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Veröffentlicht am 28.09.2021

Vom Schein und Sein

Eine redliche Lüge
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Die junge Deutsche Elise verbringt einen Sommer im Ferienhaus der Eheleute Margaux und Philippe Leclerc in der Normandie. Dort verrichtet sie hauswirtschaftliche Tätigkeiten und freundet sich schnell mit ...

Die junge Deutsche Elise verbringt einen Sommer im Ferienhaus der Eheleute Margaux und Philippe Leclerc in der Normandie. Dort verrichtet sie hauswirtschaftliche Tätigkeiten und freundet sich schnell mit Margaux an. Sie ist fasziniert von den regelmäßig stattfindenden Dinner-Abenden und ihren Gästen, als auch der Ehe und den Persönlichkeiten des Paares selbst. Durch ihre Anstellung wird sie immer häufiger Beobachterin und Zuhörerin verschiedenster Situationen. Ein einziger Abend lässt für Elise plötzlich alles in neuem Licht erscheinen und erschüttert ihre Zeit in Frankreich nachhaltig.

Ein unglaubliches, ein genial geschriebenes Buch, das sich immer auf höchstem Niveau bewegt. Husch Josten ist mit »Eine redliche Lüge« ein Gesellschaftsroman gelungen, der durch seinen Intellekt und seinen unerwartet dramatischen Ausgang besticht. Elise ist vierundzwanzig Jahre alt und hat kürzlich ihr Studium beendet. Sie bewirbt sich als Haushälterin bei einem französischen Ehepaar und darf dieses kurz darauf in sein Ferienhaus in die Normandie begleiten. Elise mag Margaux und Philippe auf Anhieb und ist fasziniert von deren Weltoffenheit und großer Zuneigung füreinander. Die beiden sind gesellige Leute und so veranstalten sie während dieses Sommers immer wieder Feste und Abendessen in ihrer Villa.

Elise ist während der Dinner-Abende für das Essen zuständig. Sie kocht, schenkt den Gästen Getränke nach und bekommt zwangsläufig Gespräche der feinen Gesellschaften mit. Die Gesprächsthemen sind vielfältig und reichen von Politik, Literatur, Sexualität bis hin zu Liebe, Identität und Untreue. Elise genießt diese Abende und die unbeschwerte Zeit und schließt Margaux und Philippe innerhalb kürzester Zeit ins Herz. Besonders die Hausherrin wird ihr eine gute Freundin. Gegen Ende des Sommers, es ist der 25. August taucht ein unerwünschter Gast im Ferienhaus auf, der die Scheinwelt der Leclercs zum Bröckeln bringt und eine Lebenslüge offenbart.

Husch Josten schreibt in einer sehr schönen Sprache, die ich beim Lesen nur so in mich aufsog. Schon zu Beginn baut sich ein großer Spannungsbogen auf, der bis zum Ende der Geschichte gehalten werden kann und am Ende in einer Katastrophe mündet. Ich fühlte mich während der Tischgespräche immer an den Ort des Geschehens versetzt und mochte die geistreichen Themen und nicht zuletzt die Beschreibungen der köstlichen französischen Speisen. Josten schafft es, ihre Leser:innen gemeinsam mit ihren Figuren am Tisch Platz nehmen zu lassen und hinter die Fassaden zu blicken. Zeitgleich bleiben einem die Leclercs lange ein Rätsel und ich war bis zum Schluss neugierig auf das tragische Ende.

Und trotz dieses Umstandes spürte ich nach dem Lesen noch tagelang die unbeschwerte Leichtigkeit und den Sommer in der Normandie. Das liegt auch daran, dass Josten nicht verurteilt, dass sie die die Menschen als das sieht, was sie sind. Dass die Lügen in ihrer Geschichte viel Dramatik bergen, verletzen und zerstören, es am Ende jedoch nicht die Unwahrheit ist, die im Kopf hängen bleibt, sondern die menschlichen Beweggründe dahinter, die Liebe zweier Menschen füreinander. Mich hat der Roman begeistert und mitfühlen lassen.

Vom wunderschönen Setting des Romans und seinen Figuren, in die ich mich verliebt habe, werde ich noch lange zehren.

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Veröffentlicht am 20.09.2021

Sprachgewaltig

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Ein langer Brief eines Sohnes an seine Mutter. Sie ist die Tochter eines amerikanischen Soldaten und einer vietnamesischen Bauerntochter. Lesen und schreiben kann sie nicht und spricht kaum Englisch. Sie ...

