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Veröffentlicht am 03.06.2023

Beunruhigende Zukunftsvision

Seeing what you see, feeling what you feel
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Dieser Jugendroman hat mich völlig fasziniert, auf gute sowie schlechte Art, gefesselt, schockiert, aufgewühlt, nachdenklich gemacht… selten hat mich je eine Geschichte überhaupt eine solche Bandbreite ...

Dieser Jugendroman hat mich völlig fasziniert, auf gute sowie schlechte Art, gefesselt, schockiert, aufgewühlt, nachdenklich gemacht… selten hat mich je eine Geschichte überhaupt eine solche Bandbreite der Emotionen durchmachen lassen; selten hat mich eine Hauptfigur so beeindruckt wie Lydia und wirkte dabei jedoch derart unsympathisch. Man kann es nicht anders sagen: Lydia ist eine geniale Hackerin, bei der von Anfang an ersichtlich ist, dass ihre Fähigkeiten sie rasch ins Kriminelle abgleiten lassen könnten und bei der man sicher sein kann, dass ihr in einem entsprechenden Verfahren ein „Offener Vollzug oder Bewährung, wenn du für uns arbeitest“-Deal angeboten werden würde; wenig überraschend entspinnt sich sehr frühzeitig im Hintergrund auch eine Art „Catch me if you can“-Strang, der diesen Eindruck verstärkt.

Die Künstliche Intelligenz, deren Entwicklung Lydia mit ihrem Vater begonnen und die sie nun völlig alleine abgeschlossen hat, erinnerte mich sehr an die Mecha aus Spielbergs inzwischen 20 Jahre altem „A.I. – Künstliche Intelligenz“, wobei jene aber schon in Figuren gepresst wurden: das von ihr nach ihrem verstorbenen kleinen Bruder Henry benannte Programm wirkt wie ein körperloser Mensch, was auch hier letztlich ein Problem darstellt, denn Lydia sehnt sich nach einem „echten“ Henry in ihrem Leben und auch die KI strebt mehr und mehr danach, vollauf am Leben teilhaben zu können. Dabei habe ich mich teils arg schwergetan, wie hochfunktional Lydias Künstliche Intelligenz war und wie rapide sie sich weiterentwickelt hat – mitunter habe ich da echt überlegt, ob es die Künstliche Intelligenz überhaupt gäbe oder ob Lydia nach dem traumatischen Unfall ihrer kompletten Familie nicht einfach in eine Psychose abrutschte… teils schien mir das alles sehr wie die Darstellung einer gespaltenen Persönlichkeit, denn auch wenn häufig darauf hingewiesen wurde, dass Henry, der sicherlich auch durch seine Körperlosigkeit sehr imaginär wirkte, die menschliche Komponente fehlt und sein Bewusstsein rein technisch wäre, hat das Programm die Menschen doch so sehr kopiert und sich an diese angelehnt auch eigenständig weiterentwickelt, dass dieser Unterschied zwischen KI und Mensch irgendwann gar nicht mehr auszumachen war und Henry eher wie Lydias toxischer, hochmanipulativer Partner wirkte. Allerdings war auch Lydia nun nicht der Prototyp des netten Mädchens von nebenan, da entstand schnell eine ungute Bonnie-und-Clyde-Dynamik, bei der es teils nicht so einfach auszumachen war, wer nun der skrupellosere Part war und wer/was die Grenzen der Moral wohin verschob. Da lohnt es sich durchaus, die Handlung aus einem ethischen Blickwinkel kritisch zu betrachten; mich hat dieser Roman zwar sehr gut unterhalten und er war auch sehr spannend, aber als reinen Unterhaltungsroman würde ich ihn definitiv nicht betrachten. Da wird zweifelsohne eine diskussionswürdige Thematik angesprochen: mit welchen Tabus sollte man eine KI programmieren; zu welchem Zeitpunkt geht sie zu weit, so dass man eingreifen sollte; wie schnell gerät eine Entwicklung ggf. außer Kontrolle und welche Mechanismen hätten es womöglich verhindern können, dass Lydia mit Henry auf die „wir Zwei gegen den Rest der Welt“-Bahn gerät? Denn über dieser Handlung schwebt ein riesiger Schatten der Vernachlässigung und Ignoranz und des Traumas einer ganzen Familie.

