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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2017

Höchst unterhaltsam

Nenne drei Hochkulturen: Römer, Ägypter, Imker
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Bei diesem Buch handelt es sich um eine hübsche Zusammenstellung von kurzen Anekdoten aus dem Schulalltag - teils geschriebene, teils gesprochene Worte - die zahlreiche Lehrer an Spiegel Online geschickt ...

Bei diesem Buch handelt es sich um eine hübsche Zusammenstellung von kurzen Anekdoten aus dem Schulalltag - teils geschriebene, teils gesprochene Worte - die zahlreiche Lehrer an Spiegel Online geschickt haben. Sie wurden nach verschiedenen Kriterien sortiert, wie verschiedenen Schulfächern, Schülerausreden, Entschuldigungen der Eltern (keinen Deut besser als die Ausreden ihrer Sprösslinge), beste Schreibfehler etc. aber auch Lehrergeständnisse.
Dabei hat man wirklich herzerfrischende Schenkelklopfer jedoch auch Aussagen, die einen nur verständnislos den Kopf schütteln lassen, was in manchem Schülerhirn so vor sich gehen mag.
Fast noch mehr Spaß hatte ich an den Kommentaren die zu Beginn jedes Kapitels sowie vor/nach manchen besonders herausragenden Ergüssen eingestreut sind. Es erinnerte mich manches Mal ein wenig an die Kommentare guter Kabarettisten zu realen Aussagen unserer Mitbürger.
An wenigen Stellen waren eingerahmte Erläuterungen zu finden, wenn es mal um Themen ging, die vll. nicht zum Allgemeinwissen gezählt werden müssen. Gar nicht schlecht, diese Idee!

Insgesamt machte dieses Buch einfach nur Spaß, auch wenn es kein Buch ist, dass ich in einem durch lesen würde. Für mich war es das perfekte Klo-Buch, in dem man immer wieder mal einige Passagen liest. Daher hat es auch ein wenig gedauert, bis ich damit durch war, hat also nichts damit zu tun, dass es nicht kurzweilig gewesen wäre.

Durchaus auch eine sehr nette Geschenkidee, vor allem für Leute mit Bezug zu Kindern bzw. Schule. Man hat viel Vergnügen bei der Lektüre und kann den vielleicht stressigen Alltag so ein wenig weglachen.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Erwartungen übertroffen

Eltern haften an ihren Kindern
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Das Leben mit Kindern ist anders als ohne. Aber sowas von!
In seinem Buch "Eltern haften an ihren Kindern" führt Musik-Kabarettist Martin Zingsheim dem Leser eindrücklich vor Augen, inwiefern sich das ...

Das Leben mit Kindern ist anders als ohne. Aber sowas von!
In seinem Buch "Eltern haften an ihren Kindern" führt Musik-Kabarettist Martin Zingsheim dem Leser eindrücklich vor Augen, inwiefern sich das Leben für von Eltern komplett auf den Kopf stellt. Und das in jeder Hinsicht.
Nicht nur die ständig fliehende Zeit und abhanden kommende Kraft nagen am Elternteil, auch die philosophischen Betrachtungen, die unweigerlich auf jeden zukommen, der mit seinen Kindern kommuniziert.
Kinder - vor allem in jungen Jahren - zwingen Eltern dazu, alles und jedes zu überdenken und auch eigene Verhaltensweisen infrage zu stellen und einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Egal ob es sich um Ernährungsfragen handelt, Erziehungs- und Diskussionsmethoden, religiöse Fragen, Konsequenz, Gut und Böse, und, und, und...
Zingsheim findet eine ganze Reihe solcher Themen genauerer Betrachtung wert. Und zwar ohne dabei den Zeigefinger zu heben - und wenn doch, dann zeigt er auf sich selbst.
Das alles macht er auf herzerfrischende, amüsante und selbstironische Art und man möchte ihm manches Mal tröstend auf die Schulter klopfen und sagen "Ja, ja.... kennen wir. Wird auch nichts ändern - wirst du schon noch sehen in den nächsten Jahren!"
Insgesamt 26 Kapitel umfasst das Buch und damit auch 26 Themenbereiche. Abgerundet wird das Buch von einem Epilog, der ein Weihnachtsessen mit den dann erwachsenen Kindern in 20 Jahren herbei phantasiert. Dass dieses nicht so läuft, wie man es idealerweise gerne hätte, braucht sicher nicht erwähnt zu werden. Gerade das macht aber dieses Buch und seinen Autor so sympathisch: Er ist sich bewusst, dass er genauso Fehler macht, wie jeder durchschnittliche Vater. Daher auch der verheißungsvolle Hinweis auf dem Cover "KEIN Ratgeber".
Nicht ganz so gelungen empfand ich die eingestreuten "Zitate", die allesamt erdichtet sind - incl. der angeblichen Quelle. Zugegeben: manche sind durchaus amüsant, aber ich empfand sie dann doch etwas zu angestrengt und bemüht. Ihnen fehlte die Leichtigkeit des übrigen Buches.
Wunderbar hingegen die Zeichnungen seines ältesten Sohnes, bei denen erfreulicherweise deren Deutung mit angegeben war - in passendem, humorvollem Tonfall kommentiert.