Ein langer Brief eines Sohnes an seine Mutter. Sie ist die Tochter eines amerikanischen Soldaten und einer vietnamesischen Bauerntochter. Lesen und schreiben kann sie nicht und spricht kaum Englisch. Sie verdient ihren Lebensunterhalt mit einem Nagelstudio. Ihr zierlicher Sohn ist ein Einzelgänger, der sich in einen amerikanischen Jungen verliebt. Er berichtet von den prügelnden Händen seiner Mutter, der kranken Oma und den Herausforderungen, die das Leben eines vietnamesischen Jungen in den Staaten so mit sich bringen.

Das sprachgewaltigste Buch, das ich bisher gelesen habe. Erschütternd brutal und zart zugleich beschreibt der Protagonist seine Kindheit und Jugend in Briefen an seine Mutter. Die intensiven Erinnerungen und tiefen Einblicke in sein Leben erschaffen sofort Bilder im Kopf eines jeden Lesers. Die Bandbreite an heftigen Themen könnte größer nicht sein. Die Geschichte wird getragen von ihren Emotionen und Metaphern. Die Sprache ist kunstvoll, ästhetisch und die große Stärke des Buches. Dass Vuong bereits für seine lyrischen Texte ausgezeichnet wurde, verwundert nicht. Inhaltlich keine leichte Kost und gleichsam wunderschön geschrieben. Der Autor springt in den Zeiten, ein Element, das hier bewusst eingesetzt wird. So verzichtet er auf chronologische Abläufe. Die autobiografischen Einflüsse sind klar erkennbar.

Der Junge durchlebt eine schwierige Kindheit in ärmlichen Verhältnissen bei Mutter und Großmutter. Liebe und Schmerz liegen nah beieinander und prägen den Heranwachsenden auf vielen Ebenen. Er setzt sich mit seiner eigenen Sexualität auseinander und verliebt sich in den gleichaltrigen Trevor. Eine Verbindung zweier traumatisierter Jugendlicher, bei der ich nie ganz wusste, was sie dem Einzelnen bedeutete. Ocean Vuong lässt keine Situation aus und wagt sich auch an unangenehme Textstellen. Der poetische Schreibstil zieht sich durch das gesamte Buch und trägt die Geschichte auf eine sehr zärtliche Weise durch die Zeit. Er beschreibt die Folgen des vietnamesischen Krieges für seine Bewohner anhand des Lebens der Familie des Erzählers. Seine Mutter, geprägt von den schrecklichen Erfahrungen, liebt ihren Sohn und erhebt dennoch die Hand gegen ihn. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn geht nahe und lässt sich schwer einordnen.

Wie ein langes Gedicht, so beschreiben viele Leser:innen ihre Eindrücke über »Auf Erden sind wir kurz grandios« und dem kann ich voll und ganz zustimmen. Eine Mutter-Sohn-Beziehung, schwankend zwischen Verbundenheit und Ablehnung, schonungslos erzählt. Den Platz im eigenen Leben suchend, muss der Junge viel Grausamkeit erfahren. Und trotz dieser Umstände gelingt es dem Schriftsteller auf grandiose Weise diese Wucht an Emotionen auf kompakten 272 Seiten unterzubringen und stets den Balanceakt zwischen Gnadenlosigkeit und Hingabe zu halten. In mir wird das Gelesene noch lange nachhallen und jeder Verfechter:in der Literatur sollte dieses Debüt von Vuong gelesen haben.

Das Buch lebt vor allem von seiner sprachlichen Schönheit, die schon außergewöhnlich ist. Ich habe selten so viele Zitate aus nur einem Roman herausgeschrieben. Die Briefe, die der Protagonist seiner Mutter schreibt, sind authentisch und so lebendig, dass ich mir vorstellen kann, dass der Autor aus seinem eigenen Leben erzählt.

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Veröffentlicht am 18.09.2021

Märchenhafte Geschichten

Das große Geschichtenbuch
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In diesem Märchenbuch vereinen sich 29 bekannte Geschichten von Paul Biegel. Ein Schaukelpferd wird nachts zum Leben erweckt, ein Schwan fliegt zu den Sternen und ein älteres Ehepaar verkauft all seine ...

