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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2023

Von Liebe, Verlust und dem Versuch Loszulassen

Und plötzlich warst du fort
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In einer kleinen amerikanischen Stadt der 90er-Jahre lebt die 13-jährige Sally zusammen mit ihren Eltern und der großen Schwester Kathy, die sie liebt und vergöttert und insgeheim auch für Kathys Freund ...

In einer kleinen amerikanischen Stadt der 90er-Jahre lebt die 13-jährige Sally zusammen mit ihren Eltern und der großen Schwester Kathy, die sie liebt und vergöttert und insgeheim auch für Kathys Freund und Draufgänger Billy schwärmt. Nachdem Kathy bei einem tragischen Unfall verunglückt, bleibt Sally ratlos und einsam zurück. Durch nächtliche Chats und Telefonate entwickelt sich zwischen ihr und Billy eine zarte Freundschaft, die auch der Zeit zu trotzen scheint, aber nie mehr sein darf.

Sprachlich findet man einen guten Einstieg in den Roman und reist zusammen mit Sally durch die Zeit und komische, traurige und lustige Erinnerungen und versucht Abschied von der großen Schwester zu nehmen. Gewöhnungsbedürftig ist zunächst das Fehlen der klassischen Kapitelaufteilung, die vier Abschnitte sind jeweils sehr lang, thematisch und zeitlich aber mehr oder weniger klar abgegrenzt. Schön umgesetzt ist dabei das sprachliche "Erwachsen werden" der Ich-Erzählerin in diesem etwas anderen Coming-of-Age-Roman. Espach versucht auf eine federleichte Art und Weise doch so schwere Themen wie Verlust, Schuld, Sehnsucht, Neuanfänge und die Macht der Liebe aufzugreifen, wobei Sally zu sehr in der Vergangenheit und im Schatten ihrer Schwester zu leben scheint und auch über die Jahre hinweg immer wieder in die alten Muster fällt und so doch recht wenig persönliche Entwicklung durchmacht. Im Gegensatz dazu sind die Auseinandersetzung mit Billys inneren Dämonen und auch der Kampf der Eltern mit dem Verlust der Tochter dabei sehr roh und schmerzvoll dargestellt.

Insgesamt konnte mich "Und plötzlich warst du fort" nicht vollends überzeugen, sprachlich zwar sehr kunstvoll, konnte mich der Verlauf und insbesondere das Ende nicht richtig abholen. Anstelle einer emotionalen Achterbahn liegt über dem Roman eine unangenehme Schwere ohne eine abschließende und so dringlich notwendige Katharsis.

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Veröffentlicht am 20.11.2023

Kann Liebe das Vergessen überwinden?

The Beautiful Fall - Die vollkommen irritierende Kettenreaktion der Liebe
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Robert führt ein einsames, zurückgezogenes Leben, aufgrund seiner periodischen Amnesie vergisst er alle 179 Tage seine gesamte Vergangenheit und versucht durch ein akribisch geführtes Tagebuch, Briefe ...

Robert führt ein einsames, zurückgezogenes Leben, aufgrund seiner periodischen Amnesie vergisst er alle 179 Tage seine gesamte Vergangenheit und versucht durch ein akribisch geführtes Tagebuch, Briefe und nicht zuletzt seine Dominostein-Mission wenigstens ein Fünkchen Erinnerung an sein Ich zu behalten. Doch als er nur 12 Tage vor seinem nächsten Vergessen auf die quirlige Julie trifft, zu der sich von Anfang an angezogen fühlt, drohen seine Dominosteine eines nach dem anderen zu fallen...

Der Plot ist originell und entwickelt sich im Verlauf mehrfach sehr unerwartet und einfallsreich, immer wieder stößt man auf tiefgehende Fragen und Gedanken, die einen innehalten lassen. Man merkt an vielen Stellen Breakeys philosophischen Hintergrund, besonders spannend fand ich, dass der Autor tatsächlich seit 1995 an der Geschichte gearbeitet und diese entwickelt hat. Sprachlich ist der Roman in der gelungenen deutschen Übersetzung sehr angenehm und unkompliziert geschrieben, man kommt schnell durch die 288 Seiten und fühlt sich stets gut unterhalten.

