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Veröffentlicht am 23.01.2022

Auseinandersetzung mit der Pandemie in Tagebuchform

Geschlossene Gesellschaft
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November 2020 in Wien: die Autorin beschreibt den Ausnahmezustand während der Corona-Pandemie. Die Erzählerin läuft während des Lockdowns durch die menschenleeren Straßen der österreichischen Hauptstadt, ...

November 2020 in Wien: die Autorin beschreibt den Ausnahmezustand während der Corona-Pandemie. Die Erzählerin läuft während des Lockdowns durch die menschenleeren Straßen der österreichischen Hauptstadt, erlebt diese völlig neu. Ausgangssperren, hohe Inzidenzzahlen, ein einsames Silvester, eine neue, noch unbekannte Wohnung und Nachrichten von ihrem Partner, der weit weg auf einer Insel weilt.

Für dieses Buch eine Rezension zu verfassen, stellte mich vor größere Schwierigkeiten, als zuvor angenommen. Der Titel bringt den Inhalt gut auf den Punkt: »Geschlossene Gesellschaft« beschreibt den gesellschaftlichen Verfall, aber auch den Zusammenhalt während der Pandemie in Österreich. Geschrieben wie ein Tagebuchroman berichtet Verena Stauffer von Glücksmomenten, Verzweiflung, Einsamkeit, Ängsten und dem Wunsch nach Nähe. Dabei wirken die Schilderungen oft verträumt, nachdenklich und oft traurig. Durchweg spürbar ist das Bedürfnis der Erzählerin, die sich immer wechselnden Ereignisse als großes Ganzes begreifen zu wollen.

Die Tagebucheinträge bauen nicht grundsätzlich aufeinander auf, viel mehr sind es Gedankenfetzen und plötzlich auftretende Emotionen, derer sich die Autorin bedient. Zu Beginn des Buches war ich maximal verwirrt wegen der aus meiner Sicht abstrusen Geschehnisse rund um eine bestellte Matratze, die nicht ausgeliefert werden will und wodurch sich die Protagonistin zu einer äußerst ausgefallenen Alternative gezwungen sieht. Im weiteren Verlauf wird deutlich, wie zerrissen und hilflos sich die Erzählerin fühlt. Verena Stauffer schafft eine stille Atmosphäre der Nachdenklichkeit und untermalt diese mit klangvollen poetischen Aussagen. Trotz hoffnungsvollen Augenblicken ist das Erzählte angesichts der Situation immer wieder auch trübsinnig und schwermütig. Mehr als 160 Seiten hätten es für mich deshalb auch nicht sein dürfen.

Ein sehr leises und poetisches Buch, das den Umgang der Erzählerin mit der Pandemie aufzeigt.

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Veröffentlicht am 15.01.2022

Genial, heikel, derb

Meine Freundin Natalia
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Natalia hat ein Problem mit ihrer Sexualität, denn kein Partner und kein Abenteuer bringen ihr langfristig Befriedigung. Mit einer experimentellen Behandlungsmethode möchte ihr:e Therapeut:in Natalia dabei ...

Natalia hat ein Problem mit ihrer Sexualität, denn kein Partner und kein Abenteuer bringen ihr langfristig Befriedigung. Mit einer experimentellen Behandlungsmethode möchte ihr:e Therapeut:in Natalia dabei helfen, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Diese findet immer mehr Gefallen an den Einheiten und genießt das Zur Schau stellen ihrer Fantasien. Entsprechen die Schilderungen von Natalia aber auch der Realität?

Ich habe mich mit diesem Roman an eine Thematik heran gewagt, mit der ich mich literarisch noch nie befasst habe und die sicher nicht in jede Lebenslage passt. Gereizt hat mich das Machtspiel zwischen Patientin und Therapeut:in (hier erfährt der / die Leser:in nicht, um welches Geschlecht es sich handelt). Der Sprachstil ist anstößig, obszön und teils pornografisch, was der Handlung entsprechend zu Erwarten war. Dennoch musste ich das Buch wegen der doch oft krassen Ausführungen und Schilderungen von Natalia unterbrechen, zumal ich lange glaubte, die Geschichte würde sich in eine Richtung entwickeln, deren Inhalt für mich schwer zu ertragen gewesen wäre. Dem war zwar nicht so, es sei aber erwähnt, dass die Beschreibungen der Patientin nicht jedem liegen werden.

