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Veröffentlicht am 26.12.2021

Wahrheit

Schweige still
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„Woher will irgendjemand wissen, was wahr und real ist? Dinge, die einmal als Fakten akzeptiert wurden, gelten heute als falsch.“

„Schweige still“ ist ein Psychothriller von Michael Robotham. Er ist der ...

„Woher will irgendjemand wissen, was wahr und real ist? Dinge, die einmal als Fakten akzeptiert wurden, gelten heute als falsch.“

„Schweige still“ ist ein Psychothriller von Michael Robotham. Er ist der erste Band der Thrillerreihe um den Psychologen Cyrus Haven und erschien im Dezember 2019 im Goldmann Verlag.
Cyrus Haven ist Psychologe und Berater bei der Polizei. Durch einen Bekannten lernt er Evie Cormac kennen, eine junge Frau, die eine brutale Vergangenheit hinter sich hat, aber unberechenbar ist. Gleichzeitig wird er um Unterstützung bei einem Mord an einer Teenagerin gebeten und bringt während den Ermittlungen nicht nur sich selber in Gefahr…

„Schweige still“ war mein erster Thriller von Michael Robotham. Ich hatte vorher auch noch nichts über seine Bücher gehört, weshalb ich ohne Erwartungen in die Lektüre eingestiegen bin. Der Beginn ernüchterte mich dann zunächst ein wenig, denn ich fand den Einstieg etwas langweilig und träge. Ich hätte mir hier schon einen deutlich rasanteren Einstieg für einen Psychothriller gewünscht. Der etwas zähe Anfang wandelt sich aber nach den ersten 100 Seiten zum Glück recht schnell. Die Handlung wird spannender und rasanter, sodass ich das Buch kaum noch beiseitelegen konnte und es innerhalb kürzester Zeit beendet habe. Lange blieb für mich unklar, wie die verschiedenen Ereignisse miteinander zusammenhängen, doch im Laufe der Handlung ergibt sich schließlich ein sehr gutes Gesamtbild. Im letzten Drittel wird es dann auch nochmal richtig spannend, typisch für dieses Buchgenre gerät nicht nur Cyrus in Gefahr, sondern auch für Evie wird es brenzlig… Insgesamt gab es einige für mich unerwartete Wendungen und vorhersehbar war für mich definitiv nicht, wer letztlich der Mörder von Jodie Sheehan sein könnte.
Wer allerdings einen Psychothriller mit viel Blut oder Action erwartet, der sollte vielleicht doch zu einem anderen Buch greifen. Die Handlung bewegt sich hauptsächlich auf psychologischer Ebene, stellt die Entwicklung von Cyrus und Evie dar und thematisiert mehr nebenbei den Mordfall an der jungen Jodie Sheehan.
Cyrus bleibt dabei für mich recht wenig durchschaubar. Er hat selbst eine schwere Vergangenheit, die er aber nicht verheimlicht. Dennoch belastet sie ihn und die Frage, warum der Psychologe geworden ist, klärt sich mit seiner Geschichte im Grunde ebenso. Dennoch kann ich ihn irgendwie nur schwer einschätzen. Sicherlich ist er führsorglich, hilfsbereit und Psychologe mit Leib und Seele, doch was er wirklich liebt oder gerne mag und was ihn antreibt, habe ich noch nicht wirklich durchschaut. So bleibt für mich auch noch unklar, warum er Evie so sehr in sehr Herz schließt und sich so sehr für die unbekannte junge Frau einsetzt.
Auch bei Evie bleiben für mich noch viele Fragen offen. Sie ist eine interessante Persönlichkeit – intelligent, aber sozial eher unerfahren und tollpatschig. Durch ihre Erlebnisse vertraut sie niemandem und ist unglaublich vorsichtig, wenn es darum geht, wer sie in Wirklichkeit ist und was ihr früher widerfahren ist. Auch Cyrus gegenüber offenbart sie sich nur teilweise. Evies Geheimnis ist es also, dass den Psychothriller für mich letztendlich am spannendsten macht. Der Mordfall, den es nebenbei zu lösen gilt, spielt dabei zwar auch eine Rolle, tritt aber eigentlich eher in den Hintergrund. Umso gemeiner ist es daher auch, dass „Schweige still“ der Auftakt der Thrillerreihe um den Psychologen Cyrus Haven ist und im Grunde mit einem Cliffhänger endet.
Der Schreibstil ist gut und flüssig, durch die wechselnde Ich-Perspektive von Evie und Cyrus kann man sich in beide Hauptfiguren gut hineinversetzen und ihren Gedanken folgen. Ich habe allerdings leider ein paar Ungereimtheiten in der Erzählung gefunden, die sich zum Teil auf die Übersetzung zurückführen lassen könnten, aber auch auf mangelnde Sachkenntnis des Autors in Bezug auf Hundehaltung und zu einem kleinen Teil auf Mordermittlungen hindeuten könnten. Diese Sachfehler stören allerdings die Handlung nicht, sind mir aber negativ aufgefallen.

