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Veröffentlicht am 03.05.2022

Schlangen im vermeintlichem Paradies

Die Knochenleser
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Gleich zu Beginn des Buches habe ich mir Sorgen um Michael "Digger" Digson , der die Ereignisse aus seiner Sicht schildert, gemacht . Er wird ziemlich rüde zur Polizeiwache gebracht und ich war mir sicher, ...

Gleich zu Beginn des Buches habe ich mir Sorgen um Michael "Digger" Digson , der die Ereignisse aus seiner Sicht schildert, gemacht . Er wird ziemlich rüde zur Polizeiwache gebracht und ich war mir sicher, dass es nicht gut für ihn ausgeht. Welche Überraschung, dass er das Angebot bekommt, bei der Polizei zu arbeiten und es tatsächlich, wenn auch widerwillig annimmt.
Ich begleite Digger über mehrere Jahre in seinem Berufsleben und lerne ihn näher kennen. Was ich sehe, gefällt mir ausgesprochen gut. Er setzt sich für die Opfer ein, ist empathisch und respektiert Frauen, was für die karibische Gesellschaft sehr ungewöhnlich ist.
Sein Vorgesetzter Malan ist Diggers genaues Gegenteil und konnte mich deshalb nicht für sich einnehmen.
Dann stößt völlig überraschend noch eine junge Frau, Miss Stanislaus, zur Polizeieinheit. Sie ist selbstbewusst , intelligent und von Anfang an in Opposition zu Malan, was in meinen Augen eindeutig für sie spricht.
Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Ein alter Fall eines verschwundenen Jungen führt zu einer Religionsgemeinschaft, die so gar nicht europäischen Vorstellungen entspricht. Alte Rechnungen wollen beglichen sein und machen den Fall für Digger zu einer persönlichen Angelegenheit.
Mich hat von der ersten Seite an die Erzählweise völlig überzeugt. Es war, als ob ein alter Freund mir aus seinem Leben erzählt. Hinzu kommen die Eindrücke der Insellandschaft, die Beschreibungen des täglichen Lebens und Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse, die gelegentlich ein gewisses Befremden bei mir hervorgerufen haben. Besonders ungewöhnlich fand ich die Regeln der Religionsgemeinschaft. Und für mich unerträglich und ein Gefühl von Wut erzeugend war die Darstellung, wie Frauen behandelt werden und wie ihr Leben aussieht.
All das zusammen ergibt einen ungewöhnlichen und dabei packenden Krimi, den ich kaum aus der Hand legen wollte.

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Veröffentlicht am 02.05.2022

Madame Clara trifft die gekrönten Häupter ihrer Zeit

Die silberne Riesin
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1740 lernt der holländische Kapitän Douwe Mout auf einer Reise nach Bengalen das Rhinozeros Clara kennen. Durch eine Laune des Schicksals wird er ihr neuer Besitzer und bringt sie nach Europa. Das verändert ...

1740 lernt der holländische Kapitän Douwe Mout auf einer Reise nach Bengalen das Rhinozeros Clara kennen. Durch eine Laune des Schicksals wird er ihr neuer Besitzer und bringt sie nach Europa. Das verändert sein Leben von Grund auf. Er quittiert den Dienst und reist mit Clara durch Europa und stellt sie gegen einen Obolus zur Schau. Und er verdient gut, denn Clara ist eine Sensation.

Ich fand die Idee ungewöhnlich, ein Nashorn auf seiner Reise durch Europa zu begleiten. Am Ende des Buches war ich begeistert. Ich habe Clara von der ersten Zeile an ins Herz geschlossen. Sie ist sanft und so voller Vertrauen gegenüber ihren menschlichen Begleitern. Und ich habe mit ihr gelitten, weil sie jahrelang durch die Lande gekarrt wurde, eingepfercht in einen Kasten und zur Belustigung der Massen zur Schau gestellt.

Gleichzeitig hat mich die Reise durch die bedeutendsten Städte der damaligen Zeit gefesselt, da ich viele berühmte Persönlichkeiten jener Epoche kennenlernen durfte.

Ich habe viel über sie erfahren, allein dadurch, wie sie Clara begegnet sind. Kaiserin Maria Theresia, die Mout adelt, um dadurch Friedrich , den Großen, auszustechen, der in meinen Augen Clara als Lebewesen und nicht nur als Wunderding wertschätzt. Ludwig XV, der Clara für seine Menagerie will, um seinen Ruhm zu vergrößern. Madame Pompadour, die auf Clara eifersüchtig ist und sie los werden will. Nur die Kirchenoberen waren sich einig, indem sie Clara als Ausgeburt der Hölle verdammen.