In diesem Märchenbuch vereinen sich 29 bekannte Geschichten von Paul Biegel. Ein Schaukelpferd wird nachts zum Leben erweckt, ein Schwan fliegt zu den Sternen und ein älteres Ehepaar verkauft all seine Möbel und am Ende auch sein Haus, weil es zu wenig Geld besitzt und lebt am Ende ein luxuriöses Leben. Jede Geschichte ist ganz anders als ihre vorherige und steckt voller fantastischer Elemente und unbekannten Welten.

Ich war sehr gespannt auf »Das große Geschichtenbuch« von Peter Biegel, weil ich auch als Erwachsene den Zauber liebe, den Märchen auslösen. Als Kind liebte ich es vorgelesen zu bekommen und zu meinen großen Favoriten zählten Grimm´s Märchen. Tatsächlich war mir der niederländische Kinderbuchautor Paul Biegel kein Begriff und so wurde ich durch das Programm des Urachhaus-Verlags auf 29 seiner bekanntesten Geschichten für Kinder aufmerksam. Beim Durchblättern geriet ich sofort ins Schwärmen, denn die Illustrationen sind wunderschön. Mir fiel direkt auf, dass die Bilder der Zeit angepasst wurden, so handelt es sich bei den Protagonisten häufig um Menschen verschiedenster Hautfarben, was mir sehr positiv auffiel, denn auch heute ist das in vielen Kinderbüchern noch keine Selbstverständlichkeit.

Die Geschichten sind sehr unterschiedlich, so haben mich manche sehr für sich einnehmen können und andere ließen mich verwirrt zurück. Die Nebelkinder, Die Jungfer, Von den zwei Königskindern und Das schönste Haus der Welt gehören zu meinen Lieblingsgeschichten. Sie erzählen vom Tod, dem schönsten Ort der Welt, zwei unglücklichen Königskindern, die sofort mit “normalen” Kindern tauschen würden und einem Paar, das auch mit sehr wenig sehr glücklich ist. In diesen vier Geschichten ist es die Botschaft, die mich überzeugen und die liebenswerten Figuren, die ich schnell ins Herz schließen konnte. Dazu kamen andere, die mir weniger gefielen, weil mir bei ihnen die Moral nicht immer sichtbar wurde. Positiv hervorheben möchte ich neben den Bildern und der Einbandgestaltung auch das Inhaltsverzeichnis, das einen klaren Überblick verschafft und durch Symbole auf den Inhalt der Geschichte verweist.

Eine große Sammlung an Fantasie anregenden Geschichten für Kinder, die mich großteils mitnehmen konnten und Illustrationen, die wunderbar gelungen sind. Auch die Gestaltung, insbesondere der Einband ist, wie ich es vom Verlag bereits gewohnt bin, sehr ansehnlich umgesetzt. Bei manchen, wenigen Geschichten fehlte mir die Sinnhaftigkeit. Alles in allem aber ist es ein empfehlenswertes Märchenbuch.

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Veröffentlicht am 08.09.2021

Weckt Kindheitserinnerungen

Abenteuer im Mumintal
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Darum geht es

Muminmutter und ihr Kind wandern nach einer großen Überschwemmung durch den Wald, auf der Suche nach einem trockenen und ruhigen Schlafplatz für die Nacht. Auf ihrem Weg treffen sie auf ...

Darum geht es

Muminmutter und ihr Kind wandern nach einer großen Überschwemmung durch den Wald, auf der Suche nach einem trockenen und ruhigen Schlafplatz für die Nacht. Auf ihrem Weg treffen sie auf Schnüferl und Schnupferich. Während letzterer wieder seiner Wege geht, finden die drei mit Hilfe des Marabus den verloren geglaubten Muminvater. Bald erreichen sie ein wunderschönes Tal, in dem sie ihr blaues Turmhaus wieder entdecken und taufen den Ort deshalb Mumintal. Dort lernen sie die kleine Mü und das Snorkfräulein kennen. Die weiteren Geschichten handeln von den Hattifnatten, fantastischen Wesen, die durch Elektrizität zum Leben erweckt werden und einem Hut, der Zauberkräfte besitzt.



