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Veröffentlicht am 15.09.2016

Gähnen verursachender Trübsinn

Dolfi und Marilyn
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Es ist eine Qual, den Gedankengängen des Protagonisten zu folgen.

Wir befinden uns im Frankreich des Jahres 2060. Tycho Mercier ist - zumindest sagt er das von sich selbst - angesehenerGeschichtsprofessor; ...

Es ist eine Qual, den Gedankengängen des Protagonisten zu folgen.

Wir befinden uns im Frankreich des Jahres 2060. Tycho Mercier ist - zumindest sagt er das von sich selbst - angesehenerGeschichtsprofessor; in gewisser Weise tröstet ihn diese Tatsache darüber hinweg, dass seine Frau Phoebé sich von ihm getrennt hat und er allein für die Erziehung des Sohnes Bruno verantwortlich ist. Zum Glück scheint dieser ebenso wissbegierig zu sein wie sein Vater. Gerade das dunkle Kapitel deutscher Geschichte fasziniert ihn - so strahlt der Junge übers ganze Gesicht, als ihm die Ehre zuteil wird, mit einem echten Klon (dem sechsten) Adolf Hitlers Kriegsspiele auf dem Computer spielen zu dürfen.
Herrlich, oder?
Jedoch handelt es sich um einen verbotenen Klon. Oh, nein! Was machen wir nun?, fragt sich Tycho, und fragt sich. Und fragt sich. Fast ist er in der Lage, sich seine Frage zu beantworten, da taucht ein Abbild Marilyn Monroes auf, was zu weiteren Verkomplizierungen führt. Man darf sagen: der Professor ist restlos überfordert. Dies ist das Buch seiner sich stets um sich selbst drehenden Gedanken.

Ein Überraschungserfolg, der bei der deutschen Leserschaft nicht recht ankommen will.
Dem Autor fehlt jegliches Talent des Kürzens, habe ich den Verdacht. Das ist beinahe das, was mich am meisten an diesem Roman stört. Dazu kommen die hohen Erwartungen, die der witzige Titel, die verrückte Idee und das ungewöhnliche Cover setzen.
Spannung ist im Grunde nie vorhanden, sicherlich interessante Szenen zwar, aber auf seltsame Weise ungenutzt. Vielleicht soll hierdurch bekräftigt werden, dass Merciers Leben trist und seine Abenteuerlust stark beschränkt ist? Aber wieso schreibt man einen Roman, der die Leser absichtlich langweilt? Nein, der Unterhaltungsversuch ist eindeutig vorhanden - in Form von Adolf Hitler. Zieht ja vermutlich immer, hat nur hier nicht funktioniert, höchstens provokativ, trotzdem effektlos.

Saintonge, das Pseudonym eines angeblich bereits renommierten französischen Autors, konzentriert sich hier auf die Erschaffung eines ganz und gar nervtötenden, leicht beirrbaren und erwürgenswerten Protagonisten. Tycho Mercier steht ständig auf dem Schlauch, auch wenn der Leser bereits Schlussfolgerungen ziehen kann. Das mag ein lustiges Konzept sein, kann einen allerdings auch zur Weißglut treiben.

Man könnte meinen, dass er die instabilen Persönlichkeiten des deutschen Volkes widerspiegeln soll, die es Hitler damals erst recht möglich gemacht haben, als Idealfigur an die Macht zu gelangen. In Dolfi und Marilyn wird die Macht der geschickt manipulierten Atmosphäre thematisiert, die sogar fest verankerte Ideale umkehren kann. Das aber nur am Rande - man muss bis zum Ende durchhalten, um so weit zwischen den Zeilen lesen zu können. Dazu kommt, dass dieses Thema nicht einmal anschaulich, eher langatmig umgesetzt wird.