Der Roman war kurzweilig zu lesen mit traurigen und humorvollen Szenen und hat mir Geschichte einmal aus einem völlig anderen , aber sehr erhellenden Blickwinkel näher gebracht.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Mit Poe auf Mörderfang

Der denkwürdige Fall des Mr Poe
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Ein Kadett der West Point Akademie wird ermordet. Ein abscheuliches Verbrechen, das nach Aufklärung verlangt, zumal auch die weitere Existenz der Einrichtung davon abhängt. Da trifft es sich, dass Landor, ...

Ein Kadett der West Point Akademie wird ermordet. Ein abscheuliches Verbrechen, das nach Aufklärung verlangt, zumal auch die weitere Existenz der Einrichtung davon abhängt. Da trifft es sich, dass Landor, eine ehemaliger Polizeispion, willens und in der Lage scheint, den Täter ausfindig zu machen. Da Landor nicht dem Militär angehört, soll ihn Kadett Poe bei den Ermittlungen unterstützen.

Indizien weisen auf einen Zusammenhang zu einem Teufelskult hin. Doch auch Poe scheint ein möglicher Verdächtiger.

Da ich Poes Prosa sehr liebe, war mein Interesse für das Buch schnell geweckt.

Der Beginn ist ungewöhnlich. Landor gibt die Ereignisse in einem Bericht wieder und kündigt gleichzeitig seinen nahen Tod an. Das heißt, ich verfolge die vergangenen Ereignisse durch Landors Augen.

Die Ermittlungen gestalten sich für Landor schwierig, da er kein Mitglied der Akademie ist und dort strenge Regeln gelten. Durch Zufall lernt er den Kadetten Poe kennen, der ihm durch seine rasche Auffassungs- und Beobachtungsgabe als geeigneter Helfer erscheint.

Poe ist eher der Einzelgänger, intelligent, zum Widerspruch neigend und sehr einsam. Ich mochte ihn sehr und habe mich gefreut, als er sich in Lea, die Tochter des Regimentsarztes , verliebt. Schnell steigt sie aber zu einer der Hauptverdächtigen im Mordfall auf und lässt mich an der Echtheit ihrer Gefühle zweifeln.

Landor war mir nicht wirklich sympathisch. Er wirkte auf mich kalt und den Menschen wenig zugewandt aber brillant in seiner Ermittlungsarbeit.

Das Ende des Buches war für mich ein echtes Highlight und war so nicht zu erwarten.

Ein weiterer Grund zur Freude war für mich die Sprache, die mich stark an Poes Erzählstil erinnert hat. Die Erzählweise ist bedächtig und manchmal ausschweifend und hat mich dennoch gefesselt. Andere mögen sie als langatmig und zeitweise langweilig empfinden.

Mir hat der Roman ausgesprochen gut gefallen, da meine Erwartungen erfüllt wurden. Das Buch ist in meinen Augen eine Hommage an Poe. Die Handlung empfand ich als packend und das Ende war einfach nur der Hammer.

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Veröffentlicht am 24.04.2022

mehr lesenswerter Gesellschaftsroman als Krimi

Caffè in Triest
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Inspector Bruno Zabini hat einen neuen Fall. Eine Leiche wird aus dem Meer gezogen. Das Opfer ist Anhänger der Irredentisten. Die Spur führt in die Triester slowenische Gemeinschaft. Das macht den Fall ...

Inspector Bruno Zabini hat einen neuen Fall. Eine Leiche wird aus dem Meer gezogen. Das Opfer ist Anhänger der Irredentisten. Die Spur führt in die Triester slowenische Gemeinschaft. Das macht den Fall heikel, da es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen kommen könnte.

Ausgerechnet in dieser Situation ist Zabini durch private Komplikationen abgelenkt. Jemand hat sein Verhältnis zu schönen, verheirateten Fedora verraten. Das könnte das Ende seiner Polizeikarriere bedeuten.