Mir hat die Lektüre dieses Buches durchweg Spaß gemacht und vieles habe ich wiedererkannt, obwohl unsere Kinder jetzt genau in dem 20-Jahre-später-Alter sind. Gerade aus der Distanz kann man manches objektiver sehen.
Dankbar bin ich generell, wenn humorvolle Bücher nicht in comedyhafter Blödheit daherkommen. Mit Comedy hat dieses Buch nichts zu tun. Dafür ist es zu niveauvoll.

Fazit: Absolut empfehlenswertes, unterhaltsames Buch für Eltern aller Altersstadien sowie Menschen, die welche werden wollen.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Ein außergewöhnlicher Roman!

Sein blutiges Projekt
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Im August 1869 tötet der 17jährige Roderick Macrae 3 Mitbewohner seines kleinen Ortes Culduie auf grausame Weise. Unmittelbar im Anschluss begibt er sich freiwillig in die Hände eines Nachbarn und gesteht ...

Im August 1869 tötet der 17jährige Roderick Macrae 3 Mitbewohner seines kleinen Ortes Culduie auf grausame Weise. Unmittelbar im Anschluss begibt er sich freiwillig in die Hände eines Nachbarn und gesteht seine Tat, was zu seiner Inhaftierung führt.
So weit das Kernstück dieses spannenden Buches von Graeme Macrae Burnet. Es geht also weniger um die Frage, wer der Täter ist als vielmehr um die Frage, was einen jungen Menschen dazu bringt, eine solch grauenhafte Tat zu begehen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist in meinen Augen keinesfalls ein Thriller und es so zu bewerben ist m. E. grenzwertig. Nicht einmal als Kriminalroman würde ich das Buch bezeichnen. Eher als historischen Roman, denn es wird wesentlich mehr den sozialen Verhältnissen und Lebensumständen zur damaligen Zeit Rechnung getragen als der Tat und deren Aufklärung selbst. Nicht jedes Buch, in dem ein Mord vorkommt, ist ein Krimi oder Thriller.
Das geschickte Vorwort des Autors verleitete mich zu der Annahme, dass es sich nicht um einen Roman sondern um einen Tatsachenbericht handelt. Und wenn es nicht so fesselnd geschrieben und konstruiert wäre, dann hätte es glatt dafür einen Stern Abzug von mir gegeben, denn ich bin durchaus der Meinung, dass ein Roman auch als solcher gekennzeichnet sein sollte und das nicht erst in der Danksagung am Ende des Buches anklingen darf. Aber das Buch ist einfach zu stark, als dass ich es deswegen abwerten möchte.

Der Roman gliedert sich in verschiedene Teile. Dem ausführlichen Vorwort folgen einige Zeugenaussagen von Dorfbewohnern zu den Ereignissen und dem Täter. Den Kern des Romans bilden die Aufzeichnungen des Täters, die er während der Haft bis zum Prozess gemacht hat. Ihnen folgen die medizinischen Gutachten sowie der Prozessverlauf.
Vor allem diese Aufzeichnungen lassen erahnen, wie hart das Leben zu jener Zeit als Crofter (Pacht-Bauer) eines Lords, dem das komplette Dorf gehört, gewesen sein muss. Noch dazu, wenn der dort eingesetzte Constable (eine Art Verwalter) zu einem verfeindeten Clan gehört und seine Machtposition erbarmungslos ausnutzt mit dem Ziel, Roddys Familie aus dem Dorf zu vertreiben.
Als Roddys Mutter während der Entbindung stirbt gerät die Familie aus den Fugen. Der Vater wird noch härter und schwermütiger als er ohnehin schon immer war und die ältere Schwester wandelt sich von einem fröhlichen in ein ernstes, trauriges Mädchen. Der Vater wird immer schwächer und von Gram zerfressen, weshalb Roddy die meiste Arbeit auf den Feldern leisten muss und dazu noch vom Constable fortwährend für Gemeinschaftsarbeiten eingesetzt wird.
Roddy selbst ist außergewöhnlich intelligent, was jedoch nicht dazu führt, dass sich wirkliches Interesse an einem Leben außerhalb seines kleinen Horizonts entwickelt. Sein ganzes Streben zielt nur auf die Unterstützung der kleinen Familie durch seine harte Arbeit auf den Feldern ab.
Im Laufe der Aufzeichnungen wächst das Mitleid des Lesers und man fragt sich, warum sich die Menschen so viel gefallen ließen. Die Sympathien liegen eindeutig beim Täter Roddy und man denkt manches Mal, dass der grausame Constable sein Los eindeutig verdient hatte. Die Aufzeichnungen enden mit der Beschreibung der Tat und Roddys Verhaftung.