Kritisiert wird an der Lektüre unter anderem, dass die Zukunftsversion wenig Futuristisches an sich hätte, dem muss ich jedoch widersprechen. Es werden keine Printbücher mehr produziert, ein Teil Deutschlands ist unabhängig geworden, die durchschnittliche Lebenserwartung ist stark gestiegen, und so weiter, abgesehen vom Klonen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um Details, die jedem hätten einfallen können, nicht wirklich originell, nicht wirklich überraschend. Insgesamt kann man sich nur sehr schwer ein Bild vom Leben außerhalb des Professorenhirns machen.
Wie sollen auch die Farben einer Landschaft für deren Schönheit sprechen, wenn einem der Kopf in einer Tüte steckt? Saintonge setzt dem Menschen ungefragt eine Tüte auf, kann man ihn dafür vielleicht anklagen?

Zusammenfassend kein überzeugendes Werk. Ideen sind reichlich vorhanden, man kann sogar einigen Tiefsinn entdecken. Es fehlt jedoch die Würze. Der Humor ist als solcher kaum erkennbar, denn das hieße ja, der Professor sei witzig, oder man könne wenigstens über ihn lachen. Zwar spielt der Autor mit Metaphern und Ironie, die Sprache wird dadurch aber nicht weniger trüb. Tatsächlich ist es eine Qual, Merciers Gedankengänge verfolgen zu müssen, man lacht nur, wenn man das Buch zum letzten Mal zuschlagen darf: vor Erleichterung.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Von Männern, die nicht wissen, dass sie kahl werden

Von Männern, die keine Frauen haben
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Letztens habe ich in diesem Buch gelesen, während einer Vorlesung, und mir die Frage gestellt: Was für Probleme müssen Männer haben, die frauenlos sind?

Mein Blick wanderte über die vorderen Reihen, von ...

Letztens habe ich in diesem Buch gelesen, während einer Vorlesung, und mir die Frage gestellt: Was für Probleme müssen Männer haben, die frauenlos sind?

Mein Blick wanderte über die vorderen Reihen, von Hinterkopf zu Hinterkopf. Viele maskuline Hinterköpfe beginnen bereits, licht zu werden. Fast schon richtige Glatzen, finde ich, ohne, dass die Kopfbesitzer es auch nur erahnen. Sie haben ja keine Frau, die sie von hinten sehen und darauf aufmerksam machen können. Aber ist das ein Problem, oder ein Umstand, von dem man möglichst lange nichts wissen möchte?

In wenigen Tagen wird Murakami der "Welt"-Literaturpreis 2014 verliehen, nicht nur dafür, dass er ebenso über Haarlosigkeit philosophieren kann, wie ich. Er kann, was man als guter Autor können muss: Welten erschaffen. Das macht er dann auf eine Weise, als sei er der literarische Salvador Dalí unserer Zeit.
Von Männern, die keine Frauen haben: Das klingt ja eher real, weniger surreal. Alltäglich sogar. Das sind beinahe die meisten der Geschichten. Sie handeln von Männern, die es so höchstwahrscheinlich auch gibt. Man liest, dann schaut man sich den Nachbarn an, der sein Bier stets einsam trinkt und nur zu duschen scheint, wenn es unbedingt nötig ist. Egal, wann oder wobei man ihn sieht. Dieser Mensch ist plötzlich ein Spiegel in eine andere Welt. Murakami macht's möglich, aber ich entschuldige mich hiermit bei all den Männern, die auch frauenlos wunderbar funktionieren. Metaphern leben nun einmal von Klischees.

Jede Geschichte ist geheimnisvoll. Man munkelt und will wissen, wie viel von dem beliebten Autor in den Figuren stecken mag, und, wenn überhaupt, welch seltsame, teils erschreckende Erfahrungen der arme Kerl schon gemacht haben muss. Immerhin, umso besser für den Interessantheitsgrad der Handlungen.
Der für ihn typische, düstere Surrealismus ist präsent, sodass ein geübter Murakami-Gernleser nicht von diesem Werk enttäuscht sein kann.