Ein sehr lesenswertes Buch, vor Allem in dieser Zeit, in der ChatGPT so klar auf dem Vormarsch ist.

Veröffentlicht am 03.06.2023

Dynamische Spannung

Die Verborgenen
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Der 01.06. zeichnet sich in diesem Jahr dadurch aus, dass an jenem Datum doch so einige vielversprechende Bücher erscheinen (und wie jedes Jahr natürlich dadurch, dass ich Geburtstag habe, haha); „Die ...

Der 01.06. zeichnet sich in diesem Jahr dadurch aus, dass an jenem Datum doch so einige vielversprechende Bücher erscheinen (und wie jedes Jahr natürlich dadurch, dass ich Geburtstag habe, haha); „Die Verborgenen“ konnte ich bereits im Vorfeld lesen und nach „Das Loft“ war ich doch besonders neugierig auf diesen neuen, eigenständigen Roman Geschkes und darauf, ob er womöglich wieder mehr in Richtung Mindf*** gehen würde oder ob; die Kurzbeschreibung ist doch sehr undurchsichtig und könnte so auch einen Horrorroman umreißen; die Handlung eher gen Mystery ginge.
„Die Verborgenen“ schildert das Leben des Ehepaares Sven und Franziska, die mit ihrer noch nicht ganz volljährigen Tochter Tabea ein Haus in Franziskas Heimat an der Küste bewohnen, wo sich der aus dem Ruhrgebiet stammende Sven generell nicht allzu wohlfühlt, während Franziska bemüht ist, zumindest das Bild einer Idylle aufrechterhalten zu wollen: Der Roman wird aus diversen Perspektiven beleuchtet, das heißt, alle drei Mitglieder der Familie erzählen abwechselnd und wiederholt von „heute“ sowie von „vor ein paar Tagen“, wobei hier sehr schnell klar wird, dass sowohl Sven als auch Franziska ihre Ehe insgeheim bereits weitgehend aufgegeben haben, während Tabea vor Allem mit sich ringt, welche Informationen bzgl. der Suche nach ihrer seit Tagen vermissten Mitschülerin Rebecca womöglich relevant anstatt simpler Gerüchte sind. Aber die spannendste Perspektive lieferst „du“: Denn da gibt es ferner diesen Strang, in dem der/die Lesende direkt angesprochen wird und in dem „du“ erfährst, was „du“ und warum „du“ es grade machst, was in „dir“ vorgeht… wenn man „Die Verborgenen“ liest, wird man selbst als einer eben dieser Verborgenen angeredet – und so ist sehr früh klar, dass zumindest ein quicklebendiger Mensch sich (eben „du“ dich) auf dem Dachboden des Hauses versteckt – sofern du dich nicht am Ende noch als Riesenkäfer oder Alien entpuppen solltest. Zumindest verhältst „du“ dich aber erstmal menschlich; tatsächlich habe ich übrigens nach ungefähr 43% des Romans angesichts einer bestimmten Szene kurz „Moooooment, bist du etwa…?“ gedacht, was sich bei knapp der Hälfte dann bestätigt hat und ich muss zugeben, dass mich das schon ein wenig überrascht hat, denn ich hatte mir „dich“ bis dahin ganz anders ausgemalt.

Für kleinere Überraschungsmomente halten zudem sowohl Sven als auch Franziska her, die beide ein gewisses Doppelleben führen, und da verschoben sich Sympathien im Verlauf der Handlung durchaus. Da blieb die Geschichte nie starr, sondern war wirklich bis zum Schluss stets in Bewegung, wobei es mich ein wenig genervt hat, dass es da am Schluss nochmals eine unerwartete Wendung gab, die ich an jener Stelle auch völlig unnötig fand und ferner schlechter als die vorherige Auflösung, welche sich für mich einfach viel glatter einfügte.

