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Veröffentlicht am 21.05.2020

Spannend variiert

DUNKEL
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An „Dunkel“ verwirrte mich zunächst der Hinweis auf die „Hulda“-Trilogie, gepaart mit der Info, dass Hulda in „Dunkel“ kurz vor der Pensionierung steht und es in diesem Roman um ihren letzten Fall geht: ...

An „Dunkel“ verwirrte mich zunächst der Hinweis auf die „Hulda“-Trilogie, gepaart mit der Info, dass Hulda in „Dunkel“ kurz vor der Pensionierung steht und es in diesem Roman um ihren letzten Fall geht: Eine Trilogie impliziert ja, dass noch zwei Bücher folgen müssen; bedeutet das in diesem Fall also, dass „Dunkel“ nicht abgeschlossen ist, sondern sich Huldas letzter Fall schließlich auf insgesamt drei Romane erstrecken wird?
Ich hasse „erzwungene Fortsetzungen“; in jenen Fällen warte ich lieber ab, bis die Reihe komplett abgeschlossen ist, um die einzelnen Teile am Stück lesen zu können – allerdings habe ich in den letzten Jahren eine Vorliebe für in Island spielende Krimis und Thriller entwickelt und in Sachen „Dunkel“ hat mich meine Ungeduld und Neugier letztlich übermannt: Ich finde es nach wie vor definitiv unglücklich, dass sich in Bezug auf diesen Roman aktuell nirgends ein Hinweis findet, ob der „Dunkel“-Fall in den kommenden zwei Bänden der Trilogie weiter fortgesetzt wird und wer sich deswegen mit dem Lesen des Romans ein wenig ziert, dem sei hiermit gesagt, dass „Dunkel“, mehr oder minder, in sich geschlossen ist und definitiv nicht nach einer Fortsetzung schreit. Da habe ich mitunter auch während des Lesens noch gegrübelt, ob es am Ende zu einem spektakulären Cliffhanger käme, der eine Trilogie rechtfertigte, oder ob man dem Leser da weismachen wolle, dass Hulda nun in ihren letzten Tagen bei der Polizei noch schnell mal diverse bislang unlösbare Cold Cases aufklärte. Nö. Das Ende von „Dunkel“ war zwar durchaus ein wenig spektakulärer und hat mich echt kalt erwischt, aber die beiden Folgebände werden vermutlich dann doch jene zwei Fälle behandeln, die in „Dunkel“ nun plötzlich anscheinend völlig zusammenhanglos als die zwei großen Erfolge in Huldas Polizeikarriere eingeworfen wurden. Warum hätte der Autor das tun sollen, wenn er uns nicht auch von jenen Ermittlungen erzählen wollte?

Der „Cold Case“, mit dem Hulda sich zu befassen beschließt, ist übrigens auch gar nicht so „cold“: Zum Einen ist er dafür noch recht frisch und zum Anderen gilt er im Grunde genommen auch als geklärt; Hulda ist nur nicht allzu sehr von der Arbeit des in diesem Fall ermittelt habenden Kollegen überzeugt, der dafür bekannt ist, eher oberflächlich bis nachlässig zu ermitteln. Zugleich wird Huldas letzter „echter“ Fall als ungelöst an einen Kollegen übertragen, obschon Hulda ihn durchaus geklärt hat, was in einem Nebenstrang noch zum Thema wird, das dem Leser auch Einblick in Huldas persönliche Vergangenheit gewährt.
Ferner gibt es einen Rückblick in eine Zeit, in der eine offensichtlich alleinerziehende Mutter ihr Baby in einem Säuglingsheim besucht und ein zukünftig besseres Leben für ihr Kind und sich plant – hier ahnt man sehr schnell, dass dieser Rückblick ebenfalls Einblick in Huldas Vergangenheit gewährt, wobei zunächst aber rätselhaft bleibt, ob Hulda selbst hier womöglich die Mutter oder doch das Kind ist. Später wird das geklärt, und allgemein lässt sich festhalten, dass sich hier so mancher Knalleffekt aus Huldas Vergangenheit auf sehr leisen Pfoten anschleicht. Was als eine beflissene Figur beginnt, entwickelt sich später zu einem recht komplexen Charakter mit Ecken und Kanten und dunklen Geheimnissen, wegen derer man ihr aber nichtmals richtig gram sein kann.
Insgesamt diente „Dunkel“ in meinen Augen auch eher dem Zweck, die Leser des Romans mit der Hulda-Figur vertraut zu machen; den Fall der verstorbenen russischen Asylbewerberin habe ich hier dagegen schon fast als beiläufig, wenn auch nicht irrelevant, empfunden. Er lief halt so mit, während man Hulda kennenlernte.