Mein Fazit: „Schweige still“ ist ein solider und gut durchdachter Psychothriller, der allerdings in Bezug auf Evie und Cyrus noch viele Fragen offenlässt und ein wenig als Einführung für den zweiten Band der Buchreihe zu dienen scheint. Nach einem etwas zähen Einstig habe ich mich sehr gut in die Handlung einfinden können und konnte den Thriller kaum noch beiseitelegen. Ich freue mich daher sehr auf die Fortsetzung und vergebe 4,5 von 5 Sternen!

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Veröffentlicht am 23.12.2021

Vertrauen

Play & Pretend
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„Du hast mich in einer seltsamen Phase meines Lebens getroffen.“

„Play and Pretend“ ist der dritte Band der „Soho-Love-Reihe“ von Nena Tramountani. Er erschien im Juli 2021 im Penguin Verlag.
Als Schauspielerin ...

„Du hast mich in einer seltsamen Phase meines Lebens getroffen.“

„Play and Pretend“ ist der dritte Band der „Soho-Love-Reihe“ von Nena Tramountani. Er erschien im Juli 2021 im Penguin Verlag.
Als Schauspielerin kann Briony alles sein, was sie möchte. Auf der Bühne kann sie ihre Selbstzweifel vergessen und einfach nur brillant sein, zumindest bis sie gemeinsam mit dem attraktiven Sebastian eine Rolle spielen soll. Dieser scheint nämlich hinter Brionys Fassade schauen zu können und ihr Geheimnis könnte alles zerstören…