Ich habe „Die Verborgenen“ wirklich sehr gerne gelesen; die Handlung ist in sich schlüssig, leicht beklemmend (auch dadurch, dass sich die Geschichte erst allmählich vor einem ausbreitet und dass man perspektivisch hier quasi durchgehend in der Rolle eines Bösewichts feststeckt, trägt auch nicht so sehr zum persönlichen Wohlgefühl bei), und mir hat zudem gefallen, dass die Figuren allesamt sehr vielschichtig charakterisiert worden waren und es da nicht eine einzige Person gab, die man unter „voll und ganz ein Sympathieträger“ hätte einordnen können, sondern alle eben gute und schlechte Eigenschaften an den Tag legten. Definitiv ein Thriller für Leute, die auch davon genervt sind, dass es selbst im bösesten Buch fast immer eine allzu perfekte Figur gibt.

Veröffentlicht am 09.05.2023

Nachhallend

Girl A
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„Girl A“ erzählt keine klassische Anfang-Verlauf-Schluss-Geschichte; dieser Roman ist achronologisch aufgebaut und wirkt dabei ähnlich zerbrochen wie die Figuren, von denen er erzählt. Im Fokus steht das ...

„Girl A“ erzählt keine klassische Anfang-Verlauf-Schluss-Geschichte; dieser Roman ist achronologisch aufgebaut und wirkt dabei ähnlich zerbrochen wie die Figuren, von denen er erzählt. Im Fokus steht das sogenannte „Girl A“, das, daraufhin zur Wahrung ihrer Anonymität als solches benannt, im Alter von 15 Jahren dem Elternhaus entkam, in dem ihre Geschwister und sie zwischenzeitlich seit Jahren gefangengehalten und von ihren Eltern, insbesondere dem immer mehr religiösem Wahn verfallenden Vater, misshandelt wurden – diese Vorgänge liegen in „Girl A“ bereits lange zurück, aus Lex, eben jenem „Girl A“, ist inzwischen eine in New York lebende Anwältin geworden, die nun nach dem Tod der Mutter, dem letzten gelebt habenden Elternteil, zurück nach Großbritannien reist, da diese sie testamentarisch betraut hat, den Nachlass abzuwickeln, der im Wesentlich aus dem inzwischen verfallenen „Horrorhaus“ besteht – Lex ist somit nicht nur gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, was weiterhin mit diesem Haus geschehen soll, sondern dies auch mit ihren Geschwistern zu besprechen… an dieser Stelle hakte „Girl A“ für mich ein wenig, da erklärt wurde, dass die Kinder nach ihrer Rettung alle getrennt voneinander untergebracht und später vor Allem sämtlich adoptiert worden waren; für mich blieb es da etwas zu vage, wieso