Für mich hat „Dunkel“ Altbewährtes mit einer Vielzahl an überraschenden Erkenntnissen, die selten gleichbedeutend mit Wendungen waren, kombiniert und dabei eine authentische Polizistin, „kurz vor Dienstschluss“, präsentiert und es geschafft, dass ich jetzt durchaus gespannt auf den nächsten Band der Trilogie bin, auch wenn „Dunkel“ prinzipiell erstmal keinerlei „Fortsetzung“ erfordert. ;)

Veröffentlicht am 12.05.2020

Sehr viel sinnloses Blabla um ein wenig echt wertvollen Inputs

Ich hoffe, ich versau das!
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Soso, dieses Buch soll also Berufseinsteiger ansprechen ebenso wie Berufstätige, die mit ihrem Job hadern, ebenso wie Berufstätige, die längst ausgebrannt sind ebenso wie Menschen mit Depressionen… kurz ...

Soso, dieses Buch soll also Berufseinsteiger ansprechen ebenso wie Berufstätige, die mit ihrem Job hadern, ebenso wie Berufstätige, die längst ausgebrannt sind ebenso wie Menschen mit Depressionen… kurz gesagt: so ziemlich jeden, der (noch?) nicht bereit ist, sich jede Sekunde des Tages fröhlich pfeifend durch die Welt zu bewegen. Das klingt letztlich nach einer seeeeeeeeeehr breitgefächerten Zielgruppe und ich muss einräumen, dass ich Kyle Cease vorher nicht kannte; als Comedian war er mir gar kein Begriff und in den paar Filmen mit ihm, die ich tatsächlich gesehen habe, ist er mir nicht weiter aufgefallen. Von daher ist es mir mitunter auch schwergefallen, seine Transformation vom echt berühmten Comedian zum witzigen Motivationscoach, oder als was auch immer man seine heutige Profession bezeichnen mag, nachvollziehen zu können. Für vermutlich die Meisten auf dieser Seite des Atlantiks wird Kyle Cease da grad einfach so ein Coach-Fuzzi aus den USA sein, der als solcher halt plötzlich da war. Schwierig, seine große Verwandlung in einem Teil der Welt verkaufen zu wollen, in dem es mit dem Comedy-Ruhm ohnehin nicht so weit her war. Und ja, Coach-Fuzzi: ich bin sehr froh, dass ich erst nach dem Lesen von „Ich hoffe, ich versau das!“ gegooglet habe, wer ganz genau Kyle Cease denn überhaupt ist. Denn, so leid mir das auch tut, kann ich diese Suchergebnisse absolut nicht mit dem in Einklang bringen, wie ich mir den Autor während des Lesens ausgemalt habe: Was sich mir da nun online offenbart hat, finde ich ganz grundsätzlich absolut unsympathisch; da erinnert er mich eher an einen uncharismatischen Fernsehprediger, der mir fragwürdige Selbstfindungskurse zu horrenden Preisen andrehen will. Hingegen empfand ich ihn während des Lesens als sehr erfrischend und recht sympathisch, einfach als wen, mit dem man nach Feierabend auch auf ein Bier ausgehen würde.