Band drei der „Soho-Love-Reihe“ ist vermutlich der dramatischste und tiefgehendste Teil der Buchreihe. Die Triggerwarnung sollte unbedingt beachtet werden, wenn man manche Inhalte als triggernd empfindet, denn tatsächlich spart die Autorin nicht an schockierenden Erlebnissen der Protagonisten.
Briony ist Schauspielschülerin und wirkt meist tough, selbstbewusst und fröhlich. In Wahrheit nagen jedoch starke Selbstzweifel an ihr und ständig kämpft sie dafür, „perfekt“ zu sein. Einzig Matilda kennt Brionys Geheimnis und kümmert sich liebevoll um sie. Auf Grund der vorherigen zwei Bände und dem Umgang von Matilda mit Briony konnte ich mir ihr Geheimnis allerdings schon vor Brionys eigener Geschichte denken. Dies ist aber nicht weiter schlimm, da die Handlung dennoch nicht wirklich vorhersehbar ist.
Sebastian gefällt mir als Figur sehr gut, er ist fröhlich und offen, verbirgt aber dennoch ein großes Geheimnis vor Briony. Letztlich stehen sich die beiden damit aber in nichts nach, denn jeder fürchtet, den anderen durch sein Geheimnis zu verschrecken. Zudem kann Briony nur schlecht vertrauen und zweifelt grundsätzlich daran, dass sie liebenswert wäre. Allerdings kämpft auch Sebastian mit dieser Angst und als die beiden von ihren Gefühlen zueinander überwältigt werden, ist das Chaos vorprogrammiert.
Nena Tramountani schafft in diesem Band der Buchreihe große Emotionen und Gefühle. Der Leser wird in die Handlung eingesogen und folgt ihr gebannt. Die gewählten Themen sind alles andere als allgegenwärtig, werden gut umgesetzt und bieten zudem einen Lösungsweg für die angesprochenen Probleme. Es wird deutlich, dass man mit seinen Problemen nicht alleine kämpfen muss, sondern dass man immer die Möglichkeit hat um Hilfe zu bitten und deswegen keinesfalls schwach ist: „Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten. Es ist ein Zeichen von Stärke.“ Diese Botschaft gefällt mir gerade in der heutigen Gesellschaft, in der häufig ein „Friede-Freude-Eierkuchen“-Leben vorgespielt wird und die wahren Gefühle verheimlicht werden, sehr gut.
Zudem sind beide Protagonisten unglaublich gut und liebevoll charakterisiert. Ihre Selbstzweifel und Gedanken werden durch die wechselnde Ich-Perspektive wirklich realistisch dargestellt und können daher gut nachvollzogen werden. Briony und Sebastian kämpfen mit den größten Problemen der „Soho-Love-WG“ und bilden für mich definitiv einen würdigen Abschluss der Buchreihe. Ihre Entwicklung ist atemberaubend und der Kampf, den sie hauptsächlich mit sich selber ausfechten müssen, um eine Chance auf ein Happy End zu haben, ist wirklich nicht leicht. Ich denke, dass das Buch wichtige, aktuelle Themen aufgreift und brillant darstellt. Die psychischen Störungen der Protagonisten werden dabei weder beschönigt, noch dramatisiert. Im Gegenteil, sie werden realistisch, aber auch mit unglaublich viel Feingefühl beschrieben und so auch Lesern nähergebracht, die sich mit diesen vielleicht nicht so gut auskennen. An Tiefgang fehlt es diesem Band der Buchreihe also keinesfalls, aber muss die Thematik mögen!
Thematisch und inhaltlich gefällt mir der Roman daher auch grundsätzlich sehr gut. Lediglich am Anfang war mir die Story etwas zu träge, zudem hätte ich persönlich ein bisschen weniger Dramatik favorisiert. Dass beide Protagonisten so große Probleme mit sich herumtragen, war mir eine Spur zu viel Tragik, sodass ich – ehrlicherweise – zwischendurch dachte: „Boah ne, nicht der auch…“. Dies ist allerdings definitiv mein eigener Geschmack und keine generelle Kritik!

Mein Fazit: „Play and Pretend“ ist ein würdiger Abschluss der Buchreihe und überzeugt mit einzigartigen Charakteren, einer tiefgehenden Story sowie einer grandiosen Darstellung psychischer Erkrankungen. An Dramatik und Emotionen mangelt es nicht, mir war dies teilweise ein bisschen zu viel des Guten, weshalb ich 4,5 von 5 Sternen vergebe!

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Veröffentlicht am 18.12.2021

Backstage

Ein Song für Malena
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„Auf Lenn freue ich mich, seit ich gesehen habe, dass er bei dem Festival dabei ist. Ich liebe seine Musik.“

„Ein Song für Malena“ ist ein Kurzroman und der zweite Band der Verliebt-Reihe von Emilia deLuca. ...

