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Veröffentlicht am 19.02.2023

Hammer Buch!

Young Mungo
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TW: Häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe an Minderjährigen, Alkoholmissbrauch!

Kennt ihr das auch?
Ihr wollt ein Buch lesen, aber ihr könnt es nicht. Das Buch ist so spannend, nein brutal, es schärft ...

TW: Häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe an Minderjährigen, Alkoholmissbrauch!

Kennt ihr das auch?
Ihr wollt ein Buch lesen, aber ihr könnt es nicht. Das Buch ist so spannend, nein brutal, es schärft alle deine Sinne und es wühlt dich komplett auf, es macht dich hibbelig und fertig. Also steht man auf, läuft im Wohnzimmer herum und weiss, dass man durch die Passage muss - sie einfach weiterlesen muss. Das Buch ist bereits geschrieben, es ist zu spät, man kann es nicht umschreiben - ich kann ihm nicht mehr helfen.
Also weiter geht es, nächster Versuch: Man quält sich, sie tun ihm weh - hier hilft nur noch ein Stückchen Schokolade um es erträglicher zu machen!
Oh man, zuletzt hat mich 'Ein wenig Leben‘ von Hanya Yanagihara so aufgewühlt, so umgehauen, aber dieses Mal heisst er nicht Jude, sondern …

YOUNG MUNGO
von Douglas Stuart

Mungo ist 15 Jahre alt und lebt mit seiner alkoholkranken Mutter und seiner älteren Schwester in Glasgow. Sein älterer Bruder Hamish, der eigentlich selbst noch ein Kind war, als er Vater wurde, ist bereits ausgezogen. Er ist der Anführer der hiesigen protestantischen Jungs-Bande im Mietskasernen-Ghetto, die sich immer trifft, um den Katholiken eine kräftige Abreibung zu verpassen (bewusst untertrieben).
Mungo ist anders als die anderen Jungs: zart, liebevoll und er mag Jungs und somit ist er für Hamish und den anderen Jungs das perfekte Opfer.
Nur seiner Schwester Jodie erzählt er die Wahrheit. Wahrscheinlich würde er sich auch seiner Mutter, Mo-Maw, anvertrauen, aber diese kämpft mit ihren eigenen Dämonen. Der Alkohol lässt sie ein anderes Gesicht bekommen und wenn sie jemanden kennenlernt, verschwindet sie eh für Wochen oder Monate, bis der jeweilige Freund sie wieder abserviert und sie vor die Tür setzt.
Mungo möchte es allen recht machen, keinen verletzen und als er James Jamieson, der die selben Neigungen hat wie er, kennenlernt, wird ihm genau das zum Verhängnis.

Keine Liebesgeschichte. Punkt.

Ein Buch, was trauriger nicht sein könnte. Eins, das die traurige und verzweifelte Geschichte eines jungen homosexuellen Mannes aufzeigt, zu einer Zeit, in der die Gesellschaft nicht reif war für Menschen mit Neigungen zum gleichen Geschlecht.
Außerdem wird hervorragend die Verzweiflung der Arbeitslosen, Alleinerziehenden und den vielen Geschiedenen, in den 90er Jahren in Glasgow, vom Autor herausgearbeitet.

Der Einstieg ins Buch viel mir nicht ganz einfach und als mir dann die vielen Parallelen zu Stuarts vorherigem Buch 'Shuggie Bain’ auffielen, war ich erst enttäuscht. Aber die Enttäuschung hielt nicht lange vor, den Young Mungo entpuppt sich schnell als eine ganz andere Geschichte.
Absolute Leseempfehlung
5+/ 5

Aus dem Englischen ins Deutsche von Sophie Zeitz.

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Veröffentlicht am 18.02.2023

Eine weitere traurige Geschichte

Isidor
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ISIDOR - Ein jüdisches Leben
Shelly Kupferberg

"Sein Name war Isidor. Oder Innozenz. Oder Ignaz. Eigentlich aber hiesst er Israel. Doch dieser Name war zu verräterisch […].“ (S.7)

Shelly Kupferberg erzählt ...

ISIDOR - Ein jüdisches Leben
Shelly Kupferberg

"Sein Name war Isidor. Oder Innozenz. Oder Ignaz. Eigentlich aber hiesst er Israel. Doch dieser Name war zu verräterisch […].“ (S.7)

Shelly Kupferberg erzählt uns nicht nur die Geschichte ihres Großonkels Isidor, dem jüdischen, sturen und eigensinnigen Lebemann, dem Dandy, Kunstliebhaber, Emporkömmling, Exzentriker, dem Multimillionär, der von Zeit zu Zeit ein Hochstapler war, sondern auch von Isidors Familie; seinen Geschwistern, Brüdern, Schwestern, Neffen und Nichten. Er war der Mann, der die Familienmitglieder unterstützte. Er war überhaupt eine Stütze der Wiener Gesellschaft.
Niemals hätte er gedacht, dass die Nazis ihm, bei seinem Reichtum, Wohlstand und Stellung, etwas anhaben könnten. Doch er hatte sich geirrt.
Ein jüdisches Leben, eine weitere traurige Geschichte.

