Profilbild von Lesemaus-Hamburg

Lesemaus-Hamburg

Lesejury Star
offline

Lesemaus-Hamburg ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lesemaus-Hamburg über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.09.2022

Starker Anfang, schwaches Ende

Auf See
0

Yada wächst in einer nicht explizit genannten Zukunft, auf einer schwimmenden Seestatt in der Ostsee, auf. Ihr Vater hat die wabenförmige Insel einst erbaut, um sich und andere vor der chaotischen und ...

Yada wächst in einer nicht explizit genannten Zukunft, auf einer schwimmenden Seestatt in der Ostsee, auf. Ihr Vater hat die wabenförmige Insel einst erbaut, um sich und andere vor der chaotischen und untergehenden Welt zu retten.
Ihr Tagesplan ist straff: Online wird sie vormittags von den besten Lehrern unterrichtet, am Nachmittag folgen Sport und dann wieder Unterricht, bis sich das Licht automatisch um 21 Uhr ausschaltet.
Yada ist alleine. Sie hat weder Zugang zum Internet, noch Freunde. Ihre Mutter starb an einer rätselhaften Krankheit und ihr Vater ist viel auf Reisen.

Eines Tages erfährt sie, dass die Angestellten auf dem Angestelltenboot gar nicht freiwillig auf der Seestatt sind. Als ihr Vater wieder auf Reisen ist, sucht sie auf seinem Computer nach Antworten und findet mehr als diese.

Helen ist Künstlerin und Anführerin einer Sekte, dessen Gründung sie eigentlich nie bewusst im Visier hatte - aus Spass hat sie nämlich ein Orakel vorhergesagt und dieses in YouTube gepostet. Als diese Vorhersagen nacheinander wirklich eintrafen, wurde sie von immer mehr Leuten als eine „Wissende“ angesehen.


In mehreren Erzählsträngen und in einem angenehmen und anspruchsvollen Schreibstil erzählt Theresia Enzenberger ihre Dystopie:
- Yada, eine Coming-of-Age-Geschichte
- Helena
- Ein sogenanntes Archiv, wo historische Geschehnisse erzählt werden
- Zu einem späteren Zeitpunkt: Yada und Helena gemeinsam


Währen mich zu Beginn die Handlung und der Handlungsort, besonders der von Yada, wirklich packen konnte, so liess mein Interesse ab dem Zusammentreffen von Yada und Helena ganz plötzlich nach.
Die versprochene Dystopie blieb aus. Alles was am Anfang dramatisch wirkte, löste sich in Luft auf. Wirklich schade.

Nüchtern und eher empathielos liest die Autorin selbst ihre Geschichte. Die Stimme hätte mich bei jedem anderen Buch gestört, hier passte sie allerdings perfekt.

Leider konnte mich das Buch nicht durchgängig überzeugen.
3 /5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.09.2022

Ein gutes Buch!

Ein simpler Eingriff
0

Meret ist Krankenschwester und das mit Leib und Seele. Als eine neue Methode entwickelt wird, den meist weiblichen Patientinnen mit Hilfe eines kleinen Eingriffes die Wut zu nehmen, ist Meret die bevorzugte ...

Meret ist Krankenschwester und das mit Leib und Seele. Als eine neue Methode entwickelt wird, den meist weiblichen Patientinnen mit Hilfe eines kleinen Eingriffes die Wut zu nehmen, ist Meret die bevorzugte Assistentin des Operateurs. Mit Hilfe eines spitzen Werkzeuges bohrt der Arzt ein Loch in den Kopf, dieser Eingriff ist schmerzfrei, nur hinterher könnten kleinere Probleme auftreten. Anschliessend hat die Patientin dann keine starke Persönlichkeit mehr und fügt sich so besser in ihr neues Leben ein.

Während Meret zu Beginn noch an diese neue Technik glaubt, kommen ihr im Laufe der Geschichte immer mehr Zweifel …

Gleichzeitig verliebt sich Meret in ihre Kollegin Sarah. Eine Liebesgeschichte beginnt, die unbedingt geheim gehalten werden muss, denn auch "so eine Störung und Neigung wie die Ihre, muss nicht unbehandelt bleiben“. (S.177 Tolino)

Ein simpler Eingriff
Yanel Inokai

Eine gute und fein erzählte literarische Geschichte.
Mich konnte dieser Roman überzeugen. Kurze Kapitel in einem schmalen Buch und auf jeden Fall zu Recht auf der #longlist2022
4/ 5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.09.2022

Tolle Familienbiografie

Verbrenn all meine Briefe
0

Verbrenn all meine Briefe
Alex Schulman

Alex Schulman hat schon immer gespürt, dass in seiner Familie eine ganz besondere grosse Wut steckt.
Erst als seine eigenen Kinder heulend vor ihm stehen und sie ...