"The Beautiful Fall" ist keine RomCom, wie man sie nach dem Klapptext und dem bunten Cover erwarten würde und genau deswegen eine schöne und unerwartete Leseerfahrung.

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Veröffentlicht am 20.11.2023

Postapokalyptisches Grauen

Ein Fluss so rot und schwarz
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Durch einen lauten Knall wachen sechs Fremde ohne jegliche Erinnerung, dafür aber mit jeder Menge Waffen, merkwürdigen OP-Narben und eintätowierten Namen berühmter Schriftsteller auf einem Schiff in unbekannten ...

Durch einen lauten Knall wachen sechs Fremde ohne jegliche Erinnerung, dafür aber mit jeder Menge Waffen, merkwürdigen OP-Narben und eintätowierten Namen berühmter Schriftsteller auf einem Schiff in unbekannten Gewässern auf. Stück für Stück setzt die bunt zusammengewürfelte Gruppe den Grund ihrer Mission zusammen und muss mit Schrecken feststellen, dass die Welt anders als erwartet ist.

Genau wie die Figuren, hat man auch als Leser viele Fragen und erforscht mit dem Club der toten Dichter die erschreckend schöne, neue Welt. Wer ist Feind, wer ist Freund und was haben die markerschütternden Schreie im Nebel zu bedeuten? Der Schreibstil ist sehr fließend und unkompliziert, man ist schnell angefixt und kann das Buch kaum aus der Hand legen. Der Autor schafft es die ganze Zeit über die Spannung hoch zu halten, wobei die Wendungen zum Ende hin ruhig etwas überraschender hätten sein können.

"Ein Fluss so rot und schwarz" ist ein kurzweiliger, spannungsgeladener Endzeit-Thriller, der nicht nur für Genre-Fans aufregende Lesestunden bieten kann.

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Veröffentlicht am 20.11.2023

Eine bewegende Zugfahrt

Endstation Malma
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Eine Zugfahrt durch das sommerliche Schweden, mehrere Figuren, über drei Zeitstränge miteinander verbunden, in ihren eigenen Problemen, Erinnerungen und Lügen gefangen, unfähig nach vorne zu schauen und ...

Eine Zugfahrt durch das sommerliche Schweden, mehrere Figuren, über drei Zeitstränge miteinander verbunden, in ihren eigenen Problemen, Erinnerungen und Lügen gefangen, unfähig nach vorne zu schauen und die große Frage, was sie an der Endstation erwarten wird.

Stück für Stück fügt sich eine über viele Jahrzehnte andauernde Geschichte zusammen, in welcher man die drei Protagonisten Harriet, Oskar und Yana aus verschiedensten Perspektiven kennen, lieben, bedauern und auch verabscheuen lernt. Sprachlich hoch emotional und brutal ehrlich, überzeugt Schulman von der ersten Seite an und bricht mit diesem schrecklich schönen Roman dem Leser immer wieder das Herz. Man leidet mit jeder einzelnen Figur mit und kann beim Lesen die allgegenwärtige Schwere, Trauer und Einsamkeit förmlich greifen. Schulman schafft es erstaunlich präzise und schmerzhaft mit vielen seiner Aussagen zu Beziehungskrisen, komplizierten Eltern-Kind-Beziehungen und nicht zuletzt lähmenden psychischen Erkrankungen den Nagel auf dem Kopf zu treffen.

"Endstation Malma" hat mich umgehauen und zutiefst berührt. Sind wir dazu verdammt die Leben und Fehler unserer Eltern immer wieder auf Neue zu durchleben oder gibt es einen Funken Hoffnung auf die eigene, persönliche Freiheit? Dieser gewaltig wortstarke und bewegende Roman zählt definitiv zu meinen Jahreshighlights und hat mir große Lust auf die weiteren Werke des Autors gemacht.