Shelly Kupferberg hat ohne Zweifel gut recherchiert. Sachlich, nüchtern und chronologisch ist ihr Schreibstil. Doch irgendwas fehlte mir - trotz des grausigen Schauplatzes, vermag es die Autorin nicht, mich emotional zu berühren. Vielleicht, weil mir Isidor bis zum Schluss fremd blieb oder hatte ich zu große Erwartungen an das Buch, das hier hoch gelobt wurde? Oder war es doch der sachliche Stil? Wie dem auch sei, eine gute und interessante Unterhaltung war es allemal.

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Veröffentlicht am 16.02.2023

Traurige Geschichte

Kukolka
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TW: Gewalt und sexuelle Übergriffe an Minderjährigen, Drogenmissbrauch

KUKOLKA
Lana Lux

Ukraine, in den 90er Jahren: Die 7-jährige Samira wächst in einem Waisenhaus unter härtesten Bedingungen auf. Wer ...

TW: Gewalt und sexuelle Übergriffe an Minderjährigen, Drogenmissbrauch

KUKOLKA
Lana Lux

Ukraine, in den 90er Jahren: Die 7-jährige Samira wächst in einem Waisenhaus unter härtesten Bedingungen auf. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird hart bestraft. Zuneigung oder Liebe gibt es keine.
Als ihre einzige Freundin Marina von einer deutschen Familie adoptiert wird und diese ihr ein paar Wochen später ein Paket aus Deutschland mit einer echten Barbie schickt, wird „Deutschland“ für die kleine Samira der Strohalm, der sie die nächsten Jahre über Wasser halten wird. Eines Tages möchte sie in diesem Land leben!

In einer Nacht, als Samira wieder einmal bestraft wird und nicht schlafen darf, reißt sie aus dem Waisenhaus aus. Sie möchte einen Bus nach Deutschland nehmen. Aber dieses Unterfangen stellt sich für eine 9-Jährige, ohne Geld und Pass, als schwierig heraus.
Während sie die nächsten Tage am Bahnhof rumlungert, lernt sie einen Mann namens Rocky kennen. Dieser verspricht ihr das Busticket nach Deutschland zu bezahlen, wenn sie ihn nach Hause begleitet und ihm dort einen Gefallen erweist …

Lana Lux hat ein ergreifendes Buch geschrieben, einen Pageturner, der brutaler nicht sein könnte. Von der ersten Seite an habe ich mit Samira gelitten, mich nach einem Happy End gesehnt. Die Sprache ist oft derb.
Am meisten schockiert mich, dass dieses Buch eine Geschichte erzählt, die bestimmt unzählige Male auf der Welt stattfindet - wahrscheinlich sogar gerade jetzt in diesem Lesemoment - wir aber in einer Parallelwelt sitzen und nichts dagegen ausrichten können.

Fazit: 💔
Dieses Buch hat mich sehr berührt und wird mit Sicherheit in meine #highlights2023 einziehen.

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Ehrliches Buch

Dry
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TW: Alkoholmissbrauch

DRY
Christine Koschmieder
gelesen von der Autorin

''Der Alkoholiker, das ist doch bitte der, der vom Stuhl kippt, torkelt, das Gleichgewicht nicht halten kann, Gläser umschmeißt, ...

TW: Alkoholmissbrauch

DRY
Christine Koschmieder
gelesen von der Autorin

''Der Alkoholiker, das ist doch bitte der, der vom Stuhl kippt, torkelt, das Gleichgewicht nicht halten kann, Gläser umschmeißt, ausfällig wird, mit rotgeäderten Gesicht auf der Parkbank rumhängt, sein Leben nicht in den Griff kriegt. Alkoholiker, das sind diejenigen, die sichtbar ein Problem haben, dem alle anderen ausweichen können.
Nur das mein Problem nicht die Sichtbarkeit ist. Das die bei mir nicht vorhanden ist, sagt nämlich weniger über mein vermeintlich nicht vorhandenes Suchtproblem aus, als mehr über das fehlende Wissen über Sucht und ihre Erscheinungsform. Wenn eine Abhängigkeit sich nicht an Menge, Häufigkeit oder Regelmässigkeit des Alkoholkonsums festmachen lässt und schon gar nicht an seiner Auffälligkeit, weil er viel hinterlistigere Schäden anrichtet. Schäden, die sich oft erst Jahre später zeigen, die viel mit Ehrlichkeit und Beziehungsgestaltung und Vertrauen und Verlässlichkeit und Bindungsfähigkeit zu tun haben. Dinge, die weiter gereicht werden in Partnerschaften und in Familien an Karl, Tilly und Olek, die ich viel zu selten gefragt habe, wie ihr Tag war …’’ (Section 80)

