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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2023

Wenn Gedanken kreisen

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Wie wird es wohl werden, wenn die Zwillinge ausziehen? Wo zieht es die Protagonistin selbst hin? Was kann sie sich überhaupt leisten? WAS WIRD AUS DER FAMILIENWOHNUNG?
Um diese Fragen kreist die unbekannte ...

Wie wird es wohl werden, wenn die Zwillinge ausziehen? Wo zieht es die Protagonistin selbst hin? Was kann sie sich überhaupt leisten? WAS WIRD AUS DER FAMILIENWOHNUNG?
Um diese Fragen kreist die unbekannte Ich-Erzählerin in kurzen Kapiteln. Sie zieht in sprunghaften Gedanken und Erinnerungen durch ihr Leben. Erinnerst sich an die eigene Jugend und hinterfragt ihr Selbstbild (War sie wirklich das ungeliebte Kind zwischen all den Zwillingen). Überdenkt, was ihr für die Zukunft wichtig ist und begleitet die Kinder dabei beim endgültigen selbständig werden. Ja, es ist ein Fazit zum Zeitpunkt der Lebensmitte. Mit allen zugehörigen Sorgen und Bedenken. In vielen Fragen kann ich mich wiederfinden. Und dennoch werde ich nicht warm mit der Protagonistin. Zu sehr kreist sie um sich selbst, die Wohnung, ums immerwiederkehrend materielle: Familienwohnung, Werkstatt, Häuschen auf dem Land. Da wird sich doch eine Lösung finden??? Und gleichzeitig verstehe ich dieses rastlose Gedanken machen um die Zukunft.
Sprachlich gefällt mir das Buch sehr gut. Doris Knecht beobachtet genau, schreibt manchmal sehr detailliert und löst das dann durch einen Satz auf, der vor trockenem Humor nur so strotzt.
Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, wieviel Ich der Autorin im Buch steckt. Die Parallelen haben mich lange verwirrt. Und so lege ich das Buch am Ende etwas ratlos aus der Hand…

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Veröffentlicht am 14.05.2023

Wann beginnt (Mit)Schuld?

Komplizin
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Sarah ist Cineastin durch und durch. Und sie ist überglücklich, als sie in einer kleinen Film-Produktionsfirma als Assistentin anfangen kann. Bald ist sie dort unentbehrlich. Fleißig, hochprofessionell, ...

Sarah ist Cineastin durch und durch. Und sie ist überglücklich, als sie in einer kleinen Film-Produktionsfirma als Assistentin anfangen kann. Bald ist sie dort unentbehrlich. Fleißig, hochprofessionell, unsichtbar. Sie fühlt sich wohl in dieser Welt und ist fasziniert vom Filmbusiness. In dieses steigt sie noch tiefer ein, als Hugo, ein super reicher Engländer, in die Firma investiert. Er verkörpert den Typ „was kostet die Welt“, schmeißt Partys und ist überzeugt, dass er mit seinem Geld alles bekommen kann, was er will. Und er will Macht. Macht über die Frauen in seiner Umgebung, Macht über den Film, Macht über die Firma.
Winnie M Li nimmt die Leser mit in die Welt hinter die Kulissen des Filmschaffens. Wir erfahren, wie viel Organsiation zu einem Dreh gehört, wie viele Menschen einen (unsichtbaren) Beitrag leisten und wie viel Zeit und Geld notwendig sind, um einen Film zu drehen. Das allein ist schon fast ein Buch wert.
Doch dies alles ist nur Mittel zum Zweck. Denn es geht um #metoo, es geht darum, was NEIN bedeutet, es geht um die typischen männlichen Spielchen um Macht, Überlegenheit und Stärke.
In Rückblenden erzählt Sarah ihre Geschichte und quält sich mit vielen Fragen. Was hätte sie als zuständige Verantwortliche am Set bemerken müssen? (Wann) hätte sie eingreifen müssen? Wann ist das Ganze eigentlich gekippt? Und (wie) hätte sie sich selbst schützen können?
Winnie M Lis Schreibstil ist dabei fast sachlich. Auch wenn Sarah ihre Geschichte in der Ich-Perspektive erzählt, bleibt sie eher dokumentarisch. Und trotzdem sind ihre Verzweiflung und Enttäuschung, ja fast Ohnmacht, überdeutlich spürbar.
Das Buch berührt, weil es ehrlich und selbstkritisch ist. Die Filmindustrie ist ganz fein und in vielen Nuancen beleuchtet – das macht alles sehr glaubwürdig.

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Veröffentlicht am 01.05.2023

Unterhaltsame Sommerlektüre

Sylt oder Süßes
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„sylt oder süßes“ ist eine leichte Sommerlektüre, die man am besten am Strand so weg liest. Verlässlich weiß man von Anfang wie es ausgeht. Und das macht die Reihe der Glücksromane auch aus.
Leider ist ...