„Auf Lenn freue ich mich, seit ich gesehen habe, dass er bei dem Festival dabei ist. Ich liebe seine Musik.“

„Ein Song für Malena“ ist ein Kurzroman und der zweite Band der Verliebt-Reihe von Emilia deLuca. Er erschien im Oktober 2021 bei Books on Demand und kann unabhängig von Band 1 der Buchreihe gelesen werden.
Malena bekommt kurzfristig die Chance auf einem Festival als Journalistin zu arbeiten. Dies ist die Chance ihres Lebens und zudem auch eine gute Möglichkeit, um mit einigem Abstand zum Alltag über ihr weiteres Leben nachzudenken. Dass jedoch plötzlich der bekannte Sänger Lenn all ihre Pläne über den Haufen werfen würde, hätte Malena nicht erwartet…

Heiß, gefühlvoll, sexy - mehr brauche ich über Emilia deLucas zweiten Roman eigentlich nicht zu sagen. Die Autorin schafft es, eine vollumfängliche Liebesgeschichte in nur wenige Buchseiten zu packen und den Leser dabei auch noch zu begeistern. Es fehlt dem Kurzroman an nichts: Drama, Liebe, Erotik und eine erkennbare Entwicklung der Protagonistin werden geboten, ohne dabei um den heißen Brei herumzureden. Die Szenen sind kurz, aber komplex und lassen keine wichtigen Punkte aus.
Gefühle und Emotionen von Malena werden durch die Ich-Perspektive gut transportiert, Sympathien und Antipathien schnell deutlich. Das Lesen fällt durch den flüssigen Schreibstil und die rasante Handlung sehr leicht.
Die Handlung wird über mehrere Festivaltage gestreckt und gewinnt dadurch trotz ihrer Kürze an Glaubhaftigkeit und Authentizität. Die Charakterisierung der Figuren gelingt ebenfalls sehr gut und insgesamt muss ich sagen, dass mir der zweite Band der Kurzromanreihe besser gefiel als Band 1, wobei ich auch diesen gerne gelesen habe!
Einziger Wehmutstropfen ist, dass ich nach Band 1 der Buchreihe erwartet hätte, dass die weiteren Bände an diesen anknüpfen. Dies ist aber nicht der Fall, sodass man die Bücher unabhängig voneinander lesen kann und ich mir immer noch ein Wiedersehen mit den Figuren aus „Ein Makler für Mathea“ wünsche!

Mein Fazit: Ein gelungener und absolut lesenswerter Kurzroman für heiße Stunden! Er eignet sich perfekt für die Leser, die von einem Buch mit vielen Seiten zurückschrecken oder einfach nicht genug Zeit haben, sich auf komplexe Romane einzulassen. Ich bin wieder einmal sehr gerne in die heiße Kurzgeschichte von Malena und Lenn abgetaucht und habe auch die Festivalkulisse sehr genossen! Von mir gibt es 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 18.12.2021

Familienbande

Eine Handvoll Würfelzucker
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„Glücklich zu sein mit dem, was sich einem bietet, mit dem was man hat, und nicht zu hadern mit Dingen, die man nicht ändern kann.“

„Eine Handvoll Würfelzucker“ ist ein historischer Roman von Anett Klose. ...

„Glücklich zu sein mit dem, was sich einem bietet, mit dem was man hat, und nicht zu hadern mit Dingen, die man nicht ändern kann.“

„Eine Handvoll Würfelzucker“ ist ein historischer Roman von Anett Klose. Er erschien im Oktober 2021 bei Books on Demand und ist in sich abgeschlossen.
Heiner und seine Familie kommen zusammen, um sein Elternhaus zu räumen. Dabei stoßen sie auf alte Dokumente, die einige Lücken der bisher bekannten Familiengeschichte füllen. Gemeinsam begibt sich die Familie auf eine Reise in die Vergangenheit…