Dass die deutsche Version noch vor der englischen publiziert wurde, passt jedoch zu dem einzig negativen Punkt, der mich allerdings nur zu Beginn störte. Die Übersetzung wirkt gewissermaßen gehetzt, es wurde zunächst wenig auf einen abwechslungsreichen Wortschatz geachtet, viele Worte wiederholen sich. So, dass man ein Trinkspiel daraus machen könnte. Das gibt sich jedoch, man muss sich nicht einmal sonderlich dran gewöhnen. (Betrunken ist man dann trotzdem schon. Oder fühlt sich Murakamis Schreibstil wie Betrunkenheit an? Wenn ich so darüber nachdenke, ja.)

Anscheinend wurde die Gelegenheit genutzt, mal eben auch der Literatur, dem Schreiben an sich und Vorbildern zu huldigen. Der Titel bezieht sich auf Hemingways Men Without Women.

Bemerkenswert ist diesbezüglich auch die Geschichte Samsa in Love, eine Umkehrung der berühmten Kafka-Erzählung Die Verwandlung: Hier verwandelt sich nicht Gregor Samsa in einen Käfer, sondern ein Käfer in Samsa. Wie würde sich ein Insekt fühlen, wenn es plötzlich mit den schrägen sexuellen Instinkten eines menschlichen Mannes konfrontiert würde? Liebe ist eine seltsame Angelegenheit, soll das heißen.
Hinter all dem Alltäglichen, dem Gewohnten der Gefühle und des Körperlichen steckt stets etwas, das Lächerlich ist oder zumindest unbegreiflich. Immer neu. Vor allem kann der Schlag einen auch treffen, wenn die Welt um einen herum zusammenbricht (oder gerade dann). Die wahren Probleme und Interessen der Menschheit sind geschlechtlichen Ursprungs, könnte man meinen.
Gleichzeitig ist es möglich, dass es sich hierbei einfach um eine faszinierende Geschichte der Faszination willen handelt. Die Interpretationen gefallen mir trotzdem.

[Seite 30] „Der zwischenmenschliche Umgang, besonders der zwischen Mann und Frau ist - wie soll ich sagen? - zu komplex. Verschwommen, selbstsüchtig, schmerzhaft.“

Dieses Buch ist Futter, wie ein nicht sättigendes, eher Lust auf mehr machendes Menü aus sieben Gängen. Ein bisschen Liebe zur Literatur, ein bisschen Liebe zu Frauen, ein bisschen Liebe zum Seltsamen, ein bisschen Liebe zur Liebe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Liebesbrief ans Hier und Jetzt

Der nie abgeschickte Liebesbrief an Harold Fry
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Eine schöne Hommage an das Leben, ein Appell, zu verzeihen, leider auch bisweilen langweilig.

Dies ist keine Fortsetzung des Romans Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry, es ist dieselbe Geschichte, ...

Eine schöne Hommage an das Leben, ein Appell, zu verzeihen, leider auch bisweilen langweilig.

Dies ist keine Fortsetzung des Romans Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry, es ist dieselbe Geschichte, aus einer anderen Perspektive - somit wieder etwas ganz anderes. Man meint zwar, wenn man mit jemandem eine Art inniger Seelenverwandtschaft teilt, wenn man eine Person fest verankert im Leben einer anderen sieht, dann existiere so etwas wie eine gemeinsame Zeit. Dies hier ist jedoch das alleinige Gedankengut Queenie Hennessys, voll von Geheimnissen, voll von vermeintlicher Schuld und Erinnerungen und Leben.

Die Handlung des vorherigen Harold Frys ist also für die Nachvollziehbarkeit des vorliegenden Romans nicht notwendig, auch mir fehlt sie gänzlich, ohne, dass ich sie vermisse. So ist auch Harolds Persönlichkeit eine Nebensache, denn gewissermaßen verarbeitet Queenie durch die einseitige, schriftliche Kommunikation mit ihrer großen Liebe um Grunde ihr eigenes Sein - eigentlich kommuniziert sie mit sich selbst (könnte man meinen).