Die nun folgenden medizinischen "Gutachten" bzw. Berichte fordern jeden Leser enorm heraus! Sie könnten gut eine Grundlage für die arischen Lehren des Dritten Reiches bilden. Tatsächlich basieren aber genau diese haarsträubenden Passagen offenbar auf existierenden Artikeln jener Zeit, geschrieben von dem mitwirkenden Psychologen Thomson. Sie sind Zeitdokumente zum Thema Kriminalpsychologie und ebenfalls zur verächtlichen Einstellung des gebildeten Bürgertums gegenüber der armen Landbevölkerung oder den Arbeitergettos in den Städten.

Wie erwähnt gelingt es dem Autor extrem gut, den Eindruck zu vermitteln, der Leser ist Besucher jener Zeit und befasst sich mit Fakten. Dies in einer angenehmen, etwas altertümlich anmutenden Schreibweise, die das Buch wirklich zu einem Pageturner macht. Obwohl man weiß, was letztlich passiert ist, will man doch alles wissen, was den armen Jungen zu einem Mörder machte. Auch der ausführliche Prozessteil zum Ende des Buches fesselt einen wirklich und ich habe ihn in einem Stück gelesen, weil ich wissen wollte, wie das Urteil lauten wird - denn der wohlgesonnene Anwalt wollte Unzurechnungsfähigkeit während des Tatzeitpunkts geltend machen.

Es ist ein außergewöhnlicher Roman - in jeder Hinsicht! Hervorragend recherchiert und sehr detailreich. Ich kann ihn nur jedem empfehlen - solange man keinen Thriller erwartet.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Eindrucksvolles Debüt

Betrunkene Bäume
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Der Debüt-Roman Betrunkene Bäume von Ada Dorian ist m. E. nicht so einfach zu rezensieren, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Das Buch ist in verschiedenen Erzählsträngen unterwegs.
Es beginnt ca. 1960 ...

Der Debüt-Roman Betrunkene Bäume von Ada Dorian ist m. E. nicht so einfach zu rezensieren, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Das Buch ist in verschiedenen Erzählsträngen unterwegs.
Es beginnt ca. 1960 in einer kleinen sibirischen Stadt. Wolodja lebt dort als Obdachloser. Auf der Suche nach einem Job wird er an einen Deutschen vermittelt, der ihn als eine Art Scout für die sibirischen Wälder anstellt.
Der nächste Teil handelt zeitnah: Erich ist bereits jenseits der 80 und muss seinem fortgeschrittenen Alter immer mehr Tribut zollen. Er sieht nur noch sehr schlecht und seine Knochen machen auch nicht mehr richtig mit. Zudem wohnt er auf der 5. Etage (ohne Aufzug) und das alleine. Sehr zum Missfallen seiner Tochter Irina, die sich immer mehr Sorgen um ihren Vater macht. Vor allem, weil er starrköpfig jegliche Hilfe ablehnt. Was niemand ahnt: In seinem Schlafzimmer hat er einen einen eigenen kleinen Wald angelegt, von dem niemand erfahren darf, weil dies sicher dazu führen würde, dass er die Wohnung räumen müsste. Daher schließt er sein Schlafzimmer sorgfältig ab, wenn er es verlässt. Erich braucht und liebt die Bäume. Nur unter seinen Bäumen kann er ruhig schlafen.
Der dritte Erzählstrang handelt von Katharina, die kurz vor der Volljährigkeit zuhause ausreißt, weil ihr Vater die Familie verlassen hat, um in Sibieren zu arbeiten. Katharina kommt mit dieser Situation nicht zurecht, obwohl sie weiß, dass die Familie schon länger keine echte mehr ist. Die Eltern arbeiten zu unterschiedlichen Tageszeiten und gemeinsame Stunden finden kaum noch statt. Um nicht in Obdachlosigkeit zu enden zieht sie in eine verfallene Wohnung eines Bekannten, als direkte Nachbarin von Erich.
Die Gemeinsamkeit bildet eindeutig Sibirien, die unermessliche Weite des Landes mit seinen kaum durchdringlichen, dichten Wäldern. Katharina, die wissen will, wo sich ihr Vater dort genau aufhält und Erich, der Jahrzehnte zuvor monatelang mit einem Einheimischen diese endlosen Wälder durchstreifte und dort seine Frau Dascha kennen lernte, die er so unendlich vermisst. Damals lud er Schuld auf sich, die er sich selbst nicht verzeihen kann.
Mehr möchte ich ungern vom Inhalt verraten, denn vieles erschließt sich ja erst im Laufe der Lektüre. Nur noch so weit, dass Katharina und Erich sich anfreunden, wenngleich es eher fast eine Art Zweckgemeinschaft ist.

Dieses Buch ist in einer wundervollen Sprache verfasst. Wie von einem ruhig fließenden Strom wird man einfach mitgenommen, vorbei an ganz wunderbaren Bildern der Landschaft Sibiriens und seiner Bäume, mancher poetischen Beschreibung und immer ausgesprochen einfühlsam, geradezu vorsichtig in den Schilderungen. Dabei ist die Handlung selbst total unaufgeregt und fließt einfach vor sich hin, wobei sich das Wesen und die Geschichte Erichs immer mehr entschlüsselt.
Dabei wechseln die jeweiligen Erzählstränge regelmäßig, was jedoch keine großen Schwierigkeiten bereitet. Man erahnt sehr bald, wo man sich gerade befindet. Hervorragend waren die Passagen von 1960. Obwohl die Landschaft mehr als unwirtlich war ist doch alles mit so viel Liebe zum Detail und Fabulierkunst geschrieben, dass man sich tatsächlich wünschte, dabei zu sein.
Das Ende des Buches war mir persönlich etwas zu abrupt - hier hätte ich der Geschichte gute 30-40 Seiten mehr gewünscht, um es ruhiger und in sich stimmiger ausklingen zu lassen. Doch dieses Manko reicht nicht, um diesem beeindruckenden Buch einen Stern abzuziehen. Ich hoffe, Ada Dorian wird auch in Zukunft so wunderbare Bücher schreiben!
Fazit: Wer es ruhig mag ist hier bestens versorgt! Ein rundum empfehlenswertes Buch und ein sehr eindrucksvolles Debüt!

Veröffentlicht am 07.06.2017

Ein Roman, der keiner ist

In jedem Augenblick unseres Lebens
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Die Überschrift verrät es bereits: Das Buch wird als Roman gehandelt, jedoch ist es eigentlich eine biografische Erzählung des Autors Tom Malmquist. Seit 10 Jahren leben Karin Lagerlöf und er zusammen ...

Die Überschrift verrät es bereits: Das Buch wird als Roman gehandelt, jedoch ist es eigentlich eine biografische Erzählung des Autors Tom Malmquist. Seit 10 Jahren leben Karin Lagerlöf und er zusammen und erwarten nun ihr Wunschkind. Einige Wochen vor dem errechneten Termin erkrankt Karin schwer an akuter Leukämie und sie muss in die Notaufnahme. An dieser Stelle beginnt Toms Buch.
Es ist gegliedert in 5 Abschnitte. Der erste handelt ausschließlich von der Zeit in der Klinik - der Notaufnahme, die Verlegung in eine Spezialklinik, wo das Kind per Kaiserschnitt geholt und die Mutter besser versorgt werden soll sowie in der Frühchenstation. Dieser 1. Abschnitt ist geradezu rasant geschrieben.
Atemlos verfolgt man jeden Schritt Toms und man ist förmlich in die Handlung hinein gesogen. Man hat geradezu die Bilder vor Augen. Jedes noch so kleine Detail findet nebenbei Erwähnung. Es ist, als ob Tom alles noch einmal erlebt vor seinem geistigen Auge.
Tagelang pendelt er in der Klinik zwischen Intensiv- und Frühchenstation hin und her. Er schläft in der Klinik und isst kaum etwas. Freunde warten gemeinsam mit ihm, seine Schwiegereltern - es ist eine eigenwillige Stimmung, denn sie alle dürfen nicht zu seiner Karin, die verlangt hat, dass nur Tom bei ihr sein darf. Mit dem Tod Karins endet dieser Abschnitt.