Anett Klose schreibt mit „Eine Handvoll Würfelzucker“ einen historischen Roman, der auf ihrer eigenen Familiengeschichte basiert.
Zunächst war die Handlung für mich leider ein wenig verwirrend, da die Familie Klose aus vielen Mitgliedern besteht und plötzlich viele Figuren auf einmal auftauchen und auch zwischen den Zeitebenen gesprungen wird. Zu Beginn der Geschichte gibt es zwar ein Personenregister, im ebook blättert es sich aber ja nicht so gut hin und her und nach einigen Seiten löste sich meine Verwirrung auch so weit, dass ich die Geschichte wirklich genießen konnte. Allerdings muss ich sagen, dass durch die vielen Figuren das Lesen am Anfang ein wenig zäh war und ich mich mit ihnen bis zum Ende ein wenig schwergetan habe. Da die einzelnen Figuren der Gegenwart aber für die Hauptgeschichte in der Vergangenheit nicht so sehr relevant waren und mir die Erzählung in der Vergangenheit sehr gut gefallen hat, konnte ich mich mit der Verwirrung schließlich gut arrangieren.
In der Haupthandlung geht es nämlich um Paul und Elsa, die Eltern von Heiner. Heiner ist mittlerweile selbst Großvater und forscht schon seit vielen Jahren in seiner Familiengeschichte. Bis zum Auszug seiner Schwester aus dem Familienhaus, fehlen ihm jedoch wichtige Puzzleteile. Diese werden dann beim Leerräumen des Hauses mit Hilfe seiner gesamten Familie entdeckt und gemeinsam ausgewertet. Zusammen begibt sich Heiners Familie auf eine gedankliche Reise in die Zeit und das Leben von Paul und Elsa. Basierend auf alten Briefen, Tagebucheinträgen und Erinnerungen sowie Rekonstruktionen von Heiner erfahren der Leser, Enkelkinder und Kinder von Heiner mehr über das Leben ihrer Urgroßeltern Paul und Elsa. Der Familienzusammenhalt und die gegenseitige Rücksichtnahme und Wertschätzung innerhalb der Familie wird dabei an vielen Stellen deutlich und ist wirklich wunderschön.
Als Elsa und Paul sich kennenlernen, ahnen sie noch nicht, was die Zukunft für sie bereithalten wird. Sie verlieben sich, genießen die Zeit miteinander, heiraten und schaffen sich ein Heim. Sie sind entschlossen eine Familie zu gründen und genießen die Zeit miteinander bis Paul einberufen wird und für mehrere Jahre nicht nach Hause zurückkehren kann…
Deutlich wird im Roman, wie nah Freud und Leid manchmal beieinander liegen können. Durch das Erleben der Geschichte von Paul und Elsa fühlt man sich den Geschehnissen von damals sehr nah, auch wenn die Erzählung immer wieder durch Sprünge in die Gegenwart unterbrochen wird. In diesen Episoden wird deutlich, wie schwer es Heiner fällt über seine Vergangenheit und seiner Eltern zu sprechen und regt einen selbst zum Nachdenken darüber an, wie oft man mit seinen eigenen Eltern oder Großeltern überhaut über die Vergangenheit spricht. Irgendwie kommt dies selten vor, dabei ist sie ja ein Teil von uns, hat unsere Familie geprägt und sich am Ende auch in uns Spuren hinterlassen...
Anett Klose arbeitet den Rückblick auf das Schicksal von Paul und Elsa grandios aus. Die Geschichte ist spannend und mitreißend, dabei ebenso herzergreifend wie emotional und berührend. Mir standen an einigen Stellen die Tränen in den Augen und ab der zweiten Buchhälfte konnte ich den Roman dann kaum noch aus der Hand legen. Das Wissen darüber, dass alles auf einer wahren Geschichte basiert, macht es einem noch leichter, mit den Figuren zu fühlen und an ihrem Schicksal teilzunehmen. Zwar erfährt man meist nur indirekt, wie Paul und Elsa sich wirklich gefühlt haben, da ihre Geschichte ja zum Großteil aus Erzählungen Heiners und der personalen Erzählperspektive besteht und nur die Briefe und Tagebucheinträge widerspiegeln, wie es den beiden wirklich ging - Sehnsucht, Hoffnung, Liebe, Freude und Enttäuschung sind aber dennoch im gesamten Roman zum Greifen nahe und waren als Emotionen auch für mich deutlich spürbar!
Historische Hintergründe werden gut in den Roman eingebaut und die Darstellung der damaligen Widrigkeiten, der Kriegsgefangenschaft, der Lebensmittelknappheit und dem ständigen Hoffen ist wirklich unglaublich gut gelungen. Mir ist einmal mehr bewusst geworden, wie wenig die Menschen damals hatten, wie sehr sie für ihren Lebensunterhalt kämpfen mussten und wie sehr sie fremdbestimmt waren. Dabei dann eine solch positive Grundeinstellung beizubehalten, bewundere ich an Paul und Elsa sehr. Sie haben stets gekämpft und gehofft, sich nie unterkriegen lassen und immer aneinander geglaubt.