Erinnerungswürdig finde ich persönlich, wie mit Antagonisten umgegangen wird. So ist das Leben, heißt es an irgendeiner Stelle im Roman, und so zeigt dieser sich auch: wie das echte Leben (wenn man von gewissen Bewusstseinsfähigkeiten ablässt, die erstaunlich und unerklärbar, zugleich frustrierend sind, aber trotzdem möglich scheinen - ich weiß, das ist für jemanden, der das Buch nicht gelesen hat, vollkommen sinnfrei).

So zeigt sich an keiner Stelle auch nur der geringste Argwohn gegenüber Menschen, selbst, wenn ihnen eigentlich die Rolle der Bösewichte zugeschrieben wird. Man stellt sich häufig vor, und erlebt auch bisweilen, wie gutmütig Menschen werden, die im Begriff sind, mehr oder weniger vorbereitet zu sterben. Ihnen wird eine Weisheit zuteil, die jungen Leuten fremd sein muss. Weil gewissermaßen sowohl Bedeutsamkeit als auch Nichtigkeit des Lebens im Gleichgewicht sein müssen, bei einer Betrachtung aus der Metaebene. Oder so. Ich kann mich ja jetzt nicht aufspielen, mir fehlt da jegliche Erfahrung.

Obwohl es darum geht, zu zerfallen, zu Staub quasi, ist dieses Werk doch voll von zartem Humor. Sterben heißt nicht immer zu verlieren, zu jeder Zeit des Lebens kann man gewinnen, wenn man sich dem Leben öffnet. Auch im Sterben liegt nicht nur Verlust.
Und doch ist Sterben manchmal ein langwieriger Prozess, besonders dann, wenn er ein bewusster ist. Genauso langwierig erschien mir die Lektüre bisweilen. Wenn man als Leser Queenie schon längst verziehen hat, sie jedoch noch lange nicht bereit dazu ist und sich im Kreise zu drehen scheint, ist das nicht wirklich förderlich für eine unterhaltsame Zeit. Man fühlt dann auch nicht mehr so mit, wodurch Emotionen in Gähnen verwandelt werden.

Trotzdem halte ich das Werk im Großen und Ganzen für gelungen. Es ist eines dieser Bücher, deren Zauber noch viel besser wirkt, wenn sie vorgelesen werden. So wirkt die schlichte Sprache noch natürlicher, kurzweiliger.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Inspirationsquelle für ein gesünderes Leben

Dr. Libby´s Stoffwechsel-Geheimnis
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Ob der große Wunsch Abnehmen oder einfach nur ein wenig mehr Energie sein mag, hier findet sich eine Fülle an Informationen zum Stoffwechsel allgemein, zum Körper als kommunizierendes Wesen und zu besserer ...

Ob der große Wunsch Abnehmen oder einfach nur ein wenig mehr Energie sein mag, hier findet sich eine Fülle an Informationen zum Stoffwechsel allgemein, zum Körper als kommunizierendes Wesen und zu besserer Ernährungsweise. Teilweise unübersichtlich mit Theorien, die Diskussionen anregen.

Dr. Libby Weaver hat schon unterschiedlichsten Menschen geholfen, die zwar alles Erdenkliche getan hatten, um Abzunehmen, bei denen sich jedoch nichts tat, oder schlimmer noch: die immer mehr zunahmen. Mit diesem Werk kann man sich ein wenig so fühlen, als sei man selbst einer ihrer zahlreichen Klienten.

Eines der Hauptziele dieses Buches ist eindeutig, den Körper als lebendes System anzuerkennen, dessen Signale wahrzunehmen sind, weil es ständig kommuniziert. Es warnt uns, wenn wir ihm Unrecht tun. Wenn wir auf unsere Körper hören und ihre Botschaften richtig deuten, führen wir ein weitgehend gesundes Leben – jedenfalls insofern, dass wir zumindest nicht jeden Schrott in uns hineinstopfen.

