Inhalt
'Du musst dich ändern, Isaac, nicht die Welt um dich herum, hatte Francis gesagt. Mit Trauermiene. Aber Isaac konnte nicht.' Während Eleonor of Waringham als 'Auge der Königin' und Geliebte des Königs der Diebe im Zentrum der Macht angelangt ist und ihrer Freundin Elisabeth I., auch liebevoll 'Bessie' genannt, mit Rat und Tat zu Seite steht, flüchtet ihr jüngerer Halbbruder Isaac vor der ihm angetragenen Macht als zukünftiger Earl of Waringham und schließt sich so zunächst unfreiwillig den englischen Freibeutern um John Hawkings an, um später selbst als 'Robin Hood der Meere' in fremde Weiten aufzubrechen. Zwei unterschiedliche Geschwister in zwei grundverschiedenen Welten ' und doch verbindet sie mehr, als es auf den ersten Moment scheint...
Meine Meinung
Elisabeth I., Mary Steward, Francis Drake, John Hawkings, Robin Dudley, William Shakespeare ' große Persönlichkeiten, deren Schicksale hier von der Autorin wieder auf gewohnt fundierte Art und Weise mit denen der fiktiven Sprösslinge aus dem liebgewonnenen Waringham-Clan verwebt werden. Als fünfter Band in der im Mittalter gestarteten Waringham-Reihe spielt das Geschehen mittlerweile im Höhepunkt der Renaissance, im goldenen elisabethanischen Zeitalter, wodurch sich der Handlungsort des Buches fast gänzlich aus dem beschaulichen Waringham heraus in die große, weite Welt verschiebt und sich die Charaktere nicht nur sprichwörtlich zu neuen Ufern aufmachen. Tiefe Einblicke in einen feminin geprägten und kulturell vielseitigen Hof, eindrucksvolle Eindrücke der exotischen neuen Welt voller bunter Impressionen, die von Sklaverei, Ausbeutung und kollidierenden Herrschaftsansprüchen überschattet werden und nicht zuletzt die liebevoll mit Leben erfüllten Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten, die den Leser in ihre Gedanken- und Lebenswelt entführen, verleihen dem Roman den typischen Gablé-Charme.
Auch der Religionskonflikt zwischen Papisten und Reformierten, der England einige Dekaden in Atem hält, wird thematisiert und ein neues Lebensgefühl, bei dem Scheidungen und Emanzipation zunehmend Bedeutung gewinnen, kommt ins Rollen. Selbst kleinere Nebencharaktere geraten nicht ins Vergessen und läuten so immer wieder freudige Wiedersehen ein, die beim Lesen für einige Schmunzler sorgen. Besonders der erblindete Lappidot mit dem ulkigen Reformatoren-Namen konnte mein Herz im Sturm erobern und erfreute mich mit seinem beeindruckenden Werdegang ganz besonders. Zudem stolpert man beim Lesen immer wieder über den ein oder anderen bekannten Vorfahr, dessen Geschichte bereits als Anekdote Einzug ins Waringham-Universum halten konnte und mich so des Öfteren in Entzückung versetzte.
Dennoch kann dieser Band der Waringham-Saga nach meinem Empfinden nicht ganz an die Erfolge seiner Vorgänger anknüpfen. Ob einem der Ausflug in die Seefahrt und somit hinaus in die weite Welt zusagt oder nicht, halte ich für Geschmacksache. Ich persönlich hätte allerdings gerne am altbewährten Schema festgehalten und mehr vom geliebten Waringham gelesen, wodurch meine durch die vorherigen Bücher geschürten Erwartungen etwas enttäuscht wurden. Der markante Mönchskopf, der duftende Rosengarten, das umtriebige Gestüt und der über Generationen hinweg erkämpfte Pferdemarkt, die mein Herz stets höher schlagen ließen ' leider blieb das ganz große Wiedersehen hier aus. Ebenso fehlte mir die politische Nähe. Es wird zwar viel über Politik geredet, die Heiratspläne der Königin erörtert und über das weitere Vorgehen mit dem schottischen 'langen Elend' debattiert, die spürbaren Konsequenzen und Handlungen bleiben jedoch größtenteils aus. Wo ich bisher mitten drin im Geschehen war, mich fast schon physisch am Tisch des Hosenbandordens anwesend fühlte, war ich hier meist nur die ferne Zuhörerin, die eine knappe Zusammenfassung der neusten Ereignisse erhielt. Auch einen großen Gegenspieler, der alle meine Antipathien auf sich zieht und beim reinen Lesen des Namens zu Emotionsausbrüchen und Schimpftiraden führt, suchte ich vergebens. Zudem müssen sich die beiden ungleichen Protagonisten die knapp 950 Seiten des Wälzers untereinander aufteilen, sodass die Identifikation mit den beiden Geschwistern nicht so intensiv war, wie in den Vorgängerromanen. Unweigerlich findet man sich so früher oder später in 'Team El' oder 'Team Isaac' wieder'
Vor allem jedoch fehlte mir ein übergeordneter Handlungsstrang, der sich als 'großes Ziel', als roter Faden durch das ganze Buch zieht, auf den ich als Leserin hin fiebere und der die bisher immer so eindrucksvoll aufgebaute Spannung voller Hochs und Tiefs, Rückschläge und unerwarteten Wendungen aufrecht erhält. Hier tappte ich oftmals etwas im Dunkeln, wohin die Reise mich nun letzten Endes führen wird.
Fazit
Es steht für mich außer Frage, dass auch in diesem Buch die hervorragend recherchierten historischen Fakten liebevoll mit Leben gefüllt werden und die Vermischung von Fiktion und Realität, bei der auch auf kleine Details und Anekdoten Wert gelegt wird, großartig ist. Der Erzählstil ist mitreißend und baut eine Verbindung zu den Gedanken und Emotionen der Figuren auf. Aber da mir durch die genannten Defizite vieles verloren ging und doch einige Längen entstanden, bei denen die Handlung vor sich hin plätscherte, würde ich dem Buch 'nur' 3,5 Sterne geben. Das große Feuerwerk konnte bei mir leider nicht gezündet werden, auch da die Messlatte durch die Vorgängerromane enorm (!) hoch lag und sich 'Der Palast der Meere' für mich inhaltlich und stilistisch nicht so richtig in die bisherige Saga einreiht. Meines Erachtens würde das Buch als eigenständiger Roman, losgelöst von der Waringham-Saga, besser funktionieren, da ich dann mit anderen Erwartungen und unvoreingenommen ins Lesevergnügen starte.