Verbrenn all meine Briefe
Alex Schulman

Alex Schulman hat schon immer gespürt, dass in seiner Familie eine ganz besondere grosse Wut steckt.
Erst als seine eigenen Kinder heulend vor ihm stehen und sie regelrecht Angst vor ihm haben, wird ihm das bewusst.
Bei einer Familienaufstellung stellt er fest, dass alle Familienmitglieder mütterlicherseits völlig zerstritten sind. Die Ursache hierfür ist sein Großvater Sven Stolpe. Dieser war ein berühmter schwedischer Schriftsteller, hoch gelobt für seine Bücher. Doch in Wirklichkeit war er ein Tyrann, ein cholerischer Narzisst, exzentrisch, ein Mann ohne Empathie und ein Ehemann, der seine Frau beleidigt, gedemütigt und gewalttätig bedrängt hat.

Alex Schulmann beschreibt seine Geschichte in drei Erzählsträngen:

- 1932: Das Ehepaar Stolpe zieht vorübergehend in die Sigtuna-Stiftung, dort will Sven ungestört an einem Theaterstück schreiben. Die 24-jährige Karin Stolpe lernt den (noch) unbekannten Dichter Olof Lagercrantz kennen und verliebt sich in ihn. Ihre Liebe entfacht sofort, aber ihr Ehemann Sven demütigt sie vor allen Leuten und zwingt sie dazu mit ihm abzureisen.
Karin und Olof schreiben sich Briefe. Wird Karin ihren grausamen Mann verlassen?

- 1988: Der kleine Alex besucht regelmässig seine Großeltern. Er liebt die Nähe zu seiner liebevollen Oma. Seinen Großvater hingegen fürchtet er. Immer wieder bekommt der junge Alex mit, wie der Grossvater seine Frau unter Druck setzt. Eines Tages findet er Briefe in dem Schrank seiner Grossmutter. Zu spät bemerkt er, dass er einen großen Fehler machte, als er die Briefe seinem Grossvater zeigte.

- Alexander heute: Seine Großeltern sind bereits tot und er versucht alles über sie in Erfahrung zu bringen, indem er Svens Tagebücher, Bücher und Briefe, die ein gewisser Olof verfasst hat, liest, wodurch er Karins und Svens Lebenslüge aufdeckt.
Hierbei stellt er erstaunlicherweise fest, dass sich alle Bücher seines Großvaters mit nur einem Thema beschäftigen, nämlich mit dem Ehebruch seitens der Frau.

Ich habe dieses Buch wirklich gerne gelesen und mich keine Minute gelangweilt. Alex Schulman ist eine wunderbare Familienbiografie gelungen, dennoch muss ich sagen, dass es ein ganz kleines bisschen hinter meinen Erwartungen blieb, da ich sein letztes Buch so geliebt habe.
In Schweden wird dieses Buch, welches 2018 erschien, gerade verfilmt und ich kann mir einen Film zu diesem Buch sehr gut vorstellen.
Ständig hatte ich einen muffeligen Ernest Hemingway vor Augen, der hier Sven Stolpe hiess.
Leseempfehlung von mir.
4½/ 5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.09.2022

Hochbrisante Geschichte

Diese eine Entscheidung
0

Diese eine Entscheidung
Karine Tuil,
aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff


Alma ist 49 Jahre alt und hat drei Kinder, sie ist Ermittlungsrichterin in der Abteilung Terrorismusbekämpfung in Paris. ...

Diese eine Entscheidung
Karine Tuil,
aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff


Alma ist 49 Jahre alt und hat drei Kinder, sie ist Ermittlungsrichterin in der Abteilung Terrorismusbekämpfung in Paris. Sie koordiniert ein Team, bestehend aus elf Anti-Terror Richtern und Staatsanwälten. Diese Richter agieren im Verborgenen. Sie führen Ermittlungen durch, sie befragen Verdächtige und deren mutmaßliche Komplizen, sie sprechen mit den Angehörigen der Opfer. Sie erheben keine Anklage, sie befassen sich nicht mit der Schuld. Ihre Aufgabe ist die Beweiserhebung und die Klärung des Sachverhalts, sie entscheidet am Ende darüber, ob ein Verdächtiger freigelassen oder in Haft bleibt.

Der 21-jährige Abdeljalil Kacem ist gemeinsam mit seiner jungen Frau Sonia und deren Baby an der Grenze von Syrien in die Türkei festgenommen wurden. Beide haben vor über einem Jahr Frankreich verlassen, ohne ihre Familien vorab zu informieren. Angeblich wollten sie nicht mehr in einem Land der „Ungläubigen" wohnen, ihre Idee war es, in Syrien für eine humanitäre Hilfe zu arbeiten. Dem jungen Paar gefiel es aber nicht in Syrien, ''sie hätten sich das anders vorgestellt'', ''man habe sie auch räumlich voneinander getrennt''. Sie wollten sofort zurück, doch Soldaten hatten ihnen ihre Pässe abgenommen.