Sehr gelungen finde ich die Einführung von Kunst, Literatur und Philosophie, derer sich der / die Therapeut:in hier bedient. Sehr schnell war ich fasziniert vom vermeintlichen Selbstbewusstsein Natalias und ihren mutigen Denkanstößen, die mich im Verlauf aber auch oft fassungslos machten. Nicht immer wird deutlich, wieviel Wahrheit in ihren Äußerungen steckt und was sie mit diesen bezweckt. Gegen Ende war für mich ein wenig die Luft raus, denn ich vermutete, es würde ein unvorhergesehener Schluss folgen, der letzte Erklärungen bereithalten würde. Das blieb aber aus. Die Sprache Lindstedts zeugt von Genialität und Können. Insgesamt wirkte die Protagonistin auf mich manchmal zu überzeichnet. Eine sehr interessante Leseerfahrung für mich und ein Ausflug in eine ganz neue Welt.

Für diesen Roman muss man zweifelsohne in der Stimmung sein und sich vorab mit dem Thema auseinandersetzen. Rein sprachlich ist es ein empfehlenswertes Buch, denn es beweist einen mitreißenden Erzählstil. Die Ausführungen Natalias waren mir, auch in dem Wissen, welcher Thematik sich hier bedient wurde, oft zu derb und vulgär. Das wiederum ist aber reine Empfindungssache, sodass ich dem Roman keine schlechte Bewertung aussprechen kann.

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Veröffentlicht am 13.01.2022

Hochemotional

Bevor ich dich sah
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"Bevor ich dich sah" von Emily Houghton erschien 2021 im Heyne-Verlag. Darin schildert die Autorin die Liebesgeschichte von Alice und Alfie, die sich während eines Krankenhaus-Aufenthaltes durch Zufall ...

"Bevor ich dich sah" von Emily Houghton erschien 2021 im Heyne-Verlag. Darin schildert die Autorin die Liebesgeschichte von Alice und Alfie, die sich während eines Krankenhaus-Aufenthaltes durch Zufall kennen und lieben lernen.

Zunächst ist "Bevor ich dich sah" ein Wohlfühlbuch! Ich konnte mich sehr schnell mit den Hauptfiguren identifizieren und die Geschichte annehmen. Es ist, trotz großer Gefühle und Emotionen keine leichte Kost, sodass ich den Tränen oft nah war. Alice und Alfie wuchsen mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz. Alice ist eine sehr starke Persönlichkeit, die anfangs einen eher reservierten Eindruck vermittelt. Alfie, den das Schicksal auch getroffen hat, beweist große Verlässlichkeit und Loyalität. Es ist eine sehr rührende Geschichte, die nie in Kitsch abdriftet oder zäh wird. Die Botschaft des Buches ist eine sehr schöne, sie erzählt von Akzeptanz, Toleranz, Mut und den Glauben an die wahre Liebe. Der Schreibstil konnte mich hier auch fesseln und so war das Buch im Gesamten ein großes Highlight für mich.

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Veröffentlicht am 20.11.2021

Eine tolle Lektüre, die schöne Momente beschert

Unter Freunden
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Die Schauspieler Flora Mancini und ihr Ehemann Julian sind seit über zwei Jahrzehnten glücklich verheiratet. Zunächst leben sie in New York, müssen ihr verdientes Geld aber eng beisammen halten, um von ...

Die Schauspieler Flora Mancini und ihr Ehemann Julian sind seit über zwei Jahrzehnten glücklich verheiratet. Zunächst leben sie in New York, müssen ihr verdientes Geld aber eng beisammen halten, um von ihrem Beruf leben zu können. Als sie ein Angebot aus Los Angeles bekommen, schlagen beide zu. Ihnen winken sichere Jobs und zusätzlich wäre Flora mit ihrer besten Freundin Margot wieder vereint. Ihre Tochter Ruby macht gerade ihren Highschool-Abschluss, als Flora den Ehering ihres Mannes sicher aufbewahrt in der Garage findet, den der laut eigener Aussage vor Jahren beim Schwimmen verloren hat. Plötzlich muss sich Flora ihr ganzes Leben in Frage stellen.

Flora und Julian wirken wie das perfekte Paar. Und das sehen auch ihre engsten Freunde und Bekannte so. Ihr großes Glück ist ihre fast erwachsene Tochter Ruby. Sie leben in Los Angeles, wo sie als Schauspieler tätig sind, genau wie die beste Freundin von Flora, Margot, die der Familie sehr nahe steht. Als Flora den Ehering von Julian in der Garage findet, ist sie verwirrt, den dieser behauptete immer, er habe ihn vor Jahren beim Schwimmen verloren. Dieser Fund des Rings wirbelt das Leben des Paares kräftig durcheinander.