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Veröffentlicht am 20.11.2023

Unterhaltsam aber wenig anwendbar

Das Mosaik meines Lebens
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Um wieder zu sich selbst zu finden, reist die Protagonistin Lisa auf der Suche nach Antworten in die Ferne zu alten Kindheitserinnerungen. Schon lange fühlt sie sich im Leben wie ohnmächtig und sehnt sich ...

Um wieder zu sich selbst zu finden, reist die Protagonistin Lisa auf der Suche nach Antworten in die Ferne zu alten Kindheitserinnerungen. Schon lange fühlt sie sich im Leben wie ohnmächtig und sehnt sich nach Veränderung, wird dabei aber auch von nagenden Schuldgefühlen und Zweifeln geplagt. In einem kleinen griechischen Dorf trifft sie nicht nur auf eine alte Freundin, sondern lernt mithilfe eines Mosaiks ihre verschiedenen Ichs in Form von starken, ängstlichen, liebenden und inspirierenden Frauen kennen.

Sprachlich schafft es Wiebusch glasklar und greifbar die widersprüchliche Gefühlswelt in Worten einzufangen und die Geschichte in dem sommerlichen Urlaubssetting sehr spielerisch und leicht darzustellen. Man fliegt durch die Seiten und findet sich in vielen Gedanken und Ängsten der Protagonistin wieder. Das Konzept der Archetypen als Ausprägungen der eigenen Persönlichkeitsanteile ist mit vielen Bildern und Beispielen verständlich und nachvollziehbar gezeichnet und ich habe beim Lesen oft überlegt, welche Archetypen in meinem Leben eigentlich dominieren. Das Bild der Kommunikation und zwischenmenschlichen Interaktion als Tanz war für mich persönlich die absolute Lieblingspassage und eine schöne und treffende Metapher.

Wiebusch greift tief in den psychotherapeutischen Werkzeugkasten und stellt im Roman basale Aspekte der Emotionswahrnehmung, Kommunikationsgrundlagen und Streitkultur, negative Glaubenssätze sowie rudimentäre Atem- und Achtsamkeitsübungen vor. Dadurch, dass diese in den Lauf der Geschichte eingebaut sind, ist die Darstellung leider oft unsystematisch und oberflächlich. Kritisch fand ich zudem die überwiegend weibliche Fokussierung. In einer modernen Gesellschaft mit fließenden Genderdefinitionen, der Abwendung vom konservativen Bild der "starken und schwachen" Geschlechter und mehr emotionaler Freiheit für Männer, Frauen und alle dazwischen und außerhalb, hätte ich mehr Geschlechterneutralität, als einen Nebensatz erwartet. Da sich der Roman und die Erkenntnisse der Protagonistin innerhalb eines Tages in einem alltagsfremden Schutzraum abspielen, fehlt letztendlich auch die Anwendbarkeit und Reproduzierbarkeit. Es wird zwar erwähnt, dass die Romanfigur sich oft mit den Archetypen auseinandersetzen wird, lässt es aber offen, wie erfolgreich dies in dem Alltagswahnsinn möglich ist. Jede Art von Psychotherapie und Selbstreflexion ist mit viel harter und langer Arbeit, Rückschritten und Neuanfängen verbunden und ist leider nicht innerhalb einer Urlaubsnacht möglich.

"Das Mosaik meines Lebens" ist kein typischer Selbsthilfe-Ratgeber, welcher zum systematischen Nachschlagen und Anwenden genutzt werden kann, sondern eher ein kleiner Einblick in die Welt der Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit, in welchem zwischen den Zeilen versteckt, Denkanstöße zur Selbstreflexion liegen, ohne letztendlich konkrete Lösungen zu bieten. Der Roman war unterhaltsam und kurzweilig, für mich jedoch leider zu oberflächlich ohne nachhaltige Impulse.

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