Rückkehrer aus Syrien werden automatisch verhaftet. Alma und ihren Kollegen obliegt es, herauszufinden, ob Kacem zu einem Krieger oder Schläfer des IS ausgebildet wurde.
Auf Kacems Handy befinden sich Videos von Enthauptungen. Vor der Ausreise aus Frankreich wurde er plötzlich extrem religiös und Sonia konvertierte zum Islam.
Die Entscheidung, ihn aus der Haft zu entlassen, ihn als ungefährlich einzustufen, könnte bei einer Fehleinschätzung für viele Menschen in Frankreich fatale Folgen haben.

Tuil schreibt ihr Buch in zwei Erzählsträngen:
- Die Befragung des Inhaftierten Kacem
- Das berufliche und persönliche Leben der Richterin Alma

Karine Tuil hat hier ein ganz besonderes Buch, mit einem hoch brisanten, zeitgenössischem Thema geschrieben. Gut recherchiert, mit viel Gefühl baut sie in den ersten Seiten den Spannungsbogen auf, der bis zum Ende nicht abbricht. Das Buch liest sich wie ein Krimi und ich interpretiere aus der Danksagung am Ende des Buches heraus, dass einiges hier in der Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht.

Dieses Buch hat den Weg zu mir nur durch einen Zufall gefunden und leider muss ich auch sagen, dass ich an dem Buch, bezüglich des eher unscheinbaren Covers, wahrscheinlich vorbeigelaufen wäre.
Ich bin jetzt doppelt froh, dass ich dieses Buch lesen durfte, denn dieses ist ein absoluter #highlight.
5+/ 5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.09.2022

Drei Schwestern

Triskele
0

Triskele
Miku Sophie Kühmel

Mone hat sich mit 64 Jahren das Leben genommen. '‘Wahrscheinlich seid ihr nicht sonderlich überrascht’', schreibt sie in ihrem Abschiedsbrief. (S.7)
Sie hinterlässt drei Mädchen ...

Triskele
Miku Sophie Kühmel

Mone hat sich mit 64 Jahren das Leben genommen. '‘Wahrscheinlich seid ihr nicht sonderlich überrascht’', schreibt sie in ihrem Abschiedsbrief. (S.7)
Sie hinterlässt drei Mädchen von drei verschiedenen Männern und eine Katze.
Jeweils 16 Jahre liegen die drei Kinder auseinander.

Die älteste Tochter Mercedes ist 48 Jahre alt, in der DDR geboren und aufgewachsen, damals waren sie ein Team: ihre revolutionäre Mutter, die selbstbewusste Omi und sie.
Als 16 Jahre später Mira zur Welt kam, fiel die Mauer gerade, doch ihre Mutter war zu der Zeit bereits krank und depressiv, so dass Mercedes jedes Wochenende von der Uni nach Hause fuhr, um sich um ihre kleine Schwester zu kümmern. Erst als diese selbständig wurde, zog sich Mercedes zurück, doch da wurde Mone ein weiteres Mal schwanger.
Matea, die jüngste Tochter, hatte es vielleicht am Schwierigsten, denn ihre Mutter lag fast immer nur im Bett und Mira zog aus, als Matea noch Windeln trug.
Jede von ihnen erlebte eine komplett andere Mutter.

Matea zieht nach dem Tode ihrer Mutter zu ihrer ältesten Schwester nach Berlin, wo auch Mira ganz in der Nähe wohnt.
Zum ersten Mal in ihrem Leben sind sich die Schwestern räumlich nah und stellen fest, dass sie sich überhaupt nicht kennen. Erzwungenermaßen müssen sie ihr Leben umstrukturieren, sich neu kennenlernen, Gespräche führen, gemachte Fehler eingestehen und Vorurteile aufarbeiten.

Die Schwestern kommen in dem Buch je drei Mal, nacheinander, in langen Kapiteln zu Wort.

Leider muss ich sagen, dass das Buch hinter meinen Erwartungen blieb.
Mir waren die Dialoge oft zu wirr und wechselhaft, ganz sicher von der Autorin genau so gewollt, aber für mich hat sich dadurch einfach nicht alles erschlossen.
Leider habe ich auch festgestellt, dass ich immer nur sektionsweise an den Geschichten interessiert war. Einige Gespräche haben mich dermassen intensiv gepackt, dass ich gerne mehr erfahren hätte. Andere Unterhaltungen fand ich einfach nur überflüssig. Für meinen Geschmack sind die Geschwister sich in diesem Buch nicht nahe genug gekommen, der Tiefgang fehlte mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere