Fähigkeit oder Sucht?
Hard Liquor – Der Geschmack der NachtDie Geschichte ist nicht ganz das was ich erwartet hatte. Als ich das Buch zur Hand genommen habe, hatte ich aber hauptsächlich noch die übermenschlichen Kräfte der Protagonistin im Kopf, wenn sie Alkohol ...
Die Geschichte ist nicht ganz das was ich erwartet hatte. Als ich das Buch zur Hand genommen habe, hatte ich aber hauptsächlich noch die übermenschlichen Kräfte der Protagonistin im Kopf, wenn sie Alkohol getrunken hat. Erwartet habe ich eine etwas leichtere Helden-Fantasy-Story mit einer originellen Kräfte Idee. Das Buch war jedoch düsterer, voller psychologischer Abgründe und teilweise auch sehr grenzwertig. Hierfür gibt es auch eine Reihe an Trigger-Warnungen vor dem ersten Kapitel, die man sich vor dem Buchkauf zu Gemüte führen sollte.
Gut geschrieben ist die Story aber alle Male. Die Autorin hat ein Händchen für Worte und differenzierte Aussagen. Gearbeitet wird mit einigen Metaphern, die ich mir massenweise herausgeschrieben habe. Bereits die ersten Zeilen waren grandios geschrieben:
„Diese Welt fürchtet mich nicht. Zwischen acht Milliarden Seelen gehen selbst Bestien in der Masse unter.“ – S. 9
Zwar schrieb die Autorin hier ein Fantasy-Buch, aber dennoch hat sie stark in die Realitätskiste gegriffen. Tycho stammt vom griechischen Weingott ab und erhält durch Spirituosen unmenschliche Kräfte. Durch ihre Kräfte bzw. Alkohol fühlt sich Tycho unbesiegbar, wodurch sie sich in riskante Situationen begibt und Schwierigkeiten hat, sich unter Kontrolle zu halten. Ohne jedoch, sieht sie sich als schwach, nicht sicher und somit greift sie immer zur Flasche, um sich nicht wehrlos zu fühlen. Nüchtern fühlt sie sich schon fast unwohl. Es zeichnen sich wirklich authentische Parallelen zur Alkoholsucht ab und geben einen Eindruck in die Psyche eines Alkoholabhängigen.
Abseits von der psychologischen Betrachtung und moralischen Themen, bleibt jedoch eine durchschnittliche Handlung zurück. Nach über 100 Seiten hatte ich immer noch das Gefühl, dass nicht unbedingt viel geschehen ist. Im Klappentext wurde deutlich mehr angekündigt und schnell habe ich gemerkt, dass er wirklich einen großen Teil der Geschichte vorweg- und somit auch die Spannung wegnimmt.
Die Charaktere abseits von der Protagonistin Tycho, bleiben eher blass. Auch ist in diesem Buch weniger die Frage, ob man Tycho sympathisch findet. Sie hat Ecken und Kanten, nicht jede Handlung von ihr, empfand ich als vorbildlich. Doch war sie trotzdem authentisch und greifbar. Für mich wurden denkwürdige Handlungen von ihr, gut durch Ausschnitte einer Radiosendung abgerundet. Hier wird immer wieder abgeraten von Selbstjustiz sowie Alkoholkonsum und mehrere Stellen aufgezählt, an die man sich wenden kann für verschiedene Hilfestellungen.
Fazit:
Die Autorin hat eine tolle Idee gehabt, ohne dabei etwas lächerlich zu machen oder schön zu reden. Jedoch sollte man sich hier eher auf eine psychologische Thematik einstellen, als einen mitreißenden Fantasy-Roman. Einige Handlungen von Tycho fand ich fragwürdig, andere Charaktere wiederum blass.
Das ist ein Buch, das mich noch länger begleiten wird. Weniger wegen der Handlung oder der Charaktere, sondern aufgrund vieler Gedankenanstöße und Tabuthemen.
(Mein Tipp: Trigger-Warnung unbedingt beachten!)