die Kinder hinsichtlich der leiblichen Mutter erbberechtigt gewesen sein sollten: Rührte das noch vom früheren Tod des Vaters her; hatte die Mutter sie nach und trotz all der Geschehnisse einfach weiterhin als Begünstigte benannt…? Wieso war das Haus nicht nach der Rettung der Kinder, z.B. zur Begleichung der Anwaltskosten, längst verkauft worden? Aber gut: die Opfer waren nun also plötzlich für den Tatort verantwortlich, und dieses Buch erzählt davon, wie Lex mit all ihren Geschwistern darüber reden muss, wobei sie mit der Erinnerung konfrontiert wird, dass sie sich auch in Gegenwart einer Therapeutin schon immer schwertat, über das zu reden, was ihren Geschwistern und ihr damals widerfahren ist.
Da schwenkt der Roman von Szenen der Gegenwart, in denen Lex hauptsächlich ihre Geschwister nacheinander aufsucht und in denen gezeigt wird, wie es jenen nach ihrer Befreiung weiterhin ergangen ist, zu Rückblenden, in denen Lex sich erinnert, wie sie vom relativ normal aufwachsenden Mädchen zum zunächst vernachlässigten und später zum eingesperrten und misshandelten Kind wurde. Es gibt übrigens keine auffallend bildhaften Darstellungen der Gewalt, die die Geschwister durchmachen mussten; hier scheint alles sehr vage durch und lässt letztlich zwar keinen Zweifel, aber man muss doch schon ein wenig aufmerksamer lesen, um das Grauen zu erfassen. Während des Lesens fand ich es zwar mitunter schwierig, weil mir alles teils so unklar geschildert zu sein schien und manches quasi über Nacht völlig extrem geworden war (wurde z.B. vorher zwar mal das zu wenige Essen und das Hungergefühl angesprochen, war eines der Kinder aber „plötzlich“ nicht „einfach nur“ hungrig, sondern buchstäblich bereits am Verhungern), aber im Nachhinein war das sehr geschickt gemacht, weil „Girl A“ eben spezifisch von Lex erzählte und man so eigentlich krass verdeutlicht bekam, dass bei ihr Verdrängungsmechanismen immer noch fleißig Rädchen drehten, und dass sie bestimmte Dinge/Situationen tatsächlich wohl gar nicht mehr erinnerte oder noch die mutmaßlich besseren Dinge im Gedächtnis hatte, wie der Vater der die Kinder auslachte, dass sie angesichts eines verfaulten Schimmel-Irgendwas tatsächlich glaubten, er würde sie zwingen, sowas zu essen. Oder dass ihr bestimmte Dinge letztlich gar nicht mehr auffielen, weil sie auf alle Geschwister zutrafen und sonstige Vergleichsmöglichkeiten inzwischen ja fehlten.