Wie schon bei Brunos 1. Fall tauche ich tief in die sozialen Verhältnisse Triests ein. Bereits 1907 waren starke nationale Kräfte am Werk, die eine Abspaltung von Österreich anstrebten. Spannend fand ich, wie sich die Nationalität auf den beruflichen Erfolg auswirkt. Gleichzeitig lerne ich den Kaffeehandel kennen, der in Triest zur damaligen Zeit eine wichtige Rolle spielt. Diese gesellschaftlichen Umstände sind Dreh-und Angelpunkt für den aktuellen Fall. Politischer Hintergrund oder persönliches Tatmotiv ?

Gleichzeitig muss sich Bruno mit den Folgen seines lockeren Liebeslebens auseinandersetzen. Zwar war Ehebruch genau so gang und gäbe wie heute, nur waren die Konsequenzen für die Beteiligten, wenn es denn rauskam, Existenz bedrohend.

Was mir gut gefallen hat, war die Erzählweise. Der Autor lässt auch die Täterseite zu Wort kommen. Ich wusste immer mehr als die Polizei, was eine besondere, wenn auch andere als übliche Spannung erzeugt hat. Nicht die Tat an sich steht im Mittelpunkt, sondern die gesellschaftlichen Umstände und die Persönlichkeit des Täters, der mir übrigens von Herzen unsympathisch war. Bruno dagegen hat weitere Sympathien gewonnen, weil er Verantwortung übernimmt und für die Folgen seines Verhaltens einsteht.

Insgesamt war der Krimi für mich fesselnd und lesenswert, auch wenn er die üblichen Bahnen verlässt. Dafür habe ich in meinen Augen erhellende Einblicke in die Triester Gesellschaft bekommen.

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Veröffentlicht am 20.04.2022

Blutiger März

Engel des Todes
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Die junge Republik ist in Aufruhr. Kapp hat durch einen Putsch in Berlin die Macht übernommen. Auch in Leipzig kommt es zu Gegendemonstrationen der Arbeiter, die in Straßenkämpfe ausarten. Die rechten ...

Die junge Republik ist in Aufruhr. Kapp hat durch einen Putsch in Berlin die Macht übernommen. Auch in Leipzig kommt es zu Gegendemonstrationen der Arbeiter, die in Straßenkämpfe ausarten. Die rechten Kräfte innerhalb der Ordnungsmächte nutzen ihre Chance, die Linken in ihre Schranken zu weisen.

Die kriegsähnlichen Ereignisse lösen bei Stainer erneut überwunden geglaubte Traumata aus. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem Stainer alle Sinne beisammen haben muss, um einen brutalen Mörder zu stellen. Jemand tötet auf bestialische Weise Mitglieder der Fliegerstaffel, der auch der Rote Baron angehörte. Stainer muss den Täter unbedingt finden, bevor es weitere Opfer gibt.

Mit diesem Krimi hat mich der Autor überrascht. Dieses Mal stehen die aufgeheizte Stimmung nach dem Putsch und die Person des Täters im Mittelpunkt und weniger die polizeiliche Ermittlungsarbeit.

Der Autor hat mich durch die aufgepeitschte, fiebrige Atmosphäre, die er treffend und erlebbar schildert, dennoch emotional gefangen genommen.

Ich habe mit Stainer gelitten, der erneut seine traumatischen Kriegserfahrungen durchlebt, was dazu führt, dass er sich immer wieder in der Vergangenheit verliert und sich nicht auf die aktuellen Ereignisse konzentriert.

Interessant fand ich die Einblicke in die Psyche des Mörders, die bei mir Mitleid für seine Person hervor riefen, weil ich ihn auch als Opfer begreifen konnte.

Mit Wut erfüllt hat mich das Verhalten der Ordnungskräfte, die sich aus mehreren Gruppierungen zusammensetzen. Anstatt die Situation zu deeskalieren, haben Teile von ihnen durch Schüsse auf die Demonstranten und übertriebene Gewalt unschuldige Opfer zu verantworten.

Eine Figur, die mich sehr berührt hat, ist der Oberstleutnant der Reichswehr von Herzberg. Er verkörpert für mich das Ideal eines verantwortungsvollen Militärs. Doch leider ist er der Rufer in der Wüste.

Am Ende löst Stainer den Fall, aber der Satz, die Gerechtigkeit hat gesiegt, will nicht recht passen.

Mich hat der Krimi sehr bewegt. Die Handlung war packend und hat mich mitgerissen. Was ich aber noch viel stärker empfunden habe, der Krimi ist in meinen Augen eine Anklage gegen den Krieg, der im Grunde die Ursache für all die sinnlose Gewalt ist.

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