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Veröffentlicht am 12.02.2023

Schade, leider sehr schwammig

Männer sterben bei uns nicht
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"Männer sterben bei uns nicht" erzählt von sieben Frauen einer Familie, die in einem herrschaftlichen Anwesen mit Seeblick wohnen. Das Anwesen ist wahrlich riesig, ringsum eingezäunt und von einer irgendwie ...

"Männer sterben bei uns nicht" erzählt von sieben Frauen einer Familie, die in einem herrschaftlichen Anwesen mit Seeblick wohnen. Das Anwesen ist wahrlich riesig, ringsum eingezäunt und von einer irgendwie mysteriösen Aura umgeben. Insgesamt fünf Häuser stehen hier, die von den Frauen dreier Generationen bewohnt werden. Die Matriarchin des Anwesens ist die Großmutter, und wer sich ihrer Gunst nicht würdig erweist, wird entweder verbannt oder muss in Abgeschiedenheit sein mehr oder minder trostloses, einsames Dasein fristen.
Ein Haus auf dem Grundstück steht jedoch seit Jahrzehnten leer: in ihm sind die Erinnerungen an die nach und nach verlorengegangenen und totgeschwiegenen Männer der Familie gelagert - ein stilles Angedenken an das Nichtvorhandensein männlicher Familienangehöriger. Und überhaupt, Männer sterben hier grundsätzlich nicht - denn schließlich bleiben sie nie lange genug. Doch nicht nur die ehemaligen männlichen Familienangehörigen sind absolutes Tabuthema; auch allgemein wird in der Familie nicht wirklich über Empfindungen geredet - sie alle hier fremdeln miteinander.
Als Luise, die Enkelin, schließlich das pompöse Anwesen ihrer Großmutter erbt, treffen alle Frauen auf der Beerdigung der Matriarchin erstmals wieder bewusst aufeinander; nach vielen Jahren des Nebeneinanderwohnens und im Bestehen unterschiedlichster Diskrepanzen, die das Resultat jahrelang fehlender Kommunikation sind.

Dieses Zusammentreffen ist der Fixpunkt im Roman, der immer wieder durch Rückblenden in verschiedene Stationen Luises Leben unterbrochen wird. Sie ist die Protagonistin, und obwohl man von ihr noch am meisten erfährt, ist es leider doch recht wenig und nicht genug, um eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Luise ist eine Frau, die im kindlichen Alter bereits zwei tote Frauen im See gefunden hat - welche wohl auch metaphorisch für die geheimnisvolle Verschwiegenheit innerhalb der Familie stehen. Und doch sind alle Charaktere nur karikaturenhaft skizziert, das Grundwesen der Frauen bleibt schwammig, genauso wie ihre Bedürfnisse und Geschichten.
Ich mochte das Buch anfangs eigentlich ganz gern, der Schreibstil war angenehm und leicht, es war immer wieder rätselhaft und alles insgesamt eher nebulös. Aber am Schluss war ich doch enttäuscht, da ich das Gefühl hatte, irgendwie nichts richtig verstanden zu haben. Es war im allgemeinen eine kurzweilige Erzählung einer Familie - von einer richtigen Geschichte möchte ich irgendwie nicht so ganz sprechen, da ich keine so ganz ausgefeilte Handlung entdecken konnte. Dafür gibt es leider zu viele lose Fäden, die nicht schlüssig zusammenlaufen. So gehe ich leider mit einer ziemlich vagen und unbefriedigenden Vorstellung aus dem Buch, von dem ich nur einen kleinen Überblick davon erhaschen konnte, worum es überhaupt ging.

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Veröffentlicht am 03.10.2022

Komplex und undurchsichtig

Ein System, so schön, dass es dich blendet
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Im Zentrum des Romans "Ein System, so schön, das es dich blendet" stehen die mittlerweile in aller Welt zerstreuten Drillinge Sebastian, Matilda und Clara - Kinder einer schwedischen Pfarrerin. Sebastian ...

Im Zentrum des Romans "Ein System, so schön, das es dich blendet" stehen die mittlerweile in aller Welt zerstreuten Drillinge Sebastian, Matilda und Clara - Kinder einer schwedischen Pfarrerin. Sebastian lebt in London und widmet sein Leben der Erforschung außergewöhnlicher, ja mysteriöser neurologischer Phänomene. Matilda ist Synästhesistin, sie zog es der Liebe wegen nach Berlin, wo sie Yoga praktiziert und von einer Farbe verfolgt wird, die es nicht gibt. Clara ist die zivilisationskritische Schwester, die sich ihrer zerrütteten Familie ganz zu entziehen versucht und sich an den vielleicht einsamsten Ort der Welt begibt - die Osterinsel. Hier schließt sie sich einer Gruppe von Umweltpessimisten an, die sich sehr gelassen dem Ende der Welt entgegensehnt. Doch dann enthüllt die Mutter: die Drillingsgeburt war chaotisch, eines der Kinder wurde wohl auf der Station vertauscht. Und jedes Kind denkt plötzlich, es selbst sei die Anomalie in der Familie.

