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Veröffentlicht am 10.03.2022

Eine etwas andere Nachkriegsgeschichte

Kaiserstuhl
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Kaiserstuhl
Brigitte Glaser

1962/63 Schauplätze sind das Elsass, Den Haag und Paris:

Henny Köpfer, Kriegswitwe, hat in Freiburg nicht nur eine gut etablierte Weinhandlung, sondern auch ein Geheimnis: ...

Kaiserstuhl
Brigitte Glaser

1962/63 Schauplätze sind das Elsass, Den Haag und Paris:

Henny Köpfer, Kriegswitwe, hat in Freiburg nicht nur eine gut etablierte Weinhandlung, sondern auch ein Geheimnis: In der großen Bombennacht von 1945, während des 2. Weltkrieges, fand sie einen kleinen 3-Jährigen Jungen unter einem brennenden Baum und nahm ihn kurzerhand mit.
Ihre Schwiegermutter Kätter ist dieser Junge namens Kaspar ans Herz gewachsen, gemeinsam ziehen sie in groß, aber irgendwie haben sie immer den richtigen Moment verpasst Kaspar die Wahrheit über seine Herkunft zu erzählen.

Adenauer und de Gaulle wollen sich im Élysée-Palast zur Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrag zusammenfinden.
Paul hat einen ganz besonderen Auftrag bekommen: Er soll eine Flasche Vossinger-Champagner aus dem Jahre 1937 aus einem Versteck holen, damit Adenauer und de Gaulle mit diesem Tropfen am Tage der Vertragszeichnung anstoßen können.
Diese eine Flasche ist die Letzte von Eintausend: Die Nazis hatten alle 37er Champagner-Flaschen im Hause Vossinger in der Champagne konfisziert. Göringers Weinführer Rohl soll höchstpersönlich den Abtransport bis zum Weinkeller des Führers begleitet haben.
Doch eine Flasche fand damals den Weg in den Weinkeller der Familie Köpfer.

Dieser Vorssinger-Champagner ist heiß begehrt, denn es gibt hierzu ein Gerücht, nachdem Göring im Etikett einen Hinweis auf ein Versteck für seine Raubgüter hinterlassen hat.
Und vielleicht ist an der Geschichte etwas dran, denn nicht nur Paul sucht nach dem 37er Vossinger, sondern auch ein Freiburger Weinhändler, ehemaliger SA-Mann namens Dobler.
Als dann auch noch Kaspar verschwindet, kreuzen sich die Wege von Henny und Paul ein zweites Mal. Beim ersten Mal hatte Henny ihn am Altar stehen lassen...

Brigitte Glaser ist es hervoragend gelungen historische Fakten mit fiktiven Personen zu verbinden. Der Schreibstil ist schön und ich habe besonders den Dialekt der einzelnen Charaktere geschätzt.
Zu Beginn hatte ich allerdings Probleme die Personen zu verbinden. Erst als ich im Tolino (E-Pub) per Zufall den Stammbaum ganz hinten gefunden habe, wurden die einzelnen Verbindungen schlüssig und ab da waren die vielen Personen- und Ortswechsel kein Problem mehr.
Das Ende war mir allerdings zu sehr in die Länge gezogen.

Leseempfehlung von mir für diejenigen, die mal einen anderen Nachkriegsroman lesen möchten. 4 Sterne

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Veröffentlicht am 10.03.2022

Flashback

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
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Susanne Matthiessen
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn

Gemeint ist Sylt, teuerstes Fleckchen Deutschlands, teurer als München oder Hamburg.
Die Sylter haben schon lange ihre Schäfchen im Trockenen. ...

Susanne Matthiessen
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn

Gemeint ist Sylt, teuerstes Fleckchen Deutschlands, teurer als München oder Hamburg.
Die Sylter haben schon lange ihre Schäfchen im Trockenen. Vor Jahren haben sie alle ein Stückchen Land verkauft und zweistellige Millionenbeträge dafür erhalten. Haben investiert: der eine am Arlberg, der andere auf Mallorca. Nur ihren Gästen dürfen sie von ihrem eigenen Reichtum nichts erzählen. Das wäre unklug. Immer schön so tun, als wenn man zum Herrn Doktor aufschaut, Bodenständigkeit zeigen - das wollen die Gäste.

Susanne Matthiessen, erzählt von ihrem Leben auf der Insel als Einheimische und beginnt in den goldenen 80er Jahren und endet in der Corona Pandemie:
Es lief immer gut auf der Insel, o.k., fast immer. Es gab schon die grosse Sturmflut 1981 und das grosse Seehundsterben. Punks mischten die Gäste wahrend einer Hauptsaison auf, was diese natürlich nicht witzig fanden und es gab die „Chaos-Tage“ - aber sonst lief alles gut.
Matthiessen erzählt aus dem Nähkästchen: von ihrer besten Freundin Pfuschi, ihren Eltern, Besitzer des erfolgreichsten Pelzladens Deutschlands, von Nachbarn, Festen, Promis, Freunden und diversen anderen Geschichten.