„Ich hoffe, ich versau das!“ fällt dabei sehr in den gewohnten Tenor von „Wenn es schiefgeht, habe ich mich zuvor aber wenigstens darauf eingelassen!“ ein. Den Untertitel „Wie du die Welt verändern kannst, wenn du dich in deine Ängste verliebst“ finde ich allerdings fragwürdig: Zum Einen verändert man hier in erster Linie die eigene Welt, und noch mehr: die eigene Selbstbetrachtung, und zum Anderen verliebt man sich hier auch weniger in seine Ängste als ordnet sie vielmehr der eigenen Courage unter.
Schräg: das Buch endet abrupt damit, dass Cease feststellt, er habe nun genug Wörter niedergeschrieben wie vom Verlag gefordert – dabei hat er dem Verlag aber auch schon locker doppelt so viele Wörter untergejubelt, wie für den Inhalt eigentlich nötig gewesen wäre. Fast das gesamte erste Drittel drehte sich nämlich bereits ausschließlich darum, dass Kyle Cease lamentierte, er schreibe nun ein Buch; man liest tatsächlich das Buch eines Mannes, der hier erzählt, dass er grade dieses Buch schreibt und eigentlich keine Ahnung hat, wie das letztlich überhaupt ausfallen soll, aber ach ja, der Verlag verlangt ja soundsoviel Wörter… Das war im ersten Moment extrem unterhaltsam, aber der Witz hat sich bald abgenutzt und da auch nach langem Geschwafel noch nicht klar war, wovon dieses Buch nun eigentlich handeln sollte oder ob es nun bis zur letzten Seite genau so weitergehen würde, war ich nach dem ersten Viertel des eBooks drauf und dran, die Lektüre abzubrechen. Okay, ich gebe es zu: Ich habe es daraufhin tatsächlich erstmal vier Tage links liegenlassen.

Der Mittelteil hat mich dann allerdings wieder wacher werden lassen: Hier ging es jetzt tatsächlich mal um das, worum es laut der Kurzbeschreibung auch gehen sollte: das Loslassen der Angst vor dem Versagen. Das war sehr interessant, es wurden spannende Beispiele offeriert und noch besser: Die Leser werden aufgefordert, bestimmte Übungen auszuführen. (Im Wesentlichen braucht man hier ein paar Blatt Papier und einen Stift.) Ich habe das ganz brav befolgt und tatsächlich einige interessante Erkenntnisse über mich selbst gewonnen. Den Besuch beim Therapeuten werden diese Übungen zwar nicht ersetzen, aber generell entsprechen die hier enthaltenen Übungen wohl auch den „Hausaufgaben“, die ein Psychotherapeut einem auftragen könnte. Die sind wirklich hilfreich, auch um sich neu der eigenen Wertigkeit bewusst zu machen. Von daher kann ich es schon unterstützen, dass Depressive und Burn-out-Patienten hier ebenfalls zur Zielgruppe zählen.
Im Prinzip machen auch diese Übungen für mich die wahre Bedeutung des Buchs aus; denn zu guter Letzt verlor sich der Autor meiner Meinung nach wieder in seinem anfänglichen Gefasel, aber bis dahin hatte er zumindest ein paar sehr gute Ansätze geliefert.
Insgesamt steh ich dieser Lektüre nun zwiegespalten entgegen: So richtig informativ-inspirativ ;) wird „Ich hoffe, ich versau das!“ für mich eigentlich erst mit dem Ende des 8. (!) Kapitels; damit wäre es eigentlich für mich untendurch: Sieben Kapitel für quasi nix? Nein danke. Aber wie gesagt: hernach werden die Übungen, die man durchführen soll, beschrieben und da ist das Buch dann echt hilfreich. Aber in den allerletzten Kapiteln wird es dann im Grunde genommen erneut überflüssig. Ich persönlich kann letztlich also nur den komprimierten Mittelteil, den aber sehr, empfehlen, aber von einem Sachbuch erwarte ich da letztlich mehr, egal, wie sehr es auch auf unterhaltsam getrimmt sein mag (und wie gesagt: grad eingangs war es mir irgendwann zu gewollt witzig – und noch dazu inhaltsleer). Da kann ich nicht mehr als eine mittlere Bewertung abgeben, will aber auch nicht weniger als diese abgeben – bei meiner Empfehlung aber klar herausheben, dass man sich, wie ich finde, eben getrost ausschließlich auf den Mittelteil, vor Allem auch auf die tatsächliche Durchführung der vorgegebenen Übungen, konzentrieren sollte.

Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein spannendes Mysterium wird aufgedröselt.

Das Dorf der toten Seelen
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„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater ...

„Kind von…“ ist immer schwierig. Naja, fast immer. Im Falle von Joe Hill würde es mich beispielsweise nicht wundern, wenn jener es schafft, in Sachen Erfolg und Ruhm am Ende seines Lebens mit seinem Vater gleichgezogen zu haben, und ganz allgemein scheinen die King-Kinder zu beweisen, dass Schreibtalent durchaus vererbbar ist.
In diesem Fall weiß ich gar nicht, wann ich dereinst ein Buch von Viveca Sten gelesen habe oder ob ich das überhaupt je getan habe? Ich meine ja, würde es aber nicht beschwören. Aber ein Blick auf Viveca Stens Bibliografie sowie ein Blick auf den Klappentext zum „Dorf der toten Seelen“ macht es relativ offensichtlich, dass Camilla Stens hier eher abseits der mütterlichen Genrepfade schreibt; die Kurzbeschreibung würde da viel eher Vergleiche mit John Ajvide Lindqvist anbieten, so dass „Tochter der Bestsellerautorin Viveca Sten“ da eher wie reines Namedropping anmutet. Aber; im Zweifel für den Angeklagten; vielleicht will/wollte man die verwandtschaftlichen Verhältnisse in diesem Fall auch nur deswegen nochmals ganz besonders hervorheben, damit zum Beispiel die Besucher potentieller Lesungen durch die immense Ähnlichkeit zu Viveca Sten nicht irritiert sind (entsprechend Joe Hills, der ganz offensichtlich unter Pseudonym schreibt und gemäß eigener Angaben anfangs für solche Anlässe sogar einen Schauspieler engagieren wollte, damit nur niemandem auffiele, dass Joe Hill Stephen King wie aus dem Gesicht geschnitten ist).
Nun gut, ich schätze John Ajvide Lindqvist als Autor sehr und da die Beschreibung nach etwas klingt, was auch er geschrieben haben könnte (weswegen ich „Das Dorf der toten Seelen“ übrigens überhaupt erst hatte lesen wollen), muss es jetzt jenen Vergleich über sich ergehen lassen – und ich sage es direkt: Bei John Ajvide Lindqvist wäre der Roman vermutlich doch noch deutlich ausschweifender geworden, aber im Allgemeinen hält dieses Werk von Camilla Sten dem Vergleich durchaus stand. Ich bin zwar nicht völlig hingerissen von der Geschichte, hoffe aber, dass Camilla Sten sich auch weiterhin in diesem Bereich paranormal anmutender Thriller bewegen wird, denn solch ein weiteres Buch von ihr würde ich definitiv gerne lesen wollen!