Problematisch ist ja nun: Woher soll ich wissen, was ich meinem Körper zuführen darf und was nicht, wenn ich nicht weiß, wie ich dessen Signale zu interpretieren habe? Und, schlimmer noch: Was, wenn ich deutlich spüre, wie er um Hilfe ruft und sich sträubt, meine Gefühle und Gedanken jedoch mächtiger sind? Oft ist ja nicht das Wissen um gesunde Ernährung und Lebensweise unser Problem, sondern das Abwägen und das Sich-letztlich-für-das-Falsche-entscheiden-weil-man-nicht-anders-kann.
Symptome sind ja nichts anderes als Hilferufe des Körpers. Treffenderweise hilft die Autorin direkt zu Anfang, sich an ihnen zu orientieren: Die unterschiedlichen Bausteine, bzw. Baustellen des Stoffwechsels, sind aufgelistet und mit ihnen typische Symptome. Je mehr auf einen zutreffen, desto sinnvoller ist eine intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema. Hierzu findet sich im Anhang des Buches eine Tortengrafik, die der Leser diesbezüglich so für sich ausfüllen soll, dass ein optimal übersichtliches „Stoffwechsel-Krankheitsbild“ entsteht. Wo liegen meine Schwächen? In welchen Bereichen bemerke ich schon Verbesserungen? Diese Idee und auch die Umsetzung halte ich für besonders gelungen.
Natürlich kann man Symptome immer sehr unterschiedlich deuten, manche sind sogar so schwammig, dass jeder sie bei sich wiederfinden könnte – aber das ist vollkommen normal. Es kann ja nicht schaden, sich um sich selbst zu kümmern, egal in welcher Hinsicht.
Trotzdem: Betont wird, wie wichtig es sei, Stress zu vermeiden. Wenn man aber, so wie ich, ein kleiner Panikbolzen ist, was mögliche Worst-Case-Ursachen zu vergleichbar banalen Symptomen angeht, verursacht gerade das einen ziemlichen Adrenalinschub. „Ich könnte vielleicht das haben, und das, und das...“
Das kennt im Grunde jeder, wenn man bei einem Muskelkater anfängt, zu googlen und sich am Ende fragt, warum man überhaupt noch Gehen kann. Ich übertreibe hier allerdings ein wenig.

Man hat, während man sich mit dem Stoffwechsel-Geheimnis beschäftigt, grundsätzlich das Gefühl, von jemandem beraten zu werden, der wirklich möchte, dass es einem besser geht. Nicht nur, dass man bestimmte Produkte kauft und spezielle Programme bezahlt und irgendwelchen besonderen Trends hinterherläuft. Es werden unterschiedlichste Möglichkeiten zu Diagnosen und Therapien erwähnt, sodass meistens relativ objektiv breite Spektren erfasst werden und der Leser weitgehend autonom bleibt. Es werden auch konkrete Verbesserungsvorschläge gegeben, man wird nicht mit einer Diagnose alleingelassen. Vor allem, weil sogar ein dazu passendes Kochbuch der Autorin zeigt, welche Umsetzungsmöglichkeiten sich einem bieten.

Die Vorgänge des menschlichen Stoffwechsels werden stets in möglichst einfachen Worten, je nach Komplexität sehr gut verständlich und meistens so logisch beschrieben, dass man Zusammenhänge nach und nach versteht und es einem teilweise „wie Schuppen von den Augen fällt“.

Dr. Weaver versucht offenbar, die Diversität der Problemgeschichten unterschiedlichster Klienten einigermaßen in ihrem Buch abzudecken. Klar, dass man sich nicht immer angesprochen fühlt, wenn von bestimmten Sehnsüchten die Rede ist: ständig wird das Thema Kaffee angesprochen, auf (gefühlt) fast jeder Seite. Selbst, wenn man kein koffeinliebender Typ ist oder Alkohol im Übermaß trinkt, kommt es einem irgendwann so vor, als ob diese die Hauptübeltäter – auch im eigenen Leben – sein müssten.
Man möchte also gerne den einen oder anderen Abschnitt überspringen; dann wiederum wird zu Anfang darauf hingewiesen, wie sehr alles aufeinander aufbauend erklärt würde und wie wichtig es sei, auch wirklich von vorne bis hinten alles zu lesen. Nach Beenden der Lektüre halte ich das allerdings für nicht wirklich bedeutend, wenn auch nachvollziehbar.

