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Veröffentlicht am 17.12.2019

Eine gekonnt in Szene gesetzte Abwärtsspirale

Temper Ist es die Rolle ihres Lebens? Oder ein Spiel um die Macht…
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Worum geht's?

Bisher hat Kira ihren Durchbruch als Schauspielerin nicht geschafft und schlägt sich immer noch mit drittklassigen Darbietungen an Schulen durch. Doch das könnte sich jetzt ändern: In dem ...

Worum geht's?

Bisher hat Kira ihren Durchbruch als Schauspielerin nicht geschafft und schlägt sich immer noch mit drittklassigen Darbietungen an Schulen durch. Doch das könnte sich jetzt ändern: In dem Zwei-Mann-Stück „Temper" soll sie Seite an Seite mit Malcolm Mercer auf der Bühne stehen, dem Schauspieler und Theaterinhaber, dessen Bühnenpräsenz sie schon immer beeindruckt hat wie bei keinem anderen. Kira glaubt, sie weiß, worauf sie sich einlässt, auch wenn immer mehr Menschen sie vor Malcolms manipulativer Art warnen. Doch ehe sie sich versieht, zieht sich die Schlinge immer enger zu ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Wie jede/r andere wahrscheinlich auch, bin ich froh, wenn ich in meinem Alltag von den Abgründen der menschlichen Psyche weitestgehend verschont bleibe. Was Bücher angeht, finde ich sie dagegen ziemlich spannend. Bei „Temper" kam noch ein zweiter Aspekt hinzu, nämlich die Schauspielszene. Ein faszinierendes Thema, inwieweit Rollen, die man spielt (in jeder Hinsicht), einen vereinnahmen können!

Wie es mir gefallen hat:

Dieses Buch ist mal etwas anderes und brilliert abseits vom Schema F.
Erzählt wird die Geschichte aus zwei Ich-Perspektiven. Kira ist eine Schauspielerin Anfang 30, Joanna neben Malcolm die Begründerin des Indifferent Honest Theaters, von dem „Temper" uraufgeführt werden soll. Die schnellen Wechsel sorgen dafür, dass man immer ein weiteres Kapitel einsaugen möchte. Beziehungsweise von ihm eingesaugt werden will - denn das trifft eigentlich ziemlich gut, was die sich zuspitzende Handlung mit einem macht.
Layne Fargo beherrscht den Spannungsaufbau zwischen Charakteren wirklich meisterhaft! Die Konflikte und Entwicklungen ballen sich förmlich und geben einem das Gefühl, eine sich anbahnende Eskalation zu beobachten.

Es gibt keine wirklichen SympathieträgerInnen in diesem Buch, und da ich schwierige Charaktere ohnehin viel interessanter finde, war das für mich genau richtig, auch wenn ich mich in vielen Punkten absolut nicht mit ihnen identifizieren konnte. Kira und Joanna sind beide ziemlich toughe Frauen, unabhängig und abhängig zugleich, eher unkonventionell und nicht ganz einfach.
Während ich zuerst natürlich vor allem auf die Verwicklungen in Bezug auf Kira und Malcolm gespannt war, hat mich zunehmend Joannas Geschichte in ihren Bann gezogen.

Das Buch endet schlagartig. Das meine ich nicht unbedingt im eigentlichen Wortsinn, also abrupt, sondern mit einem wirklichen Schlag. Zuerst hat mich das frustriert, weil man in Bezug auf die Zukunft der Charaktere im Dunkeln gelassen wird und die Konsequenzen dieses Finales offen bleiben, doch im Nacklang hat es dazu geführt, dass es mich länger beschäftigt hat, als es das sonst vielleicht getan hätte. Ein paar mehr Klarheiten hätte ich mir trotzdem „aus erster Hand" gewünscht, denn bestimmt hatte die Autorin einige Gedanken, die sich nicht im Text finden. Dennoch gefällt mir ihre Entscheidung für den Showdown als nicht weiter ausgeführten Schluss inzwischen immer besser. Es ist damit alles gezeigt, was gezeigt werden sollte.

Eine außergewöhnliche Abgrund-Geschichte, die in ihrer Besonderheit den Mainstream wahrscheinlich nicht erreichen, aber hoffentlich dennoch die Aufmerksamkeit bekommen wird, die sie verdient!