„Das Dorf der toten Seelen“ ist achronologisch erzählt; zwischen den Sequenzen, in denen Alice und ihr Team sich im seit Jahrzehnten unbewohnten Silvertjärn bewegen, um erste Filmaufnahmen zu machen und womöglich Hinweise auf den Verbleib der damaligen Dorfbewohner zu entdecken, gibt es immer wieder Szenen, in denen Briefe wiedergegeben sind, die vor Allem deren jüngere Schwester damals an die fortgezogene Großmutter Alices geschrieben hat, oder in denen ein Rückblick auf Alices Urgroßmutter in den Tagen vor dem Verschwinden der gesamten Dorfbevölkerung, von der lediglich ein Neugeborenes im Ort zurückgelassen worden war, geworfen wird. Da muss man sich grade zunächst ein wenig mehr konzentrieren, da dementsprechend auch in relativ kurzer Zeit vergleichsviele Namen fallen. Allerdings sind die Figuren prinzipiell eher sehr einzigartig charakterisiert, dass man ein entsprechendes Personenregister rasch im Kopf hat: Lediglich die beiden Männer in Alices Team fand ich relativ austauschbar.

Die Geschichte des Ortes ist sehr spannend; von Anfang an erleben Alice und ihre Mitstreiter immer wieder Momente, die sie an ihrem Verstand zweifeln lassen: Fast alle von ihnen glauben bald, im Ort doch noch wen gesehen zu haben (aber das nach 60 Jahren, in denen der Ort völlig verwittert und verwildert ist?!) oder hören Geräusche, die es innert der Geschichte fast schon wahrscheinlich wirken lassen, dass sich hier unterschiedliche Dimensionen überlappen. Alles scheint sehr mystisch zu sein – tatsächlich gibt es letztlich eine mehr oder minder irdische Erklärung für das plötzliche Verschwinden der Dorfbewohner, wobei ich mich mit der Auflösung insofern ein bisschen schwertat, dass mir ein bestimmter Aspekt (den ich nicht spoilern will) dann doch zu sehr Badass zu sein schien als dass er nach all den vergangenen Jahrzehnten noch eine solche Gefahr für ein paar Endzwanziger darstellen konnte. Das war dann wiederum doch fast schon übernatürlich. ;) Allerdings war das mein einziger Wehmutstropfen; ich habe nun das eBook gelesen und die gedruckte Ausgabe soll gar über 450 Seiten verfügen, was mir nun sehr viel vorkommt bzw. ich hätte darauf wetten mögen, dass dieser Roman in der Printfassung keine 300 Seiten lang wäre. Denn es war wirklich problemlos und sehr kurzweilig in einem Rutsch wegzulesen und ich wollte mich schon fast darüber beklagen, dass Camilla Sten ruhig auch etwas ausschweifender hätte werden können als die Geschichte so kurz zu fassen – aber angesichts von rund 450 Buchseiten bin ich da nun lieber doch ganz, ganz still.

Eine definitive Leseempfehlung aber alle, die etwas düsterere, mystischere, paranormalere… Erzählungen aus dem skandinavischen Bereich favorisieren, welche Psychothrill und Abenteuergeschichten kombinieren!

Veröffentlicht am 15.04.2020

Für die Ultra-RomantikerInnen unter den LeserInnen

Rendezvous in zehn Jahren
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Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist ...

Eigenschaften, die „Rendezvous in zehn Jahren“ einer –begeisterten- Leserschaft abverlangt: Romantik, eher exzessiv als dezent, und absolute Schicksalsgläubigkeit. Denn „Rendezvous in zehn Jahren“ ist letztlich so überbordend romantisch; auch wenn die Geschichte sich redlichst bemüht, nicht allzu kitschig zu wirken; dass es hier einfach gar keine Zufälle gibt, die es nicht gibt. Es gibt hier wirklich unfassbar viele Szenen, in denen man denkt: „Klar, natürlich lauft ihr grade aneinander vorbei!... Klar, natürlich bist du nun die Person, die dies oder jenes tut!... Klar, natürlich unternehmt ihr gleichzeitig Dasselbe!...“, und in denen die Hauptfiguren einander tragischerweise doch immer wieder verfehlen, dass es dann doch völlig überzogen gewirkt haben würde, wäre der Roman noch länger gewesen. Aber ist man eben nicht mit einer überaus ausgeprägten romantischen Ader ausgestattet, wird einem „Rendezvous in zehn Jahren“ definitiv ohnehin völlig verklärt und konstruiert vorkommen; da stellt dieses Buch wirklich eher eine Art romantischer Alltagsflucht dar.