Ich fürchte, dass es nicht zu vermeiden war, wenn gelegentlich Ausführungen fader wirkten als andere, denn sie waren dann von chemischem und theoretischem Inhalt, den man nicht immer allein mit Worten schmackhaft, oder besser: einprägsam machen kann. Hier wären einige grafische Verbildlichung manchmal vielleicht nicht schlecht gewesen.
Ich finde aber, dass das dem Ganzen noch eine stärkere Glaubhaftigkeit verliehen hat. Die Frau weiß eben genau, wovon sie redet, denn sie kann fachbuchartig schreiben. An anderen Stellen zeigt sie die unterhaltsame Seite ihres Schreibstils, wenn sie von eigenen Erfahrungen mit Klienten spricht. Man hat den Eindruck, ihr vertrauen und seine Gesundheit quasi in ihre Hände geben zu können.

Trotzdem rate ich, die Regeln beziehungsweise Tipps zur gesünderen Lebensweise nicht einfach zu befolgen, sondern selbst entsprechend weiter zu recherchieren, denn selbst dieser Ratgeber ist womöglich nicht mehr auf dem allerneusten Stand. Im Internet finden sich zu einzelnen Themen zahlreiche Diskussionen, beispielsweise inwiefern das Trinken von Wasser den pH-Wert im Magen beeinflusst.
Was diesen Punkt jedoch wieder wettmacht, ist folgender Hinweis im Anhang: Es wurde eine (englischsprachige) Website erstellt, die sicherstellen soll, dass Leser, die sich übrigens kostenlos registrieren lassen dürfen, immer auf dem neuesten Stand der Forschung bleiben (www.accidentallyoverweight.com). Eine exzellente Idee!

Letztlich handelt es sich hierbei um eine Lektüre, die den empathischen Charakter ihrer Autorin widerspiegelt und trotzdem professionell, logisch und auch sehr inspirierend bleibt.
Ich persönlich habe die eine oder andere Erkenntnis verinnerlicht und setze den einen oder anderen Ratschlag um, weil ich davon überzeugt bin, meinem Körper gegenüber fair und fürsorglich zu handeln.
Schon allein diese Überzeugung gibt Kraft, seine Lebens- und Ernährungsweise zu verbessern, selbst wenn man nicht besonders über- oder untergewichtig sein mag. Nicht ausschließlich zum Schlankwerden und -bleiben.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Naturbelassen und gesund - jedoch kostspielig und aufwendig

Dr. Libby´s Stoffwechsel-Kick
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In unserer Zeit sind Lebensmittel stark verarbeitet, von diversen Fertigprodukten gar nicht erst anzufangen. Was das langfristig für unseren Körper bedeutet, mag Dr. Libby Weaver, Ernährungswissenschaftlerin ...

In unserer Zeit sind Lebensmittel stark verarbeitet, von diversen Fertigprodukten gar nicht erst anzufangen. Was das langfristig für unseren Körper bedeutet, mag Dr. Libby Weaver, Ernährungswissenschaftlerin und Biochemikerin, sich kaum ausmalen. Da kommt die Evolution kaum hinterher, unseren Stoffwechsel den sich rapide verändernden Gewohnheiten anzupassen.

Darum setzt Weaver auf möglichst naturbelassene Lebensmittel, wenig Weizen- und Milchprodukte, dafür auf für manche von uns zunächst exotische Zutaten – es sei denn, man hat schon die eine oder andere (PaleDiät ausprobiert oder sich vegan ernährt.