Mein Fazit: Für mich ist „Eine Handvoll Würfelzucker“ eine berührende und wertvolle Familiengeschichte voller Familientraditionen und herzerwärmender Momente, für die ich eine absolute Leseempfehlung ausspreche. Ich habe sie sehr gerne gelesen und bin fasziniert, wie gut Anett Klose Emotionen und Gefühle in ihre Handlung einbaut. Ein wenig schwierig fand ich lediglich die vielen verschiedenen Figuren, welche mich am Anfang schon etwas verwirrt haben. Daher ziehe ich einen halben Stern ab und vergebe 4,5 von 5 Sternen für einen großartigen historischen Roman!

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Veröffentlicht am 12.12.2021

Lebenslüge

Mutters Lüge
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„Was waren die Zutaten für das Gefühl, irgendwohin zu gehören?“

„Mutters Lüge“ ist der neuaufgesetzte Debüt-Roman von Monika Hürlimann. Er erschien im Oktober 2021 im Literaricum Verlag und ist in großen ...

„Was waren die Zutaten für das Gefühl, irgendwohin zu gehören?“

„Mutters Lüge“ ist der neuaufgesetzte Debüt-Roman von Monika Hürlimann. Er erschien im Oktober 2021 im Literaricum Verlag und ist in großen Teilen autobiografisch.
Polen, 1984: Mit 14 muss Marta mit ihrer Mutter und ihrem Zwillingsbruder ihr Heimatland Polen verlassen. Es geht illegal in den Westen - nach Deutschland in die BRD. Dort soll alles besser und bunter sein, doch für Marta beginnt eine schwere Zeit. Sie muss zunächst die fremde Sprache lernen und fragt sich immer wieder, warum ihre Mutter, die das Konzentrationslager Auschwitz überlebte, ausgerechnet nach Deutschland flieht. Erst nach dem Tod ihrer Mutter beginnt Marta langsam die Vergangenheit aufzuarbeiten und entdeckt dabei ein Familiengeheimnis, das sie niemals erwartet hätte…