Eingangs habe ich allerdings selbst ein wenig mit der Lektüre gehadert, da mir die Geschichte auf den ersten paar Seiten viel zu hölzern erzählt war; und zwar so hölzern, dass ich das Lesen des Romans schon fast mit einem klaren „Nee, definitiv nicht meins; zu abgehackt und unecht wirkender Erzählstil“ im Kopf aufgeben wollte, aber kurz darauf wirkte es plötzlich so als habe sich Judith Pinnow erst warmschreiben müssen: Mit einem Mal las sich aber auch für mich alles flüssig.
Insgesamt ist „Rendezvous in zehn Jahren“, wie gesagt, eine romantische Alltagsflucht für mich gewesen; ich bin nicht hellauf begeistert, die Handlung hat mich nicht vollauf gefesselt, auch wenn es an mancher Stelle durchaus spannend war, zu rätseln, ob bis zum Wiedersehen von Ted und Amelie tatsächlich die ursprünglich verabredeten zehn Jahre vergehen würden. Ich würde auch Judith Pinnow nun nicht plötzlich zu meinen Lieblingsautorinnen erzählen und wenn ich es ganz recht bedenke, war „Rendezvous in zehn Jahren“ nun weniger großer Liebesroman für mich als kurzweilige Liebesschmonzette oder anders gesagt: ein ganz solider, nett zu lesender Groschenroman, zumal in meinen Augen auch die Figuren sehr an der Oberfläche blieben. So betrachtet bin ich letztlich auch gerne bereit, vier Sterne in der Gesamtwertung zu vergeben, auch wenn ich einer eventuellen Empfehlung doch recht zwiespältig gegenüberstehe: Zum Buch raten will ich hier definitiv ausschließlich Denjenigen, die vollauf von Romantik, Schicksal, Vorherbestimmung etc. überzeugt sind, denn das ist vermutlich exakt die Leserschaft, auf die „Rendezvous in zehn Jahren“ abzielt.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via #NetGalleyDE, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 10.04.2020

Anregende Einführung in eine wichtige Thematik

Land unter bei Samuel
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Angesichts des Klappentextes hatte ich im Vorfeld unterschwellig die Befürchtung, dass die Geschichte in diesem Fall schnulzig enden könnte, nach dem Motto: Kleiner Erfinder rettet die Welt. Aber zum Einen ...

Angesichts des Klappentextes hatte ich im Vorfeld unterschwellig die Befürchtung, dass die Geschichte in diesem Fall schnulzig enden könnte, nach dem Motto: Kleiner Erfinder rettet die Welt. Aber zum Einen beschränkt sich Samuels Erfindungsreichtum bislang eher auf die Theorie; er geht sehr aufmerksam durch die Welt und überlegt sich, wie man die Probleme, die ihm selbst ins Auge stechen, lösen kann – da ist er der Typ Primarschüler, von dem man fast schon erwartet, dass er in der Mittelstufe regelmäßig ganz weit vorne bei „Jugend forscht“ mitmischt. Zum Anderen ist es wohl auch deswegen nicht so, dass hier plötzlich die Welt gerettet wird und der Klimawandel gar kein Thema mehr ist.
„Land unter bei Samuel“ erzählt vielmehr, wie der Viertklässler Samuel mit seiner Familie von einem Ende Berlins an das andere Ende der Stadt umzieht, was aufgrund der Größe Berlins nahezu einen Umzug ans andere Ende der Welt darstellt – ursächlich für den Umzug ist dabei tatsächlich das andere Ende der Welt: Samuels Vater gehört einer Gruppe Wissenschaftler an, die sich damit beschäftigt, einen Rettungsplan für die (existierende!) Inselgruppe Kiribati zu entwerfen, die (auch das ist Fakt) aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels zu versinken droht. Der Umzug der Familie ist in diesem Fall beruflich bedingt – und sowohl Samuel als auch seine Schwester, bei der zudem nun noch die Pubertätswirren einzusetzen scheinen, haben zunächst mit Startschwierigkeiten in der neuen Schule zu kämpfen, während Samuel auch das Problem des Klimawandels nicht aus dem Kopf bekommt und zu überlegen beginnt, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, die Umwelt zu schützen. Prinzipiell behandelt dieses Buch damit also sogar zwei Themen: das Einleben in einer völlig neuen Umgebung und den Klimawandel, was in diesem Fall eine besonders clevere Kombination ist, denn die Bewohner von Kiribati sehen voraussichtlich über kurz oder lang ebenfalls einer Umsiedlung entgegen, werden sich also auch an anderer Stelle neu einleben müssen. (Auch eine Überschwemmung der Schultoilette verbildlicht das Kiribati-Dilemma im weiteren Verlauf des Buches nochmals.)