Spannend fand ich letztlich aber auch die Darstellungen der Geschwister, die allesamt grundverschieden waren und bei denen sich zeigte, wie hilflos die Geschwister auch im Umgang miteinander noch waren und dass alle sehr anders mit ihrer Herkunft umgingen bzw. dass sich teils auch zeigte, wie sehr man auch von den Eltern geprägt worden war.

Insgesamt ein sehr bedrückendes Buch, bei dem man, nicht zuletzt im Wissen, dass es derlei Befreiungsschläge schon gegeben hat und dass die hier geschilderten Verhältnisse durchaus Realitäten entsprechen, auch nicht umhinkommt, sich zu fragen, was passiert und wie es endet, wenn niemand entkommen kann.

Veröffentlicht am 24.04.2023

Für Sommer, Sonne, Strand

Du bist mein Lieblingsgefühl
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Leider hat auch dieser Roman für mich das „Mittleres-Drittel-Problem“, das ich persönlich seit wenigen Jahren beim Gros der romantischen Erzählungen wahrnehme und mit dem ich einen entsprechend platzierten ...

Leider hat auch dieser Roman für mich das „Mittleres-Drittel-Problem“, das ich persönlich seit wenigen Jahren beim Gros der romantischen Erzählungen wahrnehme und mit dem ich einen entsprechend platzierten Teil der Geschichte meine, in dem nicht wirklich groß etwas passiert, und bei dessen Anfang man bereits das Gefühl hat, die Geschichte wäre im Grunde genommen längst auserzählt.
In diesem Falle fasst die Buchbeschreibung das erste Drittel bereits weitgehend zusammen: Nela und Max lernen sich in einem Brautmodengeschäft kennen; bei keinem von beiden steht eine eigene Hochzeit an, aber nun denken sie das vom jeweils Anderen, den sich beide nicht aus dem Kopf schlagen können und bis dann Max‘ Firma kurz darauf zufällig neue Räumlichkeiten genau über Nelas Geschäft bezieht, haben beide ihrem engsten Umfeld schon genug was vorgeschmachtet, dass es für ihre Freundinnen schon ein running gag ist, wie voll verknallt sie jeweilig sind… tja, Max‘ Geschäftspartner Chris nahm nun nie ein Blatt vor den Mund, wollte immer alles ganz genau wissen, wurde von Anfang an als eher extrovertierter Mensch dargestellt, dem eher nichts peinlich ist und der sich nicht scheute, in jedes Fettnäpfchen auf seinem Weg voller Elan hineinzuspringen – aber als er Nela kennenlernte, sprach er sie nicht auf ihre vermeintliche Hochzeit an? Auch dass sonst niemand der Freundinnen, die wussten, wo Nela und Max sich zum ersten Mal begegnet waren, nachhakte, „wann ist es eigentlich bei dir soweit?“, fand ich extrem unglaubwürdig, zumal diese Ignoranz auch einfach zu keiner der Figuren zu passen schien. Und nach dem ersten Drittel dachte ich wirklich, es solle einfach mal jemand bloß ganz kurz die Hochzeitsplanung ansprechen, dann könnten sich Nela und Max in die Arme fallen und sich fortan ganz direkt gegenseitig anschmachten; Roman vorbei.
Da war ich wirklich drauf und dran, dieses Buch für mich einfach für beendet zu erklären, weil ich keine Lust hatte, nu womöglich mehr als ein halbes Buch zu lesen, in dem die Hauptfiguren einander heimlich anhimmeln würden, während sie sich verfluchten, sich in wen Verlobtes verkuckt zu haben, bis endlich mal aufgeklärt werden würde, dass keiner von ihnen bzgl. seiner eigenen baldigen Hochzeit im Laden gewesen war. Dabei fand ich den Einstieg bis dahin tatsächlich sehr unterhaltsam und kurzweilig, aber die Geschichte gelangte da eben an diesem Punkt an, bei dem ich nicht erwartete, dass nun noch irgendetwas passieren würde. Bis zur Auflösung des Missverständnisses war mir „Du bist mein Lieblingsgefühl“ im Mittelteil einfach zu zäh und langatmig, ehe die Geschichte dann doch wieder etwas an Fahrt aufnahm, denn auch wenn Nela (Musik) und Max (IT) in ihren Bereichen beide als ziemliche Nerds durchgehen können, sind sie ansonsten eben doch grundverschieden; Pragmatikerin vs. Romantiker; und diese Diskrepanz zwischen oberflächlicher Anziehungskraft und „wie gut können wir wirklich miteinander klarkommen?“ hätte man meines Erachtens schon deutlich früher fokussieren können anstatt erst noch ewig dieses Missverständnis weiter totzureiten versuchen, als es im Prinzip eh schon leblos dalag.

Letztlich stellte sich dieser Roman für mich nun als eine der leichten Lektüren heraus, die ich im Sommer gerne mal am Strand lese, aber deren gedruckte Ausgabe ich nach dem Auslesen dann auch dort im Offenen Bücherschrank zurücklassen und nicht wieder mitheimnehmen würde.

Veröffentlicht am 21.04.2023

Kein großer (Schneeball)Wurf

Drei Frauen im Schnee
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Den Roman "heimelig" der Autorin fand ich eben das: heimelig; so war ich auch an die Lektüre von "Drei Frauen im Schnee" in der Erwartung herangegangen, hier einen Wohlfühlroman zu lesen, aber für mich ...

Den Roman "heimelig" der Autorin fand ich eben das: heimelig; so war ich auch an die Lektüre von "Drei Frauen im Schnee" in der Erwartung herangegangen, hier einen Wohlfühlroman zu lesen, aber für mich entsprach die Geschichte letztlich doch eher einem Heftroman, der auf etwas mehr Frauenpower getrimmt war. So ganz warm bin ich mit diesem Buch nun nicht geworden und das liegt nicht daran, dass das Wetter vor dem Fenster derzeit nasskalt und das Wetter in der Geschichte so richtig winter wonderland ist, sondern ich tat mich schon mit der als Erzählerin auftretenden Protagonistin Sonja schwer, bei der mir eingangs noch auffiel, dass ihre 16jährigen Töchter ja wohl bedeuten müssten, sie wäre erst spät Mutter geworden, und bei der es mich dann total überraschte, als sie kurz darauf erzählte, bald 40 zu werden. Ich hatte sie definitiv auf Mitte 50 rum geschätzt, und wenn ich darüber nachdenke, dass die Hauptfigur in diesem Roman, auch wenn die Geschichte bereits Ende 2012 spielt, ebenso alt ist wie meine Generation jetzt: Ich erkenne da einfach keine Schnittpunkte, weder zu irgendeiner der Frauen, mit denen zusammen ich aufgewachsen bin, noch mit mir. Sonjas "moderne" Schwester steht da auf einem ganz anderen Blatt, aber die Hauptfigur habe ich hauptsächlich als trutschig wahrgenommen. Nicht, dass sie mir unsympathisch gewesen wäre, aber ich fand sie eben auch nicht sonderlich sympathisch bzw. von der Hauptfigur eines Romans, in dem es laut Titel und Beschreibung vor Allem um eine Frauenfreundschaft gehen sollte, erwarte ich, dass sie auch so auftritt, dass man sich beim Lesen denkt, man würde sie gerne zum eigenen Freundeskreis zählen können.

Vor Allem hat es mich aber enttäuscht, dass die beiden anderen Frauen überhaupt erst nach der Hälfte des Romans zum ersten Mal auftraten (bis dahin beklagte eine gutgestellte Sonja hauptsächlich die festgefahrenen Weihnachtstraditionen und erwarteten Festabläufe der Familie) und auch später, "im Schnee", wird ihre Freundschaft eher so geschildert, dass sie einträchtig zusammenarbeiten und nach Feierabend mal fröhlich eine Runde Karten spielen. Ich habe im Vorfeld damit gerechnet, dass diese Frauenfreundschaft zwischen den Dreien sehr viel mehr Raum einnehmen würde; tatsächlich ging es aber in erster Linie darum, ob Sonja ihr (Liebes)Leben komplett umkrempeln würde.
Auch die Unterstützung Karins in ihrem vom Ruin bedrohten Hotel bestand eigentlich nur aus der Arbeit im Service (als ob das den Bankrott abwenden würde); da habe ich mich wirklich geärgert, dass Sonja, deren früherer Job in einer Bank erst kurz zuvor wegrationalisiert worden war, zwar sogar kurz darüber nachdachte, sich die Hotelunterlagen vor Karins anstehendem Gesprächstermin bei deren Bank nochmals anzuschauen, jenen Einfall dann aber verwarf, weil "wird schon seine Richtigkeit haben, dass das Hotel kurz vor der Pleite steht; Karin kennt ihre Finanzen schliesslich doch bestimmt genau". Stimmt schon, aber auch Karins Angst, die sie "mit Sicherheit vor diesem Termin hat", hätte man, grade als Freundin, sicherlich schmälern können, wenn man ihr zumindest nur mal angeboten hätte, so einen typischen Banktermin für eine mögliche Hypothek zu üben.

Was mir zudem im Nachhinein auffiel: anfangs wurde echt sehr viel darüber geredet, sinniert, gewitzelt, dass zu Weihnachten 2012 (wieder einmal) der Weltuntergang angekündigt worden war; das war ein vergleichsweise großes Gesprächsthema, welches dann plötzlich fast wie eine heiße Kartoffel fallengelassen worden war.

Heiter oder komisch fand ich hier gar nichts; selbst die paar Quäntchen Situationskomik, die es zumindest bzgl. Weihnachtens gab, wirkten eher bemüht eingestreut. Ich würde das Buch nun zwar stattdessen auch nicht unbedingt als ernst bezeichnen, aber es kam für mich eben nie über den Status "spiessiger Groschenroman zur Weihnachtszeit" (dabei gestehe ich grad Weihnachtsgeschichten auch den allergrößten Schmonz zu) hinaus.