Und was ist jetzt mit Sylt?
Leider haben sich die Sylter mit dem Verkauf ihres Baulandes auch ein wenig selbst abgeschafft. Fachkräftemangel ahoi! Da nur noch Villen und Hotels auf Sylt gebaut werden, gibt es Wohnraummangel für einfache Arbeiter. Postämter, Banken und Läden müssen schliessen. Aber auch der Klimawandel bedroht Sylt.
Vielleicht sollte ich doch noch mal schnell einen Urlaub auf Sylt buchen - die nächste Sturmflut kommt bestimmt!

Ein Buch, was Lust auf Sylturlaub macht. Es liest sich einfach, flüssig und leicht. Einfach eine schöne Geschichte. Diverse Male habe ich Herrn Google zu Personen (siehe Bild 2 - Hanna Schygulla :) und Orten befragt.
Eine Leseempfehlung nicht nur für Sylt-Fans.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 10.03.2022

Kein leichter Posten

Die Diplomatin
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Die Diplomatin
Lucy Fricke

Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass ich Diplomaten immer sehr speziell finde? (Entschuldigung an die Diplomaten an dieser Stelle).
Auch wenn ihr jetzt denkt: Na so ...

Die Diplomatin
Lucy Fricke

Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass ich Diplomaten immer sehr speziell finde? (Entschuldigung an die Diplomaten an dieser Stelle).
Auch wenn ihr jetzt denkt: Na so viele wirst du ja nicht kennen… liegt ihr leider falsch. Ich lebe seit 22 Jahren in Thailand und habe viele Diplomaten kennengelernt. Es bedingt einer speziellen Profession und erfordert besondere Charakteristika, um den täglichen Herausforderungen gerecht zu werden.

Vielleicht kann die Protagonistin Frederike, von allen nur Fred genannt, mich doch eines Besseren belehren?!

Seit sechs Wochen ist Fred in Montevideo auf Posten. Die Konsulin ist eine Frau, die selbst gerne anpackt, gradlinig ist und sich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen lässt.
Als eine junge Frau von deren Mutter, Elke Büscher, eine bekannte Zeitungsherausgeberin, als vermisst angezeigt wird, lässt Fred die Ermittlungen eher langsam angehen, denn schlussendlich hat die Mutter ihre Tochter nur als vermisst gemeldet, weil sie seit 24 Stunden nichts mehr auf Instagram gepostet hat.
Später wird Fred ihr Zögern vorgeworfen und somit zum Verhängnis, sie wird zurück nach Bonn zitiert und strafversetzt.

Ein Jahr später bekommt Fred eine Neue Chance in Istanbul.

Meral, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, wurde verhaftet und sitzt im Gefängnis ein, weil sie kurdische Künstlerinnen und politisch Verfolgte unterstützt hat.
Als ihr deutsch/kurdischer Sohn Baris, den man davon abgeraten hat in die Türkei zu reisen, eintrifft und vom Geheimdienst festgenommen wird, verstrickt sich Fred tief in die Machenschaften des türkischen Geheimdienstes, was sie wiederum mitten in die komplizierten diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland katapultiert.

Es geht um die Rechte in einer Demokratie, wie Freiheit und freie Meinungsäußerung ,um das, was für uns Deutsche so selbstverständlich ist.

Die Diplomatin gefiel mir wirklich sehr gut, das muss ich sagen. Fred war mir sehr sympathisch und ich mochte ihren trockenen, leicht zynischen Humor. Ganz besonders haben mir die Dialoge zwischen ihr und ihren Kollegen gefallen.
Das Buch liest sich wahnsinnig schnell und leicht. Es sind kurze Kapitel und es war mir eigentlich viel zu schnell zu Ende.
Eine grosse Leseempfehlung von mir und vielleicht ändere ich jetzt noch mal meine Meinung über Diplomaten.
4½ Sterne

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Kann ein Loser auch zum Helden werden?

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Maxim Leo
Sprecher: Peter Kurt

Michael Hartung ist ein Loser, ambitionslos und ein Nichtstuer, aber er geniesst das herrliche Nichts, indem er stundenlang in seiner ...

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Maxim Leo
Sprecher: Peter Kurt

Michael Hartung ist ein Loser, ambitionslos und ein Nichtstuer, aber er geniesst das herrliche Nichts, indem er stundenlang in seiner Videothek sitzt und in die Gegend starrt. Kundschaft bleibt seit langem aus, aber auch das würde ihn nicht stören, wenn das Geld nicht auch gleichzeitig ausbliebe.
Er hatte kein Glück im Leben: Nach dem Mauerfall ist er in den Westen gezogen, Frau und Tochter haben ihn verlassen und beruflich hat er mit der Videothek auch aufs falsche Pferd gesetzt.
Wovon jetzt also die Ladenmiete bezahlen?