Alle Figuren in der Geschichte verbindet ihre tiefe Freundschaft zueinander. Flora und Margot sind beste Freundinnen und unzertrennlich. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre späteren Ehemänner Julian und David gemeinsam kennen lernen. D´Aprix Sweeney setzt Perspektivwechsel ein, die mich anfangs etwas verwirrten, aber durchaus abwechslungsreich und für das Verständnis hilfreich sind. Die Schreibweise der Autorin tut der Geschichte gut, sie schafft eine Wohlfühlatmosphäre, bei der es schwer fällt, das Buch aus der Hand zu legen. Die Aufklärung des Rätsels um den Fund- und Aufbewahrungsort des Eherings hat für mich insgesamt sehr gut zum Buch und seinen Charakteren gepasst. Trotz der herausfordernden Situation in ihrer Ehe, gehen Flora und Julian sehr wertschätzend miteinander um und so kommt »Unter Freunden« fast gänzlich ohne großes Drama aus.

Was die Figuren anbelangt, mochte ich alle sehr gerne. Flora erschien mir anfangs zu makellos und deshalb etwas langweilig, was sich im Verlauf der Geschichte aber ändert. Julian hingegen stellt für mich den spannendsten Charakter im Buch dar, weil auch auf seine schwierige Familiensituation als Kind eingegangen wird, die ihn nachhaltig prägte. Margot hat einen ganz eigenen Charakter. Sie muss man als Leser:in einfach gerne haben, auch wenn sie mir mit ihrer Großzügigkeit was Finanzen anbelangt, unbelehrbar schien. Ihre enge Verbindung zu Ruby hat mich sehr gerührt. Ein tolles Buch, das einige schöne Momente breit hält.

»Unter Freunden« ist eine leichte Lektüre, die besonders durch ihre hinreißenden Figuren zu einem absoluten Wohlfühlbuch avanciert.

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Veröffentlicht am 14.11.2021

Tragische Geschichte zweier Schwestern

Schwester
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Beruf als Bankkauffrau und ihre getroffenen Entscheidungen. Und kommt dabei immer mehr auch dem ihrer Schwester auf die Spur. Welches Leben ist nun das richtige?

Erst als ihre Schwester Lone bei einem ...

Beruf als Bankkauffrau und ihre getroffenen Entscheidungen. Und kommt dabei immer mehr auch dem ihrer Schwester auf die Spur. Welches Leben ist nun das richtige?

Erst als ihre Schwester Lone bei einem Unfall mit einem Traktor kollidiert und im Krankenhaus ins Koma versetzt wird, beginnt Iulia auch ihr eigenes Leben in Frage zu stellen. Wie hat sie sich so weit von ihrer Schwester entfernen können und ist sie selbst glücklich mit dem, was sie tut. Besonders drängend werden die Fragen, als Iulia beginnt, die Frauen von Lone zu besuchen, die sie zuletzt als Hebamme betreut hat. Durch die Gespräche mit ihnen, lernt sie Lone erst wirklich kennen und hinterfragt ihre eigenen, ganz persönlichen Lebensentscheidungen. Iulia kommt aus schwierigen Familienverhältnissen, hat keinen Kontakt mehr zu ihrer leiblichen Mutter, die sie und ihren Vater für eine andere Familie verließ. Bei Monika haben beide schließlich neuen Halt gefunden und sie zusätzlich eine Schwester und einen Bruder.

Der dramatische Unfall ihrer Schwester stellt das Leben von Iulia auf den Kopf und lässt Risse erkennen, die sie zuvor nicht wahrgenommen hat. Das was selbstverständlich und richtig erschien, erscheint nun im neuen Licht und wird neu bewertet. Sicher geglaubtes steht plötzlich auf wackeligem Boden. Lone, die wohl die wichtigste Bezugsperson für Iulia war, wird ihr immer fremder. Als sie die Schwangeren und frisch gebackenen Mütter kennen lernt, die von Lone unterstützt wurden, beginnt sie ihre Schwester mit neuen Augen zu betrachten und Mareike Krügel erzählt keine neue Geschichte, hat aber einen ganz eigenen Stil. Die Liebe zur eigenen Schwester als auch dem Beruf der Hebamme verleiht sie in ihrem Roman viel Ausdruck.

Abschließend und aus persönlicher Sicht gesehen liegt mir der sehr nüchterne Erzählstil von Mareike Krügel einfach nicht. Die Intensität der Handlung und die Idee gefallen mir, während ich ihren schwarzen Humor etwas schräg finde. Auch wirkte manches abstrus, so beispielsweise der Verlauf der Gespräche mit den werdenden Müttern oder auch die Ehe zwischen der Protagonistin und ihrem Mann, die am Ende der Geschichte völlig unerwartet einen neuen Verlauf nimmt. Ich bin sicher, dass viele Leser:innen ihre Freude mit dem Roman haben werden, mir waren Figuren und Handlung durchweg fern.

Erzählt wird eine lebensnahe und tragische Geschichte zweier Schwestern, die mich aufgrund des sehr sachlichen Erzählstils und nicht immer nachvollziehbarer Handlungen nicht berühren konnte.

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