(Für wen) Lohnt es sich?

Dieses Buch bietet sich für LeserInnen an, die nach etwas Speziellem suchen, einem Buch, das unterhält, abstößt, fasziniert und sich im Kern mit der Zerstörungskraft und Vorstellungsgewalt der menschlichen Psyche beschäftigt.
Ich würde den Roman ab ca. 16 Jahren empfehlen. Romantik und/oder ein Happyend sollte man hier nicht erwarten; vielmehr liefert „Temper" eine (im besten Sinne) mitreißende Abwärtsspirale, die einen über Macht, Manipulation und die Masken, die Menschen aufsetzen, nachdenken lässt.

In einem Satz:

„Temper" ist ein düsterer, beeindruckender, aber irgendwo auch verstörender Roman mit zwei starken Erzählstimmen, der eine große Sogwirkung entfaltet und sich zu einem dramatischen Finale hinaufschraubt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.12.2019

Nachdenkenswertes für Teenie-Mädels

Rise and Shine
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Worum geht's?

Die christliche Bloggerin Christina Walch hat in diesem Ratgeber für Mädchen Nachdenkenswertes, Erfahrungen und Tipps zu den Themen Selbstwert, Identität, Schönheit und wahre Liebe zusammengefasst, ...

Worum geht's?

Die christliche Bloggerin Christina Walch hat in diesem Ratgeber für Mädchen Nachdenkenswertes, Erfahrungen und Tipps zu den Themen Selbstwert, Identität, Schönheit und wahre Liebe zusammengefasst, immer im Zusammenhang mit dem Glauben.
Das Buch ist als Reflexionsgrundlage gedacht und bietet Platz, um zu jedem Sinnabschnitt eigene Gedanken zu notieren und weiterführende Fragen der Autorin zu beantworten.

Was mich neugierig gemacht hat:

Ehrlich gesagt habe ich das Buch ein bisschen falsch eingeschätzt. Ich hatte es zusammen mit „Schmink's dir ab" von Rachel Hollis auf meine Leseliste gesetzt und gedanklich auch derselben Zielgruppe zugeordnet. Allein vom Cover her hatte sich mir nicht erschlossen, dass es ein Buch für Mädchen im Teenageralter ist. Dennoch hat mich interessiert, welche Botschaften darin vermittelt werden.

Wie es mir gefallen hat:

Nach dem Lesen kann ich definitiv sagen, dass das Buch nicht nur für junge Mädchen relevante Themen behandelt und auch allgemeingültige Aussagen trifft. Dennoch ist es am besten für Mädchen ab ca. 13/14 Jahren geeignet. Allein schon am Schreibstil merkt man, dass Jugendliche angesprochen werden sollen.

Das Buch ist in sieben Teile gegliedert, abzüglich Einleitung und Schluss also fünf Oberthemen, zu denen es jeweils mehrere Unterkapitel mit Gedanken der Autorin und abschließenden Fragen zum Nachdenken sowie einige Tipps gibt (beides mit Eintragzeilen). Zentrale Aussagen sind im Textmarker-Look farbig hinterlegt.
Besondere Highlights sind die Interviews, von denen die Hauptkapitel abgerundet werden. Christina Walchs GesprächspartnerInnen waren Tamara Boppart, Déborah Rosenkranz, Alex von den O'Bros, Maria Gfrerer und Sarah Keshtkaran.

Was die Autorin in Bezug auf Beziehungen und Ehe vermittelt, beruht auf konservativen Vorstellungen. Viele davon teile ich, manche auch nicht oder nicht gänzlich. Es liegt auch sehr daran, wie man die Bibel versteht. Es ist ein bisschen schwierig, ich weiß nicht genau, wie man es hätte anders machen können, aber ich fürchte, dass das eine oder andere junge Mädchen erst mal zurückschrecken könnte. Es wird zum Beispiel für eine Unterordnung der Frau unter ihren Ehemann plädiert und dafür, die Zeit als Single als Vorbereitung auf den Zukünftigen zu sehen.

Was mich gestört hat: Die Autorin geht davon aus, dass ja jede Leserin sich schon früh um die Aufmerksamkeit von Jungs bemüht, viel auf Partys unterwegs ist, sich gern aufbrezelt etc. Sie sei ja früher genauso gewesen. Damit schließt man viele Teenies gewissermaßen aus, die eine eher ruhigere Pubertät erleben bzw. generell andere Prioritäten setzen.

(Für wen) Lohnt es sich?

Das Buch ist zum Beispiel eine schöne Geschenkidee zur Konfirmation oder Firmung. Es will jungen Frauen eine Orientierungshilfe für ihren Weg sein und sie dazu bringen, sich bewusst mit sich selbst und ihren Träumen und Plänen auseinanderzusetzen.
Die christlichen Inhalte werden auf eine Weise eingebracht, dass keine wesentlichen Vorkenntnisse über den Glauben notwendig sind; auf Mädchen ohne christlichen Hintergrund könnte es jedoch ein wenig befremdlich wirken.

In einem Satz:

„Rise and Shine" ist ein ermutigender Ratgeber für junge Mädchen, der einen Schwerpunkt auf die Themen Selbstannahme und (erste) Liebe legt und dabei sowohl sehr starke als auch diskussionswürdige Anregungen bereithält.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 17.11.2019

Belügst du dich noch oder lebst du schon?

Schmink's dir ab
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Worum geht's?

Rachel Hollis ist Geschäftsfrau und Lifestyle-Bloggerin und wurde vom „Inc. Magazine" unter den Top 30 Unternehmerinnen unter 30 geführt. Es ist ihr Anliegen, Frauen dazu zu ermutigen, nicht ...

Worum geht's?

Rachel Hollis ist Geschäftsfrau und Lifestyle-Bloggerin und wurde vom „Inc. Magazine" unter den Top 30 Unternehmerinnen unter 30 geführt. Es ist ihr Anliegen, Frauen dazu zu ermutigen, nicht mehr auf die Lügen der Welt, anderer Menschen und vor allem die im eigenen Kopf zu hören, sondern herauszufinden, wie sie ihr Leben wirklich leben wollen. In „Schmink's dir ab" räumt sie daher mit 20 typischen Lügen auf.

Was mich neugierig gemacht hat:

Seit einer Weile lese ich total gern Frauen-Ratgeber aus dem christlichen Bereich und habe mich sehr auf Rachel Hollis' Buch gefreut, weil ich schon den Titel genial fand und das Konzept, jedes Kapitel mit einer Lüge zu überschreiben.
Auch wenn ich im Inhaltsverzeichnis schon gesehen hatte, dass mich nicht alle Themenbereiche persönlich betreffen, gab es wiederum andere, auf die ich umso gespannter war.

Wie es mir gefallen hat:

Nach einem kurzen, spritzigen Vorwort steigt Rachel Hollis' in die zwanzig Lügen und die Lösungsansätze, die sie für sich selbst dafür gefunden hat, ein (am Ende jedes Kapitels gibt es einen Abschnitt „Was mir geholfen hat").
Der Ton ist beschwingt, und auch wenn es ernst und/oder sehr persönlich wird, legt die Autorin eine große Authenzität und Offenheit an den Tag. Ihre Einstellungen und Botschaften sind klar formuliert. An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir noch ein paar Gedanken zur Vertiefung gewünscht, bevor es mit etwas anderem weitergeht. Andererseits ist es auch schön, dass sie eher bei simplen, eindeutigen Aussagen bleibt, statt Dinge zu verkomplizieren oder Listen von Ausnahmen anzufangen.

Rachel Hollis erzählt sehr viel Autobiografisches und Geschichten aus ihrem Alltag, um zu illustrieren, wie die jeweiligen Lügen in ihrem Leben ausgeprägt sind/waren. Sie ist sehr gut im Storytelling, und so bleibt man als Leser die meiste Zeit über interessiert am Ball. Allerdings führen die vielen Eigenerfahrungen und Selbsteinschätzungen auch dazu, dass einiges nicht auf alle Typen von Frauen und Lebensumstände übertragbar ist. Man merkt doch deutlich, dass Rachel eine reiche ehrgeizige Frau ist, die sich durchaus gern selbst präsentiert, und das hat mir nicht immer gefallen.
Ich habe manche Kapitel als sehr stark und hilfreich empfunden, andere wiederum als etwas zu oberflächlich und motivationscoachingmäßig oder in eine etwas andere Richtung gehend, als der Titel vermuten ließ.

Etwas zu ausgiebig berücksichtigt fand ich persönlich das Thema Mutterschaft, da sich im Prinzip gleich drei der Lügen auf ähnliche Aspekte davon beziehen.
Besonders angesprochen haben mich dagegen die Kapitel über die Lügen, dass einen etwas anderes glücklicher macht, dass man seine Pläne morgen auch noch umsetzen kann, dass man schon weiter sein sollte, und darüber, eine schlechte Autorin zu sein.
Ich denke, dass wirklich jeder Frau mindestens eins der behandelten Themen nur allzu vertraut ist, mit großer Wahrscheinlichkeit mehr. Und weitere der Probleme kennt man aus dem Freundes-, Bekannten- oder Verwandtenkreis.

Die Lügen, um die es konkret geht, sind:

1. Etwas anderes macht mich glücklicher
2. Morgen fange ich an
3. Ich bin nicht gut genug
4. Ich bin besser als du
5. Ihn zu lieben, genügt mir
6.Nein ist die letzte Antwort
7. Ich bin schlecht im Bett
8. Ich habe keine Ahnung vom Muttersein
9. Ich bin keine gute Mutter
10. Ich sollte schon weiter sein
11. Andere Kinder sind viel sauberer, ordentlicher und höflicher
12. Ich muss mich kleiner machen, als ich bin
13. Ich heirate später Matt Damon
14. Ich bin eine schlechte Autorin
15. Darüber komme ich nie hinweg
16. Die Wahrheit kann ich nicht erzählen
17. Mein Gewicht definiert, wer ich bin
18. Ich brauche einen Drink
19. Ich muss so sein wie die anderen
20. Ich brauche einen Helden

(Für wen) Lohnt es sich?

Vor dem Kauf lohnt hier auf jeden Fall der Blick ins Buch, um sich ein Bild davon zu machen, welche Themenbereiche behandelt werden (siehe auch meine Auflistung oben).
Solange man Rachels Hintergrund als zum Teil durchaus sehr materialistisch geprägte Karrierefrau im Hinterkopf behält, deren Alltag natürlich doch etwas anders aussieht als der der meisten anderen Frauen, kann man hier viele gute Impulse mitnehmen.

In einem Satz:

„Schmink's dir ab" ist ein unterhaltsam geschriebener, aufbauender Ratgeber für Frauen jeden Alters, in dem für jede thematisch etwas dabei ist; die Autorin geht teils allerdings etwas zu sehr von sich selbst aus.

Veröffentlicht am 10.11.2019

Eine Zurück-ins-Leben-Geschichte, in der kleine Schritte große Wellen schlagen

Und dann kamst du
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Worum geht's?

Claire ist neunzehn und steht vor der großen, beängstigenden Frage, wie ihr Leben weitergehen soll. Sie und ihr Zwillingsbruder Colin hatten große Pläne; das Abi frisch in der Tasche sollte ...

Worum geht's?

Claire ist neunzehn und steht vor der großen, beängstigenden Frage, wie ihr Leben weitergehen soll. Sie und ihr Zwillingsbruder Colin hatten große Pläne; das Abi frisch in der Tasche sollte diesen Herbst das gemeinsame Medizinstudium starten. Doch jetzt ist Colin tot.
Wer ist Claire noch ohne ihn? Wer kann sie noch sein wollen?
Als dieser sympathische junge Mann mit den traurigen Augen im Bus seinen Rucksack vergisst, kommt es Claire wie ein Zeichen vor. Vielleicht sollte es erst mal einfach ihre Mission sein, ihn wiederzufinden und ihm seine Sachen zurückzugeben. Wenn sie das schafft, dann ja vielleicht auch alles andere? Könnte die Suche nach ihm einen Neuanfang bedeuten?

Was mich neugierig gemacht hat:

Mir gefiel die Ausgangssituation mit dem Rucksack des Fremden; man möchte natürlich wissen, ob Claire ihn finden wird und was er wohl für ein Mensch ist. Auch dass die Protagonistin schon etwas älter ist und somit eher Uni- statt Schulumfeld eine Rolle spielt, hat mich sofort angesprochen.

Wie es mir gefallen hat:

Im Laufe des Lesens ist mir, gerade im Vergleich zu anderen Büchern des Genres, die unaufgeregte, lebensnahe Art des Erzählens positiv aufgefallen, die diesem Buch eigen ist.
Man begleitet Claire dabei, wie sie in einer nicht näher bestimmten deutschen Universitätsstadt Fuß zu fassen bzw. herauszufinden versucht, ob das überhaupt das ist, was sie möchte.
Die Spannung baut sich also vor allem in Claires Innerem auf, während ihre Mission, Samuel zu finden, sie ein ums andere Mal über ihren Schatten springen lässt.

Die Kernthemen sind Trauerbewältigung und das Suchen in jedem Sinne. Das Suchen nach dem eigenen Platz in der Welt, das Suchen nach der Liebe, das Suchen nach innerem Heilwerden.
Dass Claire sich dabei auch auf einer weniger psychologischen Ebene auf einer Suche befindet, nämlich auf der nach dem Rucksackbesitzer, ist eine schöne Idee. Als Bonus gibt es außerdem noch begleitende Tagebucheinträge von Claire, die das Ganze dokumentieren.

Ob Claire Samuel findet oder nicht, wird natürlich an dieser Stelle nicht verraten!
Anmerken möchte ich nur, dass sie meiner Meinung nach manchmal ein wenig zu sehr auf dem Schlauch steht. Dafür, dass sie zeitweise so versessen darauf ist, ihm wiederzubegegnen und sich das auch oft ausmalt, und angesichts der Tatsache, dass sie, zumindest ihrer Zulassung für Medizin nach, ein helles Köpfchen sein muss, geht sie nicht unbedingt logisch vor.
Andererseits hat das natürlich auch plottechnische Gründe, da das Tempo der Geschichte sonst vielleicht aus dem Takt geraten wäre.

Was mich ein wenig gestört hat, ist, dass die Claire vor Colins Tod für mich nicht wirklich greifbar geworden ist. In der Gegenwart wirkt sie wie ein sehr planvoller, sensibler und träumerischer Mensch, der nach Dingen und Beziehungen sucht, die ihm wirklich etwas geben. Alles, was man jedoch über ihre Zeit vor Beginn des Buches erfährt, ist, dass sie mit Jungs zusammen war, die sie eigentlich nicht interessiert haben, und sich nie damit auseinandergesetzt hat, ob der Traum ihres Bruders auch ihrer ist. Das will für mich nicht richtig zusammenpassen.
Zu dem Eindruck trägt auch bei, dass nie von bestimmten Menschen die Rede ist, mit denen sie befreundet war, oder Ereignissen, die sie geprägt haben (mit Ausnahme von Momenten aus der Geschwister-Beziehung). Dafür gibt es ein paar nette Nebencharaktere, die nun eine Rolle in ihrem Leben spielen, und für tolle Szenen sorgen.

Insgesamt mochte ich also viele Aspekte der Geschichte, habe mich mit Claire jedoch teils etwas schwergetan.
Das Ende hätte ich mir im Detail vielleicht ein klein wenig anders gewünscht, finde aber die darin liegende Botschaft schön und ermutigend.

(Für wen) Lohnt es sich?

Alle, die Jugendbücher/Bücher für junge Erwachsene mögen, in denen nach außen hin vielleicht gar nicht so viel Weltbewegendes passiert, nach innen aber bahnbrechende Entwicklungen vor sich gehen, sollten sich mit Claire auf die Suche begeben.

In einem Satz:

„Und dann kamst du" ist ein Buch der leisen Töne, eine Zurück-ins-Leben-Geschichte mit einer ordentlichen Portion Glauben an die wahre Liebe und eine Ermutigung zum Durchbrechen der Muster und Vorstellungen, die das eigene Leben bestimmen.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Wenn eine Autistin mit der Liebe rechnet ...

Kissing Lessons
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Worum geht's?

Stella ist Autistin und in ihrem Job als Ökonometrikerin unschlagbar. In einem anderen Bereich ihres Lebens dagegen läuft es katastrophal: mit anderen Menschen. Dementsprechend hat sie auch ...

Worum geht's?

Stella ist Autistin und in ihrem Job als Ökonometrikerin unschlagbar. In einem anderen Bereich ihres Lebens dagegen läuft es katastrophal: mit anderen Menschen. Dementsprechend hat sie auch noch nie eine richtige Beziehung gehabt. Doch Stella ist schließlich alles andere als auf den Kopf gefallen und hat schon eine Lösung parat – einen Übungsfreund!
Michael hat seine Träume an den Nagel gehängt, um für seine Familie da zu sein, und arbeitet ohne deren Wissen als Escort. Nur so kann er schnell genug das nötige Geld auftreiben, um seiner Mutter zu helfen. Als seine neue Kundin Stella ihm eröffnet, dass sie ihn für eine als Probefreund engagieren will, kann er es kaum glauben. Wer muss schon lernen, wie es geht, eine Beziehung zu führen? Doch er erkennt schnell, dass die Sache für Stella bitterer Ernst ist ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Reine Liebesromane lese ich eigentlich nur dann gern, wenn die Prämisse interessant ist – und das ist hier mit Stellas Autismus und dem umgekehrten Pretty-Woman-Ausgangspunkt der Fall. Besonders neugierig gemacht hat mich aber die Tatsache, dass die Autorin selbst Autistin ist und deshalb einen Zugang zu ihrer Protagonistin hat, den Außenstehende auch mit viel Recherche sicher nicht hätten erreichen können.

Wie es mir gefallen hat:

S tella ist eine Protagonistin, wie sie mir in diesem Genre bisher noch nicht untergekommen ist.
T rotz oder vielleicht gerade wegen ihres Autismus ist man schnell mitten in ihrer Welt drin.
E s ist schön mitzuerleben, wie sie mehr und mehr zu sich selbst zu stehen lernt.
L ovestorys bauen nicht selten auf ziemlich oberflächlichen Faktoren auf. Umso schöner fand ich die
L ebendigkeit und Dynamik in dem, was sich zwischen Stella und Michael entwickelt.
A uch wenn körperliche Anziehung eine Rolle spielt, ist das gegenseitige Verstehen wesentlicher.

&

M it Einfühlungsvermögen und Situationskomik hält Helen Huong ihre Leser*innen bei der Stange.
I m Mittelteil flacht die Spannung ab, doch der gelungene Perspektivwechsel und die Art, wie die
C haraktere an den Geschehnissen wachsen, tragen dazu bei, dass es trotzdem nicht langweilig wird.
H ervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang vor allem auch die Szenen mit Michaels Familie.
A ußer bei ein paar Grundelementen des Genres greift die Autorin selten in die Klischeekiste; nur das
E nde verläuft meiner Ansicht nach zu zuckergussmäßig mit einem schnellen Stimmungswechsel.
L iebe hat nicht viel mit Ökonomie zu tun, oder? Wer das glaubt, hat nicht mit Stella gerechnet!

Jeder Band der Reihe kann für sich stehen. Im zweiten Teil „Love Challenge" wird es um Khai, eine Randfigur dieses Buches, gehen und damit um einen weiteren autistischen Hauptcharakter.

Ich vergebe sehr gute vier Sterne mit Tendenz zu vollen fünf.

(Für wen) Lohnt es sich?

Wer unterhaltsame Liebesromane mag, in denen nicht nur die immergleichen Rollen und Muster bemüht werden, kann in Stella und Michael mit Sicherheit ein Gespann zum Mitfiebern finden.
Die Protagonisten sind 30 und 28 Jahre alt; die Kernzielgruppe sind demnach Frauen in den Zwanzigern und Dreißigern.

In einem Satz:

„Kissing Lessons" ist eine besondere, in sich abgeschlossene Liebesgeschichte mit jeweils genau dem richtigen Maß an Ernsthaftigkeit und Humor, die Autismus sehr nahbar macht und auf warmherzige Weise zeigt, warum jeder Mensch zu seinen Macken und Unzulänglichkeiten stehen darf und sollte.