In Svenssons Roman geht es um komplizierte Leben, aber so richtig durchgeblickt habe ich nicht immer, was mir auf knapp 700 Seiten häufiger den Spaß am Lesen getrübt hat. Vieles war einfach zu verzwickt und einiges nicht ganz stringent zuende erzählt, dass ich zwischendurch hin und wieder mal ausgestiegen bin und irgendwann den Anschluss an die Geschichte dann richtig verpasst habe. Der Anfang hat noch Spaß gemacht, ich mochte den ausufernden Erzählstil sehr gern, aber ab der Hälfte hat das Buch mich immer weiter ins Chaos geschickt und als Leserin zunehmend verloren. Titel, Cover und Klappentext haben leider falsche Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt wurden. Das Buch behandelt spannende Themen, die aber leider nicht ganz verständlich verarbeitet sind und sich doch ein wenig in ihrer Komplexität verlieren. Es wäre womöglich guter Stoff für eine Serie, aber als Lektüre ging es für mich nicht auf. Leider gab es zu viele Nebenstränge, die dann irgendwann an nur leichten Fäden lediglich lose zusammengeknüpft wurden.

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Sehr zäh

Der große Fehler
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Andrew Haswell Green entstammt eigentlich eher ärmlichen Verhältnissen, hat sich jedoch in seinem späteren Leben als Stadtplaner einen Namen gemacht, der bis heute unmittelbar mit der Metropole New York ...

Andrew Haswell Green entstammt eigentlich eher ärmlichen Verhältnissen, hat sich jedoch in seinem späteren Leben als Stadtplaner einen Namen gemacht, der bis heute unmittelbar mit der Metropole New York in Verbindung gebracht wird - zumindest wenn man sich etwas mit dem Thema beschäftigt. So verdankt die Stadt ihm heute unter anderem weltbekannte Sehenswürdigkeiten wie den Central Park oder das MoMA, und die durch ihn vorangetriebene Zusammenschluss von Manhattan und Brooklin ließ ihm den Spitznamen „Vater von Greater New York“ zuteilkommen. Im Buch begleiten wir den Sohn der Stadt durch seine Lebensstationen. Auf mühsame Lehrjahre im Handel folgt eine Reise nach Trinidad, wo er zum Verwalter einer Zuckerrohrplantage wird, bis es ihn schließlich nach New York treibt. Im Jahr 1903 wird Green am hellichten Tag vor seiner Haustür erschossen - an einem Freitag den 13. Die Gerüchteküche brodelt natürlich bei solch einem Attentat auf einen stadtbekannten Mann, sogar der Präsident erpicht auf eine schnelle Aufklärug. Und so versucht der ermittelnde Inspektor diesen Mordfall mit Rückblenden in Bezug auf Andrew Greens Lebenslauf zu lösen.

Jonathan Lee hat hierbei also eine Detektivgeschichte in eine Biographie eingebaut, die es natürlich durchaus wert ist erzählt zu werden, wenn man sich nur mal vor Augen führt, wie New York heute ohne das Mitwirken eines gewissen Andrew Greens aussehen würde. Doch die Handlung zog sich leider sehr schleppend dahin und war mir nicht stringent genug, als dass ich mich richtig auf die Geschichte einlassen konnte. Der Zugang war ziemlich schwerfällig, weder zum Plot noch zu den Charakteren konnte ich eine nennenswerte Verbindung aufbauen. Die eher unscheinbar und unnahbar bleibenden Protagonisten und Nebenfiguten konnten mich einfach nicht unterhalten, da über sie schlichtweg zu monoton berichtet wurde. Relativ mühsam war es vor allem, dem Werdegang von Andrew Green zu folgen, da zu viel zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her gesprungen wurde und mir der Rote Faden bzw. die Struktur der Ezählung immer wieder entglitten ist.

Der Klappentext rühmt den Roman als „besten amerikanische[n] Roman des Jahres“, und dem kann ich leider wenig zustimmen. Zu verworren und emotionslos erzählt Jonathan Lee die Geschichte dieses eigentlich wirklich interessanten Visionärs des alten New Yorks, dem heute lediglich eine Bank im Central Park gewidmet ist und dessen Name scheinbar längst vergessen ist. Die Sprache bewirkt ein tolles sprachliches Abbild der vergangenen Zeit, aber die Plotgestaltung hat mich leider nicht umgehauen und war mir für eine eigentlich recht spannende (fiktionalisierte) Biographie insgesamt zu lieblos gestaltet.