Marta ist 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus der polnischen Heimat fliehen muss (1984). Sie fliehen vor einem kommunistischen Regime, das die Meinungsfreiheit eingrenzt und die Menschen in Angst versetzt. Dennoch ist das Verlassen der Heimat gerade für Marta nicht leicht, denn nicht nur Familie und Freunde bleiben zurück, auch die neue Sprache in Deutschland ist unbekannt und fremd. Zudem verliert das junge Mädchen jeglichen Halt, den es zuvor hatte, denn das Verhältnis zu Mutter und Bruder ist nicht besonders gut. Ihre Mutter ist schon immer sehr distanziert, liebt ihren Bruder sowie die Kinder im Heim scheinbar mehr als Marta und lässt Marta weitestgehend eigenverantwortlich den Haushalt führen. Marta jedoch ist klug, pragmatisch und lösungsorientiert. Sie will Ärztin werden, wollte es schon immer und auch in der neuen Heimat ist dies ihr Ziel. So kämpft sie sich durch, findet auch tatsächlich schnell Unterstützung und erreicht mit ihrem Ehrgeiz schnell gute Noten und eine gute Aussicht auf ein Studium.
In dem Roman begleitet der Leser Marta vom Beginn der Flucht bis weit hinaus ins Erwachsenenalter. Deutlich werden Martas Charakter, ihre Zweifel, ihre Sorgen, ihre Bindungsängste. Das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter, die damit verbundenen eigenen psychischen Konflikte und Probleme. Sie ist eine bewundernswerte Frau, die trotz eines nicht unbedingt einfachen Wegs, ihr Ziel erreicht und schließlich auch das Geheimnis ihrer Mutter entdeckt. Der Tod ihrer Mutter bringt sie so schließlich dazu, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten und zumindest ein wenig zu verstehen, was ihre Mutter bewegte und zu ihren Handlungen brachte.
Die gewählte Ich-Perspektive bringt dem Leser Martas Gefühle und Gedanken gut näher, manchmal bleibt die Erzählweise aber ein wenig zu sachlich und distanziert. Der Großteil der Geschichte wird chronologisch erzählt, teilweise sind Rückblicke und Erinnerungen eingebaut. Diesen Zeitsprüngen kann man meist gut folgen, nur manchmal sind Sprünge zwischen den Handlungen etwas verwirrend.
Historische Ereignisse werden gut in die Geschichte eingewoben, aber nicht zu detailliert thematisiert. Deutlich wird jedoch, welche Lebensumstände in Polen unter dem kommunistischen Regime herrschten und wie drastisch gerade die Lebensmittelrationierung war. Die Flucht nach Westdeutschland und die damit deutlich ansteigenden Möglichkeiten für Konsumgüter aber natürlich gerade Lebensmittel, haben mich einmal mehr sehr getroffen. Gerade Martas Schilderung ihres ersten Bananeneinkaufs in Deutschland hat mich sehr berührt. Ebenso faszinierend fand ich aber auch die Einblicke in die Arbeit von Marta als Psychiaterin und den Umgang mit ihren Patienten sowie die Eindrücke in die polnische Kultur.
Insgesamt gefällt mir „Mutters Lüge“ deutlich besser als die erste Fassung des Romans „Marta. Heimat in Polen, Deutschland und der Schweiz“. Monika Hürlimann hat es geschafft die ehemals sehr komplizierte und sehr sachliche, manchmal schon trockene, autobiografische „Abhandlung“ in einen autobiografischen Roman zu verwandeln, der sich deutlich leichter und flüssiger lesen lässt. Es gibt nur noch wenige verwirrende Handlungs- und Zeitsprünge, die Erzählung ist emotionaler, der Lesefluss deutlich besser. Was bleibt ist ein deutliches Bild einer jungen, irgendwie zerrissen wirkenden Frau, die auf der Suche nach sich selbst, nach der eigenen Heimat, einer Familie – eben einer gewissen Zugehörigkeit ist. Das Gefühl von Verlorenheit und immer auf sich selbst angewiesen sein ist das, was bleibt und was Marta ausmacht. Sie ist eine faszinierende Persönlichkeit und ich bewundere sie und ihren Lebensweg sehr.

Mein Fazit: Der Roman basiert auf der Lebensgeschichte von Monika Hürlimann und verdeutlich den Weg einer jungen Frau, die Zeit ihres Lebens eine schwierige Beziehung zu ihrer Mutter pflegt, lange auf der Suche nach ihrer Heimat und irgendwie sich selbst ist und schließlich auch noch mit der Lüge ihrer Mutter zurechtkommen muss. „Mutters Lüge“ ist ein tiefgreifender, sehr umfänglicher autobiografischer Roman für Leser, die sich für historische Romane, Mutter-Tochter-Konflikte und der Suche nach sich selbst interessieren. Mir persönlich hat er sehr gut gefallen und war mir nur an wenigen Stellen zu langatmig. Ich vergebe daher 4 von 5 Sternen!

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