Sein Leben verändert sich schlagartig, als der Journalist Alexander Landmannn seinen Laden betritt.
Dieser recherchiert über eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR, bei der 127 Menschen in einem S-Bahnzug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen gelangten. Landmann hat Stasi-Akten entdeckt, aus denen hervorgeht, dass Hartung, der früher Stellwerksmeister am Bahnhof Friedrichstraße war, die Weiche so umstellte, das der Zug in den Westen gelangte.

Hartung ist jedoch alles andere als ein Held und die Weiche hat er damals versehentlich zerbrochen und nicht absichtlich umgestellt.
Das große Geld lockt und Landmann braucht dringend eine gute Story - warum also nicht die Geschichte ein wenig verändern und ausschmücken?
Hartung wird über Nacht zum Held. Tritt in Shows auf und erzählt jedem, der es hören möchte, seine erfundene Geschichte.
Das geht genau so lange gut, bis er Paula, die damals mit ihren Eltern in dem besagten Zug saß, trifft.
Frage: Bleibt der Loser am Ende der Loser oder kann ein Loser auch zum Helden werden?

Maxim Leo hat hier ein wunderbares, humorvolles Buch mit Tiefgang geschrieben. Er weist auf die noch immer komplizierte Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschland hin.
Den einsamen Protagonisten Hartung kann man mit seiner bescheidenen Art einfach nur ins Herz schliessen und ihm deshalb die eine oder andere „Umgestaltung der Wahrheit“ verzeihen.

Auf jeden Fall muss auch der Sprecher des Hörbuchs hier erwähnt werden: Peter Kurt mit seiner unverwechselbaren Stimme wusste dieses großartige Buch zu verfeinern.
Grosse Lese/Hörempfehlung von mir.
4½ Sterne

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Wichtiges Thema

Die Kinder sind Könige
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Mit ihrem neusten Roman zeigt uns Delphine de Vigan wieder auf, was für eine begnadete und facettenreiche Autorin sie ist.

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige

Mélanie wollte immer ein Reality-Star ...

Mit ihrem neusten Roman zeigt uns Delphine de Vigan wieder auf, was für eine begnadete und facettenreiche Autorin sie ist.

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige

Mélanie wollte immer ein Reality-Star sein, doch ihre einzige Chance konnte sie als Jugendliche nicht nutzen.
Nach der Geburt ihrer zwei Kinder wird aus Mélanie eine bekannte Youtuberin mit Millionen von Followern. Alles was die Kinder machen, jedes Essen, unboxing (Auspacken von Päckchen, Spielzeug und Süssigkeiten) oder shoppen, wird gefilmt und auf ihren Channel gepostet. Aufgrund ihres Erfolges, hat ihr Ehemann bereits seinen Beruf aufgeben können, um seine Frau zu unterstützen.
Doch deren gemeinsame Tochter Kimmy verliert den Spaß an der Sache und ist immer unfreiwilliger dabei.

Die zweite Protagonistin in diesem Buch ist Clara, Polizisten in Paris.

Beide Frauen begegnen sich zum ersten Mal als Kimmy während eines Versteckspiels mit ihren Freunden, im Vorgarten, spurlos verschwindet…

De Vigan spricht ein super zeitgenössisches und hochexplosives Thema an: Darf man Kinder dazu benutzen selber ein YouTube Star zu werden? Und darf man in der heutigen Zeit Kinderbilder und Videos unverpixelt ins Netz stellen?
Die Nutzung privater Bilder durch Pädophilennetze ist bewiesen und trotzdem laden Tausende von Eltern täglich die Fotos ihrer Kinder ins Netz hoch.

‚Glauben sie etwa, die (Kinder) dürften sagen >>Nein, ich kann nicht mehr, ich höre auf<<, wenn die ganze Familie von den Einkünften aus Videos lebt? (…)
Ich glaube nicht, dass ein dreijähriges Kind davon träumt, YouTube-Star zu werden … Sie werden von klein auf rekrutiert wie in einer Sekte. Und die Grundregeln stehen von Anfang an fest: Ich bin YouTuber, also bin ich glücklich. Ich nenne das Totalitarismus. Mélanie Claux hat ihnen möglicherweise gesagt, dass ich ihr Feind bin. Das stimmt. Ihr Feind und der Feind aller Eltern, die ihre Kinder ausbeuten. (…)' S.108/Tolino

Und welcher Schaden entsteht eigentlich den Kindern, die diese Art von ‚Werbung‘ jeden Tag anschauen?

‚Das sind nicht nur ein paar Dutzend Kinder, das sind Hunderttausende. Big Macs futtern, Haribo-Bonbons kauen, Cola und Fanta trinken… Das stellt man ihnen als Ideal hin. Tolles Ideal, oder?‘ S109/Tolino
(Markennamen sind aus dem Buch zitiert und nur deshalb genannt)

Fazit: No futher comments needed! Super Buch! De Vigan ist und bleibt meine Lieblingsautorin

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