Christine Koschmieder erzählt hier ihre Geschichte: Von ihrer Jugend, diversen Umzügen, von der Scheidung ihrer Eltern, Episoden über die rechthaberische und alkoholkranke Mutter, wie sie ihre drei Kinder von drei Männern bekam, ihr Mann den Kampf mit dem Krebs verlor und zwischendurch wird getrunken, hier und dort, mal mehr und mal weniger. Doch die Lage Zuhause spitzt sich zu: Immer öfter ist Christine überfordert, mag nicht um Hilfe bitten, bekommt trotzdem irgendwie alles geregelt, doch die Kinder haben Angst etwas Falsches am Tisch zu sagen oder ihr die falsche Antwort zu geben, so wird besser am Tisch geschwiegen, damit Mutter nicht gleich wieder ausflippt.
Am Ende weist sich Christine in eine Suchtklinik ein.

Nicht immer war mir Christine sympathisch, zu oft hat mich ihre Geschichte an ‚Die Legende von Paul und Paula‘ erinnert.
Dennoch: Ein ehrliches Buch, das mich doch ab und zu zur Selbstreflexion animiert hat. Eine interessante Geschichte von einer starken Frau, die den Mut hatte sich als Alkoholikerin zu bekennen. Hochachtung von mir.

Lese-/Hörempfehlung von mir, aber heute keine Mäusebewertung, da ich das Leben eines anderen Menschen nicht bewerten möchte.

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Veröffentlicht am 04.02.2023

Lebe Jetzt!

Die Liebe an miesen Tagen
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Die Liebe an miesen Tagen
Ewald Arenz

Die Fotografin Clara lebt seit dem Tod ihres Mannes allein. Nicht das die Beziehung zu ihm, damals vor 10 Jahren, sonderlich gut war, doch einen Ehemann, der die ...

Die Liebe an miesen Tagen
Ewald Arenz

Die Fotografin Clara lebt seit dem Tod ihres Mannes allein. Nicht das die Beziehung zu ihm, damals vor 10 Jahren, sonderlich gut war, doch einen Ehemann, der die niederschmetternde Diagnose ‚Magenkrebs im Endstadium‘ bekommt, verlässt man nicht.
Nun ist sie bereits zu lange allein, wagt keinen Neuanfang, will keinen anderen Mann treffen oder jemanden in ihre Wohnung lassen.
Doch an dem Tag als sie ihr kleines, ehemalig gemeinsames Haus endlich verkaufen will, steht er vor ihr: Gut aussehend, um einiges jünger als sie und mit einer hübschen Freundin an seiner Seite. Doch es liegt sofort ein Zauber zwischen ihnen und er geht ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf.

Der Schauspieler Elias weiß schon seit einigen Monaten, nein eigentlich von Beginn an, dass er Vera nicht liebt. Er steckt in einem anderen Leben fest. Möchte Vera verlassen, aber kann sich nicht trennen, zu bequem und nie ist es der richtige Zeitpunkt für eine Trennung. Als Vera ihm vorschlägt ein Haus, das zum Verkauf steht, gemeinsam zu besichtigen, wehrt er sich nur bedingt gegen diesen vollkommen überflüssigen Besichtigungstermin, denn sie haben keine Kaufabsichten. Doch als er der Besitzerin des Hauses gegenübersteht, weiß er sofort, dass sie die Liebe seines Lebens ist.

Wer jetzt an dieser Stelle denkt, dass eine wahnsinnige romantische Geschichte folgt, den muss ich leider enttäuschen. Was zu Beginn noch liebevoll und romantisch beginnt, wird schnell auf eine harte Belastungsprobe gestellt.

Die Geschichte wird im Wechsel aus der Perspektive von Clara und Elias erzählt.

Ein wunderschönes Buch! Ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Arenz kann schreiben, das wissen wir bereits seit den Büchern ‚Alte Sorten‘ und ‚Der große Sommer‘. Es sind die kleinen Dinge, die der Autor so gefühlvoll, zauberhaft und detailliert beschreibt. Egal ob es eine Stimmung, das Wetter, die Landschaft oder eine durchgefeierte Nacht ist - Arenz gibt uns das Gefühl dabei zu sein, die selbe klare Luft zu atmen, die Schleierwolken am Himmel zu sehen und mit auf der Party zu tanzen. Er lässt uns teilhaben und gibt uns die deutliche Message LIEBE UND LEBE JETZT, IM HIER!
Von mir gibt es eine große Leseempfehlung!

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