In diesem Rezeptbuch geben sie und Cynthia Louise (unter anderem Chefköchin und Ernährungsberaterin), parallel zu Dr. Libbys Ratgeber „Stoffwechsel-Geheimnis“, konkrete Vorschläge zur Umsetzung der dort gepredigten Lebensweise. Nicht nur „zum Abnehmen“, sondern bei unterschiedlichsten Beschwerden, deren mögliche Ursachen im genannten Ratgeber detailliert erläutert werden. Auch, wenn man diesen nicht gelesen hat, findet man sich dank kurzer Zusammenfassung der wichtigsten Theorien sehr gut zurecht. Den therapeutischen Ansatz kann „Stoffwechsel-Kick“ jedoch kaum ersetzen.

Gut finde ich, dass sich schnell herauskristallisiert, wie man seine Nahrungszufuhr selber gestalten kann. Man findet hier einiges, was man so auch übernehmen kann, aber es bleibt eine Menge Raum, anhand erlernter Prinzipien eigene Gerichte zu kreieren. Dazu dient auch der Teil „Speisekammer-Grundausstattung“, was selbsterklärend ist und ein Stück Ordnung ins Ganze bringt.

Ansonsten sind die Rezepte übersichtlich in Frühstück, Smoothies und Drinks, Mittagessen, Snacks, Abendessen, Dressings und Würzsaucen und zuletzt Desserts gegliedert; außerdem gibt es ein ausführliches Glossar. Hier hätte ich mir für noch mehr Übersichtlichkeit eine weitere Unterscheidungshilfe gewünscht: zum Beispiel, wie man es in einigen Wörterbüchern hat, außen an den Seiten noch eine Markierung für den jeweiligen Bereich, oder eben verschiedene Schriftfarben (nicht nur rot). Das hätte einem das Finden beim Blättern erleichtert, aber natürlich kann man auch Klebezettel verwenden. Das ist Meckern auf relativ hohem Niveau.

Das Buch enthält zahlreiche Fotos, nicht nur zu jedem Rezept. Jedes Bild ist phantastisch und regt dank intensiver Farben den Appetit zweifelsohne an – mir haben es besonders die Desserts angetan!
Wie man ohne raffinierten Zucker und mit so wenig Mehl solche Torten backen kann, war mir zu Anfang ein Rätsel, aber nun weiß ich: man kann. Sehr gut sogar.

Jedes Rezept ist entweder vegan und/oder glutenfrei, oder es werden Anmerkungen zu veganen/glutenfreien Alternativen gegeben. So passt sich das Buch, obwohl die Originalausgabe schon 2012 in Neuseeland erschienen ist, perfekt den aktuellen Food-Trends an.

Die Umsetzung der meisten Rezepte ist nicht kompliziert, man muss sich nur gegebenenfalls an die Tasse als Maßeinheit gewöhnen. Da ich keine Küchenwaage besitze und generell eher nach Augenmaß gehe, war das für mich persönlich kein großes Problem – nach wenigem Herumprobieren. Nicht zu wiegen ist ohnehin sinnvoll: Laut Weaver soll man, abgesehen von reichlichem Grüngemüse, höchstens etwa zweimal das Volumen seines leeren Magens zu sich nehmen, was ungefähr den beiden geballten Fäusten entspricht. Damit dürfte jeder zurechtkommen, wenn es auch dürftig scheint.

Leider sind viele Zutaten, vor allem die exotischsten, nicht gerade günstig und auch nicht in jedem Supermarkt zu finden. Teilweise wächst so der Wocheneinkauf auf die Größe einer Schatzsuche heran. Manche Komponenten jedoch lassen sich im Drogeriemarkt oder in Biomärkten, oft auch in einigen Asiamärkten aufstöbern.

Letztlich stufe ich den Aufwand, den dieser Lebensstil mit sich bringt, wenn man Suchen, Preise, Zeitmangel und teilweise auch Verzicht zusammennimmt, sehr hoch ein. Besonders zu Beginn der Umstellung. Wenn man den Dreh raus und seine Speisekammer entsprechend vorrätig gefüllt hat, fällt ein Teil der anfänglichen Schwierigkeiten selbstverständlich weg.