Die nun folgenden 4 Abschnitte sind nicht so klar thematisch voneinander abgegrenzt und ich kann verstehen, dass etliche Leser Probleme damit haben, dass es von Zeitsprüngen nur so hagelt. Die Schreibweise ist ohnehin ungewöhnlich, denn wörtliche Rede wird nicht gekennzeichnet - was mich jedoch überhaupt nicht gestört hat; nach 2 Seiten war ich drin und konnte es einfach akzeptieren.
Der Schreibstil war für mich sehr angenehm zu lesen, da m. E. typisch skandinavisch: präzise, schnörkellos, knapp. Damit kam ich wunderbar zurecht.
Es gibt Probleme mit den Behörden, weil Tom und Karin nicht verheiratet waren, seine Schwiegereltern nehmen übel, dass sie nicht zu ihrer Tochter durften, Telefonate mit seiner Psychologin, Tod des eigenen Vaters, Erinnerungen an vergangene Zeiten, als Karin bereits einmal lebensgefährlich erkrankte und er um sie gezittert hat und alles, was eine 10jährige Beziehung so ausmacht, findet sich in diesen 4 Abschnitten.
Schade fand ich, dass die Zeit mit der kleinen Livia alleine m. E. wenig Aufmerksamkeit fand. Aber vermutlich war das auch nicht Sinn des Buches. Es war eher die Aufarbeitung eines traumatischen Erlebnisses, was es zweifellos für Tom darstellte. Es beschreibt den Zustand der kompletten inneren Verwirrung und tlw. Erstarrung. Zeiten fließen durcheinander und auch die Realität beginnt zu verschwimmen - zum Glück gibt es Livia, die Tom immer wieder in die Gegenwart zurück holt. Denn er muss funktionieren. Für Livia und letztlich auch für seine Karin.
Ich kenne aus eigener Trauer-Erfahrung diesen Zustand, wo man sich plötzlich an total nebensächliche Kleinigkeiten erinnert, die man erlebt hat. An einzelne Kleidungsstücke, Schmuck, Gerüche, Situationen. Tom hat dies alles aufgeschrieben, was ihm in den Monaten danach so alles durch den Kopf ging und was ihn aufwühlte. Das wirkt auf manchen Leser sicher eher verwirrend und vor allem eines: handlungsarm. Das ist vor allem im letzten Drittel des Buches etwas problematisch.
Vom ersten Abschnitt des Buches abgesehen besitzt es quasi keinen Handlungsstrang. Einzelne Handlungen und Dialoge werden detailliert beschrieben, finden jedoch oftmals keine Fortsetzung geschweige denn einen Abschluss. Wie bei einem Erzähler, der immer wieder den Faden verliert und nach 1 Stunde fragt man sich, wie denn nun die 5 begonnenen Geschichten weiter und aus gegangen sind.
Da ich mit dem Schreibstil sehr gut zurecht komme, machte es mir nichts aus, Toms Gedankengängen und Zeitreisen als stiller Zuhörer zu folgen. Ein wenig bekommt man eine Ahnung, wie sich Psychologen fühlen müssen. Aneinandergereihte Gedankensprünge, die auf den ersten Blick keinerlei Zusammenhang haben und die doch für den Gedankenträger so viel bedeuten. Ein ausgesprochen mutiges Buch, denn Tom kehrt hier sein Innerstes nach außen. Ich habe mich gefühlt wie ein guter Freund, den man zum Reden braucht - wobei mit "reden" eher zuhören gemeint ist. Man soll zuhören und keine Fragen stellen, weil es einen eigentlich eh nichts angeht - aber es muss einfach mal alles raus...
Erwähnen möchte ich noch, dass ich das Buch begann mit der Vorahnung, auf jeden Fall reichlich Taschentücher zu bunkern. Aber dazu gab es wirklich keinerlei Anlass - und ich heule schon mal schneller bei der Lektüre, gerade wenn es um den Verlust oder die Qualen eines Menschen geht. Doch der fast sachliche, knappe Ton diente nie dazu Mitleid zu erregen. Aufarbeitung durch Aufschreiben - das war m. E. sein Ansinnen. Und seiner Tochter eine ganz frische Erinnerung, auch an ihre Mutter, zu erhalten, wenn sie dereinst dieses Buch lesen wird.
Fazit: Es handelt sich wirklich um ein besonderes Buch, fernab leichter Lektüre, auf das man sich nur einlassen muss.
...und man darf kein "hab ich das nicht toll als alleinerziehender Vater hinbekommen"-Buch erwarten.