Meine Meinung

Als kleines Kind liebte ich die Geschichten rund um die Mumins, sodass mich das Buch gar nicht enttäuschen konnte. Die drei Abenteuer erinnerten mich an Kindheitstage und es gibt doch kaum etwas Schöneres, als sich mit Büchern zu umgeben, die an Wohlfühlmomente in der Kindheit erinnern. Besonders die Charaktere haben es mir angetan und ich habe mich sehr gefreut, hier allen wieder zu begegnen. Damals habe ich sowohl die Bücher vorgelesen bekommen, als auch die Serie im Fernsehen verfolgt. Besonders unerfahrenen Mumin-Lesern wird dieser Band gefallen, denn er stellt zu Beginn alle handelnden Figuren genau vor und berichtet in der ersten Geschichte von den Anfängen des Mumintals. Neben den drei Mumins lernen die Betrachter und Leser des Buches auch die kleine Mü kennen, die keine Gefahr scheut, Schnüferl, der alles liebt was glänzt, den weisen Schnupferich, der nichts auf der Welt besitzen möchte und das Snorkfräulein, das alles bewundert was schön ist.

Die Illustrationen gefallen mir sehr, denn sie erscheinen mir vertraut und zeigen die Figuren so, wie ich sie in Erinnerung habe. Die Bilder sind sowohl farbig als auch schwarzweiss abgebildet. Den Einband möchte ich hervorheben, denn besonders die grüne Bindung fällt sofort ins Auge. Die Geschichten eignen sich für Kinder von 4 bis 6 Jahren. Aber auch Ältere werden ihre Freude mit den Abenteuern der Muminfamilie und ihrer Freunde haben. Die einzelnen Geschichten erzählen von immer neuen Herausforderungen, denen sich die Charaktere stellen müssen und schaffen so große Spannung und viel Raum für Fantasie. Ich mochte das Buch sehr und werde in jedem Fall auch die weiteren Bände aus dem Urachhaus lesen.



Drei fantastische Geschichten der beliebten Mumintrolle, die von den Anfängen erzählen und es neuen Lesern erleichtern, in die Welt der liebenswürdigen Wesen einzutauchen. Der Einband ist besonders gelungen.



Ich danke dem Urachhaus-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 10.06.2020

Kurzweilige Lektüre einer Paartherapie

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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»Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst« von Nick Hornby hat zwar nur schlanke 160 Seiten, hat mich aber im Großen und Ganzen gut unterhalten können. Und da ich aus Zeitgründen gerade wenig zum Lesen ...

»Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst« von Nick Hornby hat zwar nur schlanke 160 Seiten, hat mich aber im Großen und Ganzen gut unterhalten können. Und da ich aus Zeitgründen gerade wenig zum Lesen komme, kam das gerade richtig. Der Autor und auch seine Bücher werden den meisten bekannt sein, für mich ist Nick Hornby Premiere.

Nach vielen gemeinsamen Ehejahren ist die Beziehung von Louise, die als Ärztin arbeitet und Tom, einem Musikjournalisten ins Stocken geraten. Louise hatte eine Affäre und Tom ist dadurch tief verletzt. Eine Paartherapie soll beiden helfen, ihre Probleme wieder in den Griff zu bekommen. Im Laufe ihrer Gespräche, die immer in einem Pub gegenüber der Praxis stattfinden, öffnet sich das Paar mehr und mehr und gibt so einen Einblick in ihre Ehekrise.

Mich hat die Thematik Paartherapie sehr neugierig gemacht und da ich familiäre Beziehungen in Büchern immer spannend finde und ich dünne Bücher derzeit favorisiere, kam diese Ehe in zehn Sitzungen für mich genau zur rechten Zeit. Gefunden habe ich »Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst« bei der lieben Ina von Schonhalbelf, die ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchte. Besonders gefallen hat mir die Erzählform von Hornby und die sehr menschlichen Dialoge der beiden Protagonisten. Das Buch liest sich schnell weg, ich fand es aber durchaus unterhaltsam. Mir gefällt die Dialogform und dass man sich in Tom und Louise gut hineinversetzen und sich mit ihnen identifizieren kann.

Die Gespräche der beiden sind geprägt von amüsanten Dialogen, zeigen aber auch die verletzlichen Seiten des Paares. Hornby schafft sehr menschliche Charaktere, mit denen der Leser schnell warm wird und eine Handlung, die ohne viel Tiefgründigkeit auskommt. Als Leser findet man schnell Zugang zum Inhalt und den handelnden Personen. Das ernste Thema wird durch die spitzen Bemerkungen und zugleich liebevollen Annäherungen von Tom und Louise zu einem reizvollen Konversationsstück für kurzweilige Momente.

Eine sehr lohnende Lektüre über die Paartherapie zweier Eheleute, die dem Leser verborgen bleibt, in ihren Gesprächen aber wohl so viel mehr offenbart.

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