Dem Leser wird generell nur wenig vorgekaut; da ist „Land unter bei Samuel“ eher eine Einladung, sich selbst Gedanken zu machen. Es gibt da einige Projekte, die Samuel und seine Mitschüler letztlich angehen, ein bisschen was, das er auch daheim umsetzen möchte, und allgemein werden viele kleine Punkte (Regionalität, Nachhaltigkeit, Müllvermeidung…) angedeutet, zu denen man sich eben selbst mögliche Optionen und Alternativen überlegen kann. Damit ist dies ein Buch, mit dessen Inhalt man sich tatsächlich aktiv auseinandersetzen kann.

Sehr gut gefallen hat mir auch ein beschriebener Versuchsaufbau, der den Klimawandel bzw. das Schmelzen der Pole veranschaulichen soll; in Sachen „Veranschaulichen“ muss zudem festgehalten werden, dass das Buch weiterhin mit zahlreichen Illustrationen versehen ist, dass man viele der Inhalte tatsächlich direkt vor Augen hat – und besagter Versuch lässt sich auch ganz einfach zuhause nachbauen. Generell finde ich dieses Kinderbuch daher auch sehr gut geeignet, um Kindern, gerne auch ein wenig interaktiver, die Problematik des Klimawandels überhaupt nahezubringen. Da ist es definitiv eher ein Einstiegs- als ein Vertiefungsbuch und ich würde es somit auch eher früher als später mit den Kindern lesen. Vielleicht sogar als eine Art „Erst ich ein Stück, dann du ein Stück“-Buch zum gemeinsamen Lesen, sobald das Kind grad zu lesen gelernt hat, oder gar als Vorlesebuch bereits vorher, wobei man in diesem Rahmen dann die beschriebenen Experimente mit den Kindern wiederholen kann. Die Altersempfehlung „ab 8 Jahre“ sehe ich von den zu erwartenden Lesefähigkeiten her zwar als passend an, aber wie gesagt: Die Geschichte führt dann doch eher grundsätzlich in die Thematik ein und wenn ich überlege, dass die Zwillinge meines Bruders im letzten Kindergartenjahr dort nun auch schon das Thema „Umweltschutz“ ansatzweise beackert haben, sehe ich es vom mutmaßlichen Allgemeinwissen her eher als etwas zu spät an, „Land unter bei Samuel“ erst mit >8 Jahren zu lesen. Zehnjährige sind in meinen Augen da definitiv schon zu sehr informiert als dass dieses Buch ihnen noch interessante Ansätze aufzeigen und sie zum weiteren Nachdenken inspirieren könnte. Andererseits wäre „Land unter bei Samuel“ aber zu Beginn der dritten Klasse vermutlich noch ein sehr lesenswertes Buch, grade wenn man da fächerübergreifend das Thema „Umweltschutz/Klimawandel“ durchnehmen würde.



[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]