„sylt oder süßes“ ist eine leichte Sommerlektüre, die man am besten am Strand so weg liest. Verlässlich weiß man von Anfang wie es ausgeht. Und das macht die Reihe der Glücksromane auch aus.
Leider ist auch dieses Buch von Claudia Thesenfitz eher eine Beschreibung von (Luxus)gütern, Ortschaften und Handlungen wie den Abläufen auf einem Campingplatz. Speisen werden als aromatisch deklariert und Diätpläne werden ausführlich beschrieben. Das ist insofern schade, als dass die ersten Bücher der Autorin vor Lebensfreude und liebevoll ausgestalteten Charakteren nur so strotzten.
Hier bleibt Doreen, Hotelmanagerin und angetreten, einen Campingplatz in einen Glampingplatz umzuwandeln, für mich sehr an der Oberfläche. Ja, sie liebt Luxus und muss nun mit den einfachen Bedingungen auf dem Zeltplatz klarkommen. Dabei erfährt sie unerwartet viel Hilfe von allen Nachbarn und macht neue Bekanntschaften. Ihre Erkenntnisse, was ihr im Leben wichtig ist, reifen rasant. Da hätte ein bisschen mehr Tiefe dem Buch gut getan.
Drei Sterne gibt es dennoch, weil ich in jeder Zeile die Liebe der Autorin für Sylt spüre und mich auch ein bisschen dorthin träumen kann.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Verblüffend, Spannend, Gut!

Die Wahrheit
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Von Beginn an weiß der Leser, dass ein Mann und eine Frau tot in einem noblen Haus aufgefunden wurden. Wie es dazu kam? Dies wird in einem Zeitraum ab 10 Wochen zuvor erzählt.
Diese Erzählung findet jeweils ...

Von Beginn an weiß der Leser, dass ein Mann und eine Frau tot in einem noblen Haus aufgefunden wurden. Wie es dazu kam? Dies wird in einem Zeitraum ab 10 Wochen zuvor erzählt.
Diese Erzählung findet jeweils aus der Perspektive der zumindest Betroffenen statt. Ob sie am Geschehen auch beteiligt sind, bleibt lange offen. Überhaupt steigert sich die Spannung im Buch von Seite zu Seite und man fragt sich, wohin das alles führt. Licht ins Dunkel bringen die geschickt zwischen den Kapiteln platzierten Vernehmungsberichte. In diesen wird sich immer wieder stückweise der Wahrheit genähert.
Wir lernen die Figuren ganz harmlos kennen. Nach und nach werden sie gehäutet wie eine Zwiebel. Ihre Vergangenheit, ihre Ängste und ihre Geheimnisse kommen ans Tageslicht. Dabei sind sie alle miteinander verwoben. Bisweilen tut es richtig weh zu lesen, wie sich die teilweise sehr sympathischen Protagonisten immer tiefer in den Schlamassel bringen, wie sie die Augen vor dem Offensichtlichen verschließen. Die Geschichte könnte sich genau so zutragen und das macht meines Erachtens einen Teil ihrer Stärke aus.
„Die Wahrheit“ ist ein Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte, bis man weiß, wie alles endet. Absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Regt zum Nachdenken an

Die spürst du nicht
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Der ungewohnte Schreibstil fesselt sofort. Daniel Glattauer erzählt die Geschichte wie ein neutraler Beobachter. Anonyme Pressetexte und Postings bilden eine weitere externe Erzählperspektive. Dadurch ...

Der ungewohnte Schreibstil fesselt sofort. Daniel Glattauer erzählt die Geschichte wie ein neutraler Beobachter. Anonyme Pressetexte und Postings bilden eine weitere externe Erzählperspektive. Dadurch kommt man den handelnden Personen nicht wirklich nah, ist aber um so mehr angeregt, über sie nachzudenken.
Da fahren zwei Familien in den Urlaub und nehmen (warum eigentlich?) eine Mitschülerin der Tochter mit. Diese ist ein somalisches Flüchtlingskind, bisher wenig integriert und sehr zurückhaltend, nicht spürbar geradezu. Es ist kein gemeinsamer Urlaub, sondern jeder lebt in seiner eigenen Welt. Schnell kommt es zur Katastrophe. Und wenn man denkt, diese wird nun gemeinsam verarbeitet, irrt man sich gewaltig. Auch hier bleibt jeder für sich allein. Die Erwachsenen quält überwiegend die Frage, wie man ungeschoren aus der Situation herauskommt. Die Kinder werden komplett sich selbst überlassen. Insbesondere die Tochter driftet ins Internet ab und sucht dort nach Trost und Verständnis. Daniel Glattauer zeichnet hier ein schonungsloses Gesellschaftsbild. Vordergründig muss alles picobello sein, im Hintergrund spielen sich die wahren Katastrophen ab. Im Netz wird dazu fleißig kommentiert, jeder traut sich ein Urteil über den anderen zu.
Es ist dem Autor ein Anliegen, die Geschichten dahinter zu erzählen. Das Ende des Buchs ist geprägt vom Leben der somalischen Flüchtlingsfamilie. Sie werden sichtbar und spürbar gemacht, entanonymisiert geradezu.
Während mich am Anfang der ungewöhnliche Stil gefesselt und das Handeln der Familien sehr zum Nachdenken über unser Leben im hier und jetzt gebracht hat, war mir das Ende des Buches zu sehr „mit dem Holzhammer“ erzählt. Da hätte ich mir mehr von der Feinsinnigkeit des Beginns gewünscht, denn die Botschaft ist ohnehin mehr als deutlich.

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