finde ich irgendwie normal, deshalb hat es mich auch nicht gestört, dass nicht alle Kapitel gleich interessant zu lesen waren. Und ich kann nicht sagen, dass mir ein POV besonders negativ aufgefallen wäre. Im Gegenteil fand ich spannend, wie man nach und nach herausfindet, mit was für Problemen die Frauen in ihrem Alltag zu tun haben und welche sie sogar mit auf die Insel genommen haben. Auch dadurch baut sich stetig mehr Spannung auf, denn so viele Geheimnisse unter einem Dach haben eine Menge Konfliktpotential. Man konnte richtig spüren, wie es anfängt in der Gruppe stärker zu brodeln. Ich finde die Geschichte hat gerade deshalb so gut funktioniert, weil sie so charakterorientiert aufgebaut ist.

Was die Spannung bzw. Handlung angeht, so würde ich hier eher von der slow-burn Variante eines Thrillers reden. Die Spannung liegt darin nachzuvollziehen, wie die Figuren miteinander agieren, sich die Konflikte zuspitzen und es am Ende zu diesem (sehr unerwarteten) dramatischen Finale kommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche Leser oder Leserinnen sich sicher mehr von einem Thriller erhoffen, aber ich fand die Umsetzung sehr gelungen.

Das Hörbuch wird gelesen von Julia von Tettenborn und Corinna Dorenkamp und beide haben hier einen tollen Job gemacht. Es ist ein lebendiges, dynamisches Hörerlebnis und den Protagonistinnen wurde so viel Leben eingehaucht, dass man sie auf Anhieb auseinanderhalten konnte.

„One of the girls“ war ein super packendes, wendungsreiches Hörerlebnis, das mich prima unterhalten konnte und das ich gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 26.04.2023

Eher ein Lückenfüller-Teil bis zum Finale

The Atlas Paradox
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„The Atlas Paradox“ ist die lang erwartete Fortsetzung zu Olivia Blakes Bestseller „The Atlas Six“ und erzählt, wie es mit den Protagonisten aus Teil 1 weitergeht.
Nach den Ereignissen am Ende von „The ...

„The Atlas Paradox“ ist die lang erwartete Fortsetzung zu Olivia Blakes Bestseller „The Atlas Six“ und erzählt, wie es mit den Protagonisten aus Teil 1 weitergeht.
Nach den Ereignissen am Ende von „The Atlas Six“ sind nun fünf Magier zu den neuen Initianten der Alexandrinischen Gesellschaft geworden. Nummer sechs bleibt spurlos verschwunden. Für die fünf Verbliebenen der Gruppe heißt es nun die Zeit zu nutzen, um ihre Macht zu stärken, neue Brücken zu bauen und alte Bündnisse zu überdenken. Es erwarten sie lebensverändernde Entscheidungen, von denen nicht nur ihr eigenes Schicksal abhängt, sondern auch das der Gesellschaft.
Ich bin irgendwie irritiert von diesem Teil und wie sich die Reihe damit weiterentwickelt. Den Einstieg mit „The Atlas Six“ hat mir gut gefallen und viele Elemente, die ich dort mochte, habe ich hier irgendwie vermisst. Der Schreibstil ist nach wie vor gut, aber das war es auch schon. Es fehlt an Spannung, es wird viel ausm ersten Teil wiederholt, der Plot ist irgendwie chaotisch und ich bin immer wieder bei der Frage gelandet, wohin uns die Geschichte führen will. Der Antagonist, der über allem lauert, bekommt ein paar Konturen und immer wieder kommt durch, dass die Welt bzw. die Protagonisten irgendwie in Gefahr schweben, aber es will einfach kein Schuh draus werden. Abgesehen davon ist die Handlung (vielleicht mit Ausnahme vom Ende) seehr langatmig. Zumindest den starken Fokus auf den Charakteren und ihrer Entwicklung finde ich ganz gut und ich habe noch etwas Begeisterung für ihren Werdegang aufbringen können. Besonders schön war, dass Charaktere, die im ersten Teil etwas zu kurz gekommen sind, zum Beispiel Callum oder Reina, hier etwas mehr Tiefe bekommen haben. Ich weiß zwar nach wie vor nicht, was ich von Reina halten soll, aber ich fands durchaus spannend etwas mehr über ihre Gedanken und Motive zu erfahren. Alles in allem hätte ich mir dennoch ein Gegengewicht zu diesem schweren Charakterfokus gewünscht, um der Handlung etwas mehr Tempo und Spannung zu geben.
Ehrlich, es ist irgendwie enttäuschend, weil ich richtig gespannt auf diese Fortsetzung war, aber nachdem ich „The Atlas Paradox“ nun gelesen habe, bin ich unentschlossen, ob ich dem dritten Teil noch eine Chance gebe. Wäre es nicht für die Protagonisten, hätte keinen wirklichen Antrieb dafür.

Veröffentlicht am 26.04.2023

Spannend!

Going Zero
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10 Personen müssen für 30 Tage spurlos verschwinden. Am Ende lockt ein Gewinn von 3 Millionen Dollar. Dafür müssen sie sich nur dem hochkomplexen Spionageprogramm FUSION stellen, ein Projekt ins Leben ...

10 Personen müssen für 30 Tage spurlos verschwinden. Am Ende lockt ein Gewinn von 3 Millionen Dollar. Dafür müssen sie sich nur dem hochkomplexen Spionageprogramm FUSION stellen, ein Projekt ins Leben gerufen durch die US-Geheimdienste und Social-Media Mogul Cy Baxter, welches dazu geeignet sein soll, jede beliebige Person auf amerikanischem Boden binnen kürzester Zeit aufspüren. Cy Baxter ist sicher, dass keiner der zehn ‚Zeros‘ dieser Herausforderung gewachsen ist. Bis er in der unscheinbaren Bibliothekarin Kaitlyn Day aus Boston aka Zero 10 eine Herausforderin findet, deren Vorgehen selbst seine brillanten Algorithmen nicht zu entschlüsseln vermögen. Für Kaitlyn indes hängt so viel mehr als nur das Preisgeld davon ab, dass sie FUSION lange genug davonlaufen kann.

Bei Cover und Titel hatte ich ehrlich gesagt ein Buch mit Umweltschutz Kontext oder etwas Ähnlichem erwartet, aber sobald ich den Klappentext gelesen habe, war ich ungemein gespannt auf dieses Gedankenspiel, das der Autor mit diesem Buch angestoßen hat.
Der Schreibstil ist für einen Thriller sehr passend, schnörkellose Sprache, flüssig zu lesen und mit kurzen Kapiteln, dass man zügig vorankommt. Ich bin also entsprechend schnell und gut in die Handlung gestartet. Die regelmäßigen Perspektivwechsel, hauptsächlich zwischen Kaitlyn und Cy, aber auch anderen ‚Zeros‘, haben mir wirklich gut gefallen, weil sich dadurch eine tolle Jagdatmosphäre aufgebaut hat. Es gibt einige gut platzierte Spannungsmomente, Enthüllungen und Einschnitte, die die Handlung immer wieder in neue Richtungen lenken und einen beim Lesen den Atem anhalten lassen.
Die Protagonisten werden relativ früh schon sehr gut ausgestaltet, was ihnen durch die Geschichte hindurch auch viel Raum für Entwicklung und Veränderung gegeben hat. So fand ich beispielweise enorm spannend mitzuverfolgen wie Cy, angestachelt durch sein Ego und den Wunsch zu gewinnen, immer mehr Grenzen überschreitet und sich in einem gefährlichen Strudel aus Selbstzerstörung und Größenwahn begibt.

Ein bisschen schade fand ich, dass die anderen Zeros nur eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben und sich die Geschichte ab der Hälfte von der ursprünglichen Handlungsprämisse entfernt und eine deutlich andere Richtung einschlägt. Alles in allem war „Going Zero“ aber sehr packend und enorm unterhaltsam. Kaum überraschend, wenn man bedenkt, dass Autor Anthony McCarten sein Geld u.a. mit dem Schreiben von Hollywood Drehbüchern verdient.
Unterm Strich ist das ein sehr gelungener Thriller, der auf erschreckende Weise darauf aufmerksam macht, wie angreifbar unsere Privatsphäre im digitalen Zeitalter doch ist. Sehr lesenswert!