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Durchgezogen.

Zum Paradies
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So, nun habe ich satte 48 Tage an diesem Schinken gelesen, und ich denke das spricht bereits für sich. Mir hat "Zum Paradies" nämlich überhaupt nicht gefallen.
Ich fand es vor allem ziemlich leblos erzählt. ...

So, nun habe ich satte 48 Tage an diesem Schinken gelesen, und ich denke das spricht bereits für sich. Mir hat "Zum Paradies" nämlich überhaupt nicht gefallen.
Ich fand es vor allem ziemlich leblos erzählt. Nicht unbedingt lieblos, denn die Handlung ist wirklich sehr fein bis ins Detail ausgeschmückt (was aber zeitgleich der Spannung leider enooooorm Abbruch getan hat). Die Protagonisten haben mich allesamt einfach nicht berührt und obwohl der Klappentext thematisch so ansprechend war, hat die eigentliche Handlung dann kaum mein Interesse geweckt, mich voll und ganz auf die Geschichte einlassen zu wollen.

Ich bin natürlich nicht ganz unvoreingenommen an die Geschichte herangetreten, nachdem "Ein wenig Leben" eines meiner Highlights im letzten Jahr war. Dass mich der neue Roman von Yanagihara in eine wochenlange Leseflaute versetzen wird, hätte ich niemals erwartet. Ich hab mich auf eine lange Geschichte zum mitfiebern und eintauchen gefreut, fand aber das stilistische Konzept, welches dem Buch zugrunde liegt, schwierig durchdringbar, sodass die vielen Davids und Wiederholungen irgendwie mehr verwirrend als erhellend waren.

Long story short: ziemlich langweilig, verwirrend, langatmig und absolut gar nicht mein Buch.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Sehr zäh

Harlem Shuffle
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Manchmal gibt es Bücher, mit denen man leider gar nicht warm wird, und so ging es mir mit Whiteheads neuem Roman.
Die neueste Geschichte des immerhin zweifachen Pulitzpreisträgers thematisiert den Alltag ...

Manchmal gibt es Bücher, mit denen man leider gar nicht warm wird, und so ging es mir mit Whiteheads neuem Roman.
Die neueste Geschichte des immerhin zweifachen Pulitzpreisträgers thematisiert den Alltag von Ray Carney, einem aufstrebenden Möbelhändler im New Yorker Harlem der 60er-Jahre. Als aufstrebender Geschäftsmann handelt er in seinem eigenem, hart erwirtschafteten Geschäft unter dem Tresen mit Hehlerware, das ihm vorwiegend von seinem Cousin Freddy angedreht wird.

Whitehead kann schreiben, das merkt man. Er schreibt vorwiegend im Gauner-Slang über das alte New York, erfasst die pulsierende Atmosphäre der Metropole im Kern und ist wohl einer der Meister des Kopfkinos. Aber das Buch zieht sich echt wie Kaugummi. Die Sprache war unglaublich komplex, detailreich, ausschweifend - und nach der zigsten Lebensgeschichte irgendeiner Randfigur und der gefühlt hundertsten Beschreibung irgendwelcher Einrichtungsgegenstände hatte ich leider keinen Nerv mehr. Das Buch ist merkbar atmosphärisch konstruiert, aber was es in der Detailverliebtheit im Übermaß gab, fehlte für mich in der Handlung, deren Fokus ich nicht wirklich rauslesen konnte - und der unter anderem durch einen Zweijahreszeitsprung zwischendurch noch mehr gebrochen wurde. Das Lesen war unglaublich anstrengend, ständig wurden neue Personen und deren Geschichten eingestreut, die Handlung verkomplizierte sich immer mehr zu einem für mich undurchschaubaren Knoten. Ab der Hälfte wurde in so viele Belanglosigkeiten abgedriftet, dass ich nichtmal mehr begriffen habe, worauf ich mich vordergründig noch konzentrieren sollte und was ich so ungefähr noch erwarten kann. Mein Gehirn hat leider schlapp gemacht.

Insgesamt also ein wirklich sehr zähes Buch, bei dem sich auf etwa 300 Seiten bei mir nicht mal ein Ansatz eines Leseflusses eingestellt hat - noch konnte der Roman mich in irgendeiner Art zum Weiterlesen motivieren. Ich hab mich also schweren Herzens im letzten Viertel dazu überwinden können, das Buch abzubrechen. Leider keine Leseempfehlung von mir, aber wer wirklich super ausführliche, dichte Beschreibungen mag (und sich im Idealfall für ältere Möbelstile interessiert), dem könnte das